IZA vs. Rügemer: Zweifelhafter Sieg

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Unser Kollege Werner Rügemer geht in Berufung

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Prof. Dr. Klaus Zimmermann leitet das IZA in Bonn. Seinen angekratzten Ruf als Wissenschaftler will er gerichtlich wieder herstellen. Viele halten ihn für einen Lobbyisten im Dienste ungebremster Unternehmer-Interessen. (Foto: NrhZ-Archiv)

Das Hamburger Landgericht gibt dem neoliberalen Hardliner Prof. Klaus Zimmermann (IZA) im Maulkorbverfahren gegen Werner Rügemer recht… aber nur teilweise und nur vorläufig.

Immerhin darf man jetzt in Deutschland von Gerichts wegen behaupten, dass sich das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) erstens faktenwidrig als unabhängig bezeichnet und zweitens dessen Tätigkeit keine freie Wissenschaft ist.

Die umstrittene Pressekammer des Landgerichts Hamburg kam allerdings zu dem erstaunlichen Urteil, das IZA dürfe nicht als Akteur des Lobbying bezeichnet werden, ferner wollten die Richter offenbar auch die Meinung nicht gelten lassen, dass die dubios wirkende Finanzierung des IZA durch die deutsche Post AG/DHL intransparent sei.  Obwohl die Finanzierung der Denkfabrik immerhin über eine Stiftung läuft, die Charakteristika einer Geldwaschanlage aufweist und von einem vorbestraften Steuerhinterzieher geleitet wird (siehe hier).

Für den Arbeitsmarkt-Scharfmacher Zimmermann (Für Rente mit 70, Gegen Mindestlohn) und seine Anwälte der Nobel-Kanzlei Redeker Sellner Dahs steht jetzt eine Menge Arbeit an: 53 Professoren aus dem attac-Umfeld haben den Wunsch geäußert, ebenfalls angeklagt zu werden. Das Handelsblatt hatte eben jene dubiose Finanzierung des IZA am 19. 1. 2015 breit thematisiert („Zumwinkels forsche Forscher“), welche das Hamburger Gericht offenbar für unproblematisch hielt (vorbehaltlich der schriftlichen Urteilsbegründung). Ulrich Müller von LobbyControl bewertete die Tätigkeit des IZA als Deep lobbying (LobbyControl.de, 10. Mai 2014). Und der Europa-Abgeordnete Sven Giegold (Grüne) gab zu Protokoll: „Das IZA wird fast ausschließlich von Geldern der Deutschen Poststiftung finanziert, obwohl es gleichzeitig als Teil der Bonner Universität erscheint. Bei der Finanzierung durch einen Großsponsor kann man nicht von Unabhängigkeit sprechen.“


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Presseerklärung

von Werner Rügemer, 9.Februar 2015

Deutscher Schäferhund mit Maulkorb
Deutscher Schäferhund mit Maulkorb (Quelle: wikicommons)
Im September 2013 klagte Prof. Klaus Zimmermann gegen mich und Peter Kleinert, Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung: Wir sollen bezüglich seines von ihm geleiteten Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) folgende vier Aussagen unterlassen:

1. Das IZA bezeichne sich faktenwidrig als unabhängig,
2. Beim IZA könne beim besten Willen nicht von freier Wissenschaft gesprochen werden,
3. Das IZA betreibe Lobbying und
4. Das IZA informiere nicht über seine Finanzierung durch die Stiftung des Deutsche Post–Konzerns.

Die Klage bezieht sich auf meinen Artikel „Die unterwanderte Demokratie“, der zunächst in „Blätter für deutsche und internationale Politik“ 8/2013 veröffentlicht und in „neue rheinische zeitung“ (nrhz.de, 21.8.2013) nachgedruckt wurde. Die „Blätter“ haben die entsprechenden Passagen aus der Internetversion entfernt, die neue rheinische zeitung aber nicht.

Nach zwei öffentlichen Verhandlungen am 9.5. und 10.10.2014 verkündete die Pressekammer des Landgerichts Hamburg am 6.2.2015 das immer wieder verschobene Urteil: Die Aussagen zu 1 und 2 sind zulässig. Dagegen bleiben die Aussagen zu 3 und 4 verboten – ich werde dagegen in Berufung gehen, sobald das Urteil schriftlich vorliegt. (Aktenzeichen 324 O 19/14)

Gründe für die Berufung

Zunächst: Die Aussagen 3 und 4 finden sich so gar nicht im fraglichen Artikel.
Zu Punkt 3: Ich hatte nicht geschrieben, das IZA betreibe Lobbying. Der Artikel hebt vielmehr insgesamt darauf ab, dass es eine neue Form des „indirekten Lobbying unter staatlichem Siegel“ gebe. Der übliche Lobbybegriff greift hier nicht; denn das IZA und ähnliche von mir beschriebenen Initiativen, Stiftungen u.ä. vertreten nicht offen Unternehmerinteressen wie etwa die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) oder öffentlich bekannte und bezahlte Lobbyisten einzelner Konzerne oder etwa der Energie- oder Pharmabranche.

Das IZA dagegen wird vom Post-Konzern über dessen Stiftung finanziert, übernimmt aber von Konzern und Stiftung keine Aufträge und bekommt keine Vorgaben – das ist nicht nötig, denn man ist Bruder und Schwester im Geiste. Das IZA begründet deshalb freiwillig in seinen Gutachten die typischen Unternehmer-Forderungen: Ausweitung des Niedriglohnsektors, kein flächendeckender Mindestlohn, Heraufsetzung des Renteneintrittsalters und dergleichen. IZA-Direktor Zimmermann polemisiert in diesem Sinne immer wieder öffentlich gegen alternative Forderungen etwa von Gewerkschaften.

Tarnkappen-Professur

Zugleich zieht sich das IZA die staatlich-objektive Tarnkappe auf: Es ist ein Institut der Universität Bonn, obwohl es nicht von ihr, sondern der Deutsche Post AG bezahlt wird. Zimmermann darf sich mit dem Titel „Professor der Universität Bonn“ schmücken, obwohl er von der Post-Stiftung finanziert wird. Zudem verschafft sich das IZA weitere Einflusswege, etwa durch die von Zimmermann berufenen „Policy Fellows“, einer Versammlung unternehmensnaher Publizisten, Lobbyisten und Politiker.

Zu Punkt 4: Ich hatte gar nicht behauptet, das Institut informiere nicht über seine Finanzierung durch den Post-Konzern. Ich hatte vielmehr geschrieben, dass die Finanzierung der „breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt“ sei. Zimmermann argumentierte dagegen, dass auf der IZA-website doch der Hinweis auf die Deutsche Post zu finden sei. Damit müssen die Finanzierung und ihre Modalitäten ja nicht der breiten Öffentlichkeit bekannt sein. So steht auf der website nichts dazu, dass das Institut auch noch durch die Bertelsmann-Stiftung, die Thyssen-Stiftung, durch die Europäische Kommission, die Weltbank usw. finanziert wird.

Außerdem informiert das IZA nicht darüber, dass die Post-Stiftung gar keine richtige Stiftung ist, sondern lediglich eine Durchlaufstation der jährlichen Konzern-Spenden. Die  Stiftung hat keine eigene Telefonnummer, keine Website, kein Personal. Der einzige Zweck ist die Finanzierung des IZA. Einen Beirat, wie er in der Stiftungssatzung steht, gibt es nicht.

Präsident von Stiftung und IZA ist der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel, der 1998 das Institut gründete und Zimmermann als Direktor berief. Nach seiner Verurteilung als Steuerhinterzieher und seinem Rücktritt als Post-Chef verlegte Zumwinkel seinen Sitz nach London, von dort aus hält er als der einzige Stiftungs-Gesellschafter die Gesellschafterversammlungen mit sich selbst ab. Protokolle werden nicht veröffentlicht. Trotzdem sind Stiftung und IZA vom Bonner Finanzamt als gemeinnützig anerkannt – all dies ist „der breiten Öffentlichkeit“ gewiss nicht bekannt.

Zimmermann feiert Sieg

Das Landgericht hatte in der ersten Verhandlung am 9.5. 2014 einen Vergleich vorgeschlagen: Die ersten drei Darstellungen bleiben erlaubt, lediglich die vierte bleibt verboten (Finanzierung durch den Post-Konzern sei unbekannt).
Diesen Vergleich lehnte Zimmermann ab. In der zweiten Verhandlung am 10.10.2014 änderte das Gericht seinen Vergleich ab: Auch Punkt 3 soll nun verboten bleiben (Das IZA betreibe Lobbying).

Am Tag der Urteilsverkündung kommentierte Zimmermann, das Klageverfahren sei damit „sehr erfolgreich für das IZA“. (IZA newsroom 6.2.2015: „Urteil im Rügemer-Verfahren“) Das ist der Kommentar des Direktors des Instituts, dem das Gericht in diesem Urteil bescheinigte, sich faktenwidrig als unabhängig zu bezeichnen und bei dem beim besten Willen nicht von freier Wissenschaft gesprochen werden könne.

Ein schöner Sieg, Herr Zimmermann!


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