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arbeitsunrecht FM #11/23. Sendung vom 7. Juni 2023 jetzt anhören!

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arbeitsunrecht FM ist ein Radio-Magazin rund um Arbeit, Ausbeutung und Organisierung im Betrieb.

arbeitsunrecht FM #11/23. Die Komplette Sendung hier hören, oder downloaden:

Eine Stunde Infos und Musik. Für renitente Beschäftigte, aktive Betriebsräte, konfliktbereite Gewerkschafter*innen. Und solche, die es werden wollen. MODERATION: Elmar Wigand


Union Busting-News: DRK, Weinzierl, Museum Peenemünde, Hotelgruppe H+

mit Jessica Reisner

► Südwestdeutsche Medienholding : Kein Tariflohn und Betriebsratsbehinderung in Druckerei der Stuttgarter Nachrichten
► DRK Blutspendedienste Rheinland-Pfalz und Saarland: Kündigungsversuch gegen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden scheitert
► Hausdurchsuchung bei Busunternehmer Weinzierl: Löhne veruntreut?
► Zweiter Anlauf für Betriebsrat in Salzburger Hotels der deutschen H+ Gruppe
► Museum Peenemünde: Untertarifliche Bezahlung
► Urlaubsgeld: 47 % aller Beschäftigten bekommen es – mit Tarifvertrag 74 %
► Zugunglück in Indien: Sparmaßnahmen und Personalkürzungen Grund für fast 300 Tote und 1000 Verletzte?


Die Kolumne: Wann, wenn nicht jetzt?

Fachkräftemangel als Problem der Unternehmen und Machtpotential der Beschäftigten

Der Fachkräftemangel begleitet uns gefühlt seit 30 Jahren. Als ständige Leier des Unternehmerlagers. Früher hielten wir das Gerede davon für reine Propaganda und Augenwischerei — ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen genügte. So einfach ist das heute nicht mehr abzutun. Neulich durfte ich als Referent an einem Betriebsrätetreffen in Ostdeutschland teilnehmen. Die meisten Betriebsratsmitglieder nannten den Fachkräftemangel als ihr Hauptproblem. Daher verdient das Phänomen wohl besondere Beachtung.


Wir erscheinen am 1. + 3. Mittwoch im Monat um 19.00 Uhr. Mehr Infos finden Sie hier: https://arbeitsunrecht.de/fm

Nächste Sendung: Mittwoch, 21. Juni 2023 um 19.00 auf Radio Dreyeckland (Freiburg: 102,3 mhz) youtube ► twitchfacebook 


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Union Busting News 7/24: Spedition Mazur ► Verbot Fremdarbeit in KEP-Branche ► Berufsverbot nach Israel-Kritik? ► Hasso Plattner-Institut

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

Anhören, downloaden und für unkommerzielle Zwecke frei weiter verbreiten!

Spediteur Mazur nach mutmaßlichem Angriff auf bayerischer Raststätte festgenommen

Bayern, Autobahnraststätte Burgauer See: Lukasz Mazur, polnischer Transportunternehmer, scheint erneut in eine gewalttätige Auseinandersetzung mit einem eigenen Beschäftigten involviert. Das berichtet die Frankfurter Rundschau.

Ein 31-jähriger usbekischer Fahrer der Spedition Mazur wurde im April 2024 auf der bayerischen Autobahn-Raststätte Burgauer See angegriffen. Einen Tag zuvor soll der Fahrer die Firma informiert haben, dass er die Weiterfahrt verweigert und streikt, weil Mazur ihm Lohn schulde. Laut einem Bericht in der Frankfurter Rundschau soll Unternehmenschef Mazur daraufhin persönlich mit zwei weiteren Mitarbeitern, darunter einem Ersatzfahrer, zur Raststätte gereist sein. 1

Der usbekische Fahrer wurde laut eigener Aussage mit Tränengas verletzt, nachdem sein LKW morgens aufgebrochen worden war. Er soll sich laut Berichten mit einem Messer verteidigt haben. Sowohl Lukasz Mazur als auch der usbekische Fahrer wurden festgenommen. Gegen beide wurden Ermittlungen eingeleitet.

Der Lastwagen hatte nach Informationen der Frankfurter Rundschau Waren aus Italien geladen und sollte sie zu einem Logistikzentrum in Baden-Württemberg bringen. Auftraggeber dabei: Aldi Süd. Der Discounter hatte allerdings erst Anfang April 2024 bekanntgegeben haben, dass seine Lieferanten wegen der schwelenden Vorwürfe keine Aufträge mehr an Mazurs Firmen Lukmaz und Agmaz vergeben dürften.

Der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema soll der Frankfurter Rundschau allerdings mitgeteilt haben, dass bei ihm gingen jede Woche Beschwerden von Fahrern eingingen, die mit Mazur-Lkws für Aldi Süd unterwegs sind.

Aldi Süd dagegen betont, dass es „zu keinem Zeitpunkt direkte Vertragsbeziehung zu den beiden Transportunternehmen“ von Mazur gegeben habe. Das Problem: Fahraufträge werden oft an Sub-Unternehmen weitergereicht – mitunter auch ohne Kenntnis des Auftragsgebers. Mazur und seine Frau haben 2023 neben den Firmen Lukmaz und Agmaz unter dem Namen Mlogystika ein weiteres Transportunternehmen angemeldet.

Im Frühjahr 2023 streikten Fahrer der polnischen Spedition und der dazugehörigen Firmen Lukmaz und Agmaz über Wochen auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen bei Darmstadt um fehlende Lohnanteile einzufordern. Mazur soll damals mit einem gepanzerten Fahrzeug und einer ganzen Schlägertruppe nach Deutschland eingereist sein, um die Herausgabe der LKW zu erzwingen. Auf der Autobahnraststätte kam es zu einem größeren Polizeieinsatz. Die Ermittlungen zu dem Vorgang laufen noch. 2

Verstörend, dass Aldi erst ein Jahr nach diesen Meldungen aus 2023 die Beauftragung der Mazur Speditionen Lukmaz und Akmaz untersagt.3

Heil fordert Verbot von Sub-Unternehmen in Paket-Branche

Deutschland: Die Generalzolldirektion machte im April 2024 das Bundesfinanzministerium darauf aufmerksam, dass die Kurier-, Express- und Paketbranche aufgrund komplexer und weit verbreiteter Subunternehmerketten besonders anfällig für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigungsformen sei.4

Die Ermittlungen der Generalzolldirektion erstreckten sich in der Vergangenheit „in erheblichem Umfang auf Sachverhalte, die der schweren strukturellen Kriminalität zuzuordnen sind beziehungsweise die seitens der Staatsanwaltschaft als organisierte Kriminalität bewertet wurden“. Um Kontrollbehörden zu täuschen und Verantwortlichkeiten zu verschleiern würden sie Täter arbeitsteilig agieren und planmäßig ein System schaffen von tatsächlich aktiven und gewerblich registrierten Unternehmen. Aber auch von inaktiven Unternehmen , die durch Strohleute geführt würden. So würden fortgesetzt und in erheblichem Umfang durch Straftaten wirtschaftliche Vorteile erzielt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD fordert deshalb ein Verbot von Subunternehmen in der Paket- und Zustellerbranche. Schon im Februar 2023 hatte NRW eine Initiative für ein Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal in der Kurier- und Paketbranche in den Bundesrat eingebracht und die Bundesregierung aufgefordert, das Verbot im weiteren Gesetzgebungsverfahren in das Postrechtsmodernisierungsgesetz aufzunehmen.

