Arbeitsunrecht in der Presse

0
1713

Interview in AiBplus, Artikel in der Jungen Welt

Die Tageszeitung junge Welt brachte am 13. 05. 20123 einen langen Artikel von Elmar Wigand über betriebsrats- und arbeitnehmerfeindliche Machenschaften bei Burger King (Burger King macht Streß).

Das gewerkschaftsnahe Fachblatt Arbeitsrecht im Betrieb – Zeitschrift für Betriebsratsmitglieder druckte in seiner Ausgabe AiB plus Nr. 3/2013 ein Interview mit Werner Rügemer zum Thema „Union Busting in Deutchland“, das Sie mit freundlicher Genehmigung der Redaktion auf arbeitsunrecht.de lesen können (hier als pdf):

Aggressiv, subtil und professionell

Rechtsanwälte wie Helmut Naujoks, die für Unternehmen die Drecksarbeit übernehmen, um Betriebsräte loszuwerden, sind bekannt. Der Publizist Werner Rügemer nennt sie »Ramboanwälte«. Für gefährlicher, weil unbekannter und subtiler, hält er professionelle Dienstleister, die systematisch gegen Gewerkschaften und Betriebsräte vorgehen. Seine Studie, die er gemeinsam mit Elmar Wigand im Auftrag der Otto Brenner Stiftung erstellt hat, ist noch nicht öffentlich, einige Ergebnisse stellt Rügemer vorab in AiBplus vor.

portrait-werner-ruegemer
Der Kölner Publizist Werner Rügemer

AiBplus: Viele Betriebsräte können ungehindert ihre Rechte wahrnehmen. Wie kommen Sie zu dem Ergebnis, dass in Deutschland Gewerkschaften, Betriebsräte und Beschäftigte systematisch bekämpft werden?


No SLAPP! Stop Union Busting! Fachkonferenz für Demokratie & Meinungsfreiheit im Betrieb | 9. Nov. 2024 | Köln | ► Mehr erfahren Jetzt anmelden!


Werner Rügemer: Es ist richtig, dass die Unternehmensleitungen in vielen etablierten Unternehmen ihren Frieden mit Betriebsräten gemacht haben, etwa in der Pharma- oder Automobilindustrie. Betriebsräte können dort unbehelligt arbeiten. Wir beobachten allerdings, dass Unternehmensleitungen zunehmend versuchen, die Kräfteverhältnisse innerhalb des Betriebsrats zu verschieben.

Wie geht das?

Indem sie so genannte gelbe Gewerkschaften oder Listen initiieren. Wie die AUB (Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger) bei Siemens, die vom Unternehmen bezahlt wurde, um die IG Metall-Liste zu bekämpfen. Auch Aldi Nord hat die arbeitgeberfreundliche Betriebsräte-
Organisation über verdeckte Zahlungen unterstützt, um ver.di zu bekämpfen. Die Unternehmen haben ein Ziel: Betriebsräte zu kontrollieren. Ein weiteres Beispiel ist SAP.

Das letzte DAX-Unternehmen, in dem ein Betriebsrat gegründet wurde.

Die SAP-Chefs haben zuerst getobt, dann gedroht, das Unternehmen ins Ausland zu verlagern, und als die Wahl nicht mehr zu verhindern war, mit korruptiven Mitteln nachgeholfen, damit eine arbeitgeberfreundliche Mehrheit zu Stande kommt.
So funktioniert das: Erst versucht man einen Betriebsrat zu verhindern, und wenn das nicht gelingt, werden arbeitgeberfreundliche Kandidaten unterstützt, um über sie den Betriebsrat zu steuern.

Sie sagen, Anwälte wie Helmut Naujoks, die sich darauf spezialisiert haben, Betriebsräte aus dem Amt zu jagen, sind in der Minderheit …

Ja, die brüsten sich öffentlich als Gewerkschafts- und Betriebsratsfeinde und sind inzwischen bekannt. Für gefährlicher halten wir die Anwälte, die subtil vorgehen und sich nicht offen gewerkschaftsfeindlich positionieren. Dazu gehören Niederlassungen US-amerikanischer Anwaltskanzleien wie Allen & Overy oder Freshfields, die von so gut wie allen Konzernen bei Konflikten hinzugezogen werden. Aufgabe dieser Anwälte ist es, Streiks zu verhindern und höchstrichterliche Entscheidungen durchzusetzen.

Der Europäische Gerichtshof plädierte etwa dafür, die Streikverantwortlichen haftbar zu machen, wenn Fluglinien Passagieren einen Ausgleich für durch Streiks ausgefallene Flüge zu zahlen haben. Klingt verbraucherfreundlich, zwingt Gewerkschaften aber in die Knie. Das hat Methode. Wir sind überzeugt davon, dass der Niedergang der Gewerkschaften in den USA auch auf den Einsatz solcher Anwaltskanzleien und professioneller Union Buster zurückzuführen ist. Union Busting heißt ja wörtlich »Gewerkschaften plattmachen«.

 Welche Methoden und Dienstleister werden noch eingesetzt?

Wir haben festgestellt, dass systematisch Medienkanzleien und PR-Agenturen hinzugezogen werden. Sie versuchen Einfluss auf Medien zu nehmen, sie arbeiten mit Unterlassungserklärungen oder einstweiligen Verfügungen, um kritische Berichterstattung zu verhindern. Oder sie betreiben regelrechte Kampagnen und lassen ein Unternehmen, das gerade seine Betriebsräte kündigt, zum besten Arbeitgeber küren.

Was ist der Job von PR-Agenturen?

Sie werden angeheuert, um die Gründung von Betriebsräten zu verhindern oder Wahlversammlungen zu inszenieren. Sie initiieren Unterschriftenlisten unter dem Motto »Wir brauchen keinen Betriebsrat« und sorgen für Stimmung gegen Betriebsratskandidaten und Gewerkschaften. Da werden leitende Angestellte im Saal positioniert, Redebeiträge verabredet, Störmanöver inszeniert, sie stellen den Moderator und steuern gezielt, wer wann das Mikrofon in die Hand bekommt. Übrigens auch eine Methode aus den USA.

Deshalb reden Sie von Union Busting?

Ja, weil das systematische Vorgehen professioneller Dienstleister in den USA entwickelt wurde. Die Akteure sind nach unserer Auffassung aber nicht nur Unternehmensberatungen, Rechtsanwälte und PRAgenturen, sondern auch in der Wissenschaft zu finden. »Human Relations«-Lehrstühle an privaten Hochschulen entwickeln in engem Kontakt mit Personalvorständen von Konzernen hochkomplexe Tests für die Belegschaft, um etwa so genannte Minderleister, also Low Performer, oder High Performer zu identifizieren.
Auch manche Universitätsinstitute zählen wir zu Union Bustern.

Auch sie verhindern Betriebsräte?

Anders. Sie helfen mit bei der Bekämpfung von Gewerkschaften und Beschneidung von Arbeitnehmerrechten. Zum Beispiel das arbeitgeberfinanzierte Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), besetzt mit Professoren der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die in Sachen Lohndumping und dem Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten schulen. Einer der Professoren, Volker Rieble, war übrigens auch tätig für Wilhelm Schelsky, dem einstigen Chef der gelben AUB-Liste.

Wer Betriebsratsarbeit behindert oder die Gründung verhindert, macht sich strafbar. In solchen Fällen kann man Unternehmen doch anzeigen.

Kann man, stimmt. Ich kenne aber keinen einzigen Fall, in dem ein Unternehmen tatsächlich ernsthaft bestraft worden wäre. Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen einfach ein, weil angeblich kein öffentliches Interesse vorliege. Ich sehe auch eine Mitschuld der Justiz, dass Unternehmen so ungehindert und ungehemmt gegen Betriebsräte vorgehen können.

Klingt, als seien bedrohte Betriebsräte all dem hilflos ausgeliefert.

Nein, so sehen wir das nicht. Öffentlichkeit herstellen hilft ungemein. Wir stellen Unternehmen, die mit solchen Methoden arbeiten, auf unserer Website an den Pranger. Work Watch tut das auch. Ich denke aber, dass Gewerkschaften mehr darüber aufklären müssen, wie systematisch und mit welch einem Einsatz an Geld und Personal Unternehmen vorgehen, um die Ausübung demokratischer Rechte zu verhindern. In vielen tausend Mittelstandsbetrieben stecken Private Equity Fonds und Hedge Fonds mit drin, die Renditeerwartungen sind dort völlig andere als in einem Betrieb, der seit Generationen im Familienbesitz ist. Also wird auch mit härteren Bandagen gekämpft, um die draußen zu halten, die auf Arbeitnehmerrechte pochen. Betriebsräte könnten viel selbstbewusster vorgehen, wenn sie von ihren Gewerkschaften stärker unterstützt würden.

Ich empfehle, Strafanzeige zu stellen und an die Öffentlichkeit zu gehen.


Schön, dass Sie da sind!

Der Verein aktion ./. arbeitsunrecht e.V. stellt alle Inhalte kostenfrei und ohne Werbung zur Verfügung. Wir sind unabhängig von Stiftungen, Parteien, Gewerkschaften und staatlicher Förderung. Helfen Sie uns dabei, sorgenfrei über die Runden zu kommen!
Damit wir auch in Zukunft unbequeme Nachrichten verbreiten können: Bitte spenden Sie! !
Vorheriger ArtikelBurger King: Fressen oder gefressen werden
Nächster ArtikelADAC Geschäftsführer Wieczorek und seine Amtsführung