Frontberichte 4/2016

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Presseschau: Union Busting & Betriebsratszerschlagung in Deutschland

Drekopf / Essen: Mit Vangard gegen Betriebsrat und Gewerkschaft | Polizei hilft freundlich + + OBI / Augsburg & Sömmerda: Filialschließung als Angriff auf Gesamtbetriebsrat | Freshfields beteiligt + + DRK / Rottweil: Unsubstantiierte Abmahnungen gegen Betriebsrat ++ Median-Klinik  / Berlin-Kladow: Streik mit dreisten Union Busting-Flugblättern gekontert + +

Drekopf: Mit Vangard gegen Betriebsrat und Gewerkschaft

Solche Typen bräuchte ver.di. David Wayne und Karl Malden in Die Straßen von San Franzisko.
Solche Typen bräuchte ver.di: David Wayne  und Karl Malden in „Die Straßen von San Francisco“, 1972 …

Zum Standard-Repertoire des Union Busting (Was ist das?) gehören Hausverbote gegen Gewerkschaftssekretäre. Diese sind zumeist gesetzeswidrig. Hat eine Gewerkschaft Mitglieder in einem Betrieb, darf sie dort Werbung betreiben und Mitglieder betreuen (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG§ 2 Abs. 2 BetrVG).

Rechtswidrige Beihilfe der Essener Polizei

Am 7. Juni 2016 Woche schaffte es das Management des rheinisch-westfälischen Müllentsorgers Drekopf tatsächlich, die ver.di-Sekretäre Jörg Koburg und Christan Jürgens mit Hilfe der Essener Polizei vom Betriebsgelände fern zu halten. Der Skandal im Skandal: Die Beamten hätten laut Gesetz auf Seiten von Gewerkschaft und Betriebsrat eingreifen und ihr Recht auf Zugang gegen die Geschäftsführung durchsetzen müssen.

Bei einer ordentlichen Betriebsversammlung übt der Versammlungsleiter, also meist der BR-Vorsitzende, während der Versammlung im Versammlungsraum einschließlich der Zugangswege dorthin das Hausrecht aus. Stattdessen setzten die Beamten auf ausdrückliche Weisung ihrer Essener Einsatz-Zentrale Unternehmerwillkür durch – gegen geltendes Gesetz und höchstrichterliche Urteile (BAG v. 8.3.1977 – 1 ABR 18/75). Das rechtswidrige Vorgehen der Polizei wird hoffentlich ein unangenehmes Nachspiel für die verantwortlichen Beamten haben.


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Die Gewerkschafter und der Betriebsrat fanden zum Glück eine provisorische Lösung: Die Betriebsversammlung wurde außerhalb des Firmengeländes durchgeführt.

Union Busting nach San Franzisko-Art

Oder solche: Oakland Generalstreik, Kalifornien 1946.
.. oder solche: Oakland Generalstreik, Kalifornien 1946.

Hinter der verschärften Gangart des Managements steckt die traditionsreiche Union Busting-Kanzlei Littler Mendelson aus San Franzisko, Kalifornien. Diese kaufte sich im Oktober 2015 in Deutschland ein. Hier firmiert Littler nun unter dem Namen Vangard (Hintergrund zur Kanzlei auf arbeitsunrecht.de). Der neue deutsche Brückenkopf der nach eigenen Angaben weltgrößten Arbeitsrechtsfirma darf nun beim Mönchengladbacher Müllentsorger Drekopf zeigen, was man drauf hat. Verdi berichtet: Nötigungen, Bedrohungen und Hetzkampagnen gegen betriebliche Interessensvertretungen sind traurige Realität.“

Drekopf war bislang frei von Tarifverträgen und Betriebsräten. Nach langem Kampf konnten die Belegschaften in Mönchengladbach und Essen/Münster gegegen erbitterten Widerstand der patriarchalen Unternehmerfamile Haubrichs zum Jahreswechsel 2015/16 die Wahl von Betriebsräten durchsetzen.

Zermürbung des BR-Vorsitzenden

Derzeit steht der mehrheitlich ver.di-nahe Betriebsrat in Essen im Visier der Unternehmensaggression. Zum Standardrepertoire gehört die Anfechtung einer Betriebsratswahl. Diese wurde laut WDR vom 30.6.2016 nun durch die Drekopf-Geschäftsführung eingeleitet. Zudem deckten die Drekopf-Anwälte den Wahlvorstand mit Anzeigen ein.

Den BR-Vorsitzenden Michael K. überzog man mit fünf teils hahnebüchenen Abmahnungen und zwei Kündigungsversuchen. So wollte man ihm anhängen, dass er sich vor Jahren angeblich einmal in politisch unkorrekter Weise geäußert haben soll. (Der Mann bestreitet diese Vorwürfe glaubhaft. Sie seien steinalt, aus dem Zusammenhang gerissen und gezielt konstruiert.) Der BR-Vorsitzende wurde zudem gegen seinen Willen von der Arbeit freigestellt. Die Zermürbungstaktik zeigte Wirkung: Er hat in der vergangenen Woche überraschend in den Sack gehauen und geht mit einer vergleichsweise geringen Abfindung.

Warum bleibt die Presse stumm?

Dass die Presse im Ruhrgebiet diesen Skandal bislang nicht recht anfassen will, der sich rund um die Essener Polizei, eine wildgewordene Müll-Dynastie und die US-Kanzlei Vangard/Littler entspinnt, könnte auch an folgendem Umstand liegen: Drekopf hat Großkunden im Medienbereich. So entsorgt Drekopf den Müll für bedeutende Zeitungs- und Werbekunden wie Wattenscheider Medien Vertriebs GmbH und die Westend Druckereibetriebe, die die BILD-Zeitung für den Springer-Verlag und Werbeblättchen für Aldi, Kaisers und andere drucken.

Arbeitsunrecht.de berichtete bereits im April 2015 über Betriebsratsbehinderung bei Drekopf in Mönchengladbach.+ +

OBI: Filialschließung als Angriff auf Gesamtbetriebsrat | Freshfields beteiligt

Einigen Wirbel verursachte in der letzten Woche der Versuch der Baumarkt-Kette OBI, den Gesamtbetriebsrat (GBR) zu zerschlagen, in dem man kurzerhand die beiden Filialen schließt oder verkauft, in der der GBR-Vorsitzende und sein Stellvertreter arbeiten. Somit sollten die beiden offenbar über die Hintertür entsorgt und eine deutliche Botschaft an alle Beschäftigten ausgesandt werden. Wie aus heiterem Himmel traf es die Belegschaften der Filialen in Augsburg und Sömmerda.

Beteiligt an diesem brachialen Union Busting-Manöver ist mit Freshfields Bruckhaus Deringer ein echtes transatlantisches Dickschiff. Freshfields ist nicht nur die älteste Wirtschaftskanzlei der Welt – gegründet 1740 an der Londoner Börse -, die Rechtsfabrik und hat Einfluss bis in höchste Regierungskreise und Gesetzgebungsverfahren (lobbypedia.de). Freshfields setzt ein Gespann mit lustig klingenden Doppel-Namen gegen OBI-Gewerkschafter ein: Sandy Siegfanz-Strauss und  Thomas Müller-Bonanni. Zudem ist der selbständig tätige Arbeitsrechtler Wolfgang Fell für die Baumarkt-Kette tätig (alle aus Düsseldorf).

OBI gehört zum Firmen-Imperium des Tengelmann-Moguls Karl-Erivan Haub. Die Häuser sind hinter den Kulissen in ein verwirrendes Geflecht aus Tochter-Gruppen, Franchise-Nehmern und Stamm-Häusern aufgeteilt. Von rund 120 Märkten in Deutschland haben bislang nur 64 einen Betriebsrat. Tarifverträge sind unbekannt. Löhne von 1.400,- Euro für Vollzeitarbeit sind im ostdeutschen Sömmerda keine Seltenheit. Dort liegt das Niveau rund 20% unter dem Tarifvertrag.

OBI rudert teilweise zurück

Aufgrund massiver Proteste durch ver.di (Solidaritätsadresse des Gewerkschaftsrates), die auch Widerhall in etablierten Medien fanden (mdr | faz | sueddeutsche), ruderte OBI zumindest in Augsburg vorerst zurück, wie die Augsburger Allgemeine am 30.6.2016 berichtet. Doch davon sollte man sich nicht beruhigen lassen, zumal das Vorgehen lange Tradition hat. Tobias Lill berichtete bereits am 13.7.2009 im Spiegel von Union Busting bei OBI: Bibergünstig ohne Betriebsrat.
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DRK: Abmahnungen gegen Betriebsrat | TÜV-Zertifikat bescheinigt gutes Betriebsklima

Im Kreisverband des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Rottweil schlagen Zeitungsberichte rund um einen Arbeitsgerichtsprozess hohe Wellen.

