„Arbeitgebertage“ am Ende

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Verlagsgruppe Rentrop zieht die Reißleine: Union Busting Schulung nach massiven Protesten eingestampft

Proteste gegen „Arbeitgebertage“ in der Speicherstadt, September 2014

Jede Serie reißt irgendwann einmal. Die „8. Arbeitgebertage zum Brennpunkt Betriebsrat“, die Anfang Oktober 2015 in in Hamburg stattfinden sollten, sind offiziell abgesagt.

Im Kölner Büro der aktion./.arbeitsunrecht knallten erst einmal die Sektkorken. Unser Verein hat im vergangenen Jahr, zusammen mit anderen MitstreiterInnen, die bisher größten Proteste gegen Union-Busting-Schulungen für Unternehmer und Personalverantwortliche in Deutschland organisiert: Rund 90 Personen waren am 24. September 2014 einem Aufruf der aktion./.arbeitsunrecht sowie Hamburger Gewerkschaftern (jour-fixe, ver.di-Jugend) und linker Gruppen (PRP) gefolgt und hatten in der Hafencity lautstark gegen Personalverantwortliche und ihre juristischen Berater protestiert, die juristische Winkelzüge zur Zermürbung und Drangsalierung von Betriebsräten und „Low-Performern“ austauschen wollten.

Zunächst zeigte sich die Bonner Verlagsgruppe Norman Rentrop, zu der der Seminar-Anbieter „Praxis-Campus der deutschen Wirtschaft“ gehört, fest entschlossen, das Format trotz Gegenwind weiter zu führen und warb 2015 erneut mit Figuren wie dem Seminarleiter Mathias Kühnreich (Buse Heberer Fromm), Prof. Burkhard Boehmke (Uni Leipzig) und Hermann Heinrich Haas (Esche Schümann Commichau).

Irgendwann im September 2015 ging die Seite arbeitgebertage.de plötzlich offline, Anmeldungen von Unternehmern wurden storniert. Auf telefonische Nachfrage gab die Verlagsgruppe Norman Rentrop mangelnde Nachfrage an und deutete zudem den Rückzug von Referenten als Grund an. Auch für 2016 seien keine neuen Arbeitgebertage geplant. Es scheint, als sei zumindest dieses Format am Ende, auch wenn die Verlagsgruppe Rentrop in anderer Form weiter aktiv ist.


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So sind folgende Seminare weiter im Programm von BWRmed!a zu finden:

  • Zeigen Sie dem Betriebsrat seine Grenzen! (hier zu sehen)
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Hamburg als Union Busting Standort

Bei Rentrops jährlichen Arbeitgebertagen zum Brennpunkt Betriebsrat trafen Anwälte aus dem Hardcore-Segment und Vertreter renommierter Kanzleien auf potentielle Neukunden. Die Veranstaltungen hatten daher eine wichtige Scharnier-Funktion.

Das Format startete 2008 in München und wanderte in den Folgejahren über Köln und Berlin nach Hamburg, wo sie ab 2011 ihren festen Platz fanden. Die Hansestadt ist nicht nur die deutsche Großstadt mit den meisten Millionären und der größten Spannung zwischen Arm und Reich, sie bietet offenbar auch ein gutes Reizklima für das Gewerbe der Union Buster – Profis für Gewerkschaftsvermeidung und Betriebsratsbekämpfung.

Carl Peters (1856-1918), der Begründer der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft und des "Schutzgebietes Deutsch-Ostafrika" (heute Namibia), war ein Kolonial-Verbrecher und Rassist. Als ihn die Linksparteien im Reichstag wegen grausamer Amtsführung und willkürlicher Todesstrafen disziplinarisch belangten, wurde er vom bekannten Hamburger und Anwalt Julius Scharlach vertreten. Hamburg war durch Reedereien und Kaufleute Zentrum des deutschen Kolonialismus un Richtung Afrika und China.
Carl Peters (1856-1918), der Begründer der „Gesellschaft für Deutsche Kolonisation“ und Reichskommissar im Kilimandscharo-Gebiet (heute Tansania), war ein überzeugter Rassist. Als ihn die Linksparteien 1895 im Reichstag wegen grausamer Amtsführung und willkürlicher Todesstrafen disziplinarisch belangten, wurde er vom bekannten Hamburger Anwalt und Kolonialunternehmer Julius Scharlach vertreten. Scharlachs Kanzlei besteht heute unter dem Dach von Freshfields Bruckhaus Deringer fort.

