Frontberichte 47. und 48. KW 2013

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Betriebsrat-Bashing, Arbeitsunfälle + Arbeitsunrecht in Deutschland | Presseschau vom 20.11. – 30.11.2013

Meyer-Werft / Papenburg: Betriebsrat bedroht, Mitarbeiter eingeschüchtert + + Shell Raffinerie Rheinland / Köln-Godorf: Keine Auskunft über verletzte „Fremdarbeiter“ + + New Albea/Seelbach: Betriebsrat feiert Erfolg vor dem Arbeitsgericht, Kollegen besinnen sich ++ Natus/Trier: Geschäftsführer angezeigt + + Arbeitsgericht Bayreuth: Mutter eines Selbstmörders hat kein Recht auf Begründung der fristlosen Kündigung ihres Sohnes

Meyer-Werft: Vorarbeiter bedroht Betriebsratsmitglied, Mitarbeiter eingeschüchtert

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Das Kreuzfahrtschiff AIDAmar vor der Schiffbauhalle der Meyer-Werft in Papenburg. Foto: Thieboldt, Lizenz CC 3.0.

Nach dem Feuertod zweier rumänischer Werkvertrags-Arbeiter in einem Wohnheim traf sich ein Betriebsratsmitglied der Meyer-Werft mit vier rumänischen Arbeitern. Nachdem bekannt geworden war, dass deren Firma ihnen Löhne schuldig geblieben war und nur 300,- Euro im Monat ausgezahlt hatte, wollte er sich aus erster Hand über die Probleme  informieren. Ein Vorarbeiter des Subunternehmens bedroht daraufhin das Betriebsratsmitglied. Laut der Lokalzeitung Generalanzeiger soll der Subunternehmer selber den Mann ermahnt haben „aufzupassen, was er schreibe“. Außerdem sollten Fotos von dem Betriebsratsmitglied gemacht worden sein.

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Dunkel ist die Nacht über der Shell-Raffinerie in Köln-Godorf. Foto: Martin Horath, Quelle: wikicommons

Im Zwischenbericht der Taskforce, die nach dem Tod der beiden Rumänen von der Meyer-Werft eingerichtet wurde, heißt es, der Schiffbauer habe sich nach diesem Vorfall von dem betreffenden Subunternehmen getrennt. Über die Arbeitsbedingungen der Rumänen steht in den 47-seitigen Zwischenbericht, dass sie Doppelschichten arbeiten mussten und einem starken psychischen, wie körperlichem Belastung ausgesetzt waren. Dieser Druck scheint auch weiterhin auf vielen Beschäftigten zu lasten, den kaum jemand traute sich, zu den Arbeitsbedingungen Stellung zu nehmen und sich offen zu äußern. Dem Artikel ist wortwörtlich zu entnehmen, dass Vorgesetzte die Mitarbeiter eingeschüchtert haben.

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Shell Raffinerie Rheinland / Köln-Godorf: Keine Auskunft über Schicksal verletzter „Fremdarbeiter“

Die Arbeiter, die sich am 5. November 2013 bei einer Explosion schwer verletzt haben (wir berichteten am 12. November 2013), befinden sich laut telefonischer Auskunft von Unternehmensssprecher Constantin Graf von Hoensbroech weiterhin in stationärer Behandlung und seien auf dem Weg der Besserung.

Die Shell Deutschland Oil GmbH verweigert darüber hinaus gegenüber arbeitsunrecht.de bislang jede Auskunft über folgende Fragen:

  1. Wie ist der Gesundheitszustand der Arbeiter, die sich laut Presse am 5. November 2013 in der Shell Raffinerie Rheinland schwer verletzt haben?
  2. Mit welcher Art von Verträgen waren diese eingestellt?
  3. Welcher Nationalität gehören die Männer an?
  4. Wie heißt der Subunternehmer, bei dem die Männer beschäftigt waren?
  5. In welchem Krankenhaus wurden sie zuerst behandelt, wo sind sie jetzt?
  6. Wie können wir uns von ihreren Aussagen, „Die Männer sind in stationärer Behandlung. Sie sind auf dem Weg der Besserung“, selbst überzeugen?

Wir halten eine solche Abschottung gegenüber der demokratischen Öffentlichkeit für inakzeptabel. Sie würde es im schlimmsten Fall ermöglichen, verstorbene Arbeiter verschwinden zu lassen oder den Mantel des Schweigens über skandalöse Arbeits- und Vertragsverhältnisse zu breiten. Wir vermuten hinter der Abschottungspolitik schlechtes Gewissen.

