Frontberichte 04/2021: Residenz/Orpea, Edeka, Innotec, FU Berlin

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Edeka Zentralem Hamburg: Viele Filialen werden als tarif- und mitbestimmungsfreie Zone privat geführt. Foto: NordNordWest, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de
  • Orpea/Residenz / Bremen/Europa: Union Busting auf internationaler Ebene
  • Edeka Baur / Konstanz: Edeka „liebt seine Lebensmittel“ und beutet seine Mitarbeiter aus!
  • Innotec / Duisburg: Union Busting und gelbe Betriebsräte
  • FU Berlin / Berlin: Systematisches Union Busting gegen Personalrat

Orpea/Residenz-Gruppe: Perfektioniertes Union Busting auf internationaler Ebene

Engagierte Mitarbeiter und Betriebsräte haben bei der zum international agierenden Orpea Konzern gehörenden Residenz Gruppe (Orpea Residenz Holding GmbH) einen schweren Stand. Gegen Mitarbeiterrechte und Mitbestimmung wird hier international und professionell vorgegangen. Zuletzt trifft es nun besonders den Betriebsrat und seine Vorsitzende der Senioren Wohnpark Weser GmbH.

Allein in Deutschland betreibt die Residenz Gruppe 134 Pflegeheime mit insgesamt 11.868 Betten und ist damit der viertgrößte Pflegeheimbetreiber Deutschlands. Für Mitbestimmung scheint bei starkem Expansionskurs und Druck auf maximale Profitsteigerung kein Platz zu sein.

Mit konstruierten Kündigungsgründen gegen den Betriebsrat

Die Geschäftsführung der Pflegeeinrichtung Senioren Wohnpark Weser in Arsten, unter der Leitung von Sebastian Hollatz, versucht die engagierte Betriebsratsvorsitzende vor Ort nun fristlos zu kündigen.

Die Kündigung der Bremer Betriebsratsvorsitzenden timte das Management so, dass das Kündigungsschreiben am Tag vor Weihnachten 2020 zugestellt wurde. Eine besonders typische Methode im Union Busting, welche auf Zermürbung und existentielle Bedrohung lohnabhängig Beschäftigter ausgelegt ist. Schreiben wie Abmahnungen und Kündigungen verschicken Geschäftsführungen absichtlich so, dass sie Zielpersonen vor Wochenenden, Feiertagen oder auch Urlaub und Geburtstagen erreichen. So wollen sie maximaler Schaden durch Zermürbung im privaten Umfeld anrichten und die Betroffen zum Aufgeben zwingen.


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Die konstruierten Kündigungsgründe sind in der Regel geradezu absurd und fallen vor Gericht regelmäßig in sich zusammen. So wohl auch in diesem Fall. Bei der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Bremen am 16.02.2021 stellte die Richterin Sarah Bogner dann auch sofort klar, dass sie keinen Aussicht auf Erfolg der Kündigung sehe und für die vorgebrachten angeblichen Verfehlungen der Betriebsratsvorsitzenden (Prozessbetrug, Unregelmäßigkeiten in der Zeiterfassung von Betriebsratssitzungen), kein dringender Tatverdacht bestehe. Sie zeigte sich daher sehr verwundert darüber, was Geschäftsführer Sebastian Hollatz mit dem Verfahren eigentlich bezwecke.

Eine durch den Betriebsrat vorgeschlagene Mediation lehnte die Geschäftsführung und ihr Anwalt Franz-Michael Koch kategorisch ab. Franz-Michael Koch ist bereits aus anderen Fällen, wie um die Novita Seniorenzentrum Siegen GmbH (Frontberichte 07/2019) und Pflegestern Seniorenservice gGmbH (Frontberichte 06/2020) als Union Busting-Anwalt bekannt. Der Betriebsrat wird durch Rechtsanwalt Michael Nacken vertreten. Nach der gescheiterten Güteverhandlung am 16.02.2021. hat das Gericht den Termin für die reguläre Arbeitsgerichtsverhandlung auf den 27.04.2021 festgesetzt.

Da die Geschäftsführung diese erste Schlappe vor Gericht nicht hinnehmen will, hat sie dem Betriebsrat einen Tag nach der Güteverhandlung schriftlich damit gedroht ab dem 01.04.2021 kein Gehalt mehr zu zahlen, hat ein Hausverbot ausgesprochen und ihm die Betriebsratsarbeit verboten. Mittlerweile kursieren in den verschiedenen Einrichtungen Unterschriftenlisten, mit denen dem Betriebsrat das Vertrauen der Belegschaft entzogen werden soll. Eine weitere perfide Methode um den Betriebsrat zu terrorisieren. 

Kerstin Bringmann von der Gewerkschaft Verdi bringt in einem Kommentar zum Verfahren die eigentlich dahinter stehende Strategie der Residenz Gruppe auf den Punkt: „Es geht dem Arbeitgeber offenbar darum, ein Zeichen zu setzen, um alle, die sich engagieren und für ihre Interessen eintreten, zum Schweigen zu bringen.“

Hintergrund des aktuellen Union Bustings dürfte die engagierte Arbeit des Betriebsrats sein. Dieser hatte Ende 2020 unter anderem eine geplante Prämie abgelehnt, weil sie Mitarbeiter:innen mit Krankheitstagen nicht voll ausgezahlt werden sollte. 

Auch Gesamtbetriebsrat im Fadenkreuz

Das Union Busting richtet sich jedoch nicht nur gegen den örtlichen Betriebsrat und seine Vorsitzende (die gleichzeitig Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats ist), sondern auch gegen den kompletten Gesamtbetriebsrat. Auch die drei weiteren Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats der Residenz-Gruppe für Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stehen ebenso im Visier der Geschäftsführung. Mittlerweile hat die Geschäftsführung auch ihnen fristlose Kündigungen mit ähnlich abstrus konstruierten Kündigungsgründen zustellen lassen. Auch hier sollen noch im März erste Güteverfahren stattfinden. 

Union Busting als Erfolgskonzept von Orpea

Union Busting scheint dabei ein wesentlicher Teil der Geschäftsstrategie von Orpea zu sein. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Fälle in den verschiedenen zum Konzern gehörenden Unternehmen in ganz Europa bekannt geworden. 

2018 ging das Management gegen Mitarbeiter der Orpea-Untergruppe Celenus SE im thüringischen Bad Langensalza vor, die für höhere Löhne gestreikt hatten. Celenus betreibt zahlreiche Reha-Kliniken. Die Geschäftsführung kündigte dabei zwei Gewerkschafterinnen fristlos, sperrte fünf Beschäftigte der Physiotherapie aus und entließ zudem weitere zwölf Reinigungskräfte.

2014 kam heraus, dass Orpea in Frankreich bezahlte Beobachter einsetzte, um Informationen über die Beschäftigten ans Management weiterzugeben. In Paris wurden zwei Mitarbeiterinnen entlassen, weil sie einen unzulässigen Dienstplan zurückgewiesen haben. Eine Orpea-Tochter in der Schweiz ist wegen schlechter Pflegequalität durch zu wenig Personal in den Schlagzeilen. 59 Prozent der Orpea-Beschäftigten in Polen haben lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag. In Spanien hält das Unternehmen gesetzliche Arbeitszeiten und Tarifverträge nicht ein. In Belgien weigerte sich das Management mit den Beschäftigten zu sprechen und ihre Mitbestimmungsrechte zu respektieren.

Die weltweit tätige Orpea Gruppe (Orpea S.A.) ist ein französisches Unternehmen. 2019 betrieb Orpea 854 Pflege- und Gesundheitseinrichtungen mit 86.757 Betten in 12 Ländern. In Deutschland gehört neben vielen weiteren Unternehmen die Residenz Gruppe (Orpea Residenz Holding GmbH) zu Orpea. Die Gruppe ist nochmals in zahlreiche einzelne GmbH’s unterteilt und aufgespalten. 

Hier finden Sie den Eintrag zum Vorgehen gegen aktive Betriebsratsräte bei Orpea/Residenz-Gruppe in unserem Union Busting-Wiki

Quellen:

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Edeka „liebt seine Lebensmittel“ und beutet seine Mitarbeiter aus!

„Wem es nicht passt, der kann ja gehen“, so wird Jürgen Norbert Baur von einer Mitarbeiterin der Frischemärkte BAUR e. K. kurz Edeka Baur zitiert. Dies zeigt wohl ganz gut nach welcher Philosophie der Frimenpatriarch in seinen elf Filialen regiert. Das nun ausgerechnet in einer seiner Filialen in Konstanz der erste Betriebsrat in einem privatisierten Edeka entsteht, dürfte ihm freilich gar nicht passen. So erleben die Beschäftigten seit dem Beginn der Vorbereitungen für die Betriebsratswahl Union Busting wie aus dem Lehrbuch. 

So kündigte die Geschäftsführung einen langjähriger Mitarbeiter, im Alter von Mitte 50, weil er mit KollegInnen über die Möglichkeit einer Betriebsratsgründung gesprochen habe. Jürgen Norbert Baur und Geschäftsführerin Sabine Seibel werfen ihm unter anderem „die rechtliche Beratung von Mitarbeitern“ vor. Mit dieser verhaltendsbedingten Kündigung kam Bauer jedoch vor Gericht nicht durch und konnte auch die Betriebsratsgründung nicht verhindern.

Beim Arbeitsgerichtsprozess vor dem Arbeitsgericht Radolfzell lehnte Richter Carsten Teschner die Kündigung des Mitarbeiters ab, da die Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Der Mitarbeiter habe tadellose Arbeitszeugnisse und bisher nicht einmal eine Abmahnung bekommen. 

Jürgen Norbert Baur bestätigte gegenüber dem Südkurier selbst, man habe dem Mitarbeiter nach den erfolglosen Versuchen einer Aussprache eine „größere Summe angeboten, von der der Mitarbeiter ein gutes Jahr leben kann“, wenn dieser das Unternehmen „freiwillig“ verlasse. Der Mitarbeiter lehnte ab. Zwischenzeitlich wählte die Belegschaft ihn in den Betriebsrat. Unmittelbar nach der Wahl bekam er eine erneute ordentlich und eine außerordentliche Kündigung.

Einflussnahme der Geschäftsführung auf Betriebsratswahl

Trotz „Empfehlungen“ durch die Geschäftsführung, „aus gesundheitlichen Gründen“ nicht zur Wahl des Wahlvorstandes zu gehen, folgten laut Gewerkschaft Ende 2020 zahlreiche MitarbeiterInnen der Einladung und wählten einstimmig die vorgeschlagenen drei Verkäuferinnen in den Wahlvorstand.

Bereits während der Aufstellung der Wahllisten kam es dann zum nächsten Skandal. Verdi wirft in diesem Zusammenhang Edeka Baur die plötzliche Beförderung von mehreren Mitarbeitern vor, um sie zu kaufen und dazu zu bringen auf einer Konzern nahen Liste von Führungskräften zu kandidieren. Im Zusammenhang mit erforderlichen sogenannten Stützunterschriften macht die Gewerkschaft hier zudem Formfehler geltend.

Weiter wirft die Gewerkschaft den Listenvertretern der Führungskräfte vor, dass die Geschäftsführung ihnen Wahlwerbung während der Arbeitszeit genehmigte, während es den Gewerkschaftsvertretern unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen untersagt war. Hinzu soll die direkte Beeinflussung von Mitarbeitern durch die Stellvertretenden Marktleiter gekommen sein. Auch über eine nicht statthafte Einmischung der Rechtsabteilung des Konzerns klagt Verdi. 

Die Gewerkschaft hat inzwischen Klage gegen das Wahlergebnis eingereicht. Da die Führungskräfte laut Verdi das Ergebnis der Wahl massiv zum Nachteil bestimmter WahlbewerberInnen beeinflusst haben.

Die Auszählung der Wahl ergab zwei Sitze für die Gewerschaftsliste und drei Sitze für die von den Führungskräften angeführte Liste. Auf der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats wurden nun die beiden MarktstellvertreterInnen zum Betriebsratsvorsitzenden und der Stellvertretung gewählt.

Private gegen Tarifverträge und Mitbestimmung

Seit langem setzt sich der Trend fort, dass immer mehr private Kaufleute die EDEKA-Läden im Einzelhandel führen und nicht mehr die Edeka Genossenschaft. Für die Beschäftigten bedeutet das meist eine Tarif- und Mitbestimmungsfreie Zone. Rund 20-30% weniger sollen Beschäftigte hier verdienen, im Gegensatz zu Filialen die zum Edeka Konzern gehören. Zudem sind sie ohne Betriebsrat oftmals auf Gedeih und Verderb den Inhabern ausgeliefert. 

Das Geschäftsmodell ist nach Angaben von Verdi geprägt von tariflosen Arbeitsbedingungen und der Tatsache, dass es faktisch keine Interessenvertretungen für die Beschäftigten durch Betriebsräte gibt. Hier droht den Beschäftigten selbst nach Jahrzehnten Vollzeitarbeit die Altersarmut. Hinzu kommen zahlreiche Teilzeitarbeitsverhältnisse in denen insbesondere viele Frauen arbeiten und nochmals stärker von Altersarmut betroffen sind.

Die Gewerkschaft Verdi spricht von einem kontinuierlichen Rückgang der Tarifbindung im Einzelhandel und fordert daher die Allgemeinverbindlichkeit der geltenden Tarifverträge des Handels.

Seit 1993 existiert die Frischemärkte BAUR e. K. in Konstanz und Umgebung. Die Unternehmensgruppe Edeka Baur beschäftigt rund 700 Mitarbeiter und zählt zu den größten Arbeitgebern in der Stadt und Region. Der Konzern betriebt elf Edeka Filialen.

Quellen:

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Innotec: Union Busting und gelbe Betriebsräte

Bereits im vergangenen Jahr mussten wir ausführlich über das gigantische Ausmaß des Union Bustings bei der Innotec Abfallmanagement GmbH berichten (Groß angelegte Kampagne gegen Betriebsratsstrukturen bei Innotec GmbH). An zahlreichen Standorten des seit 2008 zur Remondis SE gehörenden Konzerns, geht dieser mit allen erdenklichen Mitteln gegen Betriebsratsstrukturen und Gewerkschaften vor. Allein uns wurde von Beschäftigten von gezieltem Vorgehen gegen Betriebsratsmitglieder in Eschborn, Duisburg, Braunschweig und Hamburg berichtet. 

Duisburg: Betriebsratsauflösung durch Betriebsumstrukturierung

Am Standort Duisburg versucht Innotec seit längerem das engagierte Betriebsratsmitglied Stefan H. durch Abmahnungen und konstruierte Kündigungsgründe loszuwerden. Stefan H. ist gleichzeitig Vorsitzender des Gesamtbetriebsrat bei Innotec.

Nachdem Innotec trotz Unterstützung durch die Union Busting Kanzlei Aduiuro und ihren Anwalt Armin Rudolf vor verschiedenen Instanzen der Arbeitsgerichte mit ihren konstruierten Kündigungen scheiterte, haben sie nun scheinbar einen anderen Weg gefunden Stefan H. aus dem Betriebsrat zu bekommen. 

Bereits seit August 2020 verhandelt die Gewerkschaft Verdi über die Einführung eines Tarifvertrags für die Standorte von Innotec in NRW. Nach drei erfolglosen Verhandlungsrunden lehnte Innotec am 4. Februar 2021 nochmals die Einführung eines Tarifvertrags kategorisch ab. Innotec will damit eine Lohnerhöhung von aktuell 10,25 € auf die von Verdi geforderten 11,88 € verhindern. Verdi bereitet nun Streiks für die Durchsetzung ihrer Forderungen vor. 

