Klinikum Brandenburg: BR-Vorsitzender gewinnt

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Fadenscheinige Absetzung gescheitert: Renato S. setzt sich vor LAG gegen Mazars durch

Am 21. 09. 2016 hatte das Arbeitsgericht Brandenburg auf Betreiben des Städtischen Klinikums Brandenburg GmbH (SKB) den Betriebsratsvorsitzenden Renato S. per Beschluss für abgesetzt erklärt.3 Der Vorsitzender Richter, unter dessen Verhandlungsführung diese fragwürdige Entschiedung fiel, heißt Peer Siggel.

Die 15. Kammer  des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg kassierte Siggels Entscheidung nun (Az. 15 TaBV 2049/17 vom 31.5.2017). Diese war auf Betreiben der Klinik-Geschäftsführerin Gabriele Wolter1 und des Personalleiters Bert Stresow2 zu Stande gekommen.

Das Mandat hatte die aggressive Steuerprüfungs- und Wirtschaftskanzlei Mazars, was für die Beschäftigten des Klinikums nichts Gutes verheißt.

Mazars als Gegner: Soli-Komitee
Der Soli-Kreis für Renato zeigte auch am 1. Mai 2017 Flagge.

Kündigungskonstrukte als Vergeltungsmaßnahme?

Der Personalleiter Stresow warf dem Betriebsratschef mehrere grobe Verletzungen seiner gesetzlichen Pflichten vor, darunter ausdrücklich auch die Behinderung der Betriebsratsarbeit. Was als Vorwurf an einen BR-Vorsitzenden skurril bis gewagt klingt, aber vom Arbeitsgericht zunächst gefressen wurde. Stresows Motiv war vermutlich Vergeltung: Renato S. hatte zuvor sowohl die Geschäftsführerin Gabriele Wolter als auch ihn als Personalleiter wegen falscher Verdächtigungen und Verstößen gegen den Datenschutz angezeigt.4


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Renato S. legte Beschwerde gegen das Urteil ein. Am 31. 05. 2017 wies das Landesarbeitsgericht den Antrag der SKB-Geschäftsführung zurück. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen. Das bedeutet: Das Landesarbeitsgericht unter dem Vorsitzenden Richter Achim Klueß ist sich in der Sache recht sicher. Offenbar sind die Vorwürfe gegen den Betriebsratsvorsitzenden konstruiert und juristisch nicht haltbar. Das Unternehmen könnte dennoch mit einer Nicht-Zulassungsbeschwerde versuchen, noch vor das Bundesarbeitsgericht zu ziehen. Rechtsanwalt Ivailo Ziegenhagen, der Renato S. in dem Rechtsstreit vertreten hat, erklärt: „Wir freuen uns über die sachlich richtige Entscheidung des LAG und hoffen, dass nun auch die SKB zu einem sachlichen Umgang mit ihrem Betriebsrat zurückkehrt.“

Ein Betriebsrat, der Einiges erreicht, ist beim Management oft unbeliebt

Renato S. hat als langjähriger Betriebsratsvorsitzender mit seinem Gremium viele Verbesserungen wie Dienstvereinbarungen über die Dienstplan-Gestaltung, Umkleidezeiten und Begrenzung der Überstunden für seine rund 1000 Kolleg*innen durchsetzen können. Dem jüngsten Rechtsstreit sind zahlreiche Verfahren voraus gegangen. Die Märkische Allgemeine schrieb bereits 2015:5

Vor dem Brandenburger Arbeitsgericht streitet niemand so oft wie das Städtische Klinikum, seit 2008 48-mal, 17 Prozent der dortigen Beschlussverfahren betreffen das kommunale Krankenhaus.

Groß-Kanzlei Mazars setzt ersten Fall in den Sand

In erster Instanz vertrat der oben erwähnte Bert Stresow6 das Klinikum. Der „Volljurist“ ist im Nebenberuf Arbeitsrechts-Anwalt und arbeitet hauptberuflich als Personalleiter der SKB; vor dem LAG wechselte das Mandat nun zur Rechtsanwältin Dr. Tatjana Ellerbrock aus der kostspieligen Groß-Kanzlei Roever Broenner Susat Mazars7, die den Fall nun in den Havel-Sand setzte.

Der Wechsel der Juristen-Pferde im laufenden Verfahren kann als Indiz gelten, dass der Glauben an die eingeschlagenen Strategie auf Unternehmensseite schwindet.

Mazars arbeitet laut Eigendarstellung auch mit aggressiven Finanzinvestoren (Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds) zusammen und wirbt mit besonderer Expertise im Bereich Health Care. Diese Konstellation sollte alle Beschäftigten des Klinikums in Alarmbereitschaft versetzen. Möglicherweise soll hier ein Privatisierungsmanöver vorbereitet werden. Dann ginge es bald ans Eingemachte.

Das Kanzlei-Konglomerat Roever Broenner Susat Mazars entstand 2015 durch die Fusion der französischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars mit der deutschen Wirtschaftskanzlei  RoeverBroennerSusat.8

Laut Branchen-Portal juve.de steht Mazars derzeit auf Platz Nr. 9 der größten deutschen Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen,9 zu deren Beratung traditionell auch die sozial schädliche Konstruktion von Steuersparmodellen und Schlupflöchern durch Finanz-Oasen gehört.

Solidarität wirkt!

Der Erfolg vor Gericht ist auch der Arbeit eines Solidaritäts-Kreises, der sich um Renato S. gegründet hat, zu verdanken. Er sammelte innerhalb kurzer Zeit 692 Unterstützungs-Unterschriften für den BR-Vorsitzenden.

Die aktion./.arbeitsunrecht gratuliert.


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Fußnoten


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