Endlich vorbei?! Weltfrauentag + Equal Pay Day

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Vielen Dank für die Blumen. Aber was kommt am Tag danach?

Foto: Jennifer Lost Internationaler Frauentag, Köln 2019, Flickr, CC BY-NC-SA 2-0

Was meinen Sie? Ist der Internationale Frauentag am 8. März eine Erfolgsgeschichte? Wir freuen uns über Kommentare!

Der Internationale Frauentag legt einen merkwürdigen Siegeszug hin. Fast scheint es, als habe er sich zu Tode gesiegt. Seit 2018 ist der Internationale Feiertag in Berlin sogar ein gesetzlicher Feiertag.

Begonnen hat der Internationale Frauentag vor 100 Jahren als sozialistischer Kampftag zur Befreiung „der Frau“ — mit klarem Bekenntnis zur Gleichberechtigung der arbeitenden Bevölkerung. Deren am meisten ausgebeuteter Teil waren und sind wir Frauen. Unsere politischen Großmütter und Ur-Großmütter forderten auch: Abschaffung der Ausbeutung, Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Bis 1967 sei der Frauentag ein weitgehend kommunistischer Feiertag gewesen, schätzt die US-amerikanische Geschichtswissenschaftlerin Temma Kaplan.

100 Jahre, nachdem er zum ersten Mal gefeiert wurde, pauken öffentlich-rechtliche Medien, staatstragende Organe, der „progressive“ Teil der Human Ressources-Abteilungen den internationale Frauentag regelrecht durch. Der internationale Frauentag wird von Redaktionen vermarktet — analog zu Muttertag, Valentinstag und Halloween.

equal pay day Jessica Espinoza, MAN-Löwinnen
Wie schaft es die Game Changerin Jessica Espinoza bloß so gut auszusehen? Und so erfolgreich zu sein? (Quelle: Screenshot equalpayday.de / Ausschnitt)

Und am 10. März folgt direkt der Equal Pay Day. Getragen von Initiativen, die mehr Frauen als „Game Changer“ in Aufsichtsräten und auf Manager-Positionen fordern. Viel ist hier von Bezahlung, Erfolg und Aufstieg die Rede, wenig von Aufwertung derer, die ganz unten die systemrelevante Drecksarbeit machen (müssen). Keine Rede ist mehr von der großen Utopie der Arbeiter:innenbewegung, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufzuheben. Dabei ist ein Feiertag für Utopien geschaffen. Ein Tag des Innehaltens, der Einkehr, der Orientierung — würde der Bundespräsident wohl sagen.


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Ist die gesteigerte Aufmerksamkeit des Frauentags also gut oder schlecht?

Ich frage mich: Was nützt der Putzfrau bei der Bundeswehr eine McKinsey-Beraterin im Verteidigungsministerium? Was nützt der Altenpflegerin eine Frau als CEO beim Hedgefonds Waterland oder im Aufsichtsrat von Dussmann? (Beide gehören zu den größten Pflegeheimbetreibern.)

Du bist selbst Schuld. Hättest Du in der Schule mal besser aufgepasst!

Vielleicht schadet der Regaleinräumerin bei REWE diese angebliche „Chancengleichheit“ im mittleren und oberen REWE-Management sogar. Denn der Mythos Chancengleichheit bedeutet im Umkehrschluss auch: Du bist selbst Schuld an Deinem Elend. Hättest Du Dich in der Ausbildung mal besser angestrengt…! Auch Du kannst aufsteigen. Warum bist Du also unten?

Was meinen Sie?

