Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.
-
Asta Uni Potsdam / Personalrat aufgelöst – 11 von 14 Angestellten gefeuert
-
Klinikum Lippe / Endlich Trennung vom Skandal-Geschäftsführer?
-
Hasso-Plattner-Institut / Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen wegen Union Busting ein
-
Pflegenotstand / 10 Pflegeheim-Angestellten in Winsen droht die Abschiebung
Anhören, downloaden und für unkommerzielle Zwecke frei weiter verbreiten!
Asta Uni Potsdam: Personalrat aufgelöst – 11 von 14 Angestellte gefeuert
Potsdam: Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Uni Potsdam versucht 11 von 14 Angestellten zu feuern. Darüber berichtet die Tageszeitung nd.1 Die Angestellten des AstA hatten im November 2023 einen Personalrat gegründet. Diesen Personalrat hat der Asta mittlerweile aufgelöst, weil die Asta-Mitarbeitenden angeblich nicht personalratsfähig seien. Das soll ein Schreiben der Rechtsaufsicht der Universität zeigen.2 Die als Personalvertretung gewählten Mitarbeitenden sind von der Kündigungswelle betroffen und sollen laut der Gruppe asta-retten mehrfach gekündigt worden sein, zuletzt fristlos am 15.10.24. Zu den Vorgängen an der Uni Potsdam hat der Zusammenschluss asta-retten hat eine Petition veröffentlicht.
Der Asta wird vom Studierendenparlament gewählt. Im Fall der Uni Potsdam betreibt der Asta auch das Kulturzentrum Kuze. Für Viele ein wichtiger Treffpunkt. Allen hier Angestellten kündigte der Asta und sprach ein Hausverbot aus. Einigen der lanjährig Beschäftigten und nun Gekündigten liegt das Kuze sehr am Herzen. Leo Radloff, der Vorsitzende des Arbeitgebers Asta dagegen, soll sich gegenüber der Märkischen Allgemeinen beklagt haben, das Kuze sei zu einem linken Freiraum geworden.
Laut AstA hatte es Bestrebungen gegeben, den Vorstand unter Leo Radloff und Stellvertreterin Zoe Caspary abzusetzen. Mit Bezug auf die angeblichen Äußerungen über das Kuze als linken Freiraum wundert das nicht. Vielleicht ist der Asta-Vorstand unter Radloff und Caspary einfach wirklich am falschen Platz?
Aus erster Hand informiert sein? Profis lesen Emails.Jetzt den kostenlosen Email-Newsletter der aktion ./. arbeitsunrecht ► bestellen
Der Zusammenschluss asta-retten erhebt noch weitere Vorwürfe, die eine Abwahl der Vorsitzenden auch aus unserer Sicht durchaus rechtfertigen würden: Der Personalrat der Asta-Mitarbeitenden sei zu Unrecht aufgelöst, das Kulturzentrum Kuze solle geschlossen und der Sozialfonds zur Unterstützung benachteiligter Studierender eingestampft werden. Der Asta und Teile des Studierendenparlaments dementieren diese Vorwürfe allerdings. Der Sozialfonds sollte nur neu strukturiert werden.
Studierendenschaft trägt Kosten für 11 Kündigungsverfahren
Bei uns entsteht dennoch der Eindruck, dass der Vorstand mit den Kündigungen lediglich seine Absetzung verhindern will. Wir haben deshalb eine entsprechende Anfrage an den AstA der Uni Potsdam geschickt. In der Antwort schreibt uns der Referent für Öffentlichkeitsarbeit des Asta, dass die Abwahl über ein konstruktives Misstrauensvotum von den Gekündigten auch in ihrer Funktion als Studierende angestoßen werden könnte. Für den AStA sei jedoch klar, dass dies nicht durch studentische Beiträge finanziert werden sollte.
Statt dessen werden nun die Kosten der Kündigungsverfahren und gegebenenfalls auch Lohnfortzahlungen und Abfindungen mit studentischen Beiträgen finanziert. Hier profitiert zunächst einmal die Rechtsanwältin des Asta Felicitas Kneip, die das Mandat für die Kündigungsverfahren hat. In einem der ersten Gütetermine soll sie eine Abfindungen in Höhe von 3 Monatsgehälterm + weitere Gehaltszahlung bis Ende Januar 2025 angeboten haben. Wie gesagt: alles auf Kosten der Studierendenschaft.
Kündigungsgründe hat der Asta bisher nicht genannt und spricht von Datenschutzgründen. Man sei aber sehr bemüht sich verantwortungsvoll und im Einklang mit geltendem Arbeitsrecht zu verhalten. Alle Kündigung seien, aus Sicht des Asta, rechtmäßig ergangen.
Uns erscheint das unwahrscheinlich. Wir nehmen eher an, dass hier der Totschlag-Paragraf 9 des Kündigungsschutzgesetztes gezogen werden soll. Darin heißt es sinngemäß, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei, wenn eine Partei behauptet, dass eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. Eine Behauptung, die Arbeitgeber jederzeit aufstellen können. Unabhängig davon, wie sehr sie selbst das Verhältnis zerrüttet haben.
Der AStA-Vorstand Leo Radloff ist zugleich auch Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe. Und er studiert Jura. Möglicherweise versucht sich hier auch lediglich ein Ego-Shooter mit besonders rücksichtslosem Vorgehen gegen teils langjährige Angestellte einen Ruf als Union Buster zu erarbeiten?
Wir senden jedenfalls solidarische Grüße an die Gekündigten und den solidarischen Teil des Studierendenparlaments.► zurück nach oben
Klinikum Lippe könnte sich endlich von Skandal-Geschäftsführer Hütte trennen
Kreis Lippe: Das Klinikum Lippe könnte sich am 5. Dezember 2024 endlich des Skandal-Geschäftsführer Johannes Hütte entledigen. Darüber berichtet Radio Lippe.3
Die Parteivorsitzenden Katrin Freiberger und Lars Brakhage von SPD und CDU empfehlen in einer Pressemitteilung die einvernehmliche Trennung von Klinik-Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte. Die Fraktionen der SPD und der CDU haben in der Gesellschafterversammlung des Klinikums die Mehrheit. Die Gesellschafterversammlung tagt am 5. Dezember 2024.
Man sorge sich um das Vertrauen der Angestellten und um das öffentliche Bild des Klinikums. Und das zu Recht: Das Klinikum machte durch extremen Personalmangel und die Musterklage einer Angestellten von sich Reden. Die Krankenschwester wollte auf Basis der Menge der eingereichten Überlastungsanzeigen für eine Mindestbesetzung der Palliativ-Station sorgen. Von der Klinikleitung sah sie sich nicht ausreichend unterstützt – und das, wohlgemerkt, auf einer Palliativ-Station.
Um das Klinikpersonal zu unterstützen hatte sich das Aktionsbündnis Klinikum Lippe gegründet. Klinikleiter Johannes Hütte ging bereits zwei mal gerichtlich gegen dessen Sprecher Walter Brinkmann vor. Unter anderem wegen eines Interviews in dieser Sendung. Dazu bediente sich Johannes Hütte der berüchtigten Medienkanzlei Schertz Bergmann, die zuletzt durch das Mandat für den Rammstein-Sänger unrühmliche Bekanntheit erlangte.
Missbrauch von Steuergeldern für SLAPP
Der Fall ist eine typisches Beispiel für SLAPP – also strategic lawsuit against public participation, bzw. strategisches Klagen. Anstatt Missstände zu beseitigen werden Personen, die über Missstände berichten und aufklären presserechtlich angegangen. Wie beim Union Busting haben diese Verfahren gar nicht zwingend das Ziel gewonnen zu werden – sondern sollen unserer Einschätzung nach vor allem Schaden bei Kritiker*innen anrichten. Denn anders als bei anderen Rechtsstreitigkeiten, ist es im Presserecht durchaus möglich auf Kosten sitzen zu bleiben. Und anwaltliche Beratung kann hier schnell einige tausend Euro kosten.
Die Gesellschafterversammlung des Klinikum könnte dem unseriösen Vorgehen des Geschäftsführers am 5.12.2024 ein Ende machen. Wir hoffen, dass die anhängige Klage wegen des Radio-Interviews von Walter Brinkmann in unserer Sendung dann auch umgehend zurück gezogen wird. Denn schließlich werden hier öffentliche Gelder verbraten um offensichtlich begründete Kritik zu unterdrücken. Unserer Meinung nach ein glatter Missbrauch.
Eine besondere Rolle spielt SPD Landrat Axel Lehmann, der aus unerfindlichen Gründen immer noch Johannes Hütte als Geschäftsführer des Klinikums unterstützt. Seine Motive sind völlig unklar. Welchen Vorteil soll es haben an einem Klinikchef festzuhalten, der nach Meinung Beschäftigter zu wenig gegen Personalnot tut, dem Image des Krankenhauses durch schlechte Presse und überflüssige Rechtsstreitigkeit schadet und Kritiker verklagt?
Der DGB Kreisverband Lippe dagegen begrüßt die angestrebte Trennung von Geschäftsführer Johannes Hütte ausdrücklich und hofft ebenfalls, dass die Klage gegen Walter Brinkmann zurückgezogen wird.► zurück nach oben
Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen wegen Union Busting am Hasso-Plattner-Institut ein
Potsdam: Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat die Ermittlungen zur Frage, ob am Hasso-Plattner-Institut HPI eine Betriebsratsgründung verhindert wurde, eingestellt. Darüber berichtet die Tageszeitung junge welt. 4
Im Herbst 2023 wollten Angestellte einen Betriebsrat gründen. Aber die Wahl zum Wahlvorstand misslang, weil kein Kandidat die nötige Mehrheit erhielt. Letztlich gab es keine Betriebsratsgründung. Statt dessen installierte die Geschäftsleitung einen sogenannten Instituts-Rat. Ein Phantasie-Produkt, hat keine rechtliche Durchsetzungskraft hat.
Das Recherche-Kollektive Correctiv und wir (Hasso Plattner-Institut: Union Busting druch Pseudo-Betriebsrat. Wann ermittelt die Staatsanwaltschaft, PM 4. März 2024) hatten darüber berichtet, dass das HPI gut 200.000,- Euro auf die Beratung durch die Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig verwendet hatte. Dazu kamen weitere 20.000,- Euro für eine Kommunikationsberatung. Diese soll laut Rechnungen den Auftrag gehabt haben Narrative und Botschaften zu entwickeln, die helfen einen Institutsrat zu institutionalisieren.
Täterschutz statt Haftstrafen
Die Beeinflussung von Betriebsratswahlen ist nach §119 BetrVG mit bis zu einem Jahr Gefängnis bewehrt. Allerdings können nur beteiligte Gewerkschaften oder der Betriebsrat selbst eine Anzeige stellen. Das geschah im vorliegenden Fall nicht. Denn die Gewerkschaft verdi hatte das Vorgehen bedauerlicherweise im Graubereich verortet anstatt offensiv vorzugehen.
Die Aktion gegen Arbeitsunrecht fordert schon lange, Behinderung von Betriebsratsarbeit zum Offizialdelikt zu erheben. Mit dieser Änderung, wie sie im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehen war, müssten Staatsanwaltschaften ermitteln, sobald sie Kenntnis von einem Fall erhalten würden. Und Jeder könnte eine Anzeige stellen.
Die alte Regelung läuft auf Täterschutz hinaus. Wie der vorliegende Fall zeigt, können Unternehmensleitungen mit großer Wahrscheinlichkeit von völliger Straffreiheit ausgehen. Insbesondere, wenn die Straftat erfolgreich begangen wird und es am Ende des Manövers keinen Betriebsrat gibt, der klagen könnte.► zurück nach oben
Pflegeheim für Demenzkranke droht wegen Abschiebungen Personalmangel
Winsen bei Hamburg: Einem Heim für Demezkranke in Niedersachsen droht Personalmangel. Dieses Mal liegt es ausnahmsweise nicht am Geiz der Betreiber. Den Notstand würden Behörden verantworten: 10 kolumbianischen Pflegekräften droht die Abschiebung. Darüber berichtet Die Zeit. 5
Auf 45 demenzkranke Bewohner kommen in dem Heim bei Hamburg 40 Pflegekräfte. Sie müssen rund um die Uhr Betreuung leisten, da Demenzkranke eben nicht nach Regeln funktionieren, Hin – und Weglauftendenzen haben und sich nicht an Tag-Nacht-Rythmen halten.
Das Betreiberehepaar Wohlmacher war durch einen Dolmetscher auf die Möglichkeit, Kolumbianer*innen anzustellen aufmerksam geworden. Weil es möglich war so das Team aufzustocken habe man auch weitere Demenzkranke aufgenommen. Die Kolumbianer*innen arbeiten mit einem einfachen Übersetzungsprogramm. Wöchentlich kommt eine Sprachlehrerin ins Heim.
Die Kolumbianer*innen stellten Asylanträge. Was sich als Fehler erweist. Acht von zehn Anträgen wurden mittlerweile abgelehnt. Dagegen kann noch gerichtlich vorgegangen werden. Auch wenn das kaum Aussicht auf Erfolg hat verschafft es rund 2 Jahre Zeit, bis die Fälle entschieden sind und während der nicht abgeschoben werden darf.
Spurwechsel-Problem beim Switchen vom Asylantrag zu Erwerbsmigration
Das eigentliche Problem: es gibt Asylanträge und Erwerbsmigration. Wer aber einen Asylantrag stellt, darf nicht in das Verfahren zur Erwerbsmigration wechseln, wenn er während des laufenden Verfahrens einen Arbeitsplatz gefunden hat.
Dabei ist es in Winsen so, dass die Angestellten laut Heimleiter ein Gehalt von 2.700 Euro brutto verdienen, in Vollzeit arbeiten, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen und Wohnungen gemietet haben. Sie liegen also niemandem auf der Tasche, beanspruchen keine Asylheimplätze, sondern tun genau das, was viele Politiker*innen als wichtig erklären: sie stützen das Sozialversicherungssystem
Einige Ausnahmen hat die Politik für den sogenannten Spurwechsel vom Asylverfahren in die Arbeitsmigration schon geschaffen, aber sie greifen bei den Kolumbianer*innen aus Winsen nicht.
Die Heimbetreiber sagen, dass die Behörde den Kolumbianer*innen vom Asylantrag hätte abraten müssen. Das Betreiberehepaar hat für einige der Kolumbianer*innen die Härtefallkomission des niedersächsischen Landtags angerufen. Wir halten Euch auf dem Laufenden, wie es in dieser Sache weiter geht.► zurück nach oben
Quellen
1 Christian Lelek: Die Kündigungswelle beim Asta der Universität Potsdam wird teuer, nd, 14.11.2024 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186719.studentenvertretung-die-kuendigungswelle-beim-asta-der-universitaet-potsdam-wird-teuer.html
2 Milena Wurmstädt: Zoff im Asta der Uni-Potsdam: Mitarbeiter fristlos gekündigt, Putschvorwürfe im Raum, Märkische Allgemeine, 18.10.2024 https://www.maz-online.de/lokales/potsdam/uni-potsdam-streit-im-asta-elf-mitarbeitende-fristlos-entlassen-O5X3FOMKSBER7MLTNYR6PGBAOU.html
3 Radio Lippe: Klinikum Lippe: CDU und SPD empfehlen Trennung von Geschäftsführer, 14.11.2024, https://www.radiolippe.de/nachrichten/lippe/detailansicht/klinikum-lippe-cdu-und-spd-empfehlen-trennung-von-geschaeftsfuehrer.html
4 Susanne Küttner: Strafantrag fehlt, junge welt 7.11.2024 https://www.jungewelt.de/artikel/487378.hasso-plattner-institut-strafantrag-fehlt.html
5 Simon Langemann: Warum dürfen sie nicht bleiben?, Die Zeit, 16.11.2024, https://www.zeit.de/arbeit/2024-11/abschiebung-pflegekraefte-kolumbien-pflegeheim-wilstedt/komplettansicht