IZA: Unrühmlicher Abgang eines mächtigen Ökonomen

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Denkfabrik der Post AG feuert Klaus Zimmermann | Stolperte neoliberaler Hardliner über Prozess gegen Rügemer?

Wir wissen nicht, ob Klaus Zimmermann bereits einen neuen Job hat. Seit dem 1. März ist er jedenfalls nicht mehr Chef des neoliberalen Think-Tanks Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA, Bonn). Die meisten unserer Leser werden den Mann vermutlich nicht kennen, im Arbeitgeberlager war er recht populär – als Stichwortgeber der Wirtschaftspresse und Berater der Regierungsparteien in arbeitspolitischen Fragen. Ein Ranking des Handelsblatts bescheinigte ihm 2005, gleichzeitig führender Wissenschaftler (Top 5 der Forscher) und Medienstar zu sein (diw.de, 11.5.2005). Möglicherweise hat ihn dieser Spagat nun zerrissen.

Zimmermann war ein Scharfmacher.

Klaus-Zimmermann_Gebesee_Leistungspflügen
Der DDR-Meister im Leistungspflügen, Klaus Zimmermann, von der LPG Kleinurleben im Kreis Langensalza bei einem Wettkampf am 5. Mai 1967 in Gebesee. Der versierte Traktorist ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Top-Ökonomen aus der BRD, von dem es kein gemeinfreies Bildmaterial gibt (Quelle: wikicommons).

Sein IZA befürwortete die Hartz-Gesetze und begleitete deren Auswertung, zudem unterstützte es die Forderungen der Unternehmerlobby gutachterlich, manchmal sogar noch in übersteigerter Form (Renteneinstieg mit 70 u.ä.). Zimmermann faselte von 600.000 verlorenen Arbeitsplätzen, falls der Mindestlohn komme.

Während sich der als Hochstapler enttarnte Verteidigungsminister Guttenberg mit einem großen Zapfenstreich verabschieden ließ, sagte Zimmermann mit einem Kongress, den er zu seinen Ehren am 22. Februar 2016 in Bonn abhalten ließ, leise Servus. Es kamen 230 Getreue, darunter der Ford-Chef Bernhard Matthes, Ex-Superminister Wolfgang Clement – heute Leiharbeits-Lobbyist, Roland Tichy, früherer Chefredakteur der Wirtschaftswoche – heute als Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung ebenfalls Lobbyist, Rechtsanwalt Gernot B. Lehr aus der Promi-Kanzlei Redeker Sellner Dahs (klausfzimmermann.de, 24.2.2016). Solche Leute eben.


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Der Captain Ahab des deutschen Neoliberalismus, Hans-Werner Sinn, war verhindert, dafür schickte er eine rührselige Laudatio auf den Scheidenden:

Ich kenne Klaus Zimmermann seit etwa über 40 Jahren. Er fiel mir als eifriger Student in meiner Übung zur Finanzwissenschaft an der Universität Mannheim auf.

Sinns Grußwort, das sich streckenweise wie ein Nachruf liest, dürfte für Elitenforscher durchaus interessant sein. Es ist hier einsehbar: klausfzimmermann.de, 24.2.2016.

Die Schwierigkeit, gleichzeitig Lobbyist und Wissenschaftler sein zu wollen

Das Thema des Abschiedsevents klang trotzig: “Herausforderungen der wissenschaftlichen Politikberatung”. Genau an dieser Herausforderung, Wissenschaft und „Politikberatung“ (sprich Lobbyismus) zu unterscheiden, ist Zimmermann zuletzt gescheitert.

An seinem Abgang hatte die aktion./.arbeitsunrecht einen kleinen Anteil. Mit dem Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt (bitte hier spenden) unterstützten wir unseren Kollegen und Mitstreiter Werner Rügemer bei einem viel beachteten Prozess, den Zimmermann vor der Pressekammer Hamburg losgetreten hatte . Und unter anderem darüber stolperte der neoliberale Hardliner wahrscheinlich.