Wir haben keine abschließende Meinung. Klar ist: Die aktion ./. arbeitsunrecht braucht mehr Frauen in ihren Reihen! Wir brauchen unter unseren Mitgliedern außerdem mehr aktive Frauen, die sich trauen Verantwortung zu übernehmen. Die einen Beitrag leisten. (Falls Sie eine solche Frau sein mögen, besuchen Sie diese Seite: https://arbeitsunrecht.de/mitglied)

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4 Kommentare

  1. Tja, wir kämpfen nicht. Der Internationale Frauentag ist eine zu leichte Beute für die Vereinnahmung durch Interessengruppen, denen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Wirtschaftskuchen nicht ferner liegen könnte. Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge, wie bald diskutiert wird, den Tag mit Muttertag zusammenzulegen. Neben Phrasen und Blümchen gibt es dann vielleicht auch noch Billigschokolade dazu.

    Beim Gender Pay-Gap gelingt es leider immer mehr die Diskussion in Richtung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu verschieben. Die Diskussion wird auf individuelle Situationen umgelenkt und kaum für die Einzelne nachprüfbar. Fatal, denn es geht hauptsächlich um den Zugang zur Wirtschaftsleistung. Für die 50% Frauen gibt es eben nur ein Drittel vom Kuchen. Dieser eigentliche Kern des Missstands wird zu meinem Entsetzen zunehmend erfolgreich vernebelt.

    In die Debatte „was ist Wirtschaftsleistung?“ gehen wir erst gar nicht hinein – wir erkennen noch nicht einmal, dass es notwendig ist, darüber zu reden, die Formel für das BIP zu modernisieren. Ein Konstrukt, welches das Frauenbild der Nachkriegsjahre zementiert – damals typische Frauenarbeit ist im Sinne des BIP praktisch wertlos. Zudem werden im BIP die wahren Kosten für Gesellschaft und Planeten schädigende Praxis nicht berücksichtigt.

    Ja, seltsam. Wir kämpfen nicht. Wir gehen selten aus der Deckung. Wie praktisch für alle anderen.

  2. Gegen die Vereinnahmung des Internationalen Frauentages
    Ganz im Sinne der bürgerlichen Berichterstattung, die den Internationalen Frauentag zu einem zweiten Muttertag degradiert, versucht Aldi mit dem 8. März ein Geschäft zu machen und Orchideen an den Mann zu bringen.
    Aber wir wollen diese Blumen genauso wenig wie den Corona-Applaus.
    Beschlossen wurde die Einführung des Internationalen Frauentages 1910 auf der 2. Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen mit diesem Text: „Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient.
    Die Forderung muss in ihrem Zusammenhang mit der ganzen Frauenfrage der sozialistischen Auffassung gemäß beleuchtet werden. Der Frauentag muss einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“
    Was unter „der ganzen Frauenfrage der sozialistischen Auffassung gemäß“ zu verstehen ist, erklärte Clara Zetkin unter anderem so: „Das Stimmrecht ohne ökonomische Freiheit ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wechsel, der keinen Kurs hat. Wenn die soziale Emanzipation von den politischen Rechten abhinge, würde in den Ländern mit allgemeinem Stimmrecht keine soziale Frage existieren. Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.“
    „Kurzum: Der 8. März ist eine sozialistische Erfindung …“ sagt Alice Schwarzer, die deshalb seine Abschaffung fordert.
    Genau!
    Deshalb kurzum: Kämpfen wir an keinem Tag im Jahr dafür von Kapitalistinnen ausgebeutet zu werden, statt von Kapitalisten. Nutzen wir die gesteigerte Aufmerksamkeit und tragen unsere Forderungen noch lauter auf die Straßen.
    Damit wir am 8. März unsere Erfolgsgeschichte erzählen können.

  3. Der Kritik an der Art und Weise, wie der Internationale Frauentag hierzulande z. T. begangen wird, kann ich nur zustimmen.
    Um so mehr ist zu hoffen, dass die Frauen in den systemrelevanten Branchen aufwachen und aufstehen.
    Dass Frauen in Management-Positionen irgend etwas anders machen als Männer, ist ein fataler Irrtum. Man schaue sich nur Merkel, AKK, von der Leyen usw. an.

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