Zur Strategie: Gemeinsam gegen Union Busting

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Möglichkeiten der politischen, medialen und juristischen Gegenwehr im Betrieb | Belange der Belegschaft aufgreifen

Achtung Union Busting Gegen Union Busting-Attacken (Was ist das?) gibt es keine Allheilmittel. In den ersten Auseinandersetzungen mit systematischen Mobbing-Strategien gegen aktive Gewerkschafter*innen und Betriebsratsmitglieder konnten allerdings ein paar Erfahrungswerte gesammelt werden, die eine Diskussion über die adäquate Gegenwehr gegen diesen menschenverachtenden Managementansatz möglich machen.

Mit diesem Beitrag soll eine Verteidigungsstrategie vorgeschlagen werden, die nicht in erster Linie auf eine juristische Gegenwehr und eine mediale Skandalisierung der Mobbing-Attacken setzt, sondern stattdessen auf eine betriebspolitische (Neu-)Legitimation der durch die Union Busting-Kampagne in Frage gestellten Betriebsratsarbeit abzielt.

Keine Flucht in den Paragraphenwald

Keine Frage: In der Auseinandersetzung zwischen Belegschaft und Arbeitgeber kann sich das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) als starkes Schwert erweisen. Zur Abwehr von Union Busting-Offensiven der Arbeitgeberseite ist es aber nur bedingt geeignet. Zwar bietet der gesetzlich geregelte Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder ebenso wie die Unterlassungsansprüche des Betriebsratsgremiums ein hohes Maß an Schutz gegen rechtswidriges Arbeitgebergebaren. Meist geht es den Jurist/innen, die die Arbeitgeberseite beraten, bei ihren Attacken gegen den Betriebsrat oder einzelne Mitglieder aber überhaupt nicht darum, juristische Siege gegen das Gremium zu erringen.

Ziel der Abmahnungs- und Kündigungsbreitseiten, die Union-Busting-Anwälte immer wieder auf Betriebsratsmitglieder abfeuern, ist allein die nervliche Zermürbung ihrer Gegner. Niederlagen vor Gericht und die damit verbundenen Kosten werden dabei billigend in Kauf genommen. Die juristische Gegenwehr gegen solche Attacken ist natürlich notwendig. Sie sollte aber nur ein Element von vielen bleiben und niemals den Kern der Abwehrstrategie gegen die Attacken der Arbeitgeberseite darstellen.


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Vorsicht bei der Öffentlichkeitsarbeit

180px-Warnschild-E-Fischscheuche | Union BustingAls fast genauso tückisch erweist sich oft der Versuch, den Mobbing-Versuchen im Betrieb mit einer öffentlichen Skandalisierung des Arbeitgebers und seiner Attacken auf die gewählten Interessenvertreter/innen der Belegschaft zu begegnen. Hier muss ein schmaler Grat beschritten werden. Zwar ist es natürlich wichtig, Öffentlichkeit herzustellen und den Betroffenen deutlich zu machen, dass sie nicht allein sind. Alleine die Solidaritätsbekundungen der üblichen Verdächtigen aus den Reihen der Gewerkschaften und der Linkspartei helfen aber nur ein wenig dabei, die Mobbing-Angriffe im Betrieb abzustellen.

Gleichzeitig droht eine allzu schrille Skandalisierungskampagne, den Rest der Belegschaft (weiter) gegen die betroffenen Betriebsrats-Kolleg/innen aufzubringen. In mehr als einer Union Busting-Situation haben Beschäftigte auf die Frage, warum sie sich aktiv gegen ihren Betriebsrat stellen, erklärt, sie seien es leid, „ständig an der Supermarktkasse auf ihre schlimmen Arbeitsbedingungen angesprochen zu werden“. Oft äußern sie die Hoffnung, mit dem Betriebsrat werde auch der ständige Konflikt im Betrieb verschwinden und das den eigenen Arbeitsplatz (gefühlt) gefährdende öffentliche Gerede endlich ein Ende finden.