Kurze Zeit später folgte dann die Ankündigung der Geschäftsführung die drei Standorte in NRW (in Duisburg, Leverkusen und Bochum) zu einem Betrieb mit Sitz in Bochum zusammen zu fassen. Damit würde der Betriebsrat in Duisburg sein Mandat verlieren, da dann der Betriebsrat in Bochum für alle drei Betriesteile zuständig ist. Besonders perfide daran ist, dass der Betriebsratsvorsitzende in Bochum gleichzeitig der örtliche Niederlassungsleiter ist. Das dieser sich ernsthaft für die Interessen der Beschäftigten einsetzt, darf wohl mehr als bezweifelt werden. 

Die Innotec Abfallmanagement GmbH gliedert sich in 12 Niederlassungen mit insgesamt rund 500 Mitarbeitern. Innotec arbeitet in der Regel für große Wohnungsbaugesellschaften und in Kooperation mit Gemeinden, Städten und Kommunen. Nach eigenen Angaben betreut Innotec 700.000 Haushalte in 120 deutschen Städten mit seinem Abfallmanagement.

Seit der Übernahme der Mehrheit der Gesellschafteranteile von Innotec durch die ebenfalls im Recycling-Geschäft tätige Remondis SE im Jahr 2008 hat sich der Kampf gegen die Mitbestimmungsgremien bei Innotec deutlich verschärft. Ganz vorne mit dabei ist natürlich die Innotec Geschäftsführung welche seit 2018 aus Leif LorenzMichael Karg und Thomas Spindler besteht. 

Quellen:

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Systematisches Union Busting gegen Personalrat der FU Berlin

Zwischen der Universitätsleitung der Freien Universität unter Kanzlerin Andrea Bör und dem Gesamtpersonalrat bzw. dem Personalrat Dahlem und Botanischer Garten knirscht es seit der letzten Personalratswahl im Dezember 2020 ganz gewaltig.

Die Mitglieder des Personalrats werfen der Universitätsleitung systematisches Vorgehen und Behinderung ihrer Personalratsarbeit vor. Besonders zugenommen habe dieses Verhalten, seit eine offene verdi-Liste die Personalratswahlen Dahlem im vergangenen Dezember 2020 für sich entscheiden konnte und damit den alten Personalrat von „Eure Liste“ ablöste. Auf „Eure Liste“ befanden sich zum größten Teil Führungskräfte und Angestellte in leitenden Funktionen, die wohl eher nach dem Geschmack der Universitätsleitung waren. 

Laut der Verdi-Betriebsgruppe der FU habe das gewerkschaftsfeindliche Handeln der FU Berlin System und richte sich gegen die grundsätzlichen Mitbestimmungsrechte der MitarbeiterInnen. 

Erst am 16.02.2021 hat das Berliner Oberverwaltungsgericht eine Klage der Universitätsleitung der FU gegen den Gesamtpersonalrat abgewiesen. Die Unileitung hatte gegen den Personalrat geklagt, weil der die Zustimmung zur krankheitsbedingten Kündigung eines Mitglieds verweigert hat. Im Juni 2020 war die Unileitung bereits vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Jetzt lehnte auch die nächste Instanz die Klage ab und lies auch keine Beschwerde gegen die Entscheidung zu. Ein herber Rückschlag für die Versuche der Universitätsleitung unliebsame Personalratsmitglieder loszuwerden. 

„Kleinkrieg“ gegen den neuen Personalrat

Die Mitglieder des neu gewählten Personalrats Dahlem berichten unterdessen von einem regelrechten Kleinkrieg gegen ihn und seine Arbeit. So begrüßte die Universitätsleitung den neu gewählten Personalrat mit einer Umquartierung in viel zu kleine Räumlichkeiten, um damit offensichtlich seine Arbeit zu behindern. 

In den neuen Räumlichkeiten stehen neben dem Sekretariat des Personalrats für die sechs freizustellenden Personalratsmitglieder sowie die Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gerade einmal vier Arbeitsplätze zur Verfügung und diese dazu noch in zwei Mini-Büros von ca. 9m² und einem Büro von 14m². Zudem sei nicht einmal ein funktionierender Drucker oder ein Netzwerkanschluss vorhanden gewesen.

Wie hier eine angemessene Personalratsarbeit, geschweige denn eine Beratung mit Angestellten der FU stattfinden soll, darauf weiß wohl nicht einmal die Universitätsleitung eine kluge Antwort. Auch nach Rücksprache, sei diese nicht gewillt gewesen an der Situation etwas zu ändern, so dass der Personalrat gezwungen ist, seine Rechte auf angemessene Räume und Ausstattung vor dem Verwaltungsgericht einzuklagen.

Parallel zu diesem Vorgehen kündigte die Universitätsleitung mehrere Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeitgestaltung (Gleitzeit und mobiles Arbeiten) ohne vorherige Rücksprache mit der neuen Personalvertretung zum 31.12.2020. Mittlerweile konnte der Gesamtpersonalrat erreichen, dass diese Vereinbarungen bis zum Abschluss neuer Dienstvereinbarungen weiter gelten. 

„Das Präsidium versucht im Moment, den Ausnahmezustand der Coronapandemie zu nutzen, um schnellstmöglich eine neue Dienstvereinbarung durchzuboxen. Das ist ein absolutes No-Go. Die Freie Universität sollte endlich den Kriegspfad verlassen“, so bewertet Jana Seppelt, zuständige Gewerkschaftssekretärin von Verdi die aktuelle Situation an der FU.

Personalrat des Botanischen Garten vor Auflösung?

Auch auf den Personalrat des Botanischen Gartens (Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum – ZE BGBM) scheint es die Universitätsleitung abgesehen zu haben. Hier versucht die Universitätsleitung im Zuge der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes dem zur FU gehörenden Botanischen Garten seine Dienststelleneigenschaft abzuerkennen lassen. Damit hätte der Botanische Garten keinen eigenen Personalrat mehr und könnte keine eigenen Dienstvereinbarungen mehr abschließen.

Die GewerkschafterInnen sehen darin eine Retourkutsche für einen erfolgreichen jahrelangen Arbeitskampf der Beschäftigten des Botanischen Gartens, der für viel Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Er führte 2018 zur Rückführung von 120 in ein privates Tochterunternehmen der FU ausgegliederten Beschäftigten.

Stimmt das Abgeordnetenhaus der Novelle zu, wäre der seit 1996 eigenständige und fakultätsunabhängige Botanische Garten künftig nur noch ein Fachbereich der FU. Dadurch  würde er auch seinen eigenen Haushalt verlieren. Ein Vorhaben, das bei den 230 Beschäftigten die Alarmglocken läuten lässt. Bereits in den Jahren zwischen 2004 und 2009 musste der Botanische Garten eine Budgetkürzung um eine Million Euro hinnehmen: Die Geschäftsführung strich Gärtnerstellen und ließ Flächen stilllegen.

In der Vergangenheit ging die Universitätsleitung bereits mehrfach aggressiv gegen den Personalrat des Botanischen Gartens vor. Im Jahr 2015 versuchte sie vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin die Auflösung des Personalrats zu erreichen. Sie warf dem Gremium vor, dass es unrechtmäßig zustande kam, so die damalige Behauptung. Ohne Erfolg! Im Jahr 2017 hatte Kanzlerin Andrea Bör dann im Abgeordnetenhaus gefordert, die Dienststelleneigenschaft durch Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses wieder abzuerkennen, damals erfolglos. Nun versucht sie es vier Jahre später erneut. 

Der Gesamtpersonalrat ist zuständig für die rund 4.500 Beschäftigten der 1948 gegründeten Universität. Mit mehr als 38.000 Studierenden ist die Freie Universität Berlin unter den 20 größten Universitäten Deutschlands und durch die „Exzellenzinitiative“ als Elite-Universität ausgezeichnet. 

Quellen:


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