Frontberichte 02/2016

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Presseschau: Arbeitsunrecht, Betriebsrats-Bekämpfung, Schikanen, Kündigungen.

Feuer powertrain / Nordhausen: Fristlose Kündigung gegen Betriebsrats-Chef gescheitert + + Ameos / Aschersleben: Labormitarbeiter in Servicegesellschaft ausgliedern ++ Evangelisches Krankenhaus / Bielefeld: Massenprotest gegen absurden Dienstplan + + Rema Tip Top / Essen: Geschäftsführung versucht BR-Vorsitzenden zu kündigen +Enercon-GZO / Emden: 700 Leute kommen zu Arbeitsgerichtstermin

Feuer powertrain: Versuch der fristlose Kündigung gegen Betriebsrats-Chef scheitert vor Gericht | IG Metall Nordhausen berichtet Verrohung der Sitten

kurbelwelle_crankshaftDer Geschäftsführer der nordthüringer Firma Feuer Powertrain, Bernd Gulden, versuchte den BR-Chef seiner Firma mit fristloser Kündigung und Hausverbot loszuwerden, wie die Thüringer Allgemeine am 20. 1. 2016 berichtete. Der offenbar fadenscheinig konstruierte Vorwurf lautete auf „Geheimnisverrrat“. Das Ansinnen scheiterte jedoch vor dem Arbeitsgericht. Zuvor hatte der elfköpfige Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung verweigert.

Die IG Metall Nordhausen nahm den Fall zum Anlass für generelle Kritik am Unternehmerlager in der Region: von einigen Arbeitgebern würden die Mitbestimmungsrechte „ignoriert“; es würde versucht, Betriebsräte „aus den Unternehmen zu drängen“.

Zum Beispiel Manpower und Werzalit

Der 1. Bevollmächtigte Bernd Spitzbarth nannte gegenüber der Thüringer Allgemeinen den Leiharbeitskonzern Manpower bei Magna in Heiligenstadt: Wer sich nicht unterwerfe, habe dort mit Konsequenzen zu rechnen. Beim Holzverarbeiter Werzalit in Niederorschel sei dem BR-Vorsitzenden fristlos gekündigt worden. Er solle zudem mutwillig mit Strafverfahren überzogen worden sein, um seine Rückkehr zu erschweren.


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Bei Feuer Powertrain arbeiten über 600 Beschäftigte; das Unternehmen liefert Kurbelwellen für die Automobilindustrie. Der Hersteller eröffnete im Dezember 2015 ein Werk in den gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten der USA (TLZ, 29.12.2015) und folgt damit einem transatlantischen Trend der deutschen Wirtschaft. In Tunica, im US-Bundesstaat Mississippi produzieren derzeit rund 100 Beschäftigte vor allem für die US-Werke von Nissan in Columbus und Canton. Die Kapazitäten sollen laut Memphis Business Journal auf 300 Personen ausgebaut werden.

Ob die Beteuerungen des Powertrain-Geschäftsführers Oliver Wönnemann ehrlich gemeint sind, wonach es keine schleichende Verlegung der deutschen Produktion nach Übersee geben soll, ist fraglich. Die rabiate Gangart gegen den Nordhausener Betriebsratschef deutet eher darauf hin, dass man sich mental schon ganz auf die Südstaaten eingestellt hat.

Ameos: Labormitarbeiter sollen in Servicegesellschaft ausgegliedert werden

Der Schweizer Klinikbetreiber Ameos plant laut Mitteldeutscher Zeitung vom 18. 1. 2016 den Umbau seiner Krankenhäuser im Salzlandkreis, im Harz und im Bördekreis. Wie der für Sachsen-Anhalt zuständige Ameos-Generalbevollmächtigte Patrick Hilbrenner auf MZ-Anfrage bestätigte, sollen jetzt die Labormitarbeiter in eine eigens gegründete Servicegesellschaft ausgegliedert werden.

Die Gesellschaft solle zukünftig als Dienstleister für alle Ameos-Kliniken im Land arbeiten. Verdi-Sekretär Jens Berek kritisierte laut Presse, „dass die Labormitarbeiter ähnlich wie Beschäftigte anderer Bereiche neue Einzelarbeitsverträge abschließen sollen – und dann möglicherweise zu schlechteren Bedingungen wie weniger Urlaubstagen oder kürzeren Kündigungsfristen arbeiten müssen.“

Ev. Krankenhaus Bielefeld: Massenproteste gegen absurde Dienstpläne

Die Beschäftigten waren außer sich. Der Effizienz halber hatte der Personaldirektor des Evangelischen Krankenhaus Bielefeld (EvKB), Thomas Sopp, die zentrale Dienstpläne neuerdings von teils fachfremden Disponenten externer Abteilungen erstellen lassen. Das Ergebnis dieser offensichtlichen Schnapsidee war laut Bericht der Neuen Westfälischen vom 19.1.2016 verheerend:

  • Teilzeitkräfte wurden nicht berücksichtigt
  • Beschäftigte hatten 4 Wochenenden hintereinander Dienst
  • die Grenze von 12 Arbeitstagen am Stück wurde überschritten
  • Einarbeitungszeiten waren nicht einkalkuliert
  • Es gab Stationen, auf denen nur Berufsanfänger arbeiteten
  • Qualifikation und Berufserfahrung wurden nicht berücksichtigt
  • Engpässe in Versorgung
  • Patienten wurden abgewiesen

Weil die Mitarbeitervertretung (MAV) dem neuen Schildbürger-Dienstplan offenbar zugestimmt hatte, ohne zuvor die Beschäftigten zu konsultieren, richtete sich der Unmut auch gegen das gewählte Gremium. 660 Beschäftigte forderten den Rücktritt der MAV, der aber kein Gehör fand.