Eine Stigmatisierung der Beschäftigten muss bei der Medienarbeit daher unbedingt vermieden werden. Außerdem sollte der Fokus der Unterstützungskampagne möglichst im unmittelbaren regionalen Umfeld des Betriebs liegen und Bündnispartner/innen einschließen, mit denen Linke sonst selten Politik machen – hier schadet nämlich auch die Unterstützung durch Bürgermeister/innen und Pfarrer/innen nicht, ganz im Gegenteil.

Außerdem sollte man schnell Kontakt zu anderen Betroffenen und Aktivist/innen herstellen – um Beispiel über das Netzwerk aktion ./. arbeitsunrecht.

Betriebliche Öffentlichkeit herstellen

Viel wichtiger als die Pressearbeit außerhalb des Betriebs ist es, im Betrieb eine öffentliche Debatte darüber zu führen, warum die Attacken der Arbeitgeberseite gegen den Betriebsrat gemeinsam abgewehrt werden müssen. Diese Debatte darf nicht abstrakt geführt werden.

Die Aussage „Wir brauchen einen Betriebsrat“ allein wird nicht genügen, die passiven Teile der Belegschaft davon zu überzeugen, sich um den Betriebsrat zu versammeln und kollektiven Widerstand gegen die Arbeitgeberoffensive zu leisten.

Union Busting-Methoden werden vor allem in Betrieben angewandt, die von prekären Beschäftigungsverhältnissen geprägt sind. Viele der Menschen, die in solchen Betrieben arbeiten, haben noch keine Erfahrungen mit kollektiven Aktionen, mit Gewerkschaftsarbeit oder Betriebsratswahlen sammeln können. Das Versprechen „mit Gewerkschaft und Betriebsrat geht es uns besser“ erweist sich aus Sicht vieler Beobachter/innen im Betrieb daher erst einmal als bloße Behauptung.

Deshalb muss sich ein neu gewählter (oder bislang eher inaktiver) Betriebsrat gegenüber den Kolleg/innen erst einmal beweisen und konkret erklären, wie sich die Arbeitsbedingungen mit Hilfe eines Betriebsratsgremiums verbessern lassen. Nur so lässt sich herausarbeiten, dass der Angriff gegen ein Betriebsratsmitglied tatsächlich ein Angriff auf die demokratischen Rechte der gesamten Belegschaft ist.

Trotz Union Busting: In die Offensive!

Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Neue Betriebsratsgremien haben oft alle Hände voll damit zu tun, die Infrastruktur zu erkämpfen, die sie für ihre Interessenvertretungsarbeit brauchen, also etwa ein Büro, einen eigenen Computer und die nötigen Betriebsratsgrundschulungen durchzusetzen. Daneben bleibt nicht viel Zeit für offensive Mitbestimmungsprojekte.

Gleichwohl sollte jedes Gremium alle irgendwie verfügbaren Ressourcen bereits möglichst früh in genau solche Projekte stecken und der Belegschaft damit beweisen, dass sich die Betriebsratswahl doch gelohnt hat.

Hierfür sollte der Betriebsrat sich unter all den Belastungen am Arbeitsplatz, unter denen die Belegschaft zu leiden hat, ein Problem aussuchen, dass sich mit den Bordmitteln des Betriebsverfassungsgesetzes angehen lässt. Dabei bietet sich grob skizziert die folgende Vorgehensweise an:

a) Zunächst sollten die Aktiven im Betrieb den Rest der Belegschaft systematisch befragen und so herausarbeiten, worunter die Kolleg/innen in ihrem Arbeitsalltag am meisten leiden. Hierzu ist kein Methodenfeuerwerk von Nöten. Meist genügt eine ganz normale anonyme Fragebogenaktion, um ziemlich genau herauszuarbeiten, worüber die Belegschaft stöhnt.

b) Dann wählt man unter den wichtigsten Belastungen das Thema aus, dem man mit den starken Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats begegnen, es also „gewinnen“ kann. In einem Pflegeheim könnten das zum Beispiel die häufigen Dienstplanänderungen sein, die den Pflege-Kolleg/innen ihre spärliche Freizeit ruinieren.

