Neupack lässt Arzt bespitzeln um Betriebsrat zu kündigen

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Hamburger Plastik-Becher-Hersteller Neupack (Milram, Heideblume, Humana) setzt Privatdetektei ein, um Kündigungsgründe zu konstruieren

Elmar Wigand und Jessica Reisner von aktion ./. arbeitsunrecht e.V.  mit Murat G. auf der Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Oktober 2014
Elmar Wigand und Jessica Reisner von aktion ./. arbeitsunrecht e.V. mit Murat G. (Mitte) auf der 2. Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Oktober 2014

Arne Höck, derzeit Geschäftsführer des Hamburger Joghurtbecher-Herstellers Neupack, betreibt Betriebsrats-Mobbing aus dem Lehrbuch: Die neueste fristlose Kündigung erreichte den Betriebsratsvorsitzenden Murat G. pünktlich zu Weihnachten. Frühere Kündigungen wurden so versandt, dass sie zur Abreise in den Familienurlaub oder zum Geburtstag im Briefkasten des Gewerkschafters lagen.

Um Kündigungsgründe zu kreieren, werden Detektive beauftragt (wir berichteten am 19.09.14 „Neupack übt Revanche“). Insgesamt hat Neupack seit 2012 mehr als ein Dutzend Kündigungen abgefeuert, die Mehrzahl fristlos. Fünf Anträge auf ersatzweise Zustimmung zur Kündigung (weil der Betriebsrat nicht zustimmte) hat das Arbeitsgericht Hamburg bereits abgewiesen.

Mit schmutzigen Tricks gegen Arzt und Attest | Syllogistischer Fehlschluss

Mit der letzten Kündigung wird die Glaubwürdigkeit einer Krankschreibung Murat G.s in Frage gestellt. Die Logik ist so perfide wie dämlich: Um aus der Arbeitsunfähgkeit einen Kündigungsgrund zu konstruieren, beauftragte Neupack die Privatdetektivin Jannine Benkhardt (Alpha Security Consult & Concept Axel Benkhardt), die beim krankschreibenden Arzt vorstellig wurde und offenbar erfolgreich eine Erkrankung simulierte. Der Arzt stellte der professionellen Simulantin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, womit laut Arbeitgeber bewiesen sein soll, dass auch Murat G. sich die Krankschreibung desselben Arztes lediglich erschlichen habe.

Hierbei handelt es sich um einen sog. syllogistischen Fehlschluss bzw. ein unlogisches Scheinargument, was auch für deutsche Arbeitsrichter leicht erkennbar sein dürfte. Sonst könnte man auch folgern: a) Neupack setzt schmutzige Methoden gegen seinen Betriebsratsvorsitzenden ein, b) Neupack produziert Plastikbecher für Milram, also: c) Milram-Sahne und Milram-Gewürzquark sind schmutzig.


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Methoden des Union Busting: Krankschreibung erschleichen

Dieselbe Methode wie im oben geschilderten Fall Neupack, nämlich die bewusste Täuschung eines Arztes mittels erschlichener Krankmeldung, um dessen Glaubwürdigkeit zu unterminieren, setzte die Filial-Betreiber Yi-Ko Holiding GmbH bereits 2013 gegen einen Betriebsratsvorsitzenden von Burger King aus Dortmund-Kley ein.
Die neuen Geschäftsführer Yildiz und Kolobov (Yi-Ko) wurden damals vom bekannten Union Buster Helmut Naujoks beraten, der das Unternehmen mit seinen Methoden in den folgenden Monaten komplett vor die Wand fuhr (Siehe unser Fazit vom 20.11.2014).

Die Tageszeitung Neues Deuschland schrieb am 15.7.2013, dem Betriebsratsvorsitzenden bei Burger King wäre zur Last gelegt worden: 

er habe sich vom 10. bis 20. Juni 2013 krank und arbeitsunfähig gemeldet, seine Erkrankung jedoch lediglich »vorgetäuscht«. Als Zeugin für diese Aussage führt die Geschäftsleitung die zuständige Distriktleiterin von Burger King an. Diese habe in derselben Arztpraxis wie G.Y. vor Kurzem persönlich und auf eigenen Wunsch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten, obwohl sie nicht krank gewesen sei. Daraus folgern die Burger King-Manager, dass sich auch G.Y. seine Krankmeldung »erschlichen« habe. Dies sei eine »Pflichtverletzung« und ein »schwerwiegender Vertrauensbruch« und erfordere im Interesse des »Betriebsfriedens« eine Kündigung.

Selbstverständlich hat dieser juristische Schrott vor keinem deutschen Gericht Bestand, das sich selbst irgendwie ernst nimmt. Wir vermuten, dass Neupack von Arne Höck und der Kanzlei Taylor Wessing vor die selbe Wand gefahren wird, vor die zuvor schon Yi-Ko & Burger King gekracht sind.

Helmut Naujoks residiert seit einiger Zeit übrigens in Hamburg. Ob er im Hintergrund als Berater für Neupack tätig ist? Die Ähnlichkeit der Methoden ist jedenfalls frappierend.

Warum greifen Arbeitgeber zu schmutzigen Methoden?

Die Neupack-Belegschaft kämpfte für einen Tarifvertrag. Murat gehörte zu den größten Aktivposten der Gewerkschaft im Betrieb. Hier liegt die Motivation des Neupack-Managements, ihn jetzt zu zermürben: Vergeltung und Einschüchterung.

Massive Lohnunterschiede für gleiche Tätigkeiten und nicht nachvollziehbare Bonuszahlungen waren im November 2012 Auslöser für einen acht Monate währenden Streik der Neupack-Belegschaft und ihrer Gewerkschaft IG BCE. Neupack stellte polnische Leiharbeiter als Streikbrecher ein. Letztlich konnte die Belegschaft keinen Tarifvertrag, aber Verbesserungen in der Bezahlung und Arbeitszeitregelung durchsetzen (Bericht vom 19.08.13 „Neupack: Doch eine Einigung?“). Der Unternehmensberater und Manager Arne Höck verhinderte bereits bei der Rowa-Gruppe, ebenfalls kunststoffverarbeitende Industrie, die Gründung eines Betriebsrats (NDR, Panorama3 vom 29.01.2013).

Kommt zum Gerichtstermin!

Die erneute Kündigung von Murat G. ist nur ein weiteres Glied in einer ganzen Kette von konstruierten juristischen Maßnahmen. Bereits zum Jahresanfang 2015 muss Murat G. mal wieder vor Gericht erscheinen:

08. Januar 2015, 9.00 Uhr
Arbeitsgericht Hamburg, Osterbekstr. 96, 1. Stock, Saal 112
(U- oder S-Bahn Barmbek oder U-Bahn Saarlandstr.)

Diesmal geht es um eine Maulkorb-Kündigung aufgrund eines Interviews Murats mit der Zeitschrift „EXPRESS – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“ (Ausgabe 03-04/2014) und eine weitere Kündigung, bei der – wie im aktuellen Fall –  die tatsächliche Erkrankung in Frage gestellt wird (unser Artikel vom 19.09.2014).

Die Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF) hält ab 08.00 Uhr eine Kundgebung vor dem Arbeitsgericht Hamburg ab.

Das Kölner Büro der aktion./.arbeitsunrecht erklärt sich solidarisch mit Murat G. auf und hofft auf zahlreiche Unterstützer vor Ort!


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