Frontberichte 01/2016: Amazon, Schalke 04 …

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Presseschau: Betriebsrats-Bekämpfung, Schikanen, Kündigungen.

Amazon / Brieselang: Betriebsrats-Bekämpfung per Befristung + + Schalke 04 / Gelsenkirchen: Arena Management GmbH überzieht Angestellte mit Kündigungen ++ Landbäckerei / Stendal: Gesamter Betriebsrat kriminalisiert und per Abfindungen entsorgt + + Kliniken / Ludwigsburg-Bietigheim: Kündigungsversuch gegen gewerkschaftlich aktives Betriebsratsmitglied + + Meyer-Werft / Papenburg: Macht die Geschäftsführung sich strafbar? + +

Amazon: Betriebsratsbekämpfung per Befristung | LAG Berlin spielt mit.

Amazon-Protest-vor-Gericht-BerlinDer Versandhändler Amazon entledigt sich unliebsamer Betriebsräte, indem er befristete Verträge nicht verlängert. Zwei Betriebsratsmitglieder, die am Standort Brieselang bei Berlin auf diese Weise kalt entsorgt werden sollten, unterlagen nun vor dem Landesarbeitsgericht Berlin. Zuvor hatten sie bereits vor dem Arbeitsgericht Potsdam den Kürzeren gezogen.

15 bis 20 Mitglieder des „Berliner Solidaritätskreises für die Beschäftigten bei Amazon“ protestierten vor dem Gerichtsgebäude.


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Jürgen Stüber schreibt in der Berliner Morgenpost vom 13.1.2016: „Das Landesarbeitsgericht hatte keine Anhaltspunkte, dass die Zugehörigkeit der Kläger zum Betriebsrat Grund für die Nichtverlängerung der Verträge war, erläuterte ein Gerichtssprecher das Urteil. Wäre das erkennbar gewesen, hätte ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot für Betriebsräte vorgelegen. Die Kläger hätten nur die Vermutung geäußert, aber nicht belegen können, dass die Nichtverlängerung der Verträge mit ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat zu tun gehabt habe.“

Da scheint wohl etwas mit der Verteidigung schief gelaufen zu sein, oder die geschassten Kollegen sind an die falschen Richter geraten. Dass man gewerkschaftlich orientierte Betriebsratsmitglieder per Befristung loswerden will, ist in Deutschland gang und gäbe. Diese Erkenntnis könnte mit etwas Recherche eigentlich auch Richter_innen in Berlin-Brandenburg dämmern. Eine ähnliche Union Busting-Strategie kannten wir vom Textil-Riesen H+M, wo die Kollegin Ayşe B. aus Heilbronn allerdings ihre Wiedereinstellung und die Entfristung ihres Arbeitsvertrags erstreiten konnte (verdi.de, 30.10.2015) .

Leider teilen uns weder die Berliner Morgenpost noch die Unterstützergruppe die Namen des Vorsitzenden Richters mit; auch die Anwälte von Amazon und die Amazon-Personalverantwortlichen bleiben ungenannt. Eine Betrachtung konkreter Täter und ihrer Netzwerke in der Arbeitswelt bleibt in Deutschland merkwürdiger Weise sowohl im Filter der bürgerlichen Presse hängen, auch scheint sie im Raster marxistisch-leninistisch geschulter Polit-Aktivisten nicht vorgesehen zu sein. (Wer diese Infos nachliefern kann, möge die Kommentarfunktion nutzen.)

Der nächste Gerichtstermin eines BR-Mitglieds gegen Amazon folgt am 21. Januar 2016 um 9:30 Uhr vor dem Arbeitsgericht Brandenburg (Infos auf facebook).

Schalke 04: Arena Management GmbH überzieht Angestellte mit Kündigungen

Wer den Billig-Schlachter und Werkvertrags-Ausbeuter Clemens Tönnies als Präsidenten hat (Lohnsklaven im Schlachthof-Dschungel) und seinen Stadion-Namen an die Lohndumping-Brauerei Veltins verkauft hat (Seit 20 Jahren Lohnraub), muss wahrscheinlich hart drauf kommen: Seit nunmehr eineinhalb Jahren muss sich eine 52-jährige kaufmännische Angestellte gegen eine Prozesslawine erwehren, die vom Management des Fußball-Clubs Schalke 04 losgetreten wurde.