c) Hat man ein „gewinnbares“ Thema identifiziert, eröffnet man den Kolleg/innen in einem Flugblatt, auf Betriebsversammlungen und in persönlichen Gesprächen, dass der Betriebsrat die Angelegenheit zu seiner „Chefsache“ macht und den Arbeitgeber zur Abhilfe auffordert.

d) Parallel (nicht stattdessen!) zu dieser Öffentlichkeitsarbeit zwingt man den Arbeitgeber mit den juristischen Mitteln des Betriebsverfassungsgesetzes an den Verhandlungstisch.

Setzt der Arbeitgeber seine Angriffe auf die Mitglieder des Betriebsrats in einer solchen Situation fort, lässt sich der jüngst von der IG Metall recycelte Rote-Hilfe-Slogan „Betroffen ist einer, gemeint sind alle!“ praktisch belegen und den Kolleg/innen verdeutlichen, dass der Konflikt um den Betriebsrat in Wirklichkeit ein Konflikt um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der gesamten Belegschaft ist. Denn mit der konkreten Botschaft „er attackiert den Betriebsrat weil er nicht will, dass wir etwas gegen die Dienstplanänderungen tun“ können die Kolleg/innen viel mehr anfangen als mit der abstrakten Behauptung, ein Betriebsrat sei nun mal für alle besser.

Und wenn im Betrieb erst einmal eine breite politische Basis für offensive Mitbestimmungspolitik geschaffen wurde, spricht auch nichts mehr gegen eine Medienarbeit, die endlich die kriminellen Union Busting-Methoden der Arbeitgeber anprangert.


Der Autor arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin >> Kontakt


Der Beitrag erschienen in der Rote Hilfe Zeitung 3.2016 mit dem Schwerpunkt „Union Busting“.


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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen hilfreichen – weil wehrhaften – Artikel.
    Ich habe die Ausführungen – anders als der vorherige Kommentator – so verstanden, dass Betroffene ein Werkzeug in die Hand gelegt bekommen, mit dem sie sich selbst wehren können, ohne die Gerichtsbarkeit zu bemühen.
    Natürlich hat Manfred Recht, dass man vieles durch bestehende Paragrafen vor Gericht erstreiten und die Diskreditierung von BR-Mitgliedern nach lange dauernden Prozessen unterbinden kann.
    Aber… wieviel reizvoller ist es für engagierte Betriebsräte, sich selbst ihr Recht zu erkämpfen, indem sie ihr Gehirn benutzen und die Geschäftsleitung mit ihren eigenen „Kriegsstrategien“ (auch mal „Strategeme“ googeln) zu schlagen.
    Es geht hier – wenn ich es richtig verstanden habe – darum, die eigenen Ressourcen zu bündeln und sich strategisch geschickt zu verhalten.
    Es ist sehr einfach, den Richtern die Entscheidung über richtig oder falsch aufzudrücken – sich selbst zu wehren (im Rahmen der legalen Möglichkeiten) ist auf den ersten Blick viel schwieriger, aber man vertraut in diesem Fall sein Geschick nicht Fremden an, sondern nimmt es selbst in die Hand!

  2. „Keine Flucht in den Paragrafendschungel“

    – ja nicht an die Öffentlichkeit! Wurde so nicht über Jahrzehnte Mobbing bekämpft? Wird Suizid wegen Mobbing unter der Decke gehalten – im Gegenteil zu Frankreich! Und was hat es gebracht? Letztendlich ist Mobbing/Bossing professioneller und systematischer geworden – und – eine ganze „Mobbing-Industrie“ verdient auf beiden Seiten! Gerade der „Paragrafendschungel“ ist die einzige Möglichkeit Klarheit zu schaffen! Denn gerade er wird von den „Mobbern“ genutzt. Ethik und Moral = Anstand scheint es in manchen Unternehmen und der Justiz nicht mehr zu geben. Da werden auch schon mal Gesetze zugunsten des Stärkeren ausgelegt werden. Der Schwächere hat meistens nicht mehr die Nerven und die finanziellen Mittel seine Rechte durchzusetzen. Mobbing wird auf der emotionalen Ebene angegangen, während kaum Fakten berücksichtigt werden. Fakten, die eigentlich offen daliegen. Prüft man die „Experten“-Definitionen, so zeigt sich schnell: Sie verschlimmern die Situation! Sie sind keine Gesetze – werden von den „Experten“ – und Richtern – aber als „Bibel“ behandelt. Obwohl es auch Kritik zur Auswahl der Items von Leymann gab, werden diese scheinbar unhinterfragt übernommen! Es ist an der Zeit, gerade die Definitionen auf den Prüfstand zu stellen:

    „Rethinking“ – Mobbing – nur ein Instrument zur Verhaltenskontrolle?

    Mobbing als strafbare Pflichtverletzung des Arbeitnehmers/-gebers? Doch welche Pflichten hat er verletzt? Leymann beschreibt in seinen 45 Items zum Teil Handlungen, die bereits im „normalen“ Leben bei einer einmaligen Handlung einen Verstoß gegen das StGB, das AGG, das Arbeitsrecht bzw. Arbeitsschutzgesetz darstellen:

    § 240 Nötigung – Item: Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten.

    § 185 Beleidigung – Item: Man ruft ihm/ihr obszöne Schimpfworte o. a. entwürdigende Ausdrücke nach.

    § 186 Üble Nachrede – Item: Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen.

    § 187 Verleumdung – Item: Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen.

    § 218 Sexuelle Belästigung – Item: Sexuelle Annäherungen oder verbale sexuelle Angebote.

    § 223 Körperverletzung – Item: Körperliche Misshandlung.

    Um nur ein paar Beispiele aus dem StGB zu nennen. Warum sollen diese Handlungen am Arbeitsplatz erst nach mehrmaligen ausüben bzw. erst nach einer langen Dauer, zu rechtswidrigem Verhalten führen? Hierzu auch die Ausführungen von Richter Peter Wickler – „Fachgespräch Mobbing“ der Grünen:

    „… Die Frage der Mobbingbekämpfung ist nicht nur eine Frage der Verteidigung des humanitären Wertesystems, sie ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats. Mobbing kann in schweren Fällen die gleichen Folgen haben, wie eine gegen Leib und Leben gerichtete Straftat. …“

    Mobbing kann nicht nur, sondern muss zwangsweise in schweren Fällen – Sexuelle Belästigung/Körperverletzung – die gleichen Folgen haben, schon aus der Tatsache, dass es Straftaten sind.

    Im Straßenverkehr bedeutet das einmalige Zeigen des „Stinkefinger“ eine schwere Beleidigung, und kann schnell bis zu 4000 Euro kosten – je nach Einkommen! Im Wiederholungsfall kann es den Führerschein kosten! Dem Chef gegenüber kann es zur fristlosen Kündigung führen – ein Handeln im Affekt kann berücksichtigt werden!

    Wo finden wir diese Überlegungen bei Leymann? Letztlich verschleiern die Voraussetzungen „über einen längeren Zeitraum“ bzw. „mehrmals die Woche“, die Tatsache, dass manche der Items – gerade auch bei einer einmaligen Handlung – schon strafbar sind. Während im Straßenverkehr – wo selten die Person auch persönlich bekannt ist, und die Handlung meist im Affekt geschieht und nicht bewusst auf die Ehre des Beleidigten abzielt – eine harte Strafe droht, scheinen einmalige Beleidigungen am Arbeitsplatz für deutsche Richter nicht strafwürdig! Finden wir nicht auch hier wieder eine Kognitive Dissonanz?

    Müssen wir die Items von Leymann nicht dringend auf den Prüfstand stellen? Verhindern vielleicht gerade sie die Lösung des Problems?

    Alle „negativen Handlungen“, die keine Straftaten darstellen, sind unter „Mobbing“ zu definieren.

    Gruß
    Manfred

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