ZAAR: Die Arbeitsunrechtsfabrik

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Volker Rieble und Kollegen zündeln an allen Ecken des Arbeitsrechts

Siegel der Ludwig Maximilians Universität München. Quelle: Wikicommons
Unter dem Siegel der Ludwig Maximilians Universität München werden einseitig Arbeiteberinteressen verfolgt . Quelle: Wikicommons

Wie die Uni München aggressive Arbeitsrechtler mit Tarnkappen-Professuren ausstattet. Für Werkverträge, gegen Kündungungsschutz & Streikrecht: Was vom arbeitgeberfinanzierten ZAAR alles propagiert wird.

Das klassische Arbeitsrecht in Deutschland entstand nach dem Ersten Weltkrieg und im Nachklang der Novemberrevolution 1918/19. Nach dem Faschismus wurde es in der Bundesrepublik Deutschland wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Seine wesentlichen Bestandteile sind:

  1. Das staatlich geschützte Recht auf freie Gewerkschaftsbildung und kollektive Tarifverträge, sodass also nicht jeder „Arbeitnehmer“ einzeln und schutzlos mit seinem „Arbeitgeber“ einen Arbeitsvertrag verhandeln bzw. einfach annehmen muss.
  2. Das staatlich geschützte Recht auf freie Wahl von Betriebsräten; falls der Unternehmer die Wahl und die Arbeit von Betriebsräten behindert, verhindert oder sonstwie stört, macht er sich strafbar.
  3. Kündigungsschutz, wonach die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nur mit bestimmten Begründungen, Fristen und Bedingungen möglich ist. Somit ist das klassische Arbeitsrecht im Kapitalismus ein Schutz- und Abwehrrecht der Lohnabhängigen gegenüber dem Unternehmer, der ohnehin der Stärkere ist (freie Verfügung über das private Eigentum an den Arbeitsmitteln, Direktionsrecht).

Dieses klassische Arbeitsrecht wurde zu Zeiten des „rheinischen Kapitalismus“ auch an einigen Universitäten in Deutschland vertreten. Mit dem Neoliberalismus wurde es nicht nur in der Unternehmenspraxis schrittweise zurückgedrängt, sondern auch in den Universitäten und führt dort heute nur noch eine Randexistenz. Die Unternehmerlobby hat diese Entwicklung gezielt vorangetrieben, die Regierungen und Universitätsleitungen fördern dies. Führend ist hier das Zentrum für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen (ZAAR) an der Universität München.

Finanziert von Metall- und Chemie-Konzernen

2003 gründeten der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg und der Bundesarbeitgeberverband Chemie die Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (StAR). Sie zahlten aus ihrem Arbeitskampf-Fonds 55 Millionen Euro als Stammkapital ein. Die bayerische Regierung anerkannte die Stiftung trotz der einseitigen Interessengebundenheit als gemeinnützig. Die Stiftung finanziert seit 2004 das ZAAR. Dieses Institut ist, obgleich privat finanziert, rechtlich und nach außen hin ein Institut der Universität München.


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Tarnkappen-Professuren an der Uni München

Die Universität ernannte Volker Rieble, Abbo Junker und Richard Giesen wurden von der Universität zu Professoren und Lehrstuhlinhabern, beurlaubte sie aber sofort. Seitdem werden sie wie das Institut mit 17 Mitarbeitern und zwei Dutzend Hilfskräften nicht wie „normale“ Professoren der Universität vom bayerischen Staat, sondern von der Stiftung bezahlt. Doch diese Professoren der Arbeitgeberverbände bezeichnen sich weiter als Professoren der Universität. In Wirklichkeit sind sie Privat-Professoren mit staatlicher Tarnkappe. Zum Forschungsdirektorium des ZAAR gehört noch der Arbeitsrechtler Professor Martin Franzen, der von der Universität bezahlt wird. Die Arbeitgeber nutzen so das wissenschaftliche Image der Universität.