Wegen Israel-Boykott-App „No thanks“: SWR feuert Moderatorin nach privatem Instagram-Post

Deutschland: Derzeit muss sich Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Beihilfe zum Völkermord verantworten. Es geht um die Unterstützung des israelischen Militärs durch deutsche Waffenlieferungen. Das wäre kein Fall für die Union Busting-News. Wir beschäftigen uns hier ausschließlich mit den Schattenseiten der deutschen Arbeitswelt, nicht mit dem Ausland. Aber der Gaza-Krieg verändert auch die Situation in Deutschland:

Der Südwestdeutsche Rundfunk SWR hat Anfang April 2024 die Moderatorin Helen Fares von ihren Moderationsaufgaben entbunden.9 Helen Fares moderierte das Format Mix-Talk. Der Grund für die Freistellung: Helen Fares hat auf ihrem privaten instagram-Account ein Video veröffentlicht, in dem sie eine App namens No Thanks vorstellt.10 Diese App ermöglicht es, durch Scannen von Barcodes, herauszufinden, ob Produkte von israelischen Herstellern stammen oder Unternehmen in israelische Firmen investieren. Als Beispiel nennt Fares den Milchersatz-Herstellers Alpro, der zum Danone-Konzern gehört. Fares berichtet, dass Alpro, bzw. Danone in israelische Startups investiert. Deswegen möchte sie auf dessen Produkte verzichten.

Der Verzicht soll die israelische Regierung unter Druck setzen, die Besatzung und völkerrechtswidrige Besiedlung palästinensischer Gebiete aufzugeben. Vorbild für die Boykott-Bewegung ist der erfolgreiche Kampf gegen die Apartheid in Südafrika, die 1992 endete. Eine internationale Ächtung der Apartheid, zu der auch der Boykott südafrikanischer Waren gehörte, trug entscheidend zum Ende des weißen Buren-Regimes bei.11 Apartheid heißt: Es existieren auf dem selben Territorium unterschiedliche Gesetze und Rechte für Menschen, je nach Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Ethnie. Das ist auch im Westjordanland der Fall. Araber*innen werden hier nicht nur faktisch sondern auch rechtlich in extremer Weise diskrimiert.12

Volker Beck von Bündnis 90 Die Grünen schaltete sich als Präsident der Lobby-Organisation Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) ein und forderte vom SWR gegenüber der Bildzeitung Aufklärung bezüglich des Fares-Videos. Da hatte Volker Beck laut Bild bereits an SWR-Intendant Kai Gniffke geschrieben. Schon am nächsten Tag trennte sich der Sender von Helen Fares.

Der SWR begründet die Freistellung mit angeblich „extrem politischen Positionen“ der Moderatorin. Darüber berichtet unter anderem die Webseite telepolis.5 In einem eigenen Statement des Senders heißt es, dass für Moderatorinnen und Moderatoren eines Debattenformats zum Schutz der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit eine Pflicht zur Neutralität gelte.6 Allerdings beteuert Helen Fares in einem weiteren Instagram-Post, dass der Sender ihr vor Vertragsunterzeichnung zugesichert habe, ihr privates politisches Engagement zu kennen ( https://www.instagram.com/p/C5oWaeLsIBj/?utm_source=ig_web_copy_link )

Helen Fares ist nicht die Einzige, die für ihre Haltung pro Menschenrechte und gegen Apartheit sanktioniert wurde:

Bereits 2022 kündigte der Kindersender Kika seinen Vertrag mit Moderator Matondo Castlo, weil er bei einem Jugendfestival im palästinensischen Dorf Farkha aufgetreten und bei einer Demonstration gegen israelische Siedlungen im Westjordanland mitgegangen sein soll. 7

Der Bayerische Rundfunk und Arte haben Ende 2023 ihre Zusammenarbeit mit dem Journalisten Malcolm Ohanwe beendet. Er hatte auf seinem privaten twitter-account klare Worte gegen Siedlerkolonialismus, Apartheid und Besatzung gefunden. 8

Das Verstörende daran ist: das deutsche Arbeitsrecht gibt Sanktionen eines Arbeitgebers für privates Verhalten eigentlich nicht her. Eine Benachteiligung aufgrund von der in der Freizeit getätigten Meinungsäußerung ist juristisch fragwürdig.

Dabei ist ein Moderatoren-Vertrag kein Arbeitsvertrag im üblichen Sinne, da es sich bei einem Sender um einen Tendenzbetrieb handelt — auch wenn wir die Konstruktion des Tendenzbetriebs für sehr fragwürdig halten. Schwerer als die arbeitsrechtliche Dimension wirkt das politische Signal, das die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Freistellungen oder Vertragsauflösungen setzen. Wer die israelische Regierung kritisiert, muss mit Bestrafung und Arbeitsplatzverlust rechnen.

„Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“, hat Angela Merkel 2008 vor der Knesset verkündet. Nach dem Überfall der Hamas, des islamischen Dschihad und der PFLP auf israelisches Gebiet, wiederholte Kanzler Scholz diesen Satz im Oktober 2023. Mit Staatsräson ist offenbar gemeint, dass der Staat sich ermächtigt sieht, Grundrechte außer Kraft setzen zu dürfen.

Das Vorgehen erinnert an Radikalen-Erlasse und Berufsverbote gegen Linke und Kommunist*innen in den 1970er Jahren. Wir bezweifeln, dass die partielle Suspendierung der Meinungsfreiheit am Ende erfolgreich sein wird. Berufsverbote selbst wegen moderater Israelkritik sind unsouverän. Sie sind ein Zeichen der Schwäche. Wer wirklich Frieden im Nahen Osten will, muss das Völkerrecht achten und die allgemeinen Menschenrechte für alle Bewohner des nahen Ostens respektieren.

Die Sicherheit Israels wird weder durch völkerrechtswidrige Kriegsführung und Landnahme gewährleistet, noch durch die Unterdrückung notwendiger Debatten in Deutschland. Die deutsche Staatsräson ist in dieser Form eine autoritäre Sackgasse. Eine weiter gehende Frage wäre, ob Staatsräson und Demokratie überhaupt miteinander vereinbar sind.

Telepolis ergänzt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) 2019 bestätige, dass es für die Verbraucher klar sein muss, welche Produkte aus dem Staat Israel und welche aus Siedlungen in den völkerrechtlich als besetzt definierten Gebieten stammen. Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International schon länger zu einem Boykott von israelischen Waren aus den besetzten Gebieten auf.

600 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst fordern Ende der Waffenlieferungen an Israel und bleiben aus Angst vor Repression anonym

Deutschland: 600 Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, unter anderem aus dem Auswärtigem Amt, dem Kanzleramt, dem Umweltministerium und weiteren Ressorts, sollen führende Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert haben, die Waffenlieferungen an Israel einzustellen. Darüber berichtet unter anderem die Tageszeitung junge welt.

Grundlage für die Forderungen des offenen Briefs seien das Bundesbeamtengesetz, die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes aus dem Jahr 1948 sowie die Eilentscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom 26. Januar und 28. März 2024. In den Eilentscheidungen vom 26. Januar und 28. März betonten die Richterinnen und Richter in Den Haag Israels Verpflichtung, seine Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention einzuhalten. 

Die Bundesbeschäftigten seien den Fundamentalprinzipien des Grundgesetzes verpflichtet. Die aktuelle Politik der Regierung mit diesen aber nicht vereinbar. Mit dem »Schlagwort der Staatsräson« werde die »eigenen Politik gerechtfertigt«, was die »bedingungslose Unterstützung eines Unrechtsstaates« zur Folge habe.

Bemerkenswert ist, dass die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes berufliche Nachteile und Sanktionen fürchten und deshalb anonym bleiben wollen.

Hasso Plattner-Institut: Demokratie auf ungarisch — Institutsrat statt Betriebsrat

Potsdam: Stolz verkündet das Hasso Plattner-Institut HPI am 12. April 2024 auf seiner Webseite, dass die Belegschaft in einer Abstimmung für einen Institutsrat gestimmt habe.13

Das Wort „Betriebsrat“ kommt in dem Beitrag gar nicht erst vor. Dabei wird erst so ein Schuh draus: Eigentlich hatten Beschäftigte im Frühjahr 2023 einen Betriebsrat gründen wollen. Das Hasso Plattner-Institut engagierte daraufhin die Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig und die PR-Agentur Lutz Meyer um die Belegschaft zu beeinflussen. Offensichtlich hat sich der Einsatz von über 200.000,- Euro für dieses Manöver gelohnt. Denn zumindest oberflächlich gesehen stimmten im April 2024 nun laut Angaben des Hasso Plattner-Instituts 68% der Beschäftigten für den sogenannten Instituts-Rat.

Dass die Wahl demokratisch gewesen sei, betont das Hasso Plattner-Institut in gleich drei Absätzen des eigenen Betrags und spricht von einer freien, gleichen und geheimen Abstimmung. Dabei liegen der Recherche-Plattform Correctiv und der Aktion gegen Arbeitsunrecht interne Dokumente der Geschäftsführung vor, die zeigen, mit welch großen Aufwand die Geschäftsleitung des HPI gegen eine Betriebsratsgründung vorging.

Das HPI zahlte rund 200.000,- Euro an die Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig. Deren Hardcore-Jurist Tobias Pusch ist auf die Verhinderung von Betriebsräten mittels Alternativer Vertretungsorgane spezialisiert. Die Aktion gegen Arbeitsunrecht kritisiert das Vorgehen des HPI und der Kanzkei Pusch Wahlig scharf. Es handelt sich nach unserer Überzeugung um Betriebsratsbehinderung. Wir fordern eine Verschärfung des §119 Betriebsverfassungsgesetz, um Figuren wie Tobias Pusch das Handwerk zu legen und Unternehmen wie das HPI abzuschrecken.

Die Kanzlei Pusch Wahlig hat derweil die Medienkanzlei Irle Moser auf die Aktion gegen Arbeitsunrecht angesetzt, um eine Pressemitteilung vom 4. März 2024 per einstweiliger Verfügung aus dem Netz zu bekommen. Irle Moser ist auf Agenda Cutting und SLAPP spezialisiert — die Kanzlei bedroht Kritiker von Unternehmen und wohlhabenden Einzelpersonen mit Unterlassungsforderungen und einstweiligen Verfügungen. Unsere Pressemitteilung vom 4.3.2024 ist auf der Webseite arbeitsunrecht.de weiter zu finden. Darin kritisieren wir die Vorgänge am HPI und die Methoden von Tobias Pusch scharf:

„Es ist erschreckend, welch undemokratischer Geist hinter der Fassade des Hasso-Plattner-Instituts weht.“

„Selbstbewusste, demokratische Interessenvertretung ist das Gegenteil des Pseudo-Gremiums namens Institutsrat am Hasso-Plattner-Institut.“

„Notorische Union Buster wie Tobias Pusch orientieren sich offenbar an den USA; für sie ist das deutsche Betriebsverfassungsgesetz offensichtlich ein Betriebsunfall der Novemberrevolution oder ein Relikt des Kalten Krieges, das sie beseitigen möchten. Bis die Zeit dafür reif ist, wird das BetrVG ausgehöhlt, ignoriert und umschifft.“

Grundsätzlich gilt: Wenn ein Unternehmen einen Betriebsrat verhindern will, indem die Geschäftsführung ein Pseudo-Gremium etabliert, sollten den betroffenen Angestellten und Beschäftigten tüchtig die Ohren klingeln. Ihr könnte Euch bei Konfrontationen mit antidemokratischen Geschäftsführungen, die das Betriebsverfassungsgesetz umgehen möchten, gerne an uns wenden.

Wir halten Euch auf dem Laufenden, wie es mit der Maulkorb-Kanzlei Irle Moser und deren Bemühungen uns mundtot zu machen, weiter geht. Bitte haltet uns derweil den Rücken für solche Auseinandersetzungen frei! Spendet für unseren Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt.


Quellen

1 Pitt von Bebenburg: Aldi-Lieferant unter Beschuss: Mazur in erneutem Gewaltskandal, FR 15.04.2024, https://www.fr.de/wirtschaft/fahrer-brutaler-einsatz-gegen-lkw-93009767.html

2 Daniel Beruzhi: Streikende LKW-Fahrer in Gräfenhausen: Chef schickt Schlägetrupp, Neues Deutschland, 13.04.2023, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172348.mazur-streikende-lkw-fahrer-in-graefenhausen-chef-schickt-schlaegetrupp.html

3 Pitt von Bebenburg: Menschenrechtsverstöße: Aldi Süd bricht mit polnischen Transportfirma, FR, 10.04.2024, https://www.fr.de/wirtschaft/streik-bei-graefenhausen-aldi-schliesst-transport-mazur-firmen-aus-92997458.html

4 Maximilian Plück: „Schwere strukturelle Kriminalität“ bei Paketdiensten, Rheinische Post, 15.04.2024, https://rp-online.de/nrw/landespolitik/brisanter-bericht-vom-zoll-schwere-kriminalitaet-bei-paketdiensten_aid-110545739

5 David Goesman: SWR-Moderatorin Fares, der Antisemitismus-Vorwurf und das Klima der Angst, telepolis, 11.04.2024, https://www.telepolis.de/features/SWR-Moderatorin-Fares-der-Antisemitismus-Vorwurf-und-das-Klima-der-Angst-9681253.html

8 Deutscher Journalist nach kontroversem Israel-Tweet gefeuert, watson, 09.10.2023, https://www.watson.ch/international/israel/323215818-malcolm-ohanwe-nach-kontroversem-israel-tweet-gefeuert

10 BashSquare: No thanks, Google Play store, https://play.google.com/store/apps/details?id=com.bashsoftware.boycott, abgerufen 18.04.2024

11 Mara Brede: »Apartheid tötet – boykottiert Südafrika!« — Plakate der westdeutschen Anti-Apartheid-Bewegung, Zeithistorische Forschungen 13/2016, https://zeithistorische-forschungen.de/2-2016/5370

12 Amos Goldberg: Nahost-Konflikt: Apartheid ist unsere Realität in Israel, FAZ, 23.8.2023, https://archive.fo/MRdH8

13 HPI-Belegschaft stimmt für Institutsrat, HPI, 12.04.2024, https://hpi.de/news/jahrgaenge/2024/hpi-belegschaft-stimmt-fuer-institutsrat.html, abgerufen 17.04.2024


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Union Busting News 6/24: Nord-Ostsee Automobile, Mercedes Benz, Hotel Astor, Klinikverbund Geno, Dienst nach Vorschrift

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Hannover / Union Busting bei Autohändler Nord-Ostsee Automobile
  • USA / Bundesklage gegen Mercedes-Benz
  • Altenberg / Hotel Astor will Betriebsratsvorsitzende kündigen
  • Deutschland / Lohnabhängige machen Dienst nach Vorschrift – innere Kündigung Problem für Unternehmen
  • Bremen /  Klinikverbund Gesundheit Nord stellt Betriebsratsmitglied wegen Demo-Anmeldung kalt – Berufsverbote wie in den 70ern lassen grüßen
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Union Busting bei Nord-Ostsee Automobile

Hannover: Der Autohändler Nord-Ostsee Automobile SE & Co KG hat den Betriebsratsvorsitzenden Florian von seiner Arbeit freigestellt. Die Geschäftsleitung erteilte ihm außerdem Hausverbot und untersagte ihm die Betriebsratsarbeit. Der Hintergrund scheint zu sein, dass der Kollege für eine korrekte Eingruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgen wollte. Eine Kernaufgabe der Betriebsratsarbeit.

Mittlerweile hat die Geschäftsleitung unter Christian Splett-Henning auch eine außerordentliche Kündigung gegen den Betriebsratsvorsitzenden Florian ausgesprochen. Das berichten die Tageszeitungen taz und Hannoversche Allgemeine.1 2

Die IG Metall wollte vor dem Arbeitsgericht Hannover eine einstweilige Verfügung erwirken, um das Hausverbot und die Freistellung als Betriebsrat aufzuheben. Am 26. März 2024 kamen deshalb rund 100 IG Metall-Mitglieder zum Arbeitsgericht Hannover um Florian bei der Verhandlung zu unterstützten. Sie kamen aus verschiedenen Hannoveraner Betrieben wie zum Beispiel MOIA Operations, Hanomag, VW-Nutzfahrzeuge und der Mercedes-Benz Niederlassung in Hannover. Zur Verhandlung kam es allerdings gar nicht. Der Autohändler Nord-Ostsee Automobile hatte schon vorab ein Schuldeingeständnis geliefert und die einstweilige Verfügung anerkannt.

Betriebsräte halten sich bei Nord-Ostsee Automobile nicht lange

Auch gegen den noch bestehenden Kündigungsversuch wird der Betriebsratsvorsitzende gerichtlich vorgehen. Gewerkschaftssekretär Thadeus Mainka von der IG Metall erklärte: „Das Vorgehen, aktive Betriebsräte aus dem Unternehmen zu drängen, ist bei Nord-Ostsee Automobile nicht neu. In der Vergangenheit ist dies bereits des Öfteren in Hamburg und Schleswig-Holstein passiert.“ Auf Nachfrage bestätigte der Gewerkschafter, dass die Verweildauer von Betriebsratsmitgliedern bei Nord-Ostsee Automobile auffällig kurz sei.

Die Firma Nord-Ostsee Automobile hat ihren Sitz in Heide und wurde 2001 von mehreren Mercedes-Benz-Vertragspartnern gegründet. Sie vertreibt hauptsächlich Mercedes-Benz und zählt zu den großen Akteuren am Markt. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.700 Mitarbeiter*innen an 31 Standorten in verschiedenen Bundesländern – zwei davon in Hannover. Die Nord-Ostsee Automobile SE & Co KG wird durch den Vorstand Christian Splett-Henning und Tarek Khalifa vertreten.3 Die juristische Begleitung des Union Busting erfolgt laut IG Metall durch den Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e.V. Auf dessen Webseite wird Sebastian Koch als Geschäftsführer, Syndikusrechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht benannt. 4

USA: Bundesklage gegen Mercedes-Benz

USA: Mehrere Arbeiter aus Alabama, USA, haben beim National Labor Relations Board Bundesklage gegen Mercedes-Benz eingereicht. Sie beantragten eine einstweilige Verfügung, um die illegale Gewerkschaftsfeindlichkeit und Union Busting des Unternehmens Mercedes-Benz zu beenden. Das berichtet die Tageszeitung Junge Welt.11

Im Februar 2024 gaben die Mercedes-Beschäftigten bekannt, dass die Mehrheit ihrer Kollegen im Mercedes-Werk in Vance im Bundesstaat Alabama eine Gewerkschaftszulassungskarte unterzeichnet haben. Beide US-Werke von Mercedes-Benz waren bislang nicht gewerkschaftlich organisiert. Ein Beschäftigter berichtet von verpflichtenden Versammlungen, auf denen gewerkschaftsfeindliche Videos gezeigt wurden. Die Angestellten wehren sich gegen Repressionen gegen Kolleg*innen, die sich für eine gewerkschaftliche Organisierung und bessere Arbeitsbedingungen in den USA einsetzen.

Anfang Februar 2024 hatte die Gewerkschafter der UAW bereits im VW-Werk in Chattanooga in Tennessee eine Mehrheit für die Gewerkschaft erreichen können. Mehr als 10.000 US-Automobilarbeiter sind in den vergangenen Monaten der Gewerkschaft beigetreten. Sowohl Alabama als auch Tennessee sind sogenannte Right-to-work-Bundesstaaten, in denen besonders gewerkschaftsfeindliche Regelungen gelten.

Hotel Astor will Betriebsratsvorsitzende kündigen

Altenburg in Thüringen: Das Hotel Astor versucht die Betriebsratsvorsitzende zu kündigen. Erst im Februar 2024 hatte die Belegschaft überhaupt einen Betriebsrat gegründet. Die Belegschaft hatte die Gekündigte mit großer Mehrheit zur Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Das berichtet die Webseite von Thüringen 24.5

Das Hotel Astor wird von der Travdo Hotel Gruppe betrieben. Deutschlandweit gehören 22 Hotels zur Firma. Laut Selbstdarstellung ist die Travdo Hotels & Ressorts GmbH ein mittelständischer Familienbetrieb.

Dieser Familienbetrieb hat die Wahl allerdings angefochten, da die Betriebsratsvorsitzende gleichzeitig die Direktorin des Hotels ist. Angestellte in leitenden Positionen sind bei Betriebsratswahlen jedoch nicht wahlberechtigt. Ob es sich um eine leitenden Position handelt wird unter anderem daran festgemacht, ob Personalentscheidungen selbstständig getroffen werden dürfen.

Ob das im vorliegenden Fall so ist, bleibt im Berichte von Thüringen 24 unklar. Allerdings wird Jens Löbel von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten NGG wie folgt zitiert: „Wenn eine Direktorin nicht einmal die Farbe der Duschvorhänge bestimmen darf, dann ist sie bestimmt keine leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes“.

Absurd und im Sinne von Union Busting extrem auffällig: Die Kündigung gegen die Betriebsratsvorsitzende wird mit einer negativen Gesundheitsprognose begründet. Und das auf Basis einer zweiwöchigen Krankschreibung. Sollte das Gerichte die angefochtene Wahl vom Februar 2024 für gültig erklären ist dieser Kündigungsversuch allerdings ohnehin hinfällig.

Die juristische Beratung für das Vorgehen gegen die Betriebsratswahl liefert laut Gewerkschaft NGG die Kanzlei Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Leipzig. Diese Wirtschaftskanzlei ist in Deutschland an sechs Standorten mit rund 50 Anwälten aktiv.

Dienst nach Vorschrift und innere Kündigung werden zum Problem für Unternehmen

Deutschland: Die Ergebnisse der repräsentativen Studie Arbeiten 2023 der Pronova BKK zeigen, dass ein großer Teil der Beschäftigten innerlich gekündigt hat oder nur noch Dienst nach Vorschrift macht. Für die Studie befragten die Macher*innen im November 2023 rund 1.200 Angestellte ab 18 Jahren online.6 7

Auslöser für Phänomene wie innere Kündigung oder Dienst nach Vorschrift sind nach Ansicht der Befragten vor allem Überlastung (70 Prozent), zu geringe Bezahlung (69 Prozent), fehlende Wertschätzung und belastende Arbeitszeiten (jeweils 68 Prozent).

Junge Arbeitnehmerinnen und Angestelle unter 30 Jahren zeigen eine höhere Neigung zur inneren Kündigung (29 Prozent vs. 22 Prozent gesamt), zum Dienst nach Vorschrift (19 Prozent vs. 15 Prozent gesamt) und auch zu Bewerbungen bei anderen Arbeitgebern (18 Prozent vs. 13 Prozent gesamt). Auch Ghosting wird von den 18- bis 29-Jährigen häufiger praktiziert: 15 Prozent von ihnen haben 2023 potenzielle Arbeitgeber geghostet – waren für diese also nicht mehr erreichbar.

Jüngere kündigen öfter

Jüngere Beschäftigte haben 2023 auch häufiger (36 Prozent) aus eigenem Antrieb gekündigt beziehungsweise den Job gewechselt. Das ist gegenüber 2022 ein Anstieg von sieben Prozentpunkten. Hauptgründe für den Jobwechsel sind nach Aussage der jungen Befragten die Klassiker schlechtes Arbeitsklima (36 Prozent),fehlende Wertschätzung (35 Prozent), und geringe Bezahlung (34 Prozent). Wobei die miese Bezahlung erst als dritter Punkt genannt wird.

Schlechte Arbeitsbedingungen sind also der direkte Weg zu unmotivierten Mitarbeiter*innen und hohen Kosten durch Fluktuation.

Vielleicht liegt einer der Gründe für die Bereitschaft junger Angestellter zu kündigen auch hier:

Gerade die jüngere Generation hat am Beispiel ihrer Eltern gelernt, dass Fleiß und Loyalität – entgegen dem Mindset älterer Beschäftigter – oft eben nicht belohnt werden. Gerade ältere Angestellte werden oft eiskalt entsorgt

  • wenn sie durch billigere Kräfte ersetzt werden können
  • wenn im Ausland billiger produziert werden kann
  • wenn Unternehmen Tarifflucht begehen

Richtigerweise fragen sich also viele junge Lohnabhängige: Wozu sich mit Unternehmen identifizieren, für die man nur doch nur eine austauschbare Kostenstelle ist?

Klinikverbund Gesundheit Nord stellt Betriebsratsmitglied wegen Demo-Anmeldung kalt – Berufsverbote wie in den 70ern lassen grüßen

Bremen: Der Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) hat das Betriebsratsmitglied Ariane freigestellt. Das Management begründet den Schritt mit einer Solidaritätskundgebung für Daniela Klette. Das berichten das magazin buten & binnen und die Tageszeitung junge welt. 8 9

Das lange gesuchte mutmaßliche RAF-Mitglied Daniela Klette war nach über 30 Jahren im Untergrund am 26. Februar 2024 in Berlin gefasst worden. Die Solidaritäts-Kundgebung, die Ariane angemeldet hatte, fand am 17. März 2024 in Vechta statt, wo Daniela Klette einsitzt. Sie wird dort laut der Berliner Zeitung, die Klettes Anwalt zitiert, von der Anstaltsleitung überharter Isolationhaft ausgesetzt.