Darunter vier Kündigungen mit Begründungen, die den Lesern dieser Seiten bekannt vorkommen dürften: Angebliche Kriminalität, hinter der tatsächlich eher aufgebauschte Bagatellen oder gar fingierte Indizien stecken. Hinzu kamen Schikanen wie unregelmäßige Zahlung von Löhnen oder vorenthaltenes Weihnachtsgeld, wie Klaus Johann am 12.01.2016 in der WAZ berichtete.
Er schriebt weiter: „Bisher hat die 52-Jährige jeden Rechtsstreit mit Schalke gewonnen.“ Hintergrund für die Aggression des Managements könnte sein: Ältere Mitarbeiter mit langlaufenden Verträgen sollen in der deutschen Wirtschaft durch Subunternehmer und Billiglöhner ersetzt werden. So ist der Arbeitsbereich der Kollegin zum Teil an die Westfälische Wachschutz GmbH übertragen worden. Leider verschweigt der Artikel den Namen des gegnerischen Anwalts sowie der federführenden Person aus dem Schalke-Management. (Informationen über Kommentarfunktion erbeten.)

Stendaler Landbäckerei: Gesamter Betriebsrat kriminalisiert und mit Abfindungen entsorgt

Vor dem Arbeitsgericht Stendal deutete sich eine weitere erfolgreiche Betriebsratszerschlagung an. Gleich ein gesamtes neunköpfiges Gremium will laut Bericht von Matthias Stoffregen in der Volksstimme vom 21.12.2015 mit Abfindungen gehen. Das Unternehmen hatte am 1.12.2015 einen Antrag auf Kündigung ALLER Mitglieder eingereicht. Als Begründung dienten laut Presse „Anfahrtszeiten und Reisekosten falsch abgerechnet zu haben […] Die Vorwürfe seien an den Haaren herbeigezogen, erklärte NGG-Geschäftsführer Holger Willem.“ Der Anwalt des Betriebsrates, Daniel Weidmann, wies die Anschuldigungen vehement zurück. Dabei sprach Weidmann vonTerror-Attacken der Bäckerei-Geschäftsführung.“
Leider enthält auch hier die Berichterstattung der Lokalpresse weder Angaben über Verantwortliche aus der Personalabteilung der Bäckerei noch deren Rechtsanwälte. Die Gewerkschaft Nahrung Gaststätten Genuss (NGG) muss sich fragen lassen, warum es ihr nicht gelingt, ein gesamtes Gremium zu verteidigen und mit Solidaritätsaktionen zu stabilisieren.

Kliniken Ludwigsburg: Kündigungsversuch gegen Betriebsratsmitglied | Schikanen gegen ver.di

Das Ludwigsburger Bündnis „Gesundes Krankenhaus – für Patienten und Personal“ reagiert laut Pressemitteilung geschockt über Kündigungsversuche gegen eine Kollegin, die aktive Gewerkschafterin und Betriebsratsmitglied ist. Der Betriebsrat hat widersprochen, man bereitet sich auf Arbeitsgerichtsprozesse vor.

Es gibt seit langem Zoff: Die Klinikleitung boykottiert offenbar Gespräche mit ver.di. So soll Geschäftsführer Prof. Jörg Martin den Zugang der Gewerkschaft zum Personal behindert haben. Das wäre rechtswidrig, denn Gewerkschaften haben in Deutschland das Recht, ihre Mitglieder in Betrieben zu betreuen und Werbung in der Belegschaft zu machen. Für Konflikte sorgt in den Ludwigsburger Kliniken neben einem zu geringen Personalschlüssel offenbar auch die „Umstrukturierung“ der Reinigung. „Der rigide Sparkurs in Pflege und Reinigung gefährdet die Beschäftigten. Es muss eine Kehrtwendung geben, ebenso wie bei der ständigen Blockade unserer Gewerkschaftsarbeit“, sagt ver.di-Sekretärin Irene Gölz.

Das Bündnis aus Beschäftigten und Personal, an dem auch die Katholische Arbeiterbewegung (KAB) und Betriebs-Seelsorger Martin Zahner mitarbeitete, wurde mehrfach wegen schlechtem Personalschlüssel, Umstrukturierungen und miserablem Arbeitsklima aktiv. (Quelle: Andreas Lukesch, Bietigheimer Zeitung 11.12.2015)

Zahner nannte das Verhalten des Gechäftsführers Jörg Martin gegen seine Beschäftigten „nicht mehr nachvollziehbar“.

Nach einem Notfall im Krankenhaus Marbach, bei dem wegen Personalmangels in der Nachtschicht beinahe eine Patientin gestorben sein soll, hatte das Bündnis „Gesundes Krankenhaus – für Patienten und Personal“ im März 2015 eine Demonstration in Marbach durchgeführt, wie Dominik Thewes in der Stuttgarter Zeitung vom 03.03.2015 berichtete.

Meyer-Werft: Macht die Geschäftsführung sich strafbar?

Die hochsubventionierte Meyer-Werft, die unlängst ihren Firmensitz nach Luxemburg verlegte, um Steuern zu sparen, könnte ein kriminelles Management haben. Das legt zumindest ein Statement des Betriebsratsanwalts René Henkys nahe, von dem die Neue Osnabrücker Zeitung am 11.01.2016 berichtete.

Personal-Chef Paul Bloem legte demnach nicht nur eine unprofessionelle Haltung an den Tag, weil er Gespräche mit dem BR-Vositzenden Ibramhim E. laut Presse ablehnt. Diesen hatte das Meyer-Management im vergangenen Jahr mit abenteuerlichen Konstruktionen zu kündigen versucht; dabei ließt man sich u.a. vom berüchtigten Union Buster Helmut Naujoks beraten (Meyer Werft: Union Busting gegen Betriebsrat, arbeitsunrecht.de vom 29.09.2015). Die Kündigungsversuche, denen der BR vehement widersprochen hatte und gegen die die IG Metall Protest organisierte, waren in zwei Instanzen gescheitert.

Das BetrVG schreibt eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zwischen Management und Betriebsrat vor. Ein Personalchef, der das nicht hinbekommt und somit die Betriebsratsarbeit behindert, macht sich strafbar und sollte eigentlich nicht länger tragbar sein.


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1 Kommentar

  1. Was Paul Bloems unprofessionelle Haltung angeht, habe ich noch folgendes hinzu zu fügen:
    In seinem Blog (paulbloem.me) beschuldigt er in seinem Beitrag vom 20.12.2015 „Gleiches Recht für alle?!“ den BR-Vorsitzenden, einige duale Studenten zum IGM-Beitritt genötigt zu haben. Dabei sollte Herr Bloem inzwischen eigentlich begriffen haben, dass diese Geschichte mittlerweile in den Händen der Gerichtsbarkeit liegt und jede weitere Rechtfertigung der Geschäftsleitung wie eine Schulderklärung wirkt.
    Am 16.01.2016 schreibt er in seinem Blog („Konflikte machen Sinn“): „Kontroversen, also das Ringen um den besten Weg oder das engagierte Einstehen für Positionen sind grundsätzlich das „Salz in der Suppe“ der Demokratie. Die Gesellschaften und damit auch die Betriebe werden mit einer immer größeren Spreizung von Individualität und einer immer größer werdenden Unterschiedlichkeit der Menschen konfrontiert. Die Folge dieser Entwicklungen werden mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmende Meinungsverschiedenheiten sein.
    Es erstaunt und überrascht allerdings wie wenig „nervenstark“ oder abgeklärt heutzutage in Auseinandersetzungen agiert wird.
    Belastend ist es sicherlich, wenn mit Hilfe vieler neuer Werkzeuge in der Kommunikation von Kontroversen auch schnell diffamiert, statt argumentiert wird.“
    Herr Bloem ist ein Profi im diffamieren (s.o.) und die „nervenstarke und abgeklärte“ Geschäftsleitung weigert sich schlichtweg, mit dem BR-Vorsitzenden zu reden.

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