Enercon scheitert mit Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden

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Arbeitsgericht Magdeburg lehnt Zustimmung zur Kündigung von Nils-Holger B. ab

"Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand": monatelanges Warten bei ungewissem Ausgang. So stellen sich die unbegrenzten Klagemöglichkeiten von Unternehmern gegen lohnabhängig Beschäftigte dar. (Urheber Bild: IG-Metall)
„Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand“ oder „monatelanges Warten bei ungewissem Ausgang“: so stellen sich die willkürlichen Klagemöglichkeiten von Unternehmern für lohnabhängig Beschäftigte dar. (Urheber Bild: IG-Metall)

Der Betriebsratsvorsitzende war ins Visier des Arbeitgebers geraten, weil er sich für Leiharbeiter eingesetzt hatte, die eine samstägliche Fortbildung nicht als Arbeitszeit vergütet bekommen sollten (wir berichteten in den Frontberichten vom August 2014). Nachdem er für sein Handeln von der WEA Service Ost GmbH (Enercon) eine Ermahnung erhalten hatte, kritisierte er das Vorgehen des Arbeitgebers in einer Rundmail an alle Beschäftigten. Diese kritische Meinungsäußerung wollte Enercon nicht dulden und Nils Holger B. kündigen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung, worauf Enercon diese ersatzweise beim Arbeitsgericht Magdeburg beantragte.

Das Arbeitsgericht entschied am  11.02.2015, die Anträge der WEA Service Ost GmbH auf Genehmigung der Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden abzuweisen. Mit seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht eindeutig klar gestellt, das Arbeitgeber die Meinungsfreiheit zu achten haben und Maulkörbe gegen kritische Betriebsratsmitglieder rechtswidrig sind. Der Arbeitgeber wollte ebenfalls feststellen lassen, dass das Handeln von Nils Holger B. eine grobe Pflichtverletzung darstellt. Auch dies hat das Arbeitsgericht deutlich abgelehnt. – Auch für Leiharbeiter ist das Urteil wichtig: der Betriebsrat darf sich um ihre Belange kümmern.

Die dunkle Seite des Erfolgs: institutioneller Rechtsmissbrauch und Zermürbung

In Magdeburg steuerte die Kanzlei Hogan Lovells mit Anwalt Matthes Schöder das juristische Know-How zur versuchten Zermürbung des Betriebsratsvorsitzenden bei. Trotz der Niederlage im Kündigungsverfahren haben Enercon und Hogan Lovells mehrere Ziele erreicht:

  • die Ressourcen des Betriebsratsgremiums wurden von der aktiven Betriebsratsarbeit weg auf das Verfahren gegen Nils-Holger B. gelenkt
  • an die Enercon-Mitarbeiter wurde das deutliche Signal „Kritische Betriebsratsarbeit bedeutet Ärger mit der Geschäftsleitung“ ausgesandt
  • ein Rechtsstreit und die existentielle Bedrohung durch eine Kündigung zerrt an den Nerven und kostet die Betroffenen Kräfte. Das wird von Unternehmern und Anwälten wie Matthes Schröder nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern gehört zum Kalkül professionellen Betriebsratsbashings.

aktion ./. arbeitsunrecht sieht in den langwierigen Verfahren, in denen sich lohnabhängig Beschäftigte gegen unsubstantiierte und mühsam konstruierte Abmahnungen und Kündigungen zur Wehr setzen müssen, einen institutionellen Rechtsmissbrauch, in denen Union Buster Arbeitsgerichte zu unfreiwilligen Helfershelfern ihrer Methoden degradieren. Prominentes Beispiele ist hier der Atlas-Chef Fil Filipov, der das Arbeitsgericht Oldenburg mit 793 Verfahren blockierte („Die Fertigmacher“, Rügemer und Wigand, Papyrossa-Verlag 2014).


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Förderung für Union Buster streichen

Einziger Aspekt der den Union Bustern nicht ganz in ihr abgefeimtes Konzept passen dürfte: aufgrund der Vorgänge bei Enercon in Sachsen-Anhalt forderten Politiker Betrieben, die Mitbestimmung aktiv blockieren, die Fördermittel zu streichen (siehe Frontberichte 10/2014). Enercon-Gründer Aloys Wobben, geschätztes Vermögen laut Forbes-Liste 2014: 3,7 Mrd. €, dürfte das allerdings nicht mehr jucken.

Der Prozess in Magdeburg wurde von viel Solidarität getragen (wir berichteten am 10.01.2015). Anfang November 2014 verwiesen wir auf diesem Blog auf den am 31.10.14 erschienen SZ-Artikel „Enercon:Absolut gewerkschaftsfeindlich“.  Im Gusszentrum Ostfriesland GZO waren Mitarbeiter im Vorfeld der Betriebsratswahl massiv bedrängt und eingeschüchtert worden (wir berichteten im Mai 2014: Schmutziges Spiel bei Enercon-Tochter in Ostfriesland).

 

 

 


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