Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.
-
Kaufland / Revival der Werkverträge
-
Uesa / Chance: Gelber Betriebsrat tritt zurück
-
Heidelberger Druck / Verlosung von Präsentismusprämien für Gesunde
-
Görlitz und Osnabrück / Panzer statt Waggons und PKW – IG Metall ist dabei
-
Brandenburg / Justizminister Grimm schafft SoKo Betriebsrat
Anhören, downloaden und für unkommerzielle Zwecke frei weiter verbreiten!
Kaufland: Revival der Werkverträge
Donnersdorf (zwischen Schweinfurt und Bamberg): Das Kaufland-Management plant in einem Logistikzentrum in Donnersdorf 350 der etwa 500 Tarifbeschäftigten zu kündigen und durch Werkvertragsarbeiter*innen zu ersetzen. Ganze Bereiche in der Kommissionierung sollen an Sub-Unternehmen abgegeben werden. Dieses Vorhaben soll bereits Mitte 2025 umgesetzt sein. Darüber berichten Süddeutsche Zeitung und Bayerischer Rundfunk.1 2
Das Management informierte Betriebsrat und Angestellte bereits über die anstehenden Kündigungen. Laut verdi wird der Gehaltsunterschied zwischen den tarifgebundenen Angestellten und den Werkvertragsarbeiter*innen fast 700,- Euro betragen. Zusätzlich fallen Zuschläge, Sonderzahlungen und Urlaubsgeld weg.
Von Donnersdorf aus wird Aktionsware in alle 770 deutschen Kaufland-Filialen geliefert. Kaufland gibt an, bei Aktionsware wegen konkurrierender Billig-Anbieter unter Druck zu stehen. In der Vergangenheit soll in Prospekten beworbene Ware wegen Personalausfällen im Lager nicht rechtzeitig in den Läden angekommen sein. Werksfirmen, so Kaufland gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, könnten agiler und flexibler arbeiten.
Aus erster Hand informiert sein? Profis lesen Emails.Jetzt den kostenlosen Email-Newsletter der aktion ./. arbeitsunrecht ► bestellen
Personalausfälle, die nicht kompensiert werden können, heißt eigentlich nur, dass Angestellte fehlen. Kündigungen also trotz Personalmangel? Kaufland soll ein Programm gehabt haben, um Quereinsteiger für die Kommissionierung zu schulen. Das habe aber nicht ausreichend geholfen.
Werkvertragsarbeiter*innen dürften seltener wagen sich krank zu melden. Auch eine gewerkschaftliche Organisierung ist hier schwieriger.
Kaufland gehört, wie Lidl, zur Schwarz-Gruppe. Für die Schwarz-Gruppe arbeiten laut wikipedia über eine halbe Million Menschen. Der Umsatz liegt bei 167,1 Milliarden Euro. Der Unternehmensgründer Dieter Schwarz gehört zu den reichsten Menschen Deutschlands. ► zurück nach oben
Uesa GmbH: Gelber Betriebsrat macht Weg für Neuwahlen frei
Uebigau-Wahrenbrück (Brandenburg): Am 3. Februar 2025 erklärte der Betriebsrat der Uebigauer Elektro und Schalt Anlagen, kurz Uesa GmbH seinen einstimmigen Rücktritt und begründet dies in einem Aushang an die Belegschaft mit dem Verhalten eines einzelnen Mitgliedes. Es liegt nah anzunehmen, dass damit das Betriebsratsmitglied Renè gemeint ist, gegen das die Geschäftsleitung schon länger zu Felde zieht. Denn René wehrte sich im Sommer 2024 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin erfolgreich gegen Abmahnungen und nicht gezahlten Lohn. Wir berichteten damals: Elektrobau Uesa / Betriebsratsmitglied wehrt sich erfolgreich gegen Lohnkürzung
Nach der nötigen Wiederholung der Betriebsratswahl 2022 soll das Management mehrere Mitglieder der IG-Metall-Liste strafversetzt oder aus der Firma gedrängt haben. Und auch René wird weiter übel angegangen.
Rechtsanwalt Dierk Leister von der Kanzlei Wöhlermann, Lorenz & Partner, der auch schon 2024 in das Vorgehen gegen das Betriebsratsmitglied involviert war, schickte René im Februar 2025 eine Unterlassungsaufforderung. Hier soll René unterschreiben, dass er sich – vereinfacht ausgedrückt – nicht mehr kritisch zum Vorgehen der Geschäftsführung unter Michael und Helmut Hoffmann, sowie Jörg Nagel gegen ihn äußern wird.
Bei der Uesa GmbH ist davon auszugehen, dass eine gelbe, managementhörige Betriebsratsmehrheit mit der Geschäftsführung zusammenarbeitet. In der Firma wurden Zettel, die der Reaktion vorliegen, ausgelegt, auf denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen vorgefertigten Text unterschreiben sollten, dass man Rene nicht mehr im Betriebsrat haben wolle. Angeblich würde er nicht die Interessen der Angestellten vertreten.
Als Begründung dafür werden unter anderem Zeiten der Arbeitsunfähigkeit benannt. Harter Stoff, bei dem Kolleginnen und Kollegen die Haare zu Berge stehen müssen. Und so war es auch: Rund 400 der 600 Uesa Kolleg*innen hatten so viel Anstand, sich nicht an dieser Kampagne zu beteiligen.
Der gelbe Betriebsrat zwingt nun die rund 600 Angestellten bei Uesa durch seinen Rücktritt zu einer Betriebsratsneuwahl. Das reinste Geschenk, wenn man bedenkt, wie viele Belegschaften gerne den gelben, managementnahen Betriebsrat in ihrer Firma loswürden. Bei Uesa könnten es sich die Kolleginnen und Kollegen nun ganz leicht machen, endlich wieder Interessensvertreter statt Zuarbeiter des Managements wählen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich angesichts des offensichtlich ziemlich verotteten Klimas bei Uesa überhaupt wählenswerte Personen zur Wahl stellen und sich diese dann auch durchsetzen können. ► zurück nach oben
Präsentismus: Heidelberger Druck verlost Prämie für Gesunde
Wiesloch-Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis): Der Maschinenbauer Heidelberger Druck verloste unter 1100 Angestellten eine Prämie von 3×800 Euro. Und zwar ausschließlich unter den Mitarbeiter*innen, die in 2024 nicht krank geschrieben waren. Insgesamt arbeiten 4000 Angestellte am Standort. Darüber berichtet der Südwestdeutsche Rundfunk.3
Ideengeber soll Vorstandschef Jürgen Otto gewesen sein. Er habe sich laut SWR-Beitrag durch die Gesundheitsberichte der Krankenkassen über hohe Krankenstände inspiriert gefühlt. Es gebe, so zitiert der SWR, seiner Meinung nach üppige Urlaubsansprüche und Arