Frontberichte 41. – 43. KW 2013

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Arbeitsunrecht & Union Busting in Deutschland| Presseschau vom 07.10. – 27.10.2013

VW Wagenblast/ Aalen, Ostablkreis: Kündigung von Betriebsratsvorsitzendem gescheitert + + Paracelsus-Kliniken/Osnabrück: Gesamtbetriebsrat klagt gegen Betriebsstruktur + +Schmid Group/Freudenstadt: Mitarbeiterbeirat statt Betriebsrat + + Betriebsratsgehälter: Volker Rieble (ZAAR)  als Stichwortgeber in der Presse + +

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Foto: Brian Snelson | Lizenz: CC 2.0

#01

VW Wagenblast: Vergleich statt Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden

Der Arbeitskampf des Betriebsratsvorsitzenden Gerhard B. im Autohaus VW Wagenblast in Aalen, Ostalbkreis, wurde von so großer Solidarität getragen, dass der Prozess wegen des Andrangs von rund 70 Sympathisanten eigens in die Stadthalle verlegt wurde. Die Schwäbische.de berichtet, dass das Arbeitsgericht einen Vergleich aushandelte. Die Vereinbarung beinhaltet unter anderem, dass der BR-Vorsitzende im Amt bleibt, jedoch nicht mehr zu Streiks aufrufen darf. Versehentlich hatte er von seinem Betriebsrats-Account eine Mail abgesetzt, in der er die Kollegen aufforderte: „Ran an den Speck, ich bitte um Eure Unterstützung“. Es ging offenbar um Streikaktivitäten. Laut IG Metall wurde Gerhard B. von der nach Gutsherrenart agierenden Geschäftsführung mit Brigitte Wagenblast an ihrer Spitze, in gleich fünf Fällen Amtsmissbrauch vorgeworfen.

Die IG Metall mobilisierte aktiv für den Gerichtstermin und forderte zur Unterstützung des seit 25 Jahren aktiven Betriebsratsmitglieds auf.  (Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Artikel-Reihe „Wildwest in der Provinz“.)


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#02

Paracelsus-Kliniken: Gesamtbetriebsrat klagt gegen Betriebsstruktur


Der Gesamtbetriebsrat des Osnabrücker Klinik-Konzerns Paracelsus unter Vorsitz von Axel D. sieht das Mitbestimmungsrecht durch Ausgliederung der Geschäftsführung in eine separate Gesellschft ausgehebelt. Laut NOZ gibt es neben der Klinik-GmbH noch eine Verwaltungs-GmbH, die die Geschäfte führt, ohne das der Gesamt-Betriebsrat Einfluss auf Entscheidungen nehmen kann. Dazu steht im Focus:

Die Arbeitnehmervertretung des Klinikkonzerns mit bundesweit rund 5.000 Mitarbeitern fordert, auch für diese Teilgesellschaft einen Aufsichtsrat zu gründen, damit der Betriebsrat wieder seine Mitbestimmungsrechte und so Kontrollmöglichkeiten über Management-Entscheidungen ausüben könne

Gleichzeitig verhandeln Management und ver.di laut Presse in Berlin aber über saftige Gehaltseinbußen. Es geht um drei- bis fünfprozentige Kürzungen des Monatslohns und einen Wegfall des Weihnachtsgeldes. Dadurch sollen laut NOZ die Kosten in den 28 Krankenhäusern gesenkt werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist offenbar zu solchen Zugeständnissen bereit, wenn es im Gegenzug eine Arbeitsplatz- und Standortgarantie gibt.

#03

Schmid Group: Selbstgestrickter Beirat statt Betriebsverfassungsgesetz

Wie die Zergliederung eines Betriebes in mehrere Gesellschaften so ist auch die Installation eines Mitarbeiterbeirats ein beliebter Kniff, um Mitbestimmungsrechte effektiv zu unterminieren. So hat laut Schwarzwälder Bote die Schmidt Group angekündigt, ab Anfang 2014 einen so genannten „Mitarbeiterbeirat“ installieren zu wollen. Dies geschah just als ein Aushang zur Wahl eines Wahlvorstandes für die Einrichtung eines gesetzlich vorgesehen Betriebsrats im Unternehmen auftauchte.

Die drei Initiatoren der Betriebsratswahl wurden allem Anschein nach in diesen Plan mit eingebunden. Die Entscheidung der Freudenstädter Unternehmens mit Niederlassungen in Dunningen und Niedereschbach stößt bei der IG Metall verständlicher Weise auf Kritik: Da ein selbstgestricktes Gremium wie ein „Mitarbeiterbeirat“ keine gesetzliche Grundlage hat, entfallen z.B. sämtliche Schutzmechanismen, die für Betriebsratsmitglieder gelten. Einen guten Grund, warum man sich als Angestellte/r auf den Verzicht eines Betriebsrats einlassen sollte, wird man vergebens suchen, während sich die Leitung der Geschäftsführung unter Christian Schmid zufrieden die Hände reiben dürfte.

#04

Betriebsratsgehälter in der Automobilbranche: Klage vom Stuttgarter Arbeitsgericht abgewiesen

Richterin Susanne Schräjahr-Nüßle sah die Klage von sechs Arbeitnehmervertretern gegen die Vergütung einiger Betriebsratsmitglieder im Mercedes Benz-Werk in Untertürkheim als unbegründet und unzulässig an. Das Gehalt von Erich Klemm, Vorsitzender des Daimler Gesamtbetriebsrats, soll sich laut Welt auf rund 200.000,- Euro belaufen. Bernd Osterloh und Uwe Hück sollen bei VW und Porsche sogar mit 250.000,- aus der Kurve kommen. Laut Artikel liegen bei allen dreien die Vergütung für ihre Betriebsratstätigkeit damit rund 4x so hoch, wie vor ihrer Betriebsratstätigkeit. Gegen Ende des Welt-Artikels darf der Scharfmacher Prof. Volker Rieble vom neoliberalen Arbeitsrechts-Thinktank ZAAR mal wieder Zitate absetzen: „Bei Betriebsräten, die viele Jahre freigestellt sind, wird eine fiktive Berufsentwicklung unterstellt. Dieses System fördert Missbrauch und Korruption.“ Rieble fordert als Konsequenz die Offenlegung der Betriebsratsgehälter. Wir würden uns freuen, wenn Rieble mit gutem Beispiel voran ginge und seine Bezüge offen legen würde. Ferner kritisieren wir, dass die Uni München dem arbeitgeberfinanzierten ZAAR ein akademisches Deckmäntelchen verleiht. (Mehr dazu in einem Artikel von Werner Rügemer zum ZAAR auf arbeitsunrecht.de)

Siemens-Betriebsräte ebenfalls unter öffentlichem Druck

Mit der Frage, was eine angemessene Vergütung darstellt, befasste sich mit Blick auf den Siemens-Betriebsratsvorsitzenden auch die Süddeutsche Zeitung. Laut SZ gibt es eine interne Untersuchung bei Siemens mit Blick auf die 300.000,- Euro Jahresbezüge des Betriebsratsvorsitzenden Lothar Adler. Zitat: „Der frühere VW-Betriebsratschef Klaus Volkert musste nach Millioneneinkünften und Lustreisen wegen Untreue ins Gefängnis. Dort saß, wegen anderer Delikte, auch Wilhelm Schelsky, Ex-Boss der heimlich von Siemens finanzierten, arbeitgeberfreundlichen Betriebsräteorganisation AUB. Um Opel kümmerte sich die Justiz ebenfalls. Eine angebliche Begünstigung von Betriebsräten der Handelsgesellschaft Ferrostaal ist, wegen des Verdachts der Veruntreuung von Konzernvermögen, vor Gericht anhängig.“

Auch in diesem Artikel der Journalisten Thomas Fromm, Sibylle Haas und Klaus Ott  darf  Volker Rieble wieder als Zitat-Gebe-Maschine ran. Sie stellen ihn so vor: „Rieble ist Professor für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München und hat sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt.“ Dass Rieble nur eine Art Scheinprofessur besitzt und tatsächlich aus Kassen der Chemie- und Metall-Industrie bezahlt wird, verschweigt die Qualitätspresse.

Dass Volker Rieble sowohl in der Welt (im Fall Daimler-Benz) als auch in der  Süddeutschen Zeitung (im Fall Siemens) zu Betriebsratsgehältern in der Metallindustrie zitiert wird, legt den Verdacht nach, dass es sich hier um eine gezielte Kampagne des Arbeitgeberlagers handelt.  Auch der Spiegel reihte sich gerne in das Medienkonzert zu üppigen Betriebsratsgehältern ein.


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