Das Evangelische Krankenhaus in Bielefeld gehört zu den größten in NRW. Es hat rund 1.500 stationäre Betten und mehr als 4.000 Mitarbeiter. EvKB-Geschäftsführer Rainer Norden will das Modell nach einer Projektphase flächendeckend einführen.

Uns würde brennend interessieren, welche Unternehmensberatung sich durch diesen Planungsschrott möglicherweise auf Kosten von Beschäftigten und Patienten bereichert hat.

Rema Tip Top: Geschäftsführung versucht BR-Vorsitzenden zu kündigen

Der Betriebsratsvorsitzende der Firma Rema Tip Top in Essen-Kupferdreh, Klaus S., trägt laut WAZ vom 19.1.2016 bei der IG Metall den Titel „Mister 100 Prozent“. Denn es gelang ihm, 2009 alle Arbeiter des Transportband-Herstellers gewerkschaftlich zu organisieren. 2014 schaltete die Geschäftsführung auf Krieg, auch weil Klaus S. die Gründung eines Gesamtbetriebsrats voran trieb. Seitdem geht das Unternehmen mit Methoden des Union Busting gegen den Betriebsrat und seinen Vorsitzenden vor:

  • Kündigungsversuch wegen angeblichem Arbeitszeitbetrug
  • Verweigerung von Schulungskosten der BR-Mitglieder
  • Lohnkürzung gegen BR-Mitglieder
  • Ausschluss aus dem BR wegen angeblicher Fälschung eines Sitzungsprotokolls
  • Hausverbot


Hintergrund des Konflikts sind vermutlich Tarifverhandlungen: Die Pläne des Managements würden Einschnitte für große Teile der 120 Mann starken Belegschaft in Essen bedeuten.

Leider verschweigt der Artikel von Janet Lindgens den Anwalt des Unternehmens ebenso wie die Namen von Personalverantwortlichen (für ergänzende Informationen sind wir dankbar, bitte Kommentarfurnktion nutzen). Die Journalistin scheint zudem die Brisanz der Thematik nicht voll begriffen zu haben. Ein glasklarer Fall von Union Busting klingt in ihrer Schreibe wie eine atmosphärische Störung zwischen BR-Chef und Geschäftsführung.

Enercon-GZO / Emden: 700 Leute kommen zu Arbeitsgerichtstermin | Geschäftsführer lässt gelbe Liste „Pro GZO“ ankarren

Schikanöse Versetzungen beim Windradhersteller Enercon und dessen Tochter Gusszentrum Ostfriesland (GZO): Kollegen, die einen Betriebsrat gründen wollten stehen seit einem Jahr an der frischen Luft und müssen pro Tag 2 Tonnen Stahl kleinschneiden, wie IG Metall und Presse übereinstimmend berichten. Eine Betriebsratswahl fand zwar statt, aber die Geschäftsleitung konnte einen gelben Betriebsrat installieren. Das Ergebnis: der jetzige Betriebsratsrat selbst mobilisiert gegen die gemobbten Kollegen.

Zum Termin vor dem Arbeitsgericht am 29. 1. 2016 ließ GZO rund 170 Beschäftigte mit Pro-GZO-Westen in eigens gemieteten Reisebussen ankarren. Geschäftsführer Simon Wobben verteilte laut Bildergalerie der Ostfriesenzeitung eigenhändig gelbe Warnwesten seiner Kunstrasen-Initiative „Pro GZO“.

Glücklicherweise stellte sich auch die örtliche IG Metall ziemlich auf die Hinterbeine. Angesichts von 700 Demonstranten blieb der gelbe Haufen in der Minderheit, konnte aber in der zweckentfrendeten Aula der Integrierten Gesamtschule Emden die meisten Plätze ergattern (Emder Zeitung, 28.1.2016).  Das Gericht unter Vorsitz von Arbeitsrichterin Christel Smid fällte keine Entscheidung, sondern vertagte sich.

Die GZO-Geschäftsführer Simon Wobben und Ralf Kelling wurden von Peter Wandscher und Christiane Wandscher (Wandscher & Partner, Oldenburg) vertreten.


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1 Kommentar

  1. Vor dem Arbeitsgericht Oberhausen kam es gestern zum Prozess, weil der FCB es völlig uncool fand, einen Betriebsrat in seinem Fanshop im Centro zu dulden. Das kennt man aus der Hoeneß’schen Wurstfabrik bereits . Der gefeuerte Fanshop- Filialleiter bekommt eine Abfindung.

    Am Donnerstag geht es dann weiter. Eine Kassiererin möchte nicht bei der Arbeit und speziell nicht in den Sozialräumen, also beim Umkleiden, gefilmt werden. Auch sollen ihre Daten nicht direkt nach München flutschen. Im ersten Termin bekam sie Recht und die Bayern heute in Turin keinen einen auf die Mütze.

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