Geschäftsführender Direktor des ZAAR ist Rieble. Er zündelt an allen Ecken des klassischen Arbeitsrechts. Insbesondere die Frankfurter Allgemeine Zeitung öffnet ihm regelmäßig ihre Spalten. Dort polemisiert er gegen „lügende“ und „pöbelnde“ Arbeitsrichter sowie gegen deren „Machtanmaßung“ (FAZ 20.11.2010, 2.4.2009, 2.8.2008). Er hält Mindestlöhne für „schizophren“ (FAZ 8.11.2008). Er beklagt die „Übermacht des Kollektivs“ durch die Gewerkschaften und Betriebsräte (FAZ 8.8.2009). Er polemisiert gegen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS): Die Razzien der „Arbeitspolizei“ seien verfassungswidrig (FAZ 10.7.2009). Unter der Überschrift „Mehr Spaß ohne Tarif“ bezeichnet er Tarifverträge als Krankheit, die man „schwer wieder loswird“ (FAZ 27.3.2010).

Deutsche Arbeitgeber im Würgegriff von Gewerkschaften und Gerichten?

Der ZAAR-Professor kommt regelmäßig zu dem Befund, dass Arbeitnehmer von den Arbeitsgerichten zu gut behandelt würden. So bezeichnete er die Berliner Kassiererin „Emmely“ als „notorische Lügnerin“, ihre „Rechtsverfolgungsstrategie“, die den Gang bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) beinhalte, beruhe „auf Lug und Trug“. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Verdachts- und Bagetellkündigung der streitbaren Kaisers-Kassierin als unverhältnismäßig zurückwies (Az. 2 AZR 541/09), polemisierte Rieble gegen das Urteil: Es führe zu Unsicherheit bei den Arbeitgebern, denn es gebe nun „keine absoluten Kündigungsgründe“ mehr. Die Entscheidung des BAG zur Tarifunfähigkeit der Christlichen Gewerkschaft CGZP hält er für rechtswidrig.

Das ungewöhnlich gut ausgestattete ZAAR betreibt eine eigene Schriftenreihe und einen eigenen Verlag. Zu seinen Veröffentlichungen gehört der Leitfaden „Rechtsschutz gegen Mindestlohn“. Das ZAAR gibt die „Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht“ heraus. Es veranstaltet Konferenzen und jährliche Kongresse, bei denen als Referenten Vertreter der „christlichen“ Gewerkschaften ebenso auftreten wie Vertreter der Deutschen Bank wie auch Vertreter der großen Arbeitsrechts-Kanzleien, so Gleiss Lutz und Noerr Stiefenhofer.

Konzepte gegen gleichen Lohn für gleiche Arbeit

Bei der Tagung „Freie Industriedienstleistungen als Alternative zur regulierten Zeitarbeit“ stellte das ZAAR 2011 ein neues Rechtskonstrukt vor. Damit soll das seit 2009 geltende Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Leiharbeiter (equal pay) unterlaufen werden. Teilnehmer der teuren und gutbesuchten Konferenz waren Manager u.a. von Bosch, BASF, BMW, Deutsche Bahn, Manpower, Randstad, Metro, Porsche, Siemens und die arbeitsrechtlichen Topkanzleien.
Tarnkappenprofessor Rieble ist nicht nur unkündbarer Staatsbeamter, sondern geht nach eigenen Worten zusätzlich einer „freiberuflichen Nebentätigkeit“ nach. Das gilt nicht nur für seine regelmäßigen Kolumnen in der FAZ. Er tritt auch häufig als Gutachter für Unternehmen und Anwälte auf, so für ALDI und für den bekannten Betriebsratsjäger Helmut Naujoks („Schwarzbuch Betriebsrat“). Die Arbeitgeber benannten Rieble als Schlichter im Fluglotsenstreik 2012. Er sieht sich laut Interviewaussagen offensichtlich als Teil einer Mitbestimmungs-Vermeidungsindustrie und fühlt sich getragen von einer „Riesenfluchtbewegung vor der drohenden paritätischen Mitbestimmung“.

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Der Artikel erschien ursprünglich in der Gewerkschaftsbeilage der Tageszeitung junge Welt vom 25. September 2013.

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