Skandal-Klinikum Lippe: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Interview mit Kritiker Walter Brinkmann

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Miserables Arbeitsklima, Pflegenotstand, Überlastung, Schikanen, Schließung und Missmanagement…

Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte versucht Kritik an untragbaren Zuständen mit SLAPP-Methoden unterbinden. Dabei ist er offensichtlich selbst das Problem.

  • Elmar Wigand (arbeitsunrecht FM) interviewt Walter Brinkmann (Aktionsbündnis Klinikum Lippe).

  • Walter steht wegen dieses Interviews vor Gericht. Dr. Hütte fordert Unterlassung. Wir fordern seine Entlassung – und die Einstellung der juristischen Verfolgung!

[Hinweis: Die berüchtigte Berliner Abmahnkanzlei Schertz Bergmann macht das folgende Gespräch zum Gegenstand einer Unterlassungsklage. Die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. hat das Interview aus taktischen Erwägungen um sprachliche Kleinigkeiten gekürzt. Es wurde am 5. Juni 2024 in der Sendung arbeitsunrecht FM #10/2024 geführt. Wir haben es aufgrund von Unterlassungsaufforderungen zunächst aus dem Netz genommen, dann aber in der vorliegenden Form am 24.11.2024 im Magazin arbeitsunrecht FM #16/2024 erneut gesendet.]

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Elmar Wigand moderiert die Sendung arbeitsunrecht FM.
Elmar Wigand moderiert die Sendung arbeitsunrecht FM. Das Interview mit Walter Brinkmann wurde in der Sendung arbeitsunrecht FM #16/2024 ausgestraht.

Elmar Wigand: Ich spreche mit Walter Brinkmann. Walter ist langjähriger Gewerkschaftsaktivist und Funktionsträger bei Verdi. Er war Bezirksvorsitzender von Verdi in Herford-Minden-Lippe und ist heute Mitglied im Lippischen Verdi-Vorstand. Er war zwölf Jahre lang Betriebsratsmitglied bei der Telekom und engagiert sich jetzt als Rentner für Arbeitsrechte in der Region rund um Detmold und Lemgo.

Dort ist das Klinikum Lippe der größte gewerkschaftlich von Verdi organisierte Arbeitgeber der Region. Die Arbeitsbedingungen im Klinikum Lippe sind offenbar trotzdem ziemlich schlecht.

Pflegenotstand und ein marodes Gesundheitssystem so lauten die Probleme in ganz Deutschland. Das profitorientierte Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps.

Am Klinikum Lippe stehen jetzt konkrete Vorwürfe im Raum, dass Personalmangel und Überlastung sogar für Todesfälle mitverantwortlich sein könnten, so berichtete der WDR.

Das klingt schlimm, Walter. Was kannst du uns darüber erzählen?

Walter Brinkmann: Ja, ich kann das bestätigen. Also zum einen ist es so, dass eine ehemalige Krankenschwester, die als Leiharbeitnehmerinnen in dem Klinikum Detmold gearbeitet hat, Hinweise [gegeben hat], dass dort eine Patientin verstorben ist, die hätte nicht sterben müssen, wenn denn ausreichendes Personal vorhanden gewesen wäre.

Und es gibt einen weiteren Fall von einem 12-jährigen verstorbenen Mädchen. Auch da geht es um die Frage: War ausreichend Personal da und hat die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen Arzt und Pflegekräften vernünftig funktioniert? Was wahrscheinlich zu verneinen ist.

Jedenfalls haben diese Rahmenbedingungen offensichtlich etwas mit dem Tod dieses Mädchens zu tun. Darüber hinaus – wir sind ja immer mit ganz vielen Menschen aufgrund unserer verschiedensten Aktivitäten im Gespräch und wir kriegen auch ganz viel Anrufe oder Zuschriften – wird uns von Betroffenen immer wieder berichtet, dass die Verdachtsfälle da sind, dass Angehörige verstorben sind, eben wegen Personalmangel und damit auch teilweise einhergehender fehlerhafter oder unzureichender Behandlung und Pflege Betreuung in dem Klinikum selbst.

Das ist ja grauenhaft. Ist das besonders schlimm am Klinikum Lippe oder ist das jetzt einfach nur exemplarisch? Bzw. sind da einfach Leute, die jetzt genauer hingucken? Oder würdest du schon sagen, dass das [Klinikum Lippe] noch mal eine besondere Qualität hat?

Das sind jetzt natürlich Einschätzungen meinerseits. Wir wissen natürlich sehr wohl, dass grundsätzlich überall Fehler passieren, auch in Krankenhäusern. Ich denke, das weiß man.

Ungeachtet dessen glaube ich schon, dass das Klinikum Lippe deswegen schlecht dasteht, weil einfach der Klinikleiter, auf den wir ja gleich noch zu sprechen kommen, eine ganz komische Rolle spielt. Also komisch ist noch jetzt gelinde ausgedrückt…

Er entlässt Ärzte, er entlässt immer noch Krankenschwestern, es kündigen Ärzte, es kündigen Krankenschwestern und das vor dem Hintergrund absoluter Personalnot im Klinikum. Also er verschlimmbessert immer noch durch eigenes Handeln die gesamte Situation. Und das hat natürlich massive Auswirkungen auf die Beschäftigten und auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Also das ist in Teilen einfach ein hausgemachtes Problem, was maßgeblich mit der Person des Leiters, der Geschäftsführung des Klinikums zusammenhängt.

Nenne doch bitte mal den Namen. Wir nennen hier immer Ross und Reiter, wenn du nichts dagegen hast.

Ich habe ja sowieso schon eine Klage… Das ist Dr. Hütte – hier sehr bekannt. Seit Wochen und Monaten werden Forderungen laut, dass der seines Amtes enthoben werden soll. Aufgrund seiner unseriösen Tätigkeit und Arbeitsweise im Klinikum, der ja nicht nur Beschäftigte entlässt, sondern sein ganzes Verhalten – Entlassung und etliche Arbeitsaufhebungen mit namhaften Ärzten des Klinikums – prägt natürlich das ganze Arbeitsklima im Krankenhaus, so dass die Beschäftigten wirklich massiv Angst haben, sich überhaupt irgendwo zu äußern.

Selbst wenn sie sich auf Betriebsversammlungen äußern, werden sie anschließend zu Gesprächen, zu Einzelgesprächen gebeten und es wird also massiver Druck in jeglicher Hinsicht auf Ärzte, auf Ärztinnen, auf Beschäftigte ausgeübt.

Wie lange ist dieser Hütte schon da? Hat er eine Vorgeschichte? Habt ihr das mal recherchiert? Was was der vorher?

Ja, der hat eine Vorgeschichte. Der war vorher im Klinikum in Wesel, ebenfalls als Leiter der Geschäftsführung und von dort hat er auch schon keinen guten Ruf mitgebracht – nach unseren Recherchen, auch teilweise durch Presseveröffentlichungen, die wir aus dem Raum erhalten haben. Und ich denke, wenn die Verantwortlichen des Aufsichtsrates hier in Lippe und in der Politik sorgsam recherchiert hätten, dann hätte dieser Dr. Hütte als Geschäftsführer in Detmold nie eingestellt werden dürfen.

Ja, das ist bemerkenswert. Der Fisch stinkt vom Kopf her sagt man ja. Und es sind auch nicht nur die Arbeitsbedingungen…

Der Presse habe ich entnommen, dass auch mit dem Klinikneubau alles nicht so klappt. Da ist irgendwie richtig was im Argen.

Um das Thema Dr. Hütte abzuschließen: Wer protegiert den? Wie würdest du das analysieren? Was ist seine Machtbasis? Warum kann der nicht entlassen werden? Oder was hält den?

Das ist der Landrat, ein SPD-Landrat, der an ihm festhält. Ganz Lippe rätselt darüber, warum. Es gibt keine vernünftigen Erklärungen dafür. Wir hatten zwischenzeitlich als Aktionsbündnis einen Untersuchungsausschuss im Kreis Lippe gefordert, um die ganzen Machenschaften von Dr. Hütte mal untersuchen zu lassen. Es ist rechtlich möglich, auch in einem Kreistag einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Aber unser Antrag ist mehrheitlich im Kreistag abgelehnt worden.

Sag mir auch noch kurz den Namen des Landrats!

Dr. Lehmann.

Derzeit führt eine Palliativkrankenschwester vom Klinikum Lippe ein Musterprozess vor dem Arbeitsgericht. Worum geht es dabei genau?

Anlass der Klage waren ganz viele Überlastungsanzeigen, die sie auf der Palliativstation gestellt hat. Im Zeitraum der Jahre 2022 und 2023 sind von ihr mit weiteren Kolleg*innen insgesamt 47 Überlastungsanzeigen gestellt worden. Nur auf der Palliativstation! Wenn man bedenkt, dass die nur zehn Beschäftigte haben auf der Station, dann ist das schon ein relativ hoher oder ein ziemlich großer Überlastungsanzeigen-Anteil, der da eingegangen ist.

Und natürlich, wie in vielen anderen Kliniken, haben diese Überlastungsanzeigen nicht dazu geführt, dass die Klinikleitung sich damit auseinandergesetzt hat und Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet hat. Daraufhin ist der Betriebsrat aufgefordert worden, die Überlastungsanzeigen anzuerkennen. Das hat der Betriebsrat abgelehnt. Er sieht sie also als nicht begründet.

Somit hatte diese Kollegin keine andere Möglichkeit mehr, als jetzt den Weg zum Arbeitsgericht einzuschlagen. Und ich versuche mal darzustellen, was eigentlich die Klägerin, also die Palliativschwester, erreichen möchte:

Zum dass mal geklärt wird, wie sich Beschäftigte verhalten sollen, wenn sie eine Überlastungssituation erkennen. Hier ist ein Hintergrund – auch das ist Teil der Klage der Klagepunkte in den inhaltlichen Ausführungen –, dass die Palliativschwester gesagt hat, sie hätte mehrfach die ihr zustehenden Arbeitspausen gar nicht nehmen können wegen der Personalknappheit, sonst hätte sie die Patienten alleine lassen müssen.

Das hat dazu geführt, dass sie eben mehrfach keine Ruhepausen mehr genommen hat. Und das ist natürlich ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz.

Die Stationsleitung behauptet, dass es aus dem Jahre 2008 eine Vereinbarung mit dem damaligen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden gegeben hätte, die regelt wie sich die Beschäftigten in solchen Situationen verhalten sollen. Diese Vereinbarung kennt aber keiner. Diese Vereinbarung ist auch nicht auffindbar! Es geht darum, diesen Sachverhalt zu klären.

Ein weiterer Sachverhalt: Die Klägerin möchte, dass der Arbeitgeber sein Initiativrecht gegenüber dem Betriebsrat ausübt, um eine vorhandene Gefährdungsbeurteilung, die inhaltlich ziemlich schlecht ist, zu aktualisieren. Um daraus Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten abzuleiten. Der dritte Punkt ist, dass der Arbeitgeber den Klägerinnen zusichert, dass die Beschäftigten ihre Pausenzeit nehmen können, auch wenn kein ausreichendes Personal vorhanden ist.

Bemerkenswert an dem Fall ist, dass der Umweg über das Arbeitsgericht genommen wird. In Berlin hat Verdi relativ erfolgreich Beschäftigte an Krankenhäusern organisiert und für einen Tarifvertrag Entlastung gestreikt – also nicht wie früher üblich für Lohnerhöhungen, sondern einfach für mehr Personal.

Genau dieses Problem sollte über einen Tarifvertrag geregelt werden. Und das scheint auch zu funktionieren. Ich weiß das von der Charité oder dem Jüdischen Krankenhaus in Berlin. Ansonsten werden Betriebsvereinbarungen vom Betriebsrat abgeschlossen.

Bei euch in Lippe ist hier aber offenbar eine ziemliche Leerstelle… Kann denn ein Arbeitsgericht einen Arbeitgeber quasi verdonnern, mehr Personal einzustellen? Wie soll das gehen?

Ein Arbeitsgericht kann Arbeitgeber zwar nicht direkt dazu verdonnern, mehr Personal einzustellen. Deswegen geht es über diese juristischen Kniffe, die ich versucht habe vorzutragen, dass eben der Arbeitgeber verpflichtet wird, eine Gefährdungsbeurteilung zu machen. Diese ist nach dem Arbeitsschutzgesetz für alle Betriebe vorgeschrieben. Und wenn eine Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass durch die Arbeitssituation, Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastung eine Gefährdung für die Beschäftigten vorliegt, dann ist der Arbeitgeber gezwungen, Abhilfe zu schaffen zum Schutz der Beschäftigten.

Das ist zwar ein bisschen von hinten durchs Auge gezielt, sozusagen ein juristischer Versuch, letztendlich zu mehr Personal auf der Palliativstation zu kommen. Das gilt natürlich genauso gut für andere Stationen. Aber die Klägerin kann das nur für ihre Station einklagen.

Ziel ist also den Arbeitgeber unter Druck zu setzen, gemeinsam mit dem Betriebsrat eine eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und gegebenenfalls eine entsprechende Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Okay, und was ist mit dem Betriebsrat los? Das scheint ja jetzt dann doch irgendwie, sagen wir mal eine relative Leerstelle oder auch Schwachstelle zu sein… Was ist da los?

Wir unterstützen Betriebsräte, aber wir setzen immer dazu: „aktive“ Betriebsräte. Das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Und es gibt auch Betriebsräte, die dem Ansehen dieses demokratischen Ehrenamtes mitunter Schaden zufügen. Haben wir da auch so einen Fall?

Ja, das kann man so sagen. Ich war selbst zwölf Jahre lang Betriebsratsvorsitzender und ich glaube, ich habe meine Rolle als Betriebsratsvorsitzender gerade auch in Sachen Gesundheitsschutz sehr aktiv verfolgt und wahrgenommen. Insofern kenne ich die Möglichkeiten von Betriebsräten. Und diese Möglichkeiten nutzt der vorhandene Betriebsrat im Klinikum überhaupt nicht. Ich bin mir auch ziemlich sicher, er kennt die Möglichkeiten auch gar nicht!

Da kommt beides zusammen: Einerseits als Betriebsrat keinen Konflikt eingehen wollen mit der Geschäftsführung und andererseits mangelndes Wissen. Und sich das Wissen auch nicht mal zu holen. Man kann ja als Betriebsrat entsprechende Fachleute als Sachverständige hinzuziehen, wenn man bestimmte Problemstellungen erkennt. Aber auch das macht der Betriebsrat nicht.

Die Situation ist in der Tat so, dass der Betriebsrat kein großes Vertrauen bei den Beschäftigten hat. Das hat die Mitarbeiterbefragung vom letzten Jahr ergeben. Der Betriebsrat ist fast genauso schlecht angesehen wie die Geschäftsführung im Betrieb.

Der Vorteil eines Betriebsrats ist auf jeden Fall – egal, wie schlecht er ist –, er muss gewählt werden und man kann ihn abwählen. Oder man kann selber eine Liste aufstellen und zur Wahl antreten und dann gerade so einen untätigen oder managementfreundlichen Betriebsrat abwählen. Oder dem zumindest eine starke Liste an die Seite stellen.

Lass uns kurz jetzt noch über den dritten Aspekt dieser dieses ganzen Falls Klinikum Lippe reden. Du bist jetzt auch von der Medien(verhinderungs)Kanzlei Schertz Bergmann belangt worden. Zu allem Überfluss versucht also das Klinikum nicht, Kritik als Anregung, als notwendige Korrektur, als demokratisches Grundrecht zu sehen. Sondern Du wirst jetzt beharkt von der Kanzlei Schertz Bergmann.

Willkommen im Club! Das ist uns auch schon öfter passiert. Erzähl mal was dazu! Wie teuer wird das für dich? Kriegst du da Unterstützung?

Ich bin normal verdienenden Rentner und das ist für mich schon eine finanzielle Belastung. Ich habe eine Rechnung meines Anwaltes erhalten, die ich natürlich schon bezahlen musste. Knapp 2.700 €, die ich erstmal selber tragen muss. Denn erstens habe ich keine private Rechtsschutzversicherung, zweitens sah Verdi sich nicht in der Lage, meinen Rechtsschutzantrag positiv zu bescheiden. Mit der sehr formalen Argumentation, dass ich nicht als Gewerkschafter gehandelt und nicht im Auftrag der Gewerkschaft gehandelt hätte. Das ist auch richtig, weil ich natürlich immer meine Funktion als Sprecher des Aktionsbündnisses getrennt habe von meiner gewerkschaftlichen Funktion.

Ich habe mich immer als Sprecher des Aktionsbündnisses geäußert und nie als Gewerkschafter. Ich finde trotzdem – und da gibt es inzwischen auch viel Protest innerhalb von Verdi – natürlich hätte Verdi die Möglichkeit gehabt, mir den Rechtsschutz zuzugestehen. Aber leider ist auch bei uns in der Organisation aus meiner Sicht ein sehr zurückhaltendes und etwas unpolitisches Verständnis von Gewerkschaftsarbeit da.

Unsere Verdi-Region hat offensichtlich noch nicht erkannt, dass SLAPP, also Angriffe gegen kritische Personen, auch ein gewerkschaftliches Problem darstellt.

SLAPP-Angriffe laufen im Grunde nach demselben Muster wie Union Busting, also wie Angriffe gegen Betriebsratsmitglieder und Gewerkschafter im Betrieb. Da werden Sachen konstruiert oder Kleinigkeiten aufgebauscht usw. Und wenn sie merken, dass sie damit Erfolg haben, dann machen sie einfach weiter.

Du bist jetzt mit dem Fall nicht alleine, Du hast da Unterstützung und sogar Spenden von Frank Bsirske gekriegt, dem ehemaligen Verdi-Boss. Das ist ja auch gut. Aber der Punkt ist: Sie [unsere Gegner] merken, dass sie damit durchkommen. Sie schüchtern Leute ein, es setzt die Schere im Kopf ein.

Viele dieser Gewerkschaftssekretäre oder Betriebsratsmitglieder wirken in Interviews, als hätten sie einen Stock im Arsch, wenn die reden: Bloß nichts Falsches sagen. Da kommt dann kein Klartext mehr, weil ihnen die Angst im Nacken sitzt. Es ist daher total wichtig, gerade am Anfang dagegen zu halten.

Ich stimme Dir komplett zu. Ich habe vom legendären IG Metall-Gewerkschaftsführer Willi Bleicher die Aussage übernommen: „Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken!“ Das habe ich gelernt und das beherzige ich bis heute. Dieser Klinikleiter wird mich nicht kleinkriegen. Und es gibt wirklich gute Solidarität. Neben Frank Bsirske haben beispielsweise streikenden Kolleginnen und Kollegen im Rahmen einer Telekom-Streikversammlung in Bielefeld 654 € für mich gespendet. Also das ist ein großartiges Ergebnis. Die Telekom ist sozusagen mein gewerkschaftlicher Heimatbereich. Diese Spendenbereitschaft zeigt mir, dass mein Engagement nachhaltig wirkt.

Und hast Du die Kosten jetzt soweit drin oder ist da noch was offen?

Ich bin da wirklich sehr, sehr optimistisch, dass ich, wenn nicht sogar alles, aber einen Großteil der Kosten reinbekommen werde. Weil ich auch doch relativ bekannt bin und gut vernetzt bin.

Aber eins möchte ich noch sagen: Der Landrat könnte seinem leitenden Angestellten Dr. Hütte sagen: „Du Kerl, jetzt lass das mal sein mit dem Brinkmann. Also mit der Klage. Ich möchte das nicht, weil das nur politischen Unfrieden hier gibt.“ Dann wäre nämlich die ganze Sache vom Tisch.

Ja, genau. Man muss ja nicht klagen. Das ist ja kein Automatismus, sondern Absicht. Völlig richtig. Zu guter letzt: Was macht euer Aktionsbündnis? Erzähl mal was über eure Gruppe. Wie arbeitet ihr?

Wir sind eine wirklich sehr, sehr aktive Gruppe. Das hat uns keiner zugetraut, dass wir jetzt schon zwei Jahre durchhalten. Wir hatten uns gegründet, als bekannt wurde, dass in Lemgo die Unfallchirurgie und Orthopädie im Klinikum geschlossen werden sollten. Den Kampf und die Auseinandersetzung haben wir leider verloren.

Inzwischen arbeiten wir weiter und sind in die Vorbereitung für ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid. Nachdem sich immer weiter herausstellt – auch durch ein Gutachten von Roland Berger –, dass man den Klinikstandort Lemgo schrittweise letztendlich sozusagen auflösen möchte. Und was macht die Politik? Unternimmt nichts dagegen. Langsam kommt ein bisschen Widerstand, aber das wird nicht reichen, um politische Mehrheiten hinzukriegen, das zu verhindern.

Deswegen kämpfen jetzt für ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid, weil nur ein Bürgerentscheid diese Sache aufhalten kann. Wenn der Bürgerentscheid durchkommt, ist die Politik an die Beschlüsse, die die Bürger dann fassen, gebunden.

Und wie kann man bei euch mitmachen? Wie funktioniert das? Trefft ihr euch monatlich oder wie darf ich mir das vorstellen?

Wir haben mit 14-tägigen Treffen angefangen. Inzwischen treffen uns wöchentlich, was eine unheimliche Belastung ist, neben anderen Aktivitäten. Für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid muss so viel vorbereitet werden… Gespräche mit Anwälten, alles Mögliche. Bündnispartner zu finden, die das Bürgerbegehren in so einer riesigen Fläche wie Lippe unterstützen. Wir sind eine ganz große, ländlich strukturierte Flächenregion mit immerhin 360.000 Einwohnern.

Dort so ein Bürgerbegehren zu organisieren bedeutet sehr viel Kosten, Zeitaufwand und Engagement. Wir haben eine eigene Homepage, an die sich sich Leute richten können. Und wir sind gut vernetzt, weil natürlich auch Beschäftigte aus dem Klinikum bei uns mitarbeiten. Etwa die betroffene Krankenschwester. Von daher haben wir gute Informationen, was im Klinikum passiert. Und wir sind vernetzt mit Ärzten, mit dem Ärzteverband, mit dem Apothekerverband.

Walter, Vielen Dank! Ich drücke dir die Daumen. Super. Toll, was ihr da macht. Wir hören voneinander!

Ich danke euch auch und danke euch auch für eure unheimlich tolle und wichtige Arbeit, die ihr leistet!


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