Übergabe von 5493 Unterschriften gegen TTIP aus Arbeitnehmersicht

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Gut informierte TTIP-Kritiker treffen auf schlecht vorbereitete EU-Handels-Kabinettschefin

Rund 40 TTIP-Gegner protestierten vor der EU-Kommission gegen TTIP (Urheber Marcus Richter)
Rund 40 TTIP-Gegner protestierten vor der EU-Kommission gegen TTIP (Urheber Marcus Richter)

Am Donnerstag, dem 29.01.2015, hat die aktion ./. arbeitsunrecht 5493 Unterschriften gegen TTIP aus Arbeitnehmersicht an die Kabinettschefin von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström übergeben.

Im Mittelpunkt des Aufrufs steht die Sorge um die Senkung von Arbeitsrechten und Standards zum Schutz von Arbeitnehmern (siehe Aufruf). Beim Verhandlungspartner USA gelten vom Mutterschutz über den Kündigungsschutz, bis hin zur Koalitionsfreiheit ganz andere Regeln. Der Organisierungsgrad amerikanischer Arbeiter liegt, je nach Art der Betriebe, nur zwischen 7% und 13%. Entsprechend diesem Fokus waren unter den Unterzeichnern, neben engagierten Bürgern, besonders viele Gewerkschafter und Betriebsratsmitglieder.

Mitreisende aus verschiedensten Stop-TTIP-Gruppen

Auch bei der Übergabe der Unterschriften war viel Sachverstand versammelt. Rund 40 Unterstützer waren mit aktion ./. arbeitsunrecht e.V. nach Brüssel gefahren. Darunter viele sehr gut informierte Aktivisten, die sich in verschiedenen Gruppen und Bündnissen gegen das TTIP und in der Aufklärungsarbeit über die Freihandelsabkommen CETA und TISA engagieren. Auf Einladung war außerdem Sven Giegold, Mitglied des Europäischen Parlaments (Bündnis 90/ Die Grünen) und attac-Mitglied, zur Übergabe hinzu gestoßen.

Auf so viel Kompetenz in Sachen Arbeitsrechte und TTIP war Maria Åsenius, Kabinettschefin von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, nicht eingestellt. Die Dame, immerhin Nummer zwei im EU-Handelsministerium, spulte zunächst ihre für Brüsseler Polit-Touristen auswendig gelernten Phrasen herunter: „TTIP ist toll, es werde allen nutzen. Ängsten seien unsinnig.“ Dies alles betete sie, in schönster Ignoranz, auf Englisch daher.


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Gute Argumente? Fehlanzeige!

Auf Werner Rügemers Hinweis, dass die USA sechs der acht ILO-Kernnormen nicht ratifiziert hätten, konnte Frau Åsenius nicht ansatzweise wechseln. Die kritischen Fragen und die unverblümte Ablehnung des Freihandelsabkommens brachten die routinierte Dame dagegen so weit aus dem Konzept, dass sie sich zu einigen bemerkenswerten Äußerungen hinreißen ließ.

Angesprochen auf die Klage, des französischen Konzerns Veolia wegen der Erhöhung des Mindestlohns in Ägypten, entfuhr Frau Åsenius ein genervtes: „Natürlich können Investoren wegen allem klagen. Aber das heißt ja nicht, dass sie damit Erfolg haben.“

Dumm für eine Frau in ihrer Position, dabei nicht zu bedenken, dass der Steuerzahler auch im Fall einer nicht erfolgreichen Klage durchaus auf extrem hohen Anwaltskosten sitzen bleiben kann. Anders, als bei der bundesdeutschen Gerichtsbarkeit, ist es bei den privaten Schiedsgerichten Verhandlungssache, wer die Anwaltskosten trägt. So mussten z.B. die Bürger der Philippinen insgesamt 58 Millionen US$ aufwenden, um sich erfolgreich gegen zwei Klagen von Fraport zur Wehr zu setzen (siehe le monde diplomatique 13.06.2014). Gewinner sind die Kanzleien, die, unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens mit Stundensätzen von bis zu 1000,- $ pro Anwalt mit solchen Klagen ihren Reibach gesichert haben.

Zur eher lächerlich niedrigen wirtschaftlichen Belebung von lediglich 0,5%, die TTIP im Laufe von rund 10 Jahren bewirken soll, hatte Frau Åsenius kein schlagkräftigeres Argument zur Hand, als dass dies immer noch besser sei als Negativwachstum. Für den Geschmack der Mitreisenden ein deutliches Zeugnis davon, wie sehr dieses Wirtschaftssystem an seine Grenzen gekommen ist. (Vergl. Hans-Böckler-Stiftung und IMK, wo sogar nur ein Wachstum von 0,04% p.a. für die EU prognostiziert wird).

Da Frau Åsenius mit Begeisterung darüber referierte, das alle Beteiligten, Investoren, wie Arbeiter, mit TTIP nur „Benefits“, also Gewinne, zu erwarten hätten, kam die Frage auf, ob es bei so viel Plus nicht auch irgendwo ein Minus in der Rechnung geben müsse. Frau Asenius, offensichtlich Gefangene in einer neoliberalen Traumwelt ständig wachsender Profite, wischte das Argument mit dem euphorischen vorgertragenen Statement: „That’s the beauty of trade! It’s a win-win-situation!“ vom Tisch.

Nebenbei machte sie unverblümt klar, dass Europa im Verbund mit USA weltweite Standards setze müsse, bevor andere ihnen zuvor kommen würden.

So läuft es nicht!

Nachdem Frau Åsenius sich mit 70 Minuten überraschend viel Zeit genommen hatte, machte Sven Giegold in einer Art Schlusswort klar, dass TTIP bereits jetzt als gescheitert angesehen werden könne. Die Bürger Deutschlands würden einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit nie zustimmen und auch sonst sei die Argumentationsdecke reichlich dünn. Mit so wenig überzeugenden Argumenten, wie bei dieser Unterschriften-Übergabe hervorgebracht, würden gut informierte Kritiker und Zweifler niemals zu Freihandelsbefürwortern.

Auf dem blog Kritische Aachener Zeitung Kraz ist am 01.02.15 ein Artikel zur Unterschriften-Übergabe erschienen.

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