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 New Albea: Gericht watscht Union-Busting-Strategie der Geschäftsführung ab

New Albea, Kunststofftechnik in Seelbach, muss vor Gericht vorläufig eine deutliche Schlappe einstecken (siehe BZ) . Wir berichteten in den Frontberichten der 44. KW 2013, dass es der Geschäftsfühurng von New Albea gelungen war, Teile der Belegschaft gegen den Betriebsrat aufzuhetzen und dessen Auflösung zu fordern. Erfreulicherweise haben unsere guten Wünsche für den Betriebsrats nun vor dem Arbeitsgericht in Offenburg Früchte getragen: in 21 von 28 Fällen hat Richter Jan Schippers den Unterlassungsanträgen des Betriebsrats gegen die Geschäftsführung statt gegeben. Der Antrag der Geschäftsführung auf Auflösung des Betriebsrats wurde dagegen abgewiesen. Ein Sprecher des Gerichts erklärte, die anderen Anträge seien zu unklar oder weit gefasst gewesen. Darüber hinaus habe das Gericht sicherstellen wollen, dass künftig ruf- oder sonstwie schädigende Vorwürfe gegen Betriebsräte und ihre Arbeit nicht mehr wiederholt werden.
Markus Arendt, Rechtsvertreter von New-Albea-Geschäftsführer Reiner Just und Gesellschafter Jo Pollaert, hat angekündigt, beim Landesarbeitsgericht Beschwerde gegen dieses Urteil einlegen zu wollen.
Unabhängig von diesem Urteil stehen noch zwei weitere Gerichtstermine aus: bereits am 03.12.2013 wird ein Antrag auf Änderung des Wahlvorstandes für die anstehenden Betriebsratswahlen, den der Betriebsleiter, die Personalchefin und ein Angestellte gestellt haben. Des weiteren steht noch eine Verhandlung über einen weiteren Auflösungsantrag des Betriebsrats ein. Diesen hatten 85 Kollegen der Betriebsratsmitglieder unterschrieben (wir berichteten). Mittlerweile sollen jedoch nur noch 38 der Beteiligten zu ihrer Unterschrift stehen. Ob dieser Auflösungsantrag, unter dem eine rechtskräftige Unterschrift fehlt, vor der nächsten turnusgemäßen Betriebsratswahl im März 2014 überhaupt noch verhandelt wird, ist bisher nicht klar.

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Natus /Trier: BR-Vorsitzender drangsaliert – IG Metall zeigt Geschäftsführer an

Auch über die Geschäftsführung von Natus in Trier hatten wir berichtet. Bereits am 26.06.2012 informierten wir über die Versuche der Geschäftsführung, die erste Betriebsratswahl seit der Gründung des Betriebes vor gut 50 Jahren zu verhindern. Nun hat es Geschäftsführer Dr. Keidel laut Volksfreund so weit gebracht, dass die IG Metall gegen ihn einen Strafantrag gestellt hat. Voran gegangen war eine Abmahnung gegen den Vorsitzenden des schmerzhaft errungenen Betriebsrats, dem ein Hausverbot folgte. Zu guter Letzt drohte man ihm offenbar mit Kündigung (http://igm-natus.de/?p=2331). Die Kündigungs-Androhung diene lediglich der Einschüchterung, sagte der Trierer IG-Metall-Sekretär Patrick Georg. Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer prüft die Vorwürfe. Sieht er einen Verdacht auf eine Straftatbestand gegeben, wird er Ermittlungen einleiten.  In einer internen E-Mail von 2008, die dem DGB Region Trier zugespielt wurde, schreibt Firmeninhaber Frank Natus immerhin:

„Jede noch so winzige Möglichkeit, dass sich ein Betriebsrat formieren könnte, muss sofort im Keim erstickt werden.”

Mehr über den aggressiven Zuschnitt der Firma Natus und des Verbands Trierer Untenehmer in einem Artikel des Neuen Deutschland von Elmar Wigand: Familienbande und lokale Macht, ND 14. 08. 2013.

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Urteil: Selbstmord nach fristloser Kündigung – Mutter darf den Kündigungsgrund nicht erfahren

Das Arbeitsgericht Bayreuth befand am 27.11.2013, dass die Mutter eines Mannes, der sich vier Tage nach seiner fristlosen Kündigung umgebracht hat, kein Recht darauf hat, zu erfahren, welchen Grund der Arbeitgeber für die Kündigung angegeben hatte. (http://www.nordbayerischer-kurier.de/schlagw%C3%B6rter/suizid)


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