Der Betriebsrat des Rettungsdienstes, der 93 Festangestellte vertritt, unterstützte einen langjährigen Beschäftigten, der von der Geschäftsführung eine offenbar unsubstantiierte Abmahnung wegen „missbräuchlicher Eingriffe in die EDV-Anlage“ erhalten hatte. Besonders stutzig macht der Zeitpunkt: Die Abmahnung trudelte zum Jahresende 2015 zwei Tage vor Weihnachten ein – diese Art von Timing gehört zum festen Arsenal des Union Busting. Es ist ein Indiz, dass es nicht um die Sache geht, sondern um Zermürbung.

Das Arbeitsgericht Villingen kassierte die Abmahnung. Jetzt richtet sich die Aggression gegen den BR-Vorsitzenden Michael T., der die Rettungswache hauptberuflich leitet. Es sollen anonyme Anschuldigungen in Umlauf gebracht worden sein. Die Lokalpresse stellte das BR-Gremium als modernisierungsfeindlich dar  (Lothar Häring, NRWZ, 17.6.2016).

Dagegen wehrt sich der siebenköpfige BR mit einem Leserbrief (NRWZ, 4.7.2016). Dessen Interpretation des Konflikts klingt so glaubwürdig wie vertraut: Seit mit Uta Swoboda eine neue Geschäftsführerin aus der Zunft des Controlling am Ruder sei, gehe das Betriebsklima den Bach herunter.

Doch das DRK gibt sich Mühe, für gute Außendarstellung zu sorgen. Folgende Maßnahme ist originell: Man organisierte ein TÜV-Zertifikat, das ein „gutes Betriebsklima“ bescheinigt. Gleichzeitig verstrickte man den BR-Vorsitzenden in eine Mediation. Um in dieser keinen schlechten Eindruck zu machen, hielt es der BR-Vorsitzende für ratsam, vorerst auf Tauchstation zu gehen. Währenddessen arbeiteten andere daran, das Klima zu vergiften.

Der Machtkampf zwischen der neuen Geschäftsführerin und dem BR wird vom DRK-Präsidenten und der Lokalpresse als atmosphärische Störung zwischen Einzelpersonen interpretiert, wobei der BR-Vorsitzende als schwierige Persönlichkeit dargestellt wird – auch das fügt sich nahtlos ins Drehbuch des Union Busting. Die Lokalpresse folgt diesem Schema willig und kolportiert, dass „die Chemie zwischen ihr und Herrn T. nicht stimmt“, der Leiter der Rettungsstelle sei ein „hyperaktiver Betriebsratsvorsitzender“.

Tatsächlich soll die Geschäftsfüherin Uta Swoboda, so ist aus den Berichten heraus zu lesen, vor allem Kosten senken. Das kann nach den allgemein verbreiteten Unternehmensberater-Konzepten durch Entlassungen von langjährig Beschäftigten geschehen, die durch Niedriglöhner und Teilzeitkräfte ersetzt werden. Oder man kompensiert Entlassungen durch Überstunden und Arbeitsdruck. Wir sind gespannt, was wir noch aus Rottweil hören. + +

Median: Streik mit dreisten Union Busting-Flugblättern gekontert

Als die Beschäftigten der Median-Klinik in Berlin-Kladow am 17. Juni 2016 streikten, hielt ihnen die Geschäftsführung Flugblätter entgegen, die einen bemerkenswert us-amerikanischen Union Busting-Stil pflegten. Laut Bericht von Daniel Behruzi in der Tageszeitung junge Welt vom 18. 6.2016 forderte man die Beschäftigten auf, nicht »für ver.di« zu streiken und so »unsere Klinik« und »unsere Arbeitsplätze« zu gefährden. Man wolle zwar »nicht zurück in die kapitalistische Steinzeit«, aber auch keine Tarifverträge. Stattdessen will man »faire flexible Lohnmodelle« mit den Betriebsräten und einzelnen Beschäftigten aushandeln.

Hintergrund: Die Median-Gruppe befindet sich seit Ende 2014 in Besitz des niederländischen Hedge-Fonds Waterland. Dieser kündigte zum 30. April 2016 den Tarifvertrag mit ver.di und machte mit der Weserklink in Bad Oeynhausen einen der kampfstärksten Standorte mutwillig dicht – offenbar um gegen alle kaufmännische Vernunft ein Exempel zu statuieren, das andere einschüchtern soll.

Beschäftigte der MEDIAN-Gruppe beteigten sich auch wegen der rauen Gangart der neuen Besitzer am Aktionstag Schwarzer Freitag, der 13. Mai 2016 (siehe Ankündigung).


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