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arbeitsunrecht FM #11/23. Sendung vom 7. Juni 2023 jetzt anhören!

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arbeitsunrecht FM ist ein Radio-Magazin rund um Arbeit, Ausbeutung und Organisierung im Betrieb.

arbeitsunrecht FM #11/23. Die Komplette Sendung hier hören, oder downloaden:

Eine Stunde Infos und Musik. Für renitente Beschäftigte, aktive Betriebsräte, konfliktbereite Gewerkschafter*innen. Und solche, die es werden wollen. MODERATION: Elmar Wigand


Union Busting-News: DRK, Weinzierl, Museum Peenemünde, Hotelgruppe H+

mit Jessica Reisner

► Südwestdeutsche Medienholding : Kein Tariflohn und Betriebsratsbehinderung in Druckerei der Stuttgarter Nachrichten
► DRK Blutspendedienste Rheinland-Pfalz und Saarland: Kündigungsversuch gegen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden scheitert
► Hausdurchsuchung bei Busunternehmer Weinzierl: Löhne veruntreut?
► Zweiter Anlauf für Betriebsrat in Salzburger Hotels der deutschen H+ Gruppe
► Museum Peenemünde: Untertarifliche Bezahlung
► Urlaubsgeld: 47 % aller Beschäftigten bekommen es – mit Tarifvertrag 74 %
► Zugunglück in Indien: Sparmaßnahmen und Personalkürzungen Grund für fast 300 Tote und 1000 Verletzte?


Die Kolumne: Wann, wenn nicht jetzt?

Fachkräftemangel als Problem der Unternehmen und Machtpotential der Beschäftigten

Der Fachkräftemangel begleitet uns gefühlt seit 30 Jahren. Als ständige Leier des Unternehmerlagers. Früher hielten wir das Gerede davon für reine Propaganda und Augenwischerei — ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen genügte. So einfach ist das heute nicht mehr abzutun. Neulich durfte ich als Referent an einem Betriebsrätetreffen in Ostdeutschland teilnehmen. Die meisten Betriebsratsmitglieder nannten den Fachkräftemangel als ihr Hauptproblem. Daher verdient das Phänomen wohl besondere Beachtung.


Wir erscheinen am 1. + 3. Mittwoch im Monat um 19.00 Uhr. Mehr Infos finden Sie hier: https://arbeitsunrecht.de/fm

Nächste Sendung: Mittwoch, 21. Juni 2023 um 19.00 auf Radio Dreyeckland (Freiburg: 102,3 mhz) youtube ► twitchfacebook 


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Union Busting News 5/24: AWO, Arelion, Hammer, Enpal, Grün Berlin, Streik und Plattformarbeit

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Marl / AWO versucht seit zwei Jahren Betriebsratsmitglied zu kündigen
  • Frankfurt / Netzanbieter Arelion / Betriebsratsgründung unerwünscht, Massenentlassung und Verlagerung nach Rumänien
  • Schwerin / Raumausstatter Hammer kündigt allen Beschäftigten vor Betriebsratsgründung
  • Berlin / Kein Betriebsrat bei kommunalen Unternehmen? SPD Berlin kritisiert landeseigene GmbH Grün Berlin
  • EU / Plattformarbeit /  Deutschland sabotiert Verbesserungen auf EU-Ebene. 4 Mio Scheinselbstständige gucken in die Röhre. Schuld ist die FDP
  • Leipzig / Enpal / Mitarbeiter geprellt? Leipziger Filiale schließt
  • Rötha in Sachsen / Längster Streik der Geschichte der Bundesrepublik bei SRW Metalfloat
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Marl: AWO versucht seit zwei Jahren Betriebsratsmitglied zu kündigen

Marl in Nordrhein-Westfalen: Die Arbeiterwohlfahrt AWO in Marl versucht seit mittlerweile zwei Jahren den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zu kündigen. Der Mann arbeitete fast 30 Jahren bei der AWO. Die juristische Klärung zieht sich laut Lokalkompass geradezu grotesk in die Länge. 1

Völlig unerwartet konfrontierte die Geschäftsleitung im März 2022 den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden mit sechs Beschwerden von Bewohnern bzw. Bewohnerinnen. Damals stand die Neuwahl des Betriebsrates unmittelbar bevor.

Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu der Kündigung, die auf die angeblichen Beschwerden folgte. Der AWO-Bezirk Westliches Westfalen e.V. als Träger des Marler Seniorenzentrums reichte Klage beim Arbeitsgericht in Dortmund ein. Er wollte sich die fehlende Zustimmung des Betriebsrates durch das Gericht ersetzen zu lassen. Das gelang nicht.

Auch sonst läuft eigentlich alles für den Altenpfleger und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden:

  • die Staatsanwaltschaft Essen stellte ein Strafermittlungsverfahren gegen ihn ein,
  • die Bezirksregierung Münster hat von einem Berufsverbot gegen ihn abgesehen,
  • die Heimaufsicht nahm ein Betretungsverbot für das AWO Seniorenzentrum Marl zurück,
  • das Landesarbeitsgericht Hamm sprach ihm trotz Freistellung seine Vergütung als Altenpfleger zu

Aber das Landesarbeitsgericht Hamm hat den positiven Beschluss des Arbeitsgerichtes Dortmund vom 14.02.2023 wegen eines nicht behebbaren Verfahrensfehler aufgehoben. Eines Verfahrensfehlers bei der Verkündigung, nicht bei der Urteilsfindung, wohlgemerkt. Und der AWO-Bezirk Westliches Westfalen e.V. hat den Rücknahmebescheid des Kreises Recklinghausen angefochten. So zieht sich der Schwebezustand für den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ins Unerträgliche.

Dass Arbeitsgerichtsverfahren über zwei Jahre dauern ist leider keine Seltenheit. Insbesondere, wenn Arbeitgeber wie in diesem Fall eine ganze Reihe von Vorgängen in Gang setzen. Es braucht zum Schutz Beschäftigter eine Reform und deutliche Beschleunigung solcher Verfahren.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang: 2023 berichtete die Marler Zeitung, dass vier Lehrerstellen an der AWO Pflegeschule in Marl mangels Bewerber*innen nicht besetzt werden können. Wir hätten da eine Idee, woran das liegen könnte, dass die Arbeiterwohlfahrt im Bezirk Westliches Westfalen e.V. unter dem Vorsitzenden Michael Scheffler ein schlechtes Image hat.2

Frankfurt / Netzanbieter Arelion: Betriebsratsgründung unerwünscht, Massenentlassung und Verlagerung nach Rumänien

Frankfurt: Die Geschäftsleitung des schwedischen Netzanbieters Arelion am Standort Frankfurt kündigte allen 30 Beschäftigten. Und zwar unmittelbar nachdem sie eine Betriebsratsgründung eingeleitet hatten. Das berichtet die Frankfurter Sektion der Gewerkschaft IWW, Industrial Workers of the World.

Zum Jahreswechsel 2023/2024 hatten einige Angestellte die Kündigung erhalten und daraufhin beschlossen eine Betriebsratsgründung zu initiieren. Schon am 19. Januar 2024 fand dann nach Angaben der IWW die Wahl des Wahlvorstandes statt. Am 25. Januar, also nur 6 Tage später, kündigte Arelion allen 30 Beschäftigten. Darunter auch den Mitgliedern des Wahlvorstandes, die besonderen Kündigungsschutz genießen.

Kurz darauf nahmen am 29. Januar 2023 trotzdem 26 von 30 Beschäftigten an der Betriebsratswahl teil. Als erste Amtshandlung schaltete das frisch gewählte Gremium einen Anwalt ein, um gegen die Kündigungen vorzugehen. Der Betriebsrat lässt außerdem prüfen, ob Arelion die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit korrekt angemeldet hat.

In diesem Zusammenhang ließ Arelion plötzlich wissen, dass die Auslagerung des Standortes nach Rumänien geplant sei. Dreist verweigert Arelion jedoch Verhandlungen über einen Sozialplan. Die kann ein Betriebsrat allerdings erzwingen. Die Mitglieder des Betriebsrats lassen sich derweil erst einmal schulen. Die Kosten dafür muss Arelion tragen.

Interessant zu wissen: Arelion befindet sich seit Juli 2021 im Besitz von Polhem Infra, einem Kapitalanleger, der hauptsächlich im Infrastrukturbereich tätig ist. Polhem Infra wiederum gehört der staatlichen schwedischen Rentenversicherung. Wir bekommen hier also auch gleich noch einen Vorgeschmack auf die Aktienrente. Auf der Webseite von Polhem Infra heißt es: Polhem Infra generiert Erträge für das schwedische Rentensystem, indem es in kritische Infrastrukturen in den nordischen Ländern investiert und diese verwaltet. 

Schwerin: Raumausstatter Hammer kündigt allen Beschäftigten vor Betriebsratsgründung

Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern: Die 17 Angestellten des Raumausstatters Hammer in Schwerin wollten einen Betriebsrat gründen. Unter anderem vor dem Hintergrund, dass die Zukunft des Hauses ungewiss war. Seit Jahren wurde gemunkelt, dass ein neuer, größerer Möbelmarkt geplant sei. Die Angestellten hofften über einen Betriebsrat mehr Informationen zu erhalten. Darüber berichtet der NDR.3

Der Wahlvorstand war schon gewählt. Kurz darauf kündigte der Raumausstatter Hammer der gesamten Belegschaft. Der Schweriner Hammer-Markt soll Ende August geschlossen werden. Die Gewerkschaft verdi sieht hier einen eindeutiger Zusammenhang.

ver.di hat deshalb gerichtliche Schritte gegen die Kündigungen eingeleitet. Denn schon vor der anstehenden Betriebsratswahl, habe es Widerstand seitens des Unternehmens gegeben.
Die Kette betreibt mehr als 200 Filialen und gehört zur Unternehmensgruppe Brüder Schlau.

Berlin: Kein Betriebsrat bei kommunalen Unternehmen? SPD Berlin kritisiert landeseigene GmbH Grün Berlin

Berlin: Die Berliner SPD kritisiert, dass das Unternehmen Grün Berlin GmbH keinen regulären Betriebsrat hat. Statt dessen existiert lediglich eine sogenannte Mitarbeitervertretung. Und dass, obwohl dee Grün Berlin GmbH zum Land Berlin gehört. Darüber berichtet der rbb.4

Es gibt also sogar in einem landeseigenen Unternehmen nur eine rechtefreie Jux-Vertretung wie die Oops-Comitees bei Flink oder der Instituts-Rat beim Hasso-Plattner-Institut HPI. Um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen. Diese Spaß-Gremien werden Belegschaften aufgedrückt oder schmackhaft gemacht, um echte Betriebsratsarbeit zu verhindern. Diese ausgedachten Fantasie-Mitarbeitervertretungen haben nämlich keinerlei rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten und Auskunftsrechte gegenüber Unternehmen.

Dabei muss schon stuzig machen, wozu es überhaupt einer Grün Berlin GmbH bedarf und warum die Leute nicht direkt beim Land Berlin angestellt sind. Die Berliner SPD-Abgeordneten Sven Meyer und Linda Vierecke kritisieren es als inakzeptabel, dass Grün Berlin als landeseigenes Unternehmen keinen Betriebsrat hat. Und damit haben sie Recht. Die öffentliche Hand sollte überhaupt keine Aufträge an Firmen ohne demokratische Mitbestimmung – also Betriebsräte – und Tarifbindung vergeben.

Das sieht Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) dagegen anders. Sie begründet das in einer Antwort auf die SPD-Anfrage damit, dass die Belegschaft weiter jederzeit das Recht habe, einen Betriebsrat zu wählen. Also Liebe Kolleginnen und Kollegen bei Grün Berlin: Gründet einen Betriebsrat! Bei Fragen: wendet Euch gerne an uns.

Plattformarbeit: Deutschland sabotiert Verbesserungen auf EU-Ebene. Schuld ist die FDP

Europäische Union: Die EU-Staaten haben sich für neue Vorgaben für Plattformarbeit ausgesprochen. Deutschland war nicht dabei, bwz. enthielt sich bei der Abstimmung auf Druck der FDP. Das berichtet die Tagesschau.5

Die neuen Richtlinien betreffen rund 28 Millionen Europäer*innen, die auf Plattformen unter anderem als Taxifahrer, Haushaltshilfen oder Fahrradlieferanten arbeiten. Rund 4 Millionen von ihnen arbeiten als Schein-Selbstständige. Das heißt, dass ihnen wichtige Arbeitsrechte, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Urlaub vorenthalten werden. Scheinselbstständigkeit entspricht eher dem Modell der Tagelöhnerei. Kannst du arbeiten, hast du die Chance, ein paar Euro zu verdienen. Kannst du nicht arbeiten, hast du Pech.

Den jeweiligen Staaten entgehen durch Scheinselbstständigkeit indes enorme Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen. Auch deswegen zielt die die neue EU-Richtlinie auf Verhinderung von Scheinselbstständigkeit.

Das Europaparlament muss dem Vorhaben noch zustimmen, wobei eine Mehrheit wahrscheinlich ist. Gelingt die Mehrheitsfindung im Europaparlament müssen zukünftig die Plattformbetreiber beweisen, dass Mitarbeitende tatsächlich selbstständig sind. Durch diese Beweislastumkehr soll sicher gestellt werden, dass freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Digitalplattformen wie Festangestellte behandelt werden, wenn Anzeichen für Scheinselbständigkeit vorliegen. 

Politiker*innen hatten die Plattform-Richtlinie in zwei vorhergehenden Verhandlungsrunden bereits verwässert. Gut, dass die neuen Richtlinien trotz des gesellschaftszersetzenden Lobbyismus überhaupt zustande gekommen sind. Beim Lieferkettengesetz gelang dies leider nicht. Auch hier lobbyierte die FDP zugunsten von Unternehmen, die auf Gewinne durch Kinderarbeit und andere Formen der Ausbeutung setzen.6

Enpal: Mitarbeiter geprellt? Leipziger Filiale schließt

Leipzig: Das Photovoltaik-Unternehmen Enpal schließt seinen Leipziger Standort. Rund 30 Mitarbeiter sind betroffen. Auffällig ist der zeitliche Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über nicht gezahlte Lohnanteile in Höhe von 12.000,- Euro. Darüber berichten FAU und MDR. 7 8

Der ehemalige Angestellte, der von der Freien Arbeiter Union FAU unterstützt wird, macht Ansprüche auf Urlaubsgeld, Lohn und Provisionen geltend, die das Unternehmen nicht vollständig gezahlt haben soll. Bei einer Güteverhandlung am 11. März 2024 bot das Unternehmen 6.000,- Euro an. Doch der ehemalige Mitarbeiter möchte die volle ihm zustehende Summe erhalten.

Das Unternehmen hatte in der Güteverhandlung aus der Sicht des Geprellten eingestanden, dass die Ausgleichszahlungen von Provisionen im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht erfolgt waren. Solche Zahlungen sind gesetzlich jedoch vorgeschrieben. Es gibt also keinen Grund, auf Zahlungen zu verzichten. Beschäftigte berichten außerdem von einem toxischen Arbeitsklima, viel Druck und unbezahlten Überstunden bei geringem Grundgehalt.

Bereits wenige Tage nach der Verhandlung am 11. März 2024 wurde der Standort geschlossen. Ein Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen soll laut Enpal-Geschäftsleitung nicht bestehen. Enpal betreibt noch weitere Standorte, der Hauptfirmensitz des 2017 gegründeten Startups ist in Berlin. Laut wikipedia arbeiten über 1000 Menschen für Enpal. Autoren des Wirtschaftsmagazins Capital bezeichnen Enpal als ein aggressiv wachsendes Unternehmen, „das hinter der Kulisse in erster Linie auf eine rasante Expansion fixiert zu sein scheint – teils auch auf Kosten von Kunden, Beschäftigten und anderen Unternehmen im Strommarkt“. 9

Rötha in Sachsen: Längster Streik der Geschichte der Bundesrepublik bei SRW metalfloat

Rötha in Sachsen: Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall und der Bundesrepublik findet augenblicklich bei der Firma SRW Metalfloat im Gewerbepark Espenhain bei Leipzig statt. Die Kolleginnen und Kollegen streiken für eine 38-Stunden-Woche und einen Tarifvertrag. Das berichtet die IG Metall.10

SRW Metalfloat ist eine Schrott- und Receycling-Firma. Hier werden im Dreischichtsystem am Fließband Metalle sortiert. Die Arbeit ist körperlich belastend. Am Monatsende kommt trotz Schicht für Viele nicht mehr als rund 2000, gelegentlich mit Zuschlägen heraus.

Der chinesische Investor Chiho Enviromnetal Group mit Sitz auf den Cayman Islands verweigert einen Tarifvertrag. Die Entscheider der Firma sollen in Hongkong sitzen.

Der Streik begann bereits am 8. November 2023 und dauert somit schon über 130 Tage. Auf einem Streikbanner der IG Metall ist zu lesen:

Metaller schreiten stets voran – Streikbrecher bleiben Untertan!

In diesem Sinne senden wir solidarische Grüße an die Streikenden bei SRW metalfloat!


Quellen

1 Siegfried Schönfeld: AWO will stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden in Marl loswerden, Lokalkompass, 12.03.2024, https://www.lokalkompass.de/marl/c-politik/awo-will-stellvertretenden-betriebsratsvorsitzenden-in-marl-loswerden_a1938640

2 Julia Grunschel: Lehrermangel an der Pflegeschule Leiter Daniel Bogumil: „Marl ist nicht so interessant, Marler Zeitung, 19.01.2023, https://www.marler-zeitung.de/marl/lehrermangel-an-der-pflegeschule-leiter-daniel-bogumil-marl-ist-nicht-so-interessant-w684866-9000299942/

3 NDR: „Hammer“-Belegschaft in Schwerin gekündigt – Gewerkschaft klagt, 15.03.2024, https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Hammer-Belegschaft-in-Schwerin-gekuendigt-Gewerkschaft-klagt,hammerschwerin100.html

4 rbb: SPD kritisiert fehlenden Betriebsrat bei landeseigener Grün Berlin GmbH, 16.03.2024, https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/03/spd-kritisiert-fehlenden-betriebsrat-landeseigener-gruen-gmbh-berlin.html

5 Tagesschau: EU stärkt Mitarbeiterrechte bei Online-Plattformen, 11.03.2024, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/eu-lieferdienste-beschaeftigte-100.html

6 Thomas Spickhofen: Es geht auch ohne Deutschland, Kommentar Tagesschau, 15.03.2024 https://www.tagesschau.de/kommentar/eu-lieferkettengesetz-108.html

7 MDR aktuell: Güteverhandlung zwischen Solar-Startup Enpal und Ex-Mitarbeiter in Leipzig gescheitert, 11.03.2024, https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/solar-startup-enpal-klage-mitarbeiter-100.html

8 FAU Leipzig: Arbeitskonflikt FAU Leipzig gegen Solar-StartUp Enpal – Güteverhandlung am 11.03.2024, 08.03.2024, https://leipzig.fau.org/arbeitskonflikt-fau-leipzig-gegen-solar-startup-enpal-gueteverhandlung-am-11-03-2024/

9 Hannah Schwär, Caspar Tobias Schlenk, Thomas Steinmann: Enpal: Die rauen Methoden des Solar-Start-ups. Capital. 24. September 2023, abgerufen am 18. Januar 2024, https://www.capital.de/wirtschaft-politik/enpal–die-rauen-methoden-des-solar-start-ups-33848064.html

10 IG Metall: Neuer Rekord: 125 Tage Streik der „Schrotter“ bei SRW, aktualisiert 11.03.2024, https://www.igmetall.de/tarif/besser-mit-tarif/schrotter-bei-srw-metalfloat-im-streik


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Telepolis: 2.000 Tesla-Arbeiter & Angehörige demonstrieren für Elon Musk. Echte Solidarität oder gesteuerte PR?

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Online-Magazin berichtet über Union Busting im Tesla-Werk Grünheide bei Berlin.

Nach einem Brandanschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks im brandenburgischen Grünheide, der in der Nacht des 5. März 2024 die Produktion für mehrere Tage still legte, haben am 8. März 2024 Mitarbeitende aus Solidarität mit dem US-Konzern demonstriert. Mehr als 2.000 Mitarbeiter und Familienangehörige seien dem Aufruf des Betriebsrates gefolgt, teilte Tesla-Werksleiter André Thierig mit.

Das wirkt zunächst viel und enttäuschend. Man kann es aber auch anders sehen. gemessen an der Gesamtzahl von 12.000 beschäftigten, sind das nur etwa 15% der Belegschaft, wenn wir Familienangehörige abziehen. Der Druck auf die Belegschaft dürfte enorm gewesen sein.

Claudia Wangerin zitiert die Aktion gegen Arbeitsunrecht in ihrer Darstellung von Betriebsratsbehinderung und Union Busting bei Tesla:

„Das inzwischen gekündigte Betriebsratsmitglied Gunnar H. hatte zunächst auf der unternehmensnahen Gigavoice-Liste kandidiert und habe als Nachrücker an fast allen Sitzungen teilgenommen, weil meistens jemand fehlte.

Nachdem seine Mitgliedschaft in der IG Metall bekannt geworden sei, habe das Management ihn zunehmend unter Druck gesetzt, berichtete der gemeinnützige Verein „Aktion gegen Arbeitsunrecht“ vergangene Woche.“

„Laut ND-Bericht erhielt Gunnar H. [ein BR-Mitglied, das in der IG Metall organisiert war | Anm. der Red.] sechs Abmahnungen auf einmal. Eine Zeit lang konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Fabrik. Nachdem er für eine Betriebsratssitzung wieder ins Werk gekommen sei, habe er die außerordentliche Kündigung erhalten.

Dass er sich, derart unter Druck gesetzt, im Dezember 2023 für einen Vergleich inklusive Schweigeklausel entschieden hatte, wertet die „Aktion gegen Arbeitsunrecht“ als „Sieg auf ganzer Linie für die Union Buster und ein verheerendes Signal an die gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen bei Tesla.“


Quelle

Clauda Wangerin: Tesla-Mitarbeiter demonstrieren nach Anschlag – echter Zusammenhalt oder PR-Stunt?, telepolis, 10.3.2024, https://www.telepolis.de/features/Tesla-Mitarbeiter-demonstrieren-nach-Anschlag-echter-Zusammenhalt-oder-PR-Stunt-9650732.html


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Union Busting News 4/24: Lidl, Vivantes, Tesla, Schwarzarbeit am Bau, NGG und Schweizer Renten

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Lidl / Union Busting im Lager Herne
  • Vivantes / Betriebsrat verteidigt Compliance-Abteilung gegen Geschäftsführung
  • Tesla / Betriebsrat stimmt Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zu
  • Schweizer Renten / Abstimmung für 13. Rente und gegen späteren Renteneintritt
  • Razzien Baugewerbe /  Kettenbetrug aufgedeckt
  • Protest bei NGG / Lieken-Beschäftigte überreichen Kündigungen
  • Pflichtarbeit / 80 Cent Stundenlohn für Geflüchtet im Saale-Orla-Kreis
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Union Busting im Lidl Lager Herne

Herne, Nordrhein-Westfalen: Schon drei mal versuchte das Lidl-Management dem Betriebsratsvorsitzenden im Lager Herne zu kündigen. Bislang scheiterte jeder der Kündigungsversuche. Das berichtet Webseite Workwatch. 1 Im Hintergrund geht es unter anderem um eine bessere Eingruppierung der Angestellten, transparente Verteilung von Überstunden, beschäftigtenfreundliche Schichteinteilungen und den Umzug in ein neues Verteil-Lager. Der Betriebsrat fordert, dass hierbei die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden.

39 Lidl-Lager versorgen in Deutschland mehr als 3000 Lidl-Filialen. Nur in 4 der 39 Lidl-Lagern gibt es einen Betriebsrat. In den 3000 Filialen dagegen soll es laut dem Bericht keinen einzigen Betriebsrat geben. Insgesamt arbeiten in Deutschland rund 100.000 Menschen in diesen demokratiefreien Zonen von Lidl.

Der seit 2022 in Herne eingesetzte Geschäftsführer Abdelaziz Bouchkhachakh hatte laut workwatch vor seinem Einsatz in Herne in einem Lidl-Lager in Kamp-Lintfort gearbeitet. Der zunächst existierende Betriebsrat in Lager Kamp-Lintfort wurde allerdings aufgelöst. Danach wechselte Bouchkhachakh nach Herne.

Unser Beobachtung nach ist es im Union Busting durchaus üblich, dass besonders willige Demokratiegegner an verschiedenen Standorten eingesetzt werden, um gegen aktive Betriebsräte und Betriebsratsmitglieder vorzugehen.

Vivantes: Betriebsrat verteidigt Compliance-Abteilung gegen Geschäftsführung

Berlin: Der Vivantes -Betriebsrat verschickte Mitte Februar 2024 ein Schreiben an alle 18.000 Beschäftigten des Klinikbetreibers. Darin berichtet der Betriebsrat, dass ihm mehrere Beschwerden aus dem Compliance-Team vorliegen. Mitarbeitende der Compliance-Abteilung werden demnach von der Geschäftsführung bei ihrer Arbeit behindert. Darüber berichtet der rbb. 2

Die Compliance-Abteilung soll Missstände aufklären, bei denen Unternehmensregeln nicht eingehalten wurden. Solche Vorgänge könnte es bei Vivantes durchaus geben. Dabei geht es unter anderem um die Vergabe von Bauaufträgen. Es steht aber auch im Raum, dass Dienstpläne nachträglich manipuliert wurden, um mehr Personal vorzutäuschen, als tatsächlich auf den Stationen gearbeitet hat. Damit könnten beispielsweise Stationsschließungen verhindert worden sein.

Statt bei der Aufklärung zu unterstützen, sollen die Vivantes-Geschäftsführung und ein Ressortleiter gegenüber Mitarbeitenden der Compliance-Abteilung beleidigend aufgetreten sein. An- und Nachfragen würden sogar gänzlich ignoriert. Die Geschäftsführung verbaue dem Compliance-Team zunehmend die Arbeitsgrundlagen. Sogar von „verbalen Angriffen auf die Kolleginnen und Kollegen der Compliance-Abteilung“ ist die Rede.

Dazu der Betriebsrat in dem Rundschreiben: „Wir fragen uns auch, ob eine unabhängige und funktionierende Compliance überhaupt gewollt ist“. Der Betriebsrat befürchtet, dass die Compliance-Abteilung nur auf dem Papier bestehen soll.

Eine kürzlich in der Probezeit gekündigte Mitarbeiterin der Compliance-Abteilung hat indes beim Betriebsrat eine Beschwerde gegen ihre Kündigung eingereicht. In einer mündlichen Begründung der Kündigung hieß zunächst, dass ihr Lebenslauf nicht zur Neuausrichtung der Abteilung passe. Später lautete die schriftliche Begründung, sie habe die Erwartungen nicht erfüllt. Von ihren Vorgesetzten in der Compliance-Abteilung hatte sie allerdings positive Rückmeldungen erhalten.

Ihre Kündigung sei ein schlechtes Signal an alle Hinweisgeber*innen im Unternehmen, sagt die Gekündigte.

Tesla: Betriebsrat stimmte Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zu

Grünheide, Brandenburg: Der unternehmensnahe Betriebsrat im Tesla-Werk in Grünheide stimmte der Kündigung des Betriebsratsmitgliedes Gunnar zu. Darüber berichtet die Tageszeitung neues deutschland.3

Eigentlich ist das ein ungeheuerlicher Vorgang, denn aktive und selbstbewusste Betriebsräte stimmen selbstverständlich niemals einer Kündigung zu. Bei Tesla liegt der Fall anders. Denn Führungskräfte initiierten im Februar 2022 im Brandenburger Werk eine Betriebsratswahl. Da hatte der produzierende Anteil der Belegschaft die Arbeit noch gar nicht aufgenommen. Es gewann erwartungsgemäß eine unternehmensnahe Liste, auf der auch der gekündigte Gunnar kandidiert hatte.

Nachdem seine Mitgliedschaft in der IG Metall bekannt wurde, setzte das Management Gunnar zunehmend unter Druck. Ein IG-Metall-Funktionär schildert im »nd« die Kultur im Betriebsrat als sehr hierarchisch und intransparent den Mitgliedern gegenüber. Wichtige Dokumente habe der Betriebsrat nicht Allen zugänglich gemacht.

Gunnar hat sich im Dezember 2023 allerdings für einen Vergleich inklusive Schweigeklausel entschieden. Ein Sieg auf ganzer Linie für die Union Buster und ein verheerendes Signal an die gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen bei Tesla.

Die Belegschaft könnte den unternehmensnahen Betriebsrat allerdings bald abwählen. Denn die nächste Betriebsratswahl bei Tesla steht unmittelbar bevor. Allerdings wollte der Wahlvorstand hier vielleicht tricksen. Nach dem Produktionsstopp bis einschließlich 11. Februar 2024 hätten Kandidatinnen und Kandidaten nur vier Tage Zeit gehabt, um einen Wahlvorschlag zu erstellen und Unterschriften zu sammeln. Die IG Metall konnte diesen Plan des Wahlvorstands am Arbeitsgericht Frankfurt Oder jedoch per einstweiliger Verfügung stoppen. 4 5

Der Grund für den Produktionsstopp im Februar 2024 waren Angriffe der jemenitischen Huthis auf Container-Schiffe im Roten Meer. Sie hatten damit einen Liefer-Engpass verursacht.

Aktuell gibt es seit dem Morgen des 05. März 2024 erneut einen Produktionsstopp bei Tesla in Grünheide. Grund ist ein Anschlag auf die Stromversorgung des Werks. Es liegt ein Bekennerschreiben der Vulkangruppe Tesla Abschalten! vor, das auf der Seite de.indymedia.org veröffentlicht wurde.5.1 Die Vulkangruppe bezieht sich in ihrem Schreiben ausdrücklich auch auf die schlechten Arbeitsbedingungen, Arbeitsunfälle und Behinderung der Betriebsratsarbeit im Tesla-Werk Grünheide. Der Produktionsstopp bei Tesla wird laut Geschäftsführung mehrere Tage dauern.6

Schweizer Renten jetzt mit Inflationsausgleich

Schweiz: Die Schweizerinnen und Schweizer stimmten Anfang März 2024 über gleich zwei Rentenfragen ab:

1. Sollten Rentnerinnen und Rentner eine 13. Rente erhalten?

2. Sollten Schweizer Lohnabhängige später Rente in gehen?

Die 13. Rente sollte inflationsbedingte Verluste ausgleichen. Über 58% der Schweizer Stimmberechtigten stimmten für die 13. Rente. In den französisch- und italienischsprachigen Regionen der Schweiz lag die Zustimmung sogar bei mehr als 70, zum Teil mehr als 80 Prozent. Darüber berichtet die Tagesschau.7

Die sogenannte AHV-Rente – die erste Säule der Altersversorgung in der Schweiz wird nach dem Wahlergebnis auf einen Schlag um 8,3 Prozent erhöht. Die AHV-Rente ist eine Art Grundrente für Alle von derzeit maximal 2.450 Franken. Alle in der Schweiz Erwerbstätigen zahlen hier ein. Anders als in Deutschland zahlen auch die Beamten in die Rentenkasse. Das ordentliche Renteneintrittsalter, wie es in der Schweiz heißt, liegt bei 65 Jahren.

Die Sensation liegt in folgendem Punkt: Bislang konnten die Schweizer Wirtschaftsverbände Abstimmungen zum Ausbau des Sozialstaates immer kontern. Mantramäßig hatten die Wirtschaftsverbände zu diesem Zweck das Kosten-Argument penetriert. Das positive Abstimmungsergebnis wird deshalb als Zeitenwende begriffen.

Schweizer Jungliberale hatten dagegen vorgeschlagen nicht die Rente, sondern das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Diesen Vorschlag schmetterten die Schweizerinnen und Schweizer mit 75 Prozent „Nein“-Stimmen ab.

Der Politikwissenschaftler Urs Bieri hat eine Vermutung, was die Abstimmung beeinflusst haben könnte: die Schweizerinnen und Schweizer erlebten 2023 , wie schnell die Schweiz der Skandalbank Credit Suisse mit milliardenschweren Garantien zur Seite stand. Uns würde das freuen. Denn auch in Deutschland sind Gelder ja durchaus vorhanden. Sie werden jedoch nicht ausreichend in Belange der Bevölkerung und soziale Absicherung investiert.

Razzien Baugewerbe: Kettenbetrug aufgedeckt

Deutschland: Bei Razzien gegen Schwarzarbeit in der Baubranche in mehreren Bundesländern kam es Ende Januar 2024 zu Festnahmen. Mehr als 800 Einsatzkräfte hatten zeitgleich 90 Wohn- und Geschäftsräume in Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Darüber berichtet die Webseite der Tagesschau.8

Nach Angaben des Hauptzollamtes in Gießen wurde unter anderem in Mainz die Wohnung und die Baufirma eines 57-jährigen Mannes durchsucht. Bei der Razzia seien zahlreiche Beweismittel sichergestellt worden, darunter Computer und Mobiltelefone, 70.000 Euro Bargeld, mehrere Waffen sowie drei Fahrzeuge im Gesamtwert von rund 100.000 Euro. Die Beamten nahmen den Mann und neun weitere Personen fest. Im Fokus stehen außerdem 34 weitere Personen, gegen die ermittelt wird.

Die Tätergruppen sollen in ein Kettenbetrugsgeflecht aus mehreren Firmen miteinander verstrickt gewesen sein. Bei einem Kettenbetrug wird Schwarzgeld generiert. Das funktioniert über vorgetäuschte Zahlungen von Scheinrechnungen über nicht erbrachte Bauleistungen. Mit dem Schwarzgeld bezahlen die Kriminellen dann Schwarzarbeiter und erwirtschaften natürlich Gewinne. Der Schaden durch Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug soll in diesem Fall über 10,4 Millionen Euro betragen.

NGG: Protest von Lieken-Angestellten

Dortmund: Am Freitag, dem 1. März 2024 protestierten Beschäftigte des Brotherstellers Lieken vom Standort Lünen bei der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten. Darüber berichtet der WDR.9

Die Lieken Beschäftigten und nun teil ehemaligen Gewerkschaftsmitglieder üben scharfe Kritik an der NGG. Sie kritisieren die schlechte Erreichbarkeit von Gewerkschafts-Funktionären und den mangelnden Rückhalt. Die Solidarität empfinden sie als einseitig.

Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende wird wie folgt zitiert: Wir fühlen uns einfach nicht ernst genommen. Im Gegenteil: Wenn es der Gewerkschaft passt, dann sollen wir uns mit den Kollegen vor das Firmentor stellen und streiken. Im umgekehrten Fall, wenn wir mal was haben und Unterstützung bräuchten, kommt nichts. Oder aber, unsere Initiativen, Ideen oder Vorschläge werden torpediert.- Beim Protest überreichten die Lieken-Angestellten der NGG 55 Kündigungen.

Die NGG bestreitet die Vorwürfe und spricht von einem Machtkampf des Betriebsrats gegen die Gewerkschaft. Warum dem so sein sollte, bleibt jedoch unklar.

Pflichtarbeit für 80 Cent/Stunde

Saale-Orla-Kreis, Thüringen: Der neue Landrat des Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott von der CDU, will etwa 150 Geflüchtete zur Arbeit verpflichten. Die Maßnahme betrifft Menschen mit und ohne Arbeitserlaubnis, die in Sammelunterkünften untergebracht sind. Wer sich weigert die Arbeit aufzunehmen, muss mit finanziellen Sanktionen rechnen.10

4 Stunden täglich sollen die Geflüchteten für 80 Cent pro Stunde gemeinnützige Arbeit verrichten. Die Maßnahme bedeutet laut Herrgott einen hohen zusätzlichen Aufwand für die Kommunen und die Träger. Die Betroffenen müssen schließlich zu ihren Einsatzorten kommen und dort auch angeleitet werden. Die Thüringer Integrationsbeauftragte Mirjam Kruppa kritisiert, dass der Eindruck geschaffen werde, die Geflüchteten wollten nicht arbeiten und fordert eine grundsätzliche Abschaffung des Arbeitsverbotes. In den Gemeinschaftsunterkünften gäbe es auch jetzt schon viele Menschen, die sich freiwillig einbringen, sagte Kruppa MDR Thüringen. Womöglich gibt es auch Überschneidungen zu Arbeiten, die durch Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erledigt werden könnten.

Christian Herrgott ist nicht nur Landrat, sondern auch Generalsekretär der CDU in Thüringen.


Quellen

1 Workwatch: Verteilzentrum Herne: Lohnt sich Lidl?, Veröffentlichungsdatum nicht feststellbar https://www.work-watch.de/2024/01/verteilzentrum-herne-lohnt-sich-lidl/

2 Tobias Schmutzler: Betriebsrat bezweifelt Aufklärungswillen der Vivantes-Führung, 23.02.2024, https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/02/berlin-klinikkonzern-vivantes-compliance-vorwuerfe-betriebsrat.html

3 Christian Lelek: Grünheide: Tesla feuert Mitglied des Betriebsrats, neues deutschland, 04.03.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180281.union-busting-gruenheide-tesla-feuert-mitglied-des-betriebsrats.html

5 Sebastian Grüner: Wahlvorstand bei Tesla weist IG-Metall-Kritik zurück, golem, 10.02.2024, https://www.golem.de/news/betriebsratswahl-wahlvorstand-bei-tesla-weist-ig-metall-kritik-zurueck-2402-182063.html

5.1 AGUA DE PAU: Vulkangruppe Tesla abschalten! : Anschlag auf Stromversorgung, de.indymedia.org, 5.3.2024.

6 rbb: Tesla-Produktion steht tagelang still – Innenminister will Täter „jagen“, 05.03.2024, https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/03/brandenburg-oder-spree-erkner-strom-ausfall-tesla-trafo-station-brand.html

7 Kathrin Hondl: Ein klares „Ja“ zum Ausbau des Sozialstaates, Tagesschau, 03.03.2024, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweiz-rentenerhoehung-100.html

8 Tagesschau: Razzia wegen Schwarzarbeit am Bau auch in RLP, 21.02.2024 https://www.tagesschau.de/inland/regional/rheinlandpfalz/swr-razzia-gegen-schwarzarbeit-am-bau-100.html

10 MDR Thüringen: 80 Cent pro Stunde: Landrat will Flüchtlinge zur Arbeit verpflichten, 27.02.2024 https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saalfeld-rudolstadt/fluechtlinge-arbeit-landkreis-100.html

Beitragsbild von Aurelien Romain auf Unsplash


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Das Problem der DB ist ihr Management. Martin Seiler muss weg!

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Ein Kommentar zum Bahnstreik.

Ich unterstütze die GDL im Arbeitskampf gegen das DB-Management. Aus praktischen wie aus grundsätzlichen Überlegungen.

Foto Elmar Wigand, Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht.
Elmar Wigand ist Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht.

Die Kernforderung der GDL ist für alle Lohnabhängigen nachvollziehbar: Eine Reduzierung der Arbeitsbelastung für Schichtarbeiter*innen auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich. Dazu eine 5-Tage-Woche statt bisher 6-Tagen.

Was soll an der 35-Stunden-Woche schlecht sein?

Gibt es Schichtarbeiter*innen in Deutschland die dagegen wären? Bei der Feuerwehr? Bei den Berliner Bäderbetrieben, im Duisburger ThyssenKrupp-Stahlwerk, bei Daimler am Fließband, im Altenheim oder im Rettungswagen?

Solidarität mit der GDL! Das obern stehende Bild kann zur freien unkommerziellen Verwendung auf social media verwendet werden. Lizenz

Gibt es unter Arbeitsmedizinern oder Industriesoziologen dazu geteilte Meinungen?

Schichtarbeit ist eine enorme Belastung für Körper und Seele. Schichtarbeit zerstört das soziale Umfeld der Arbeiter*innen. Deshalb sollte Schichtarbeit die Ausnahme sein, nicht die Regel. Deshalb muss Schichtarbeit wesentlich höher bewertet werden als bisher üblich.

Es gibt einen unauflösbaren Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital, der manchmal auch mit harten Bandagen ausgefochten werden muss. Wenn wir genau hingucken, existiert dieser Gegensatz im gegenwärtigen Konflikt um die 35-Stunden-Woche nicht einmal.

Der Bahn laufen die Leute weg

Es fehlt der Bahn an Fachkräften — also an Leuten, die echte Arbeit vollbringen und den Laden am Laufen halten — während das Top-Management vermutlich keine Nachwuchssorgen kennt. Wer will nicht gern für 216.000 Euro im Jahr am Konferenztisch Kaffee trinken und bei redundanten Power-Point-Präsentationen gemütlich wegdösen?

Auf der anderen Seite wissen die Lokführer und andere hart arbeitende Menschen bei der Bahn, was sie können und was sie wert sind. Sie wechseln zu Unternehmen, in denen sie besser behandelt werden. So wirbt der Regionalbahn-Betreiber National Express im Ruhrgebiet derzeit offensiv mit einem GDL-Tarif um Mitarbeiter.1

Job attraktiv machen, statt Beschäftigte auszupressen!

Ein kluges Management könnte von selbst auf die Idee kommen, die Arbeit so lange immer attraktiver zu machen, bis die Leute nicht flüchten oder krank werden, sondern richtig Bock auf den Job haben.

Doch DB-Personalvorstand Martin Seiler verfolgt offenbar eine andere Strategie: Wenn das Personal knapp ist, müssen die vorhandenen Leute einfach noch effizienter und intensiver ausgepresst werden wie die Zitronen. Bis sie irgendwann leer sind. Reha und Berufsunfähigkeit zahlen dann die Sozialkassen….

Das DB-Management ist aufgebläht, unfähig, überheblich.

Entrückt von der Realität kreist das Bahn-Management in einem selbst geschaffenen Paralleluniversum aus hunderten Tochterfirmen um sich selbst.

Business Insider enthüllte am 9. März 2023, dass sich der so genannte obere Führungskreis (OFK 1) vor einem Jahr mal eben einen ordentlichen Schluck aus der Pulle genehmigt hat. 14 Prozent mehr. 216.000 Euro Grundgehalt, statt bisher 190.000 Euro. Der OFK 1 der Deutschen Bahn hat 3.000 dieser Leute.2 In ihre Taschen wandern demnach 648 Millionen Euro pro Jahr! Minimum. Hinzu kommen gerne mal 30% Aufschlag durch Boni.

Und dann noch DB-Personalvostand Martin Seiler – ein ehemaliger Verdi-Gewerkschafter, der offensichtlich als Manager der Deutschen Post von McKinsey3 zum Gewerkschaftsfresser umgepolt wurde.

Seiler und seine Leute treffen auf einen GDL-Chef Weselsky, der sie mit saftigen Worten geißelt als „Nieten in Nadelstreifen“.

Vermutlich liegt hier das Problem: Der DB-Vorstand schaltet auf stur, weil er von der GDL öffentlich bloß gestellt wird. Dabei sagt Weselsky – wenn auch manchmal etwas unhöflich – nur die Wahrheit:

Das Problem der DB ist ihr Management. Martin Seiler muss weg!


Der Kommentar erschien in leicht gekürzter Form am 6. März 2024 in der Tageszeitung nd.


Quellen / Anmerkungen

1 „Profitiere von: leistungsgerechter Bezahlung auf Basis des GDL-Tarifvertrags für z.B. betriebliches Personal“ https://job.nationalexpress.de/de/jobs , abgerufen 5.3.2023

2 Jan C. Wehmeyer: Interne Unterlagen enthüllen: Deutsche Bahn erhöht Managern das Grundgehalt um bis zu 14 Prozent und stellt das Bonusprogramm um, Business Insider, 9.3.2023, https://www.businessinsider.de/wirtschaft/deutsche-bahn-top-manager-kriegen-deutlich-mehr-grundgehalt/

3 Die Deutsche Post AG / DHL ist ein Art Kolonie der mächtigsten Beratungsfirma der Welt McKinsey & Company . Die Vorstandsvorsitzenden Tobias Meyer, Frank Appel und der vorbestrafte Klaus Zumwinkel kamen von McKinsey. Ganze Etagen des oberen und mittleren Postmanagements sollen mit Mackies befüllt sein. McKinsey wird eine sektenartige Struktur und hoch aggressive Wirtschaftsphilosophie nachgesagt. ( Constantin Gillies: Kult statt Hierarchie: Business-Sekten boomen, Handelszeitung, 21.10.2025 ) Skandalöse Fälle, in die McKinsey involviert war, finden sich z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/McKinsey_%26_Company#Kritik


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