Schon vor der Kundgebung hatte der Betriebsrat in einer eilig einberufenen Sondersitzung am 15. Mäarz 2024 beschlossen, Ariane aus ihrer Freistellung für die Betriebsratsarbeit zu entlassen. Damit hätte Ariane wieder ihrer normalen Tätigkeit als Krankenpflegerin nachgehen können und müssen. Mit dem Entzug der Freistellung hatte der Betriebsrat den Weg für die Geschäftsleitung des Klinikverbundes Geno allerdings auch für weitere Sanktionen frei gemacht.

Denn die Geschäftsleitung der Geno unter Dorothea Dreizehnter stellte Ariane auch als Angestellte von ihrer Arbeit frei. Die Klinikleitung soll ihr darüber hinaus die Kontaktaufnahme mit Kolleginnen und Kollegen außerhalb der Betriebsratsarbeit ohne Zustimmung verboten haben. Dazu kommt noch ein Betretungsverbot für das Klinikgelände. So heißt es in einer Solidaritätserklärung für Ariane.

Arbeitgeber können Grundgesetz nicht aushebeln

Ariane hatte die Kundgebung jedoch als Privatperson angemeldet. Damit hat sie lediglich ihr demokratisches Grundrecht nach Art. 8 GG [1] wahrgenommen. So sehen es auch Juristen wie Professor Wolfgang Däubler und Rechtsanwalt Benedikt Hopmann. Nach der Einschätzung Wolfgang Däublers ist schon der Beschluss des Betriebsrats Ariane die Freistellung zu entziehen juristisch nicht haltbar. Denn an Arianes Aufruf zur Kundgebung war nichts unzulässiges. Eine Benachteiligung aufgrund von der in der Freizeit getätigten Meinungsäußerung ist juristisch nicht haltbar.

Arbeitsrechtler Benedikt Hopmann erklärt: »Es gibt einen Anspruch auf Beschäftigung, arbeitgeberseitige Sanktionen können nicht das Grundgesetz aushebeln. Abhängige Beschäftigte dürfen nicht, wenn sie ihre Grundrechte wahrnehmen, noch mit einer zusätzlichen Möglichkeit unter Druck gesetzt werden, die allein aus dem strukturellen Machtverhältnis im Arbeitsverhältnis herrührt«.10

Es scheint sich bei näherer Betrachtung um eine Zusammenarbeit zwischen einem in Teilen managementhörigen Betriebsrat und der Geschäftsleitung zu handeln. Bereits vor zwei Jahren hatten der Betriebsratsvorsitzende, Direktion und Geschäftsführung gegen Ariane kooperiert und versucht, sie mithilfe eines konstruierten Vorwurfs aus der Klinik zu drängen. Dieser Versuch scheiterte vor dem Arbeitsgericht.

Bremerin des Jahres

Auch jetzt zieht Ariane ein juristisches Vorgehen in Betracht. Sie feiert 2024 immerhin ihr 50jähriges Berufsjubiläum. Seit 1981 arbeitet sie für das Klinikum in Bremen. 2021 erhielt sie für ihr umfangreiches Engagement, unter anderem während der Corona-Zeit, den Titel Bremerin des Jahres. Sie hat außerdem das Bremer Volksbegehren für mehr Personal in Krankenhäusern maßgeblich mit angestoßen. Am 27. April 2024 wird der Landesfrauenverband darüber entscheiden, ob Ariane der Titel Bremerin des Jahres wieder aberkannt wird. FDP und CDU sollen vor dem Hintergrund der Kundgebungsanmeldung einen entsprechenden Antrag eingereicht haben.

Abseits dieses Getöses scheint es aber letztlich so, dass hier ein engagiertes Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitglied kalt gestellt werden soll. Die Kundgebungsanmeldung dient augenscheinlich als Vorwand, der arbeitsrechtlich aber nicht haltbar ist. Am Ende also ein klassischer Fall von Union Busting, bei dem möglicherweise gelbe Betriebsratsmitglieder und die Geschäftsführung zusammen arbeiten. Das kann für die Geno-Beschäftigten nur heißen: Augen auf bei der Betriebsratswahl. Wählt Vertreter*innen, die Eure Interessen und nicht die der Geschäftsführung vertreten.

Die Vorlage für das Solidaritätsschreiben für Ariane findet ihr im Dossier zum Fall auf der Webseite von Labournet oder direkt HIER


Quellen

1 David Speirer: „Skandalöser Angriff“, taz, 27.03.2024, https://taz.de/Autohaendler-feuert-Betriebsrat/!5997845/

2 Ralph Hübner: Hausverbot für Betriebsratschef?, Hannoversche Allgemeine, 25.03.2024, https://archive.fo/LGeCS

3 Impressum Mord-Ostsee-Automobile, abgerufen 3.4.23024, https://www.nord-ostsee-automobile.de/impressum/

4 Webseite UVUW, abgerufen 03.04.2024, https://uvuw.de/profil/geschaeftsfuehrung/

5 Benjamin Pogadl: Thüringen: Hotel-Kette schmeißt Mitarbeiterin raus! Die Vorwürfe wiegen schwer – „Einfach unverschämt“, thüringen 24, 28.03.2024, https://www.thueringen24.de/thueringen/article300324376/thuerngen-ngg-travdo-hotel-gruppe-astor-altenburg-mitarbeiter-kuendigung-betriebsrat.html

6 Pronova BKK Studie „Arbeiten 2023“, abgerufen 03.04.2024, https://www.pronovabkk.de/unternehmen/presse/studien/arbeiten-2023.html

7 Volksfreund: Aktuelle Studie: 45 Prozent der Deutschen machen Dienst nach Vorschrift bei der Arbeit oder erleben es bei Kolleg*innen / Unter 30-Jährige zeigen mehr Verständnis für innere Kündigung & Co., https://www.volksfreund.de/pr/presseportal/tuelle-studie-45-prozent-der-deutschen-machen-dienst-nach-vorschrift-bei-der-arbeit-oder-erleben-es-bei-kolleg-innen-unter-30-jaehrige-zeigen-mehr-verstaendnis-fuer-innere-kuendigung-und-co_aid-109656183

8 Buten & binnen: Bremer Geno stellt Betriebsrätin nach umstrittener Klette-Demo frei, 18.03.2024, https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/bremen-geno-klette-raf-100.html

9 Benno Schirrmeister: Deutscher Herbst in Bremer Klinik, taz, 20.03.2024, https://taz.de/Rausschmiss-nach-Soli-Demo-fuer-Klette/!5996386/

10 Anouschka Eckhardt: Kaltgestellt nach Demoanmeldung, junge welt, 18.03.2024, https://www.jungewelt.de/artikel/471680.repression-gegen-linke-kaltgestellt-nach-demoanmeldung.html


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Transmitter / FSK: Interview mit Elmar Wigand zur medialen Verarbeitung des GDL-Streiks

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Angriffe auf das Streikrecht in Deutschland sind brandgefährlich.

Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht in Print-Publikation des Freien Senderkombinats Hamburg.

„DAS IST UNION BUSTING…“

FSK Hamburg, transmitter 4/24 Cover
FSK Hamburg, transmitter 4/24, https://www.fsk-hh.org/files/tm0424.pdf

TM: Wenn man die Berichterstattung zum GDL-Streik Anfang März in fast allen maßgeblichen Medien verfolgte, dann hörte und las man, dass die GDL Deutschland in »Geiselhaft« nehmen könne, weil es an einem Streikgesetz fehle, das die Zulässigkeit von Streiks regele.

Die existierende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Zulässigkeit von Streiks sei überaus liberal und setze dem eigensüchtigen Agieren von Gewerkschaften keine Grenzen.

Ist dem tatsächlich so?

Elmar Wigand: Das ist grober Unfug. Doch dieser Unfug gehört zum Hologram der »sozialen Marktwirtschaft«, welches uns dermaßen beständig vorgespielt wird, dass es zu den festen Glaubenssätzen der meisten Deutschen gehört. Zu dieser Gehirnwäsche
gehört auch ein völlig überzogene Gezeter, wenn tatsächlich mal gestreikt wird.
In Deutschland existiert nominell kein Streikrecht. In der Verfassung ist allerdings die Koaltionsfreiheit garantiert (Art. 9 GG) — also das Recht Gewerkschaften und andere Vereinigungen zu bilden.

Das Wort Streik taucht überhaupt nicht auf, in Absatz 3 ist von »Arbeitskämpfen« die Rede, »die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geführt werden.« Was irgendwie schwammig klingt. Tatsächlich ist das deutsche Streikrecht Richterrecht.

Landesarbeitsgerichte entscheiden, ob, wann und wie gestreikt werden darf. Und das äußerst repressiv. Die Tradition wurde unter Adenauer vom Kölner Arbeitsrechtsguru Hans Carl Nipperdey, der schon das Arbeitsrecht des Nazi-Staates maßgeblich geprägt hatte.

Hierher weht bis heute der Wind. Streik gilt offenbar als Sabotage an der Volksgemeinschaft.

Das angebliche Verbot eines politischen Streiks in Deutschland ist ebenso eine Chimäre wie die angebliche Illegalität der »wilden« also »verbandsfreien« Streiks — also ohne etablierte Gewerkschaft — und das Streikverbot für Beamte.

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland widerspricht in krasser Weise internationalem Recht — etwa der europäischen Sozialcharta oder den Arbeitsnormen der International Labor Organisation (ILO, Teil der UNO), welche von Deutschland zwar ratifiziert aber nicht umgesetzt wurden.

Es ist absurd, zum Haare raufen. Die pure Heuchelei.

Hier liegt ein Grund warum Deutschland im internationalen Streikvergleich auf den Rängen zwölf bis vierzehn liegt, weit entfernt von Frankreich, Spanien und Belgien oder den skandinavischen Ländern.

Tatsächlich gibt es in den letzten Jahren Bestrebungen, das Streikrecht und die Aktivität von kleineren und Spartengewerkschaften gesetzlich neu zu regeln, z.B. durch das Tarifeinheitsgesetz von 2015 oder aktuelle durch Vorschläge für ein Streikgesetz.

Worauf zielen diese Vorhaben?

Auf die weitere Einschränkung von Streiks. In Deutschland entsteht derzeit als ganz zartes Pflänzchen tatsächlich eine Art Streik- und Protestkultur, die international vorzeigbar ist. 2024 begann mit Bauernprotesten, Fußballfans, die den Spielbetrieb stoppten, den Bahnstreiks der GDL auch Verdi mischte zusammen mit Fridays for future mit, 2023 kamen die EVG und Verdi gemeinsam aus den Schluffen.

Der rechte Rand der CDU fordert jetzt offen eine weitere Einschränkung demokratischer Grundrechte.

Demokratie ist für Figuren wie Jens Spahn, Friedrich Merz, Gitta Connemann von der Mittelstandsvereinigung der CDU, offensichtlich nur ein Schmiermittel, das die Wirtschaft geschmeidig brummen lassen soll. Wenn die Demokratie unbequem wird, weil sie ihre Interessen beschneidet, dann wird sie verzichtbar und ziemlich relativ.

Das ist brandgefährlich. Allein deshalb sollten wir solidarisch mit der GDL sein.

Es fällt auf, dass in der Berichterstattung zum GDL-Streik die Grenzen zwischen Bericht und Kommentar aufgehoben sind, die Ablehnung des Agierens der Gewerkschaft dominiert. Dabei fokussieren sich die Medien auf die Position des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky, der als allein von Egoismus und Geltungssucht getriebener Alleinverantwortlicher für den Streik dargestellt wird.

Wie erklärt sich diese Front der medialen Ablehnung der GDL und ihres Vorsitzenden?

Das ist Union Busting mittels Public Relations und Propaganda nach britischen und us-amerikanischen Vorbild. Personalisierung und Dämonisierung.

Genauso hat die britische Boulevardpresse die öffentliche Meinung beim großen Bergarbeiterstreikt 1984/85 gegen den Gewerkschaftsboss Arthur Scargill aufgehetzt. Und der wichtigste Gewerkschafter der USA, John L. Lewis brauchte 1943 Polizeischutz, damit er nicht gelyncht oder von rechten Attentätern ermordet wurde. Zuvor hat der IWW-Gewerkschafter Frank Little 1917 dieses Schicksal erlitten.

Denn ihre Bergarbeiter wagten es, in Kriegszeiten zu streiken — laut Propaganda fiel sie den kämpfenden Soldaten in die Rücken… Die United Mine Workers konnten sich 1943 nach einem extrem harten Konflikt durchsetzen, während die IWW im Zuge des 1. Weltkrieg nahezu zerschlagen wurde.

2014 veröffentlichte der Focus den privaten Wohnort von Claus Weselsky in Dresden und BILD seine Büroadresse…

Ich finde Weselsky macht seine Sache insgesamt hervorragend. Er nimmt es sportlich. Wie John L. Lewis oder etwa der Fußball-Trainer José Mourinho nimmt er den Druck von seinen Team und den Mitgliedern, indem er kerzengerade und aufrecht vor ihnen steht, die Aggressionen auf
sich bündelt, erträgt und an sich abprallen lässt.

Ach ja: und eine kurze Kurzvorstellung von Dir und der »Aktion gegen Arbeitsunrecht“…?

Ich bin Presse-Sprecher und Online-Redakteur der Aktion gegen Arbeitsunrecht.

Wir erforschen und dokumentieren Union Busting in Deutschland. Wir unterstützen renitente Beschäftigte, konfliktbereite Gewerkschafter*innen, aktive Betriebsräte und solche, die es werden wollen. Wirmachen die zweiwöchentliche Radio-Show arbeitsunrecht FM auf Radio Dreyeckland, die vom FSK gerne übernommen werden darf.

Tatsächlich steht die GDL ganz am Anfang meiner Beschäftigung mit den Schattenseiten der deutschen Arbeitswelt. 2003 hat mich der damalige GDL-Chef Manfred Schell inspiriert, der ebenfalls aus dem Holz eines John L. Lewis geschnitzt war.

In der bleiernen Zeit der Hartz-Gesetze und Agenda 2010 war der GDL-Streik damals purer Punk-Rock — gegen den herrschenden Zeitgeist, der einen beispiellosen Durchmarsch neoliberaler Grausamkeiten brachte. Ohne wirkliche Gegenwehr der Gewerkschaften.

Die einzigen Lichtblicke waren damals die GDL und der wilde Streik bei Opel in Bochum.


Elmar empfiehlt zum Weiterlesen:

Quelle:

„Das ist Union Busting…“, Interview mit Elmar Wigand, transmitter 4/24, S. 10-11, https://www.fsk-hh.org/files/tm0424.pdf , 2. April 2024


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Union Busting News 5/24: AWO, Arelion, Hammer, Enpal, Grün Berlin, Streik und Plattformarbeit

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Marl / AWO versucht seit zwei Jahren Betriebsratsmitglied zu kündigen
  • Frankfurt / Netzanbieter Arelion / Betriebsratsgründung unerwünscht, Massenentlassung und Verlagerung nach Rumänien
  • Schwerin / Raumausstatter Hammer kündigt allen Beschäftigten vor Betriebsratsgründung
  • Berlin / Kein Betriebsrat bei kommunalen Unternehmen? SPD Berlin kritisiert landeseigene GmbH Grün Berlin
  • EU / Plattformarbeit /  Deutschland sabotiert Verbesserungen auf EU-Ebene. 4 Mio Scheinselbstständige gucken in die Röhre. Schuld ist die FDP
  • Leipzig / Enpal / Mitarbeiter geprellt? Leipziger Filiale schließt
  • Rötha in Sachsen / Längster Streik der Geschichte der Bundesrepublik bei SRW Metalfloat
Anhören, downloaden und für unkommerzielle Zwecke frei weiter verbreiten!

Marl: AWO versucht seit zwei Jahren Betriebsratsmitglied zu kündigen

Marl in Nordrhein-Westfalen: Die Arbeiterwohlfahrt AWO in Marl versucht seit mittlerweile zwei Jahren den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zu kündigen. Der Mann arbeitete fast 30 Jahren bei der AWO. Die juristische Klärung zieht sich laut Lokalkompass geradezu grotesk in die Länge. 1

Völlig unerwartet konfrontierte die Geschäftsleitung im März 2022 den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden mit sechs Beschwerden von Bewohnern bzw. Bewohnerinnen. Damals stand die Neuwahl des Betriebsrates unmittelbar bevor.

Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu der Kündigung, die auf die angeblichen Beschwerden folgte. Der AWO-Bezirk Westliches Westfalen e.V. als Träger des Marler Seniorenzentrums reichte Klage beim Arbeitsgericht in Dortmund ein. Er wollte sich die fehlende Zustimmung des Betriebsrates durch das Gericht ersetzen zu lassen. Das gelang nicht.

Auch sonst läuft eigentlich alles für den Altenpfleger und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden:

  • die Staatsanwaltschaft Essen stellte ein Strafermittlungsverfahren gegen ihn ein,
  • die Bezirksregierung Münster hat von einem Berufsverbot gegen ihn abgesehen,
  • die Heimaufsicht nahm ein Betretungsverbot für das AWO Seniorenzentrum Marl zurück,
  • das Landesarbeitsgericht Hamm sprach ihm trotz Freistellung seine Vergütung als Altenpfleger zu

Aber das Landesarbeitsgericht Hamm hat den positiven Beschluss des Arbeitsgerichtes Dortmund vom 14.02.2023 wegen eines nicht behebbaren Verfahrensfehler aufgehoben. Eines Verfahrensfehlers bei der Verkündigung, nicht bei der Urteilsfindung, wohlgemerkt. Und der AWO-Bezirk Westliches Westfalen e.V. hat den Rücknahmebescheid des Kreises Recklinghausen angefochten. So zieht sich der Schwebezustand für den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ins Unerträgliche.

Dass Arbeitsgerichtsverfahren über zwei Jahre dauern ist leider keine Seltenheit. Insbesondere, wenn Arbeitgeber wie in diesem Fall eine ganze Reihe von Vorgängen in Gang setzen. Es braucht zum Schutz Beschäftigter eine Reform und deutliche Beschleunigung solcher Verfahren.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang: 2023 berichtete die Marler Zeitung, dass vier Lehrerstellen an der AWO Pflegeschule in Marl mangels Bewerber*innen nicht besetzt werden können. Wir hätten da eine Idee, woran das liegen könnte, dass die Arbeiterwohlfahrt im Bezirk Westliches Westfalen e.V. unter dem Vorsitzenden Michael Scheffler ein schlechtes Image hat.2

Frankfurt / Netzanbieter Arelion: Betriebsratsgründung unerwünscht, Massenentlassung und Verlagerung nach Rumänien

Frankfurt: Die Geschäftsleitung des schwedischen Netzanbieters Arelion am Standort Frankfurt kündigte allen 30 Beschäftigten. Und zwar unmittelbar nachdem sie eine Betriebsratsgründung eingeleitet hatten. Das berichtet die Frankfurter Sektion der Gewerkschaft IWW, Industrial Workers of the World.

Zum Jahreswechsel 2023/2024 hatten einige Angestellte die Kündigung erhalten und daraufhin beschlossen eine Betriebsratsgründung zu initiieren. Schon am 19. Januar 2024 fand dann nach Angaben der IWW die Wahl des Wahlvorstandes statt. Am 25. Januar, also nur 6 Tage später, kündigte Arelion allen 30 Beschäftigten. Darunter auch den Mitgliedern des Wahlvorstandes, die besonderen Kündigungsschutz genießen.

Kurz darauf nahmen am 29. Januar 2023 trotzdem 26 von 30 Beschäftigten an der Betriebsratswahl teil. Als erste Amtshandlung schaltete das frisch gewählte Gremium einen Anwalt ein, um gegen die Kündigungen vorzugehen. Der Betriebsrat lässt außerdem prüfen, ob Arelion die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit korrekt angemeldet hat.

In diesem Zusammenhang ließ Arelion plötzlich wissen, dass die Auslagerung des Standortes nach Rumänien geplant sei. Dreist verweigert Arelion jedoch Verhandlungen über einen Sozialplan. Die kann ein Betriebsrat allerdings erzwingen. Die Mitglieder des Betriebsrats lassen sich derweil erst einmal schulen. Die Kosten dafür muss Arelion tragen.

Interessant zu wissen: Arelion befindet sich seit Juli 2021 im Besitz von Polhem Infra, einem Kapitalanleger, der hauptsächlich im Infrastrukturbereich tätig ist. Polhem Infra wiederum gehört der staatlichen schwedischen Rentenversicherung. Wir bekommen hier also auch gleich noch einen Vorgeschmack auf die Aktienrente. Auf der Webseite von Polhem Infra heißt es: Polhem Infra generiert Erträge für das schwedische Rentensystem, indem es in kritische Infrastrukturen in den nordischen Ländern investiert und diese verwaltet. 

Schwerin: Raumausstatter Hammer kündigt allen Beschäftigten vor Betriebsratsgründung

Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern: Die 17 Angestellten des Raumausstatters Hammer in Schwerin wollten einen Betriebsrat gründen. Unter anderem vor dem Hintergrund, dass die Zukunft des Hauses ungewiss war. Seit Jahren wurde gemunkelt, dass ein neuer, größerer Möbelmarkt geplant sei. Die Angestellten hofften über einen Betriebsrat mehr Informationen zu erhalten. Darüber berichtet der NDR.3

Der Wahlvorstand war schon gewählt. Kurz darauf kündigte der Raumausstatter Hammer der gesamten Belegschaft. Der Schweriner Hammer-Markt soll Ende August geschlossen werden. Die Gewerkschaft verdi sieht hier einen eindeutiger Zusammenhang.

ver.di hat deshalb gerichtliche Schritte gegen die Kündigungen eingeleitet. Denn schon vor der anstehenden Betriebsratswahl, habe es Widerstand seitens des Unternehmens gegeben.
Die Kette betreibt mehr als 200 Filialen und gehört zur Unternehmensgruppe Brüder Schlau.

Berlin: Kein Betriebsrat bei kommunalen Unternehmen? SPD Berlin kritisiert landeseigene GmbH Grün Berlin

Berlin: Die Berliner SPD kritisiert, dass das Unternehmen Grün Berlin GmbH keinen regulären Betriebsrat hat. Statt dessen existiert lediglich eine sogenannte Mitarbeitervertretung. Und dass, obwohl dee Grün Berlin GmbH zum Land Berlin gehört. Darüber berichtet der rbb.4

Es gibt also sogar in einem landeseigenen Unternehmen nur eine rechtefreie Jux-Vertretung wie die Oops-Comitees bei Flink oder der Instituts-Rat beim Hasso-Plattner-Institut HPI. Um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen. Diese Spaß-Gremien werden Belegschaften aufgedrückt oder schmackhaft gemacht, um echte Betriebsratsarbeit zu verhindern. Diese ausgedachten Fantasie-Mitarbeitervertretungen haben nämlich keinerlei rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten und Auskunftsrechte gegenüber Unternehmen.

Dabei muss schon stuzig machen, wozu es überhaupt einer Grün Berlin GmbH bedarf und warum die Leute nicht direkt beim Land Berlin angestellt sind. Die Berliner SPD-Abgeordneten Sven Meyer und Linda Vierecke kritisieren es als inakzeptabel, dass Grün Berlin als landeseigenes Unternehmen keinen Betriebsrat hat. Und damit haben sie Recht. Die öffentliche Hand sollte überhaupt keine Aufträge an Firmen ohne demokratische Mitbestimmung – also Betriebsräte – und Tarifbindung vergeben.

Das sieht Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) dagegen anders. Sie begründet das in einer Antwort auf die SPD-Anfrage damit, dass die Belegschaft weiter jederzeit das Recht habe, einen Betriebsrat zu wählen. Also Liebe Kolleginnen und Kollegen bei Grün Berlin: Gründet einen Betriebsrat! Bei Fragen: wendet Euch gerne an uns.

Plattformarbeit: Deutschland sabotiert Verbesserungen auf EU-Ebene. Schuld ist die FDP

Europäische Union: Die EU-Staaten haben sich für neue Vorgaben für Plattformarbeit ausgesprochen. Deutschland war nicht dabei, bwz. enthielt sich bei der Abstimmung auf Druck der FDP. Das berichtet die Tagesschau.5

Die neuen Richtlinien betreffen rund 28 Millionen Europäer*innen, die auf Plattformen unter anderem als Taxifahrer, Haushaltshilfen oder Fahrradlieferanten arbeiten. Rund 4 Millionen von ihnen arbeiten als Schein-Selbstständige. Das heißt, dass ihnen wichtige Arbeitsrechte, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Urlaub vorenthalten werden. Scheinselbstständigkeit entspricht eher dem Modell der Tagelöhnerei. Kannst du arbeiten, hast du die Chance, ein paar Euro zu verdienen. Kannst du nicht arbeiten, hast du Pech.

Den jeweiligen Staaten entgehen durch Scheinselbstständigkeit indes enorme Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen. Auch deswegen zielt die die neue EU-Richtlinie auf Verhinderung von Scheinselbstständigkeit.

Das Europaparlament muss dem Vorhaben noch zustimmen, wobei eine Mehrheit wahrscheinlich ist. Gelingt die Mehrheitsfindung im Europaparlament müssen zukünftig die Plattformbetreiber beweisen, dass Mitarbeitende tatsächlich selbstständig sind. Durch diese Beweislastumkehr soll sicher gestellt werden, dass freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Digitalplattformen wie Festangestellte behandelt werden, wenn Anzeichen für Scheinselbständigkeit vorliegen. 

Politiker*innen hatten die Plattform-Richtlinie in zwei vorhergehenden Verhandlungsrunden bereits verwässert. Gut, dass die neuen Richtlinien trotz des gesellschaftszersetzenden Lobbyismus überhaupt zustande gekommen sind. Beim Lieferkettengesetz gelang dies leider nicht. Auch hier lobbyierte die FDP zugunsten von Unternehmen, die auf Gewinne durch Kinderarbeit und andere Formen der Ausbeutung setzen.6

Enpal: Mitarbeiter geprellt? Leipziger Filiale schließt

Leipzig: Das Photovoltaik-Unternehmen Enpal schließt seinen Leipziger Standort. Rund 30 Mitarbeiter sind betroffen. Auffällig ist der zeitliche Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über nicht gezahlte Lohnanteile in Höhe von 12.000,- Euro. Darüber berichten FAU und MDR. 7 8

Der ehemalige Angestellte, der von der Freien Arbeiter Union FAU unterstützt wird, macht Ansprüche auf Urlaubsgeld, Lohn und Provisionen geltend, die das Unternehmen nicht vollständig gezahlt haben soll. Bei einer Güteverhandlung am 11. März 2024 bot das Unternehmen 6.000,- Euro an. Doch der ehemalige Mitarbeiter möchte die volle ihm zustehende Summe erhalten.

Das Unternehmen hatte in der Güteverhandlung aus der Sicht des Geprellten eingestanden, dass die Ausgleichszahlungen von Provisionen im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht erfolgt waren. Solche Zahlungen sind gesetzlich jedoch vorgeschrieben. Es gibt also keinen Grund, auf Zahlungen zu verzichten. Beschäftigte berichten außerdem von einem toxischen Arbeitsklima, viel Druck und unbezahlten Überstunden bei geringem Grundgehalt.

Bereits wenige Tage nach der Verhandlung am 11. März 2024 wurde der Standort geschlossen. Ein Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen soll laut Enpal-Geschäftsleitung nicht bestehen. Enpal betreibt noch weitere Standorte, der Hauptfirmensitz des 2017 gegründeten Startups ist in Berlin. Laut wikipedia arbeiten über 1000 Menschen für Enpal. Autoren des Wirtschaftsmagazins Capital bezeichnen Enpal als ein aggressiv wachsendes Unternehmen, „das hinter der Kulisse in erster Linie auf eine rasante Expansion fixiert zu sein scheint – teils auch auf Kosten von Kunden, Beschäftigten und anderen Unternehmen im Strommarkt“. 9

Rötha in Sachsen: Längster Streik der Geschichte der Bundesrepublik bei SRW metalfloat

Rötha in Sachsen: Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall und der Bundesrepublik findet augenblicklich bei der Firma SRW Metalfloat im Gewerbepark Espenhain bei Leipzig statt. Die Kolleginnen und Kollegen streiken für eine 38-Stunden-Woche und einen Tarifvertrag. Das berichtet die IG Metall.10

SRW Metalfloat ist eine Schrott- und Receycling-Firma. Hier werden im Dreischichtsystem am Fließband Metalle sortiert. Die Arbeit ist körperlich belastend. Am Monatsende kommt trotz Schicht für Viele nicht mehr als rund 2000, gelegentlich mit Zuschlägen heraus.

Der chinesische Investor Chiho Enviromnetal Group mit Sitz auf den Cayman Islands verweigert einen Tarifvertrag. Die Entscheider der Firma sollen in Hongkong sitzen.

Der Streik begann bereits am 8. November 2023 und dauert somit schon über 130 Tage. Auf einem Streikbanner der IG Metall ist zu lesen:

Metaller schreiten stets voran – Streikbrecher bleiben Untertan!

In diesem Sinne senden wir solidarische Grüße an die Streikenden bei SRW metalfloat!


Quellen

1 Siegfried Schönfeld: AWO will stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden in Marl loswerden, Lokalkompass, 12.03.2024, https://www.lokalkompass.de/marl/c-politik/awo-will-stellvertretenden-betriebsratsvorsitzenden-in-marl-loswerden_a1938640

2 Julia Grunschel: Lehrermangel an der Pflegeschule Leiter Daniel Bogumil: „Marl ist nicht so interessant, Marler Zeitung, 19.01.2023, https://www.marler-zeitung.de/marl/lehrermangel-an-der-pflegeschule-leiter-daniel-bogumil-marl-ist-nicht-so-interessant-w684866-9000299942/

3 NDR: „Hammer“-Belegschaft in Schwerin gekündigt – Gewerkschaft klagt, 15.03.2024, https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Hammer-Belegschaft-in-Schwerin-gekuendigt-Gewerkschaft-klagt,hammerschwerin100.html

4 rbb: SPD kritisiert fehlenden Betriebsrat bei landeseigener Grün Berlin GmbH, 16.03.2024, https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/03/spd-kritisiert-fehlenden-betriebsrat-landeseigener-gruen-gmbh-berlin.html

5 Tagesschau: EU stärkt Mitarbeiterrechte bei Online-Plattformen, 11.03.2024, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/eu-lieferdienste-beschaeftigte-100.html

6 Thomas Spickhofen: Es geht auch ohne Deutschland, Kommentar Tagesschau, 15.03.2024 https://www.tagesschau.de/kommentar/eu-lieferkettengesetz-108.html

7 MDR aktuell: Güteverhandlung zwischen Solar-Startup Enpal und Ex-Mitarbeiter in Leipzig gescheitert, 11.03.2024, https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/solar-startup-enpal-klage-mitarbeiter-100.html

8 FAU Leipzig: Arbeitskonflikt FAU Leipzig gegen Solar-StartUp Enpal – Güteverhandlung am 11.03.2024, 08.03.2024, https://leipzig.fau.org/arbeitskonflikt-fau-leipzig-gegen-solar-startup-enpal-gueteverhandlung-am-11-03-2024/

9 Hannah Schwär, Caspar Tobias Schlenk, Thomas Steinmann: Enpal: Die rauen Methoden des Solar-Start-ups. Capital. 24. September 2023, abgerufen am 18. Januar 2024, https://www.capital.de/wirtschaft-politik/enpal–die-rauen-methoden-des-solar-start-ups-33848064.html

10 IG Metall: Neuer Rekord: 125 Tage Streik der „Schrotter“ bei SRW, aktualisiert 11.03.2024, https://www.igmetall.de/tarif/besser-mit-tarif/schrotter-bei-srw-metalfloat-im-streik


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