Union Busting-News #07/25: Berliner Theater, Tesla-Boykott, Ausbeutung von Saisonarbeitern, Kündigungen und mieser Unternehmertrick, Protest gegen Panzerbau

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

Berliner Theatern droht Umstrukturierung

Berlin: Die Berliner Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson, bis vor wenigen Tagen noch Staatssekretärin für Kultur, und der Regierende Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) arbeiten laut Berichten von Tagesspiegel und Radio 3 an Plänen zur Umstrukturierung der Berliner Theater. Im Gespräch ist die Überführung in öffentlichen Stiftungen.1 2 Auch Fusionen der verschiedenen Bühnen sind möglich. Betroffen sind die Volksbühne, das Gorki-Theater, das Deutsche Theater, das Theater an der Parkaue und das Konzerthaus.

Hintergrund sind drastische Kürzungen des Berliner Kulturetats von 135 Millionen Euro in 2025 und weiteren 150 Millionen in 2026. Für die Angestellten könnte die Überführung auf Stellenabbau und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinauslaufen. Beispielsweise könnten ganze Servicebereiche wie Personalverwaltung oder IT ausgegliedert werden.

In Berlin gibt es bereits eine Opernstiftung, die von Experten als teure zusätzliche Verwaltungsstruktur bewertet wird. Professor Thomas Schmidt, der in Frankfurt am Main zu Theater- und Orchestermanagement forscht, empfiehlt dringend, eine Stiftung, die für alle Theater zugleich zuständig ist, abzulehnen. Einzel-Stiftungen würden wesentlich mehr Flexibilität der einzelnen Häuser sichern. Einsparungen seien mit dem Modell der Trägerschaft durch eine öffentliche Stiftung dagegen nicht zu erwarten. ► zurück nach oben


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Abscheu und Tesla-Boykott

Europa: Die Tesla-Absatzzahlen gingen auch im April 2025 zurück. Die Tesla-Aktie hat seit Anfang 2025 an der NASDAQ rund 29 Prozent an Wert verloren. Darüber berichtet die Webseite Finanzen.net 3

Ganz praktisch heißt das auf den April 2025 bezogen: In Frankreich etwa wurden laut „FORTUNE“ 59 Prozent weniger Tesla zugelassen. In Zahlen: 863 Fahrzeuge. In den Niederlanden gingen die Absatzzahlen sogar um 74 Prozent, auf 382 Fahrzeuge, zurück. Der Absatz in der Schweiz halbierte sich im April. In Schweden waren es sogar 81 Prozent weniger Verkäufe. Und das, obwohl der gesamte schwedische Markt für E-Autos im April 2025 gewachsen ist. In Dänemark hat der Rückgang im April 2025 67 Prozent ausgemacht, in Portugal sanken die Tesla-Neuzulassungen in April um 33 Prozent.

Für uns zeigen diese Zahlen, dass auch einer der reichsten Männer der Welt nicht vor Einbußen geschützt ist, wenn er das Image seiner Firma ruiniert. Die Abscheu, die Tesla-Geschäftsführer Elon Musk durch seine politischen Statements und Gesten hervorruft, führt zu einem weltweiten Boykott seiner Produkte.

In Deutschland dürfte das schlechte Image bezüglich der Arbeitsbedingungen bei Tesla im brandenburgischen Grünheide sein übriges tun. Hier ist die Zahl der Arbeitsunfälle außergewöhnlich hoch. Aber nicht nur, dass sich Menschen hier mitunter schwer verletzen. Tesla zahlt arbeitsunfähigen Angestellten mitunter keinen Lohn und drängt sie laut übereinstimmenden Berichten Aufhebungsverträge zu unterschreiben. Das Ganze wird getoppt von einer managementhörigen Betriebsratsmehrheit, die noch nicht mal ansatzweise daran interessiert zu sein scheint, Verbesserungen schaffen zu wollen (siehe, Tesla Brandenburg verweigert Lohnfortzahlung / Gelber Betriebsrat stellt sich doof vom 17.04.2025)

Der gute Punkt daran ist: Gelbe Betriebsräte können abgesetzt und Neuwahlen erzwungen werden. Jede Belegschaft hat den Betriebsrat, den sie wählt. ► zurück nach oben

