Frontberichte 29. KW

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Arbeitsunrecht | Presseschau 22. – 29. Juli 2013

#Caritas/Berlin: Festanstellung mit Lohnraub statt Leiharbeit  +++  #Alfried-Krupp-Krankenhaus/Essen: Betriebsrat bespitzelt  +++ #Aumund/Rheinberg: Fadenscheinige Kündigung gegen Betriebsratsmitglied vor Gericht

Caritas beendet Leiharbeit zu hohem Preis für die Mitarbeiter:

Gott ist Nächstenliebe - Deus Caritas est.
Deus Caritas est. Gott ist Nächstenliebe. Gott ist nicht Profit und auch nicht Lohnraub. (Bild: wikicommons)

Laut der Tageszeitung Neues Deutschland vom 22.07.2013 will die Caritas Berlin sich von ihrer Tochter-Leiharbeitsfirma pro cura Service GmbH trennen und deren rund 300 Beschäftigen Festanstellungen anbieten. Die Gewerkschaft ver.di weist aber auf einen erheblichden Pferdefuß hin: Die LeiharbeiterInnen sollen als Berufsanfänger eingestellt werden – obwohl sie z.T. lange Jahre beschäftigt sind. Eine Übernahme erfolge laut Presseberichgt nur, wenn die Mitarbeiter auf die Anerkennung ihrer Berufserfahrung und ihrer Berufsjahre verzichten, was sich auf den Lohn und die Rentenerwartungen auswirkt. Ina R., stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei pro cura, erklärt dazu:

„Die 300 betroffenen Pflegekräfte haben nur eine Chance auf eine bessere Lohngruppe, und das ist die Berufserfahrung, die jetzt nicht anerkannt werden soll. Die Anstellung bei pro cura bedeutet bereits seit Jahren geringeren Lohn, geringere Nachtzuschläge, aber auch weniger Urlaubstage, im Gegensatz zu direkt bei der Caritas angestellten Mitarbeitern.“

Ein weiterer krasser Fall aus dem Gesundheitswesen:

Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen lässt Betriebsrat bespitzeln

Der Fall des nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigten Tobias M. fand schon in den Frontberichten der 28. KW Erwähnung. Bei der Gerichtsverhandlung gegen das langjährige Betriebsratsmitglied im Krupp-Krankenhaus kam laut WAZ vom 25.07.13 heraus, dass die Geschäftsleitung sogar einen Detektiv auf Tobias M.  angesetzt hat. Dieser sollte herausfinden, welche Inhalte Tobias M. bei Ver.di-Seminaren vermittelt. Der Zeitaufwand für die von Tobias M. gegebenen Seminare sollen, so Geschätsführer Horst A. Jeschke, unter anderem auch Anlass für die Kündigung sein. Das Urteil soll Ende August gesprochen werden.


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Die Arbeit des Betriebsrates wird von Geschäftsführer Horst A. Jeschke immerhin so ernst genommen, dass das Krankenhaus gleich zwei Juristen ausschließlich mit Fragen der Mitbestimmung beschäftigt. Im Jahr 2006 erklärte sich das Krankenhaus zum kirchlichen Träger und wollte den Betriebsrat auflösen. Ein Gericht entschied 2009 gegen diesen Antrag. 2012 wurden die 36 Beschäftigten der Küche im laufenden Betrieb freigestellt und statt dessen ein Caterer beauftragt. Der anscheinend mangelhafte Service der Duisburger KKD Catering (Tochter der Katholischen Kliniken Duisburg) sorgte damals, laut WAZ-Bericht, für erheblichen Unmut unter den Patienten (Bericht: Patienten im Krupp-Krankenhaus ist der Appetit vergangen, WAZ 10.08.2012) Bemerkenswert ist der offen zur Schau gestellte Rechtsnihilismus der Klinikleitung: Geschäftsführer Horst A. Jeschke gibt gegenüber der Presse freimütig zu, dass der Betriebsrat bei der Entscheidung zur Kündigung des hauseigenen Küchenpersonals schlicht übergangen wurde.

Das Krupp-Krankenhaus in Essen-Rüttenscheid hat rund 2.000 Beschäftigte und 893 Betten. Es gehört der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, die ein weiteres Krankenhaus in Essen-Steele betreibt. Der Stifter war Stahl- und Rüstungsproduzent Alfried Krupp. Er galt nach dem 2. Weltkrieg als reichster Mann der Welt. 1948 wurde er wegen Sklavenarbeit (Einsatz von Zwangsarbeitern) und Plünderung von Wirtschaftsgütern im besetzten Ausland zu zwölf Jahren Haft und Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt (siehe wikipedia Krupp-Prozess). Im Zuge des Kalten Krieges und der westdeutschen Restauration unter Adenauer wurde Alfried Krupp bereits 1951 begnadigt. Seine Enteignung wurde im Westen nie umgesetzt.

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Aumund /  Rheinberg: Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes als Warnung an andere Kandidaten?

Betriebsratsmitglied Sascha W. wurde laut WAZ vom 26.07.2013 wegen angeblicher Datenkopien fristlos gekündigt. Er ist erst seit dem 18.04.20 13 in den Betriebsrat gewählt worden. Der Duisburger IG-Metall-Sekretär Andreas Werner hält es durchaus für möglich, dass die Firma sich mit konstruierten Vorwürfen  eines unbequemen Mitarbeiters entledigen will.  Sascha W. ist Systemadministrator. Er gab vor Gericht an, lediglich seiner normalen Arbeit bei der Pflege des Computernetzwerks nachgegangen zu sein. Im Juraforum vom 30.07.13 wird Sascha W. wie folgt wiedergegeben: Mit der außerordentlichen Kündigung wolle der Arbeitgeber offenbar  ein Zeichen an den Rest der Belegschaft senden – als Reaktion auf die Zunahme von Kandidaten aus dem Angestelltenbereich bei der letzten Betriebsratswahl . Sprich man will die Angestellten einschüchtern.

Das Personalmanagement von Aumund wird laut WAZ von Kirsten Wittke-Lemm beraten, einer Juristin der lokalen Arbeitgebervereinigung Unternehmerschaft Niederrhein e.V.

Die IG Metall Duisburg ist derzeit durch einen anderen Fall alarmiert: Bei ISE Automotive wurde dem gesamten Betriebsrat gekündigt. (Wir berichteten am 27. Juli 2012)


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