So zog es auch den berüchtigten Betriebsratsfresser Helmut Naujoks, der 2001 seine zweifelhaften Geschäfte in Duisburg aufnahm, an die Elbe. In Hamburg residiert mit Hogan Lovells eine britisch-amerikanische Großkanzlei, die beim Windrad-Hersteller Enercon vehement gegen die Organisierungsbemühungen der IG Metall kämpft und den Versandhändler amazon gegen ver.di vertritt; hier hat auch die Bucerius Law School ihren Sitz, wo Strategien gegen berufsständische Gewerkschaften im Transportgewerbe und gegen Streiks in der „Daseinsvorsorge“ entworfen und verabredet werden (besonders interesssant: die arbeitsrechtlichen Veranstaltungen von Prof. Matthias Jacobs, auch in Zusammenarbeit mit dem Münchner ZAAR).

Das Rechtsgewerbe für Unternehmer kann in Hamburg auf eine Tradition zurück blicken, die bis zur Gründung der ersten deutschen Wirtschaftskanzlei durch Dr. Johann Carl Knauth im Jahre 1822 zurück reicht. Fünf weitere Wirtschaftskanzleien folgten bis 1884; erst 1890 gründete sich eine vergleichbare Sozietät in Berlin. Zu den dunklen Seiten der Hamburger Wirtschaftsanwälte zählen Verstrickungen in Kolonial-Verbrechen. Hamburger Reedereien, Börsen, Banken und Handelsgesellschaften bildeten das Zentrum deutscher Kolonialbestrebungen in Richtung Afrika und China.

Pioniere der Ausflaggung

Der Mitbegründer der größten deutschen Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle, der Hamburger Dr. Walter Hasche (1909-2002) war in der Nazi-Zeit Syndikus der Reichsverkehrsgruppe Seeschiffahrt und Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder. Dieser Teil der Unternehmerschaft begann in den 1950er Jahren die traditionell gut organisierten Seeleute durch Ausflaggung ihrer Flotten an an exotische Standorte zu untergraben, bevor die Umstellung auf den Containerverkehr der ehemals kampfstarken Berufsgruppe ab den 1970er Jahren das Genick brach. Die Reeder waren mit der Ausflaggung die Vorreiter nicht nur für Fluglinien, Speditionen und Busunternehmen, sondern auch für die Steuerflucht in Finanzoasen durch Banken und Unternehmen. Wie sich leicht ahnen lässt, nahmen Wirtschaftskanzleien hier ebenfalls eine zentrale Funktion ein.

Die Proteste vermehren sich

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Union Busting-Berater Mathias Kühnreich (links im Bild mit Handy) trifft zu den Arbeitgebertagen 2014 am Tagungsort ein.

Es deutet alles darauf hin, als würden Proteste gegen Union Busting Seminare langsam zum festen Bestandteil der Widerstandskultur in deutschen Städten. Die Initiative Klassenkampf aus Stuttgart machte im März 2014 den Anfang, indem sie ein Seminar von Schreiner + Partner verhinderte; es folgten ähnliche Aktionen in München, Nürnberg, Hannover, Köln. Doch sollte man sich bei aller berechtigten Freude von im Grunde recht einfach erzielten Erfolgen wie Seminar-Absagen nicht täuschen lassen.

Nicht zu früh zufrieden werden

Die expliziten Union Buster bilden erstens nur die Spitze des Eisbergs; zweitens schulen sie Unternehmer auch hausintern und somit unterhalb des Radars von Gewerkschaften und Bürgerrechtlern. Ein Blick auf die in Deutschland regelmäßig angewandten Union Busting-Methoden zeigt, dass auch gediegen auftretende Groß-Kanzleien wie CMS Hasche Sigle bei Bedarf von ihnen Gebrauch machen und dass internationale Schwergewichte wie Hogan Lovells und Taylor Wessing – etwa im Neupack-Streik – nicht mehr daran denken, auf speziell deutsche Befindlichkeiten allzu große Rücksicht zu nehmen. Sozialpartnerschaft und Interessenausgleich sind für diese Leute nur Worthülsen, mit denen gutwillige Gewerkschafter und Sozialdemokraten beschwichtigt werden sollen. In der Realität stellen solche Vorstellungen in den Augen der Union Buster eine Einschränkung von Profit und unternehmerischer Verfügungsgewalt dar, die beizeiten eingeebnet werden sollten.

So wichtig es ist, ein ungeniertes Auftreten dieser Leute in der Öffentlichkeit zu verhindern, so wichtig ist es auch, vor allem die Methoden der Union Buster zu branntmarken und zu verfolgen, sowie den grassierenden Rechtsnihilismus in Fragen von Mitbestimmung und Koalitionsfreiheit effektiv zu bekämpfen. Dieser wird auch durch langsame, mitunter bräsige bis begriffsstutzige Arbeitsgerichte und untätige Staatsanwaltschaften befördert.


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