Zimmermann ./. Rügemer | Angriff auf die Meinungsfreiheit

Prof. Dr. Klaus Zimmermann hat sich über die Jahre einen Ruf als „wohl klagefreudigster Institutschef Deutschlands“ erarbeitet (Handelsblatt, 17.12.2015). Er zerrte auch unser Vorstandsmitglied Werner Rügemer 2013 wegen eines Artikels vor den Kadi („Die unterwanderte Demokratie“, Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2013, hier in einer Version, die von der Redaktion leider entschärft wurde).

Klaus-Zimmermann_Gebesee,_Leistungspflügen,_Sieger_im_Gespräch
Der litauische Traktorist Gerdzinas Vincas (links), der den 16.Platz belegte, gratuliert dem zweifachen DDR-Meister im Leistungspflügen, Klaus Zimmermann – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen westdeutschen Medienstar – zu seinem Sieg beim IV. Bezirksausscheid im Leistungspflügen am 5.5.1967 in Gebesee. In der Mitte Levnas Stepanauskas, Korrespondent der Zeitung „Tiesa“. (Quelle: wikicommons)

Rügemer hatte die Wissenschaft, die in Zimmermanns Institut für die Zukunft der Arbeit (IZA) angeblich betrieben wurde, als „unfrei“ und „abhängig“ bezeichnet. Tatsächlich ist das IZA abhängig von der Finanzierung durch die Deutsche Post DHL AG bzw. durch deren Stiftung. Übrigens: Gründer und Immernoch-Präsident des Instituts ist der ehemalige Postchef, Post-Privatisierer und verurteilte Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel. Er hatte 1998 das Institut gegründet und Zimmermann berufen.

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hatte einen Vergleich vorgeschlagen, dem Rügemer aber widersprach. Deshalb liegt der Fall jetzt immer noch unentschieden beim Oberlandesgericht.

Aufruhr im Aufsichtsrat

Freilich hat sich etwas getan: Zimmermann wurde offenbar auch deshalb zum 1. März 2016 seines Amtes als Direktor des IZA enthoben, weil man im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG not amused war über die unangenehme Figur, die er u.a. mit seinen krassen Kommentaren im sich lange hinziehenden Verfahren gegen Rügemer gemacht hatte. So schreibt Norbert Häring im Handelsblatt vom 17.12. 2015:

Dem Vernehmen nach führte die unangenehme Publicity dazu, dass sich Anfang 2015 der Aufsichtsrat der Post mit dem IZA beschäftigte. Zimmermann stellte seine zuvor sehr intensive negative Kommentierung des Mindestlohns ein und äußerte sich fortan praktisch nicht mehr zu heiklen Fragen der Arbeitsmarktpolitik.

Ein Rauswurf wird in solchen Kreisen allerdings nicht Rauswurf, Personalanpassung, Down-Sizing oder einfach Entlassung genannt. Das wäre ein Affront. Das Institut fand die Sprachregelung, ihr langjähriger Chef werde „die Möglichkeit nutzen, im Rahmen von Gastprofessuren an auswärtigen Universitäten seine persönlichen Forschungsschwerpunkte zu vertiefen.“ (manager-magazin.de, 16.12.2015)

Autokratischer Führungsstil und geringe Anwesenheit

Zimmermanns Jobverlust ist nun schon der zweite Karriereknick: Als „einer der mächtigsten deutschen Ökonomen“ hatte er bis 2011 gleichzeitig das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) geleitet, aus dem er  aus wenig schmeichelhaften Gründen ebenfalls rausgeflogen war. Das Kuratorium kritisierte seinen „autokratischen Führungsstil“, ferner gab es Unmut über geringe Anwesenheit aufgrund umfangreicher Verpflichtungen. Zum Stolperstein wurden damals laut Handelsblatt „hohe Kosten eines von ihm gegründeten DIW-Ablegers in Washington“.

Wir versprechen uns aus dem zusehends ramponierten Ruf des „Klaus F. Zimmermann“, wie er sich selbst nennt, folgenden Vorteil: Vielleicht fällt dem Hamburger Oberlandesgericht die Beurteilung des Klägers Zimmermann und seiner presserechtlichen Attacken auf die freie Meinungsäußerung nun leichter.


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1 Kommentar

  1. Da waren es nur noch…..
    Ich denke, für manchen dieser (möchtgern) Eliten zieht sich die Schlinge so langsam aber sicher zu !

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