Spargel und kein Ende: Ausbeutung auf deutschen Feldern geht weiter

Deutschland: Die Initiative Faire Landarbeit legte im Frühjahr 2025 ihren Jahresbericht zu Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern in der Landwirtschaft vor. (Herunterladen hier:  https://igbau.de/Jahresbericht-2024-Saisonarbeit-in-der-Landwirtschaft-erschienen-Erneut-werden-wieder-viele-Missstaende-aufgedeckt.html). 2024 arbeiteten demnach rund 243.000 Saisonarbeiter auf deutschen Feldern.4 Die Initiative berichtet über

  • massive Ausbeutung von Saisonarbeiterinnen und -arbeitern

  • überteuerte und schlechte Unterkünfte

  • Mindestlohnunterschreitungen

  • eine extreme Ausdehnung des Arbeitstages

  • kriminelle Arbeitsvermittlungsstrukturen

  • sexualisierte Ausbeutung von Saisonarbeiterinnen, meist durch Vorarbeiter

Saisonarbeiter sind laut dem Bericht hauptsächlich Menschen aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern. Sie arbeiten hier im Rahmen kurzfristiger Beschäftigungen. Das heißt sozialversicherungsfrei und auf drei Monate begrenzt. Etwa 44% von ihnen sind Frauen.

Der Lohnraub geschieht, indem die Landwirte nicht alle Stunden abrechnen oder hohe Kosten für die Unterbringung berechnen. Gleichzeitig gibt es Arbeitstage von bis zu 12 Stunden. Wobei die Akkordarbeit, also die Abrechnung nach geleisteter Menge, für die Arbeiter*innen in der Regel nicht transparent nachmessbar ist.

Bäuerliche Gier treibt Mieten für Saisonarbeiter

Die Mieten für die Beschäftigten steigen jährlich, während die nicht renovierten Unterkünfte laut Bericht immer schäbiger werde. Zwischen 18 und 21 Euro haben die Unterkünfte 2024 pro Tag für Bett und Mahlzeit gekostet. Das sind 2-3 Euro mehr als im Vorjahr.

Die Grenze, die die Lohnabzüge dämpfen sollen, wird in Einzelfällen bis zu knapp 350 Euro überschritten. Dabei greifen Landwirte unter anderem auf den Trick zurück, die Unterkünfte in einer Art Immobiliengesellschaft auszulagern. Dann müssen die Mieten separat bezahlt werden und sind mitunter so hoch, dass der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird.

Existentiell wird es, wenn nicht gearbeitet werden kann und kein Lohn gezahlt wird, aber die Miete weiter gezahlt werden muss. Dann den Lohn vorzuenthalten ist nicht zulässig, scheint aber zu passieren. Gerade in 2024 hat heftiger Regen Feldarbeit oft unmöglich gemacht.

Die Unterkünfte sind oft in räudigem Zustand und werden dazu mit bis zu 14 Personen auch noch völlig überbelegt. Betriebsleiter sollen das laut Bericht gerne einmal mit Sprüchen wie „Die sind das von Zu Hause gewohnt“ kommentieren. Oft gibt es keine getrennten Unterkünfte für Männer und Frauen. Einfache Möglichkeiten sich als Frau durch Abschließen des eigenen Zimmers vor sexuellen Übergriffen zu schützen, fehlen oft.

Krankenversicherungsschutz immer noch unzureichend

In der Regel, so die Gewerkschaft IG BAU haben die Saisonarbeiter immer noch unzureichende Krankenversicherungen, die die Bauern zu günstigen Tarifen abschließen können. Diese Krankenversicherungen decken jedoch Vorerkrankungen wie beispielsweise Diabetes nicht ab. Immerhin: Die IG BAU bietet seit einigen Jahren eine spezielle Gewerkschaftsmitgliedschaft für Saisonarbeiter an.

Seit Anfang 2025 gibt es eine neue EU-Regelung, nach der Agrar-Subventionen an die Einhaltung gewisser Standards geknüpft sind. Eine wirklich tolle, für deutsche Verhältnisse geradezu originelle Idee. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Regel Einfluss auf die Arbeitsbedingungen haben wird. Denn wie sollen Verstöße ohne behördliche Kontrollen oder Anzeigen durch die Saisonarbeiter festgestellt werden? Zuständig für Kontrollen wären die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls sowie Gesundheitsämter und die Gewerbeaufsicht der Kommunen.

Der Bornheimer Spargelstreik in 2020 warf damals ein Schlaglicht auf den strukturellen Rassismus auf deutschen Feldern. Wortreiche Erklärungen die Verhältnisse verbessern zu wollen gab es viele. Der jetzige Befunde zeigt, dass das meiste heiße Luft war.

Verbesserungen sind nicht in Sicht. Denn neuer Minister für Agrar ist seit Mai 2025 der gelernte Metzger Alois Rainer von der CSU. Er verspricht Landwirten Planungssicherheit, Entlastungen und beste Bedingungen. Wie der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder will er sich dafür einsetzen, dass künftig in den Kindergärten wieder mehr Fleisch angeboten wird.[3] und lehnt eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch ab.

Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis der verschiedener Beratungsstellen und der IG BAU. Seit dem Jahr 2018 erscheint der Jahresbericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft regelmäßig. ► zurück nach oben

Kündigung per Einwurfeinschreiben reicht nicht

Deutschland: Das Bundesarbeitsgericht gab einer Gekündigten recht, die behauptete, ein Kündigungsschreiben nie erhalten zu haben. Das Unternehmen hatte die Kündigung per Einwurfeinschreiben geschickt. Ohne Nachweis, dass das Schreiben die Angestellte aber auch erreichte ist die Kündigung in diesem Fall ungültig. Darüber berichtet die Seite Haufe.5

Zwar konnte das Unternehmen den Auslieferungsbeleg der Post an die Adresse der Gekündigten vorlegen. Damit sei aber nicht der Beweis erbracht, dass die Gekündigte die Kündigung tatsächlich erhalten hat.

Wichtig für Angestellte: Mit Erhalt der Kündigung beginnt eine dreiwöchige Frist, innerhalb der Kündigungsschutzklage eingereicht werden sollte. Bei Kündigung wie auch Vorlage eines Aufhebungsvertrages gilt: nichts kommentieren, nichts unterschreiben, sofort Anwalt kontaktieren. Hier lohnt es ich wählerisch zu sein. Nehmt keine Kanzleien, die auch Unternehmen vertreten. (BAG, Urteil vom 30. Januar 2025, Az. 2 AZR 68/24, Vorinstanz Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2023, Az. 15 Sa 20/23 ) ► zurück nach oben

Unternehmen umgehen Abfindung

Deutschland: Die Seite Anwalt.de warnt vor einem Trick, mit dem Unternehmen versuchen, die Zahlung einer Abfindung zu umgehen.6 Dabei sprechen sich Unternehmer miteinander ab. Der Unternehmer, der die Abfindungzahlung umgehen will, sorgt dann dafür, dass ein befreundetes Unternehmen dem Gekündigten unmittelbar nach der Entlassung eine neue Stelle anbietet. 

Was wie für die Gekündigten wie ein Glücksfall wirkt, ist eine Falle und zielt darauf ab, dass keine Kündigungsschutzklage eingereicht wird. Sobald die 3-wöchige Frist zur Einreichung einer Kündigungsschutzklage verwirkt ist, kündigt der neue Arbeitgeber. Dadurch, dass die Frist zur Einreichnung der Kündigungsschutzklage verstrichen ist und der Gekündigte eine neue Stelle angetreten hat, kann keine Abfindung mehr verlangt werden. 

Kündigungsschutz bei der neuen Stelle besteht nach so kurzer Zeit und in der Regel während der Probezeit allerdings auch noch nicht. Am Ende des Manövers steht der Gekündigte ohne Abfindung und ohne neue Stelle da. 

Es wird geraten, grundsätzlich Kündigungsschutzklage einzureichen, neue Jobangebote sehr gründlich zu prüfen, und bei neuen Arbeitgebern einen Kündigungsschutz ab 1. Tag zu vereinbaren. Grundsätzlich ist es eine gute Idee neue Arbeitsverträge von einem Anwalt prüfen zu lassen. ► zurück nach oben 

ÖPNV statt Panzer 

Görlitz: Klimaaktivist*innen veranstalteten in Görlitz vom 30. April bis 3. Mai 2025 Aktionstage gegen die geplante Panzerfabrik in Görlitz. Das Motto war ÖPNV statt Panzer. Darüber berichtet die Webseite Untergrundblättle. 7

Die Aktivisten waren mit Ständen am Werkstor und in der Innenstadt vertreten, gingen aber auch bei der 1. Mai-Demo mit. Ziel der Aktion sei die zivile Produktion zu erhalten.

