Arbeitsunrecht | Presseschau vom 10.-30. 09. 2013
Amazon/Deutschland: Logistik-Zentren wegen Protesten nach Ost-Europa verlagert? + + Apple/Hamburg: Betriebsratsarbeit kleinlich behindert + + Pohl-Boskamp /Hohenlockstedt: Unterschriften gegen Betriebsrat | Neuwahl durch Aufgabe eines BR-Mitglieds + + + Neupack/ Rotenburg|Wümme: Betriebsratsvorsitzender obsiegt + + Aldi-Süd: Azubis sadistisch gequält | ältere Mitarbeiter systematisch vom Hof gejagt + + +
#01
Wegen Widerstand in Deutschland? Amazon flieht nach Osten
Der Online-Versand Amazon hat einem österreichischen Pressebericht zufolge entschieden, 5 seiner 8 deutschen Logistik-Zentren nach Polen und Tschechien zu verlagern. Ursächlicher Grund für das Manöver sollen laut der polnischen Zeitung „Puls Biznesu“ Mitarbeiter-Proteste und gewerkschaftliche Organisierung in Deutschland sein.
Bye bye Lohnsklaverei…
Wem die vergangenen Skandale rund um Leiharbeit, Werkverträge und Tariflosigkeit bei amazon als Motivation nicht reichten: Die kaltschnäuzige Auslagerung könnte ein weiterer Grund sein, vor dem Fest der Liebe endlich das Amazon-Konto zu kündigen.
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Drohung mit Standortverlagerung nur psychologische Kriegsführung?
Zwei der polnischen Amazon-Zentren sollen bei Wroclaw entstehen, eines in Poznan und zwei weiter in Tschechien. Das werde allein in Polen 6.000 feste Arbeitsplätze bringen, so die Zeitung, hinzu kämen 9.000 saisonale Stellen in der Vorweihnachtszeit.
Das österreichische Blatt Der Standard berichtet, dass bereits jetzt 70% der Lieferungen, die aus Polen verschickt würden, nach Deutschland, Holland und Östereich ausgeliefert würden.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht solche Presseberichte allerdings als gezielt geschürte Panikmache, um deutsche Beschäftigte von gewerkschaftlicher Organisierung abzuhalten. In einer Pressemitteilung vom 1. Oktober bewertet ver.di die Eröffnung von Logistik-Zentren in Osteuropa als reguläre Expansion. So werde in Deutschland gleichzeitig der Standort Koblenz ausgebaut, in Brieselang bei Berlin entstehe derzeit ein neues Amazon-Logistikzentrum. Die Beschäftigten sollten sich nicht bange machen lassen und weiter für einen Tarifvertrag streiten, so der Tenor der Stellungnahme.
#02
Apple blockiert Betriebsratsarbeit in Hamburg
Wie peinlich langsam sich amerikanische Groß-Konzerne an den Gedanken der Mitarbeiter-Mitbestimmung gewöhnen, wird anhand der wertvollsten Marke der Welt, dem Computer-Designer apple deutlich. Der erst vor wenigen Wochen gewählte Betriebsrat der Hamburger Filiale am Jungfernstieg musste vor Gericht ziehen, um durchzusetzen, dass alle bis auf eines der 6 Betriebsratsmitglieder an einem Grundlagen-Seminar für Betriebsräte teilnehmen dürfen. Strittig ist nach wie vor, ob der fensterlose, 6 Quadratmeter große Raum, weiter als Betriebsratsbüro dienen muss und wie es um die Kameraüberwachung der Filiale bestellt ist. Am Hamburger Jungernstieg sind 160 Mitarbeiter für Apple tätig.
(siehe Berichte Hamburger Abendblatt und Die Welt)
#03
Unterschriften gegen Betriebsrat: Pohl-Boskamp will Neuwahlen erzwingen
Dem aggressiven Management des patriarchal geführten Arznei-Herstellers Pohl-Boskamp (wir berichteten bereits am 5. September und 14. Juli 2013) scheint es gelungen zu sein, einen Keil zwischen einen Teil der Belegschaft und den derzeitigen Betriebsrat zu treiben. 180 Mitarbeiter/innen, ein Drittel der Belegschaft, sollen dem Vernehmen nach ein Schreiben unterzeichnet haben, in dem sie sich vom derzeitigen Betriebsrat distanzieren, weil sie sich angeblich schlecht vertreten fühlen (siehe NDR-Bericht). Die Erfahrung, dass Teile der Belegschaft den eigenen Vertretern in den Rücken fallen, dürfte einigen Betriebsratsmitglieder schwer zu schaffen machen. Am 26.09.2013 ist ein Betriebsratsmitglied von seinem Amt zurück getreten. Da die Liste der Nachrücker leer ist, muss das BR-Gremium nun in einigen Monaten neu gewählt werden. Damit dürfte die Geschäftsführung von Pohl-Boskamp ihr Hauptziel erreicht haben. Erkennbares Ziel der Geschäftsfühurng war es vom Beginn der Konflikte an, den alten Betriebsrat aus dem Amt zu vertreiben und auf Neuwahlen hinzuarbeiten. Zumindest der Betriebsrats-Vorsitzende Tobias K. hat jedoch echtes Durchhaltevermögen: er wird auch bei den Neuwahlen wieder antreten. (Zum Hintergrund: Neues Deutschland 20. 09. 2013)
Unterschriften-Sammlungen von Vorgesetzten und Management-Bütteln gegen den Betriebsrat gehören zum Standard-Repertoire des Union Busting. Da die Unterschriften zumeist mit sanftem oder auch massivem Druck und entsprechenden Ängsten von den Unterzeichnern erzwungen werden, sind sie von einem demokratischen Standpunkt als wertlos zu betrachten. Es stellt sich zudem die Frage, ob die Anwendung dieses Mittel nicht einen Rechtsverstoß (§119.2 BetrVG) darstellt.
#04
Neupack: BR-Vorsitzender gewinnt vor Gericht
Die Kündigung des Neupack-Betriebsratsvorsitzenden Murat G. wurde vor dem Hamburger Arbeitsgericht abgewiesen. Das Neue Deutschland schrieb: „Die Neupack-Vertreter behaupteten, G. habe zu Beginn des Streiks am 1. und 6. November 2012 Arbeitswillige angerempelt. G. selbst wies diese Vorwürfe zurück. Zahlreiche Zeugen erklärten vor Gericht, dass die Streikleitung der Aufforderung der Polizei, eine Gasse für die Arbeitswilligen zu bilden, gefolgt sei.“ Wir berichteten bereits am 4. Februar 2013 und am 19. August 2013 ausführlich über den Streik beim Hersteller für Plastik-Schalen der Marken Milram, Humana und anderer.
#05
Aldi: Azubis sadistisch gequält | ältere Mitarbeiter systematisch vom Hof gejagt
Beim Discounter Aldi Süd zeigt man sich überrascht, dass sich Misshandlungsvorwürfe von Azubis, die im Magazin Der Spiegel publik gemacht wurden, als stichhaltig erwiesen. Die Azubis seien mit Frischhaltefolie an Pfosten gefesselt, ihre Gesichter mit Filzstift bemalt worden. Es sei damit gedroht worden, sie in die Kühlkammer zu sperren.
Nicht nur junge Arbeitnehmern geht es bei Aldi an den Kragen, der Focus deckte auf, wie ältere und teurere Mitarbieter systematich vom Aldi-Management aus dem Job gejagt würden. (Siehe auch: ver.di Mitteilung)
Zu #03 aus dem September 2013 bleibt anzumerken, dass man natürlich propagandaartig so vermuten und argumentieren kann, dass alle Antragsteller willenlose und erpresste Sklaven der Geschäftsführerin sind! Es ist allerdings wahrscheinlicher, das es in diesem Fall einen BR gibt, der sich durch schlechte Kommunikation und ein ebensolches Verhalten auszeichnet.
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