Die Rüstungsfirma KNDS hat das Görlitzer Alstom-Werk, in dem über Jahrzehnte Doppelstockbusse und Waggons gebaut wurden, übernommen. Das Alstom-Management hatte das Werk in eine finanzielle Schieflage manövriert. Jetzt will KDNS die Produktion auf Panzerbau umstellen. Den Angestellten wird es das glückliche Fügung verkauft. Den Aktivisten ging es vor allem darum direkten Kontakt mit den Beschäftigten aufzunehmen. Jörg Bergstedt, einer der Organisatoren, war auch schon bei der Kampagne „VW heisst Verkehrswende“ dabei. Dort hatten die Aktivisten über zwei Jahre dafür geworben, künftig Bahnen statt Autos zu bauen. Dabei hätten sie, laut Bergstedt, vergebens viel Zeit darauf verwendet, auch die IG Metall mit ins Boot zu holen. Diesen Fehler wollte man in Görlitz deshalb nicht wiederholen und sich lieber direkt an die Angestellten wenden. 

Das ist auch richtig so. Denn IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze bewertete den Einstieg von KNDS laut Süddeutscher Zeitung ausschließlich positiv.8 Laut ihm gäbe es zwar Beschäftigte, die lieber Schienenfahrzeuge bauen würden als Panzer-Teile. Aber angesichts des Mangels an Alternativen in der Region würden Viele lieber Panzer bauen, als Arbeitslosengeld zu beantragen. Im §2 3. der IG Metall Satzung steht unter Aufgaben und Ziele der Gewerkschaft allerdings:

Demokratisierung der Wirtschaft unter Fernhaltung von neofaschistischen, militaristischen und reaktionären Elementen


Quellen

1 Tagesspiegel: Zeit knapper Kassen: Gewerkschaft warnt vor neuen Betreibermodellen für Theater, 4.4.2025, https://www.tagesspiegel.de/berlin/zeit-knapper-kassen-gewerkschaft-warnt-vor-neuen-betreibermodellen-fur-theater-13489633.html

2 Radio 3: Öffentliche Stiftung als neues Modell für die Berliner Bühnen?, 4.4.2025
https://www.radiodrei.de/programm/schema/sendungen/radio3_am_nachmittag/archiv/20250404_1600/radio3_aktuell_1610.html#top

3 Finanz.net: Tesla-Aktie im Fokus: Absatz von Tesla in Europa bricht im April weiter massiv ein, 5.5.2025 https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/absatzkrise-tesla-aktie-im-fokus-absatz-von-tesla-in-europa-bricht-im-april-weiter-massiv-ein-14447920

4 Yelizaveta Landenberger: Er sagte: ‚Nirgendwo war es so schlimm wie in Deutschland‘´, taz 23.4.2025, https://taz.de/Sozialwissenschaftlerin-zur-Spargelernte/!6079784/ archive ohne Bezahlschranke https://archive.vn/H9sRR

6 Alexander Bredereck. Verdeckte Taktik bei Kündigungen: Wie Arbeitgeber mit „Jobangeboten“ Abfindungen umgehen, Anwalt.de, 2.5.2025 https://www.anwalt.de/rechtstipps/verdeckte-taktik-bei-kuendigungen-wie-arbeitgeber-mit-jobangeboten-abfindungen-umgehen-244054.html

7 Peter Nowak: Nur die Arbeiter*innen können die Aufrüstung stoppen – auch in Deutschland, Untergrundblättle, 5.5.2025 https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/goerlitz-protest-gegen-die-militarisierung-009029.html

8 Jessica Reisner: Rüstung: Panzer statt Waggons, Straßenbahnen und PKW in Görlitz und Offenburg, arbeitsunrecht 20.03.2025, https://arbeitsunrecht.de/union-busting-news-04-25-kaufland-uesa-panzerbau-soko-betriebsrat-heidelberger-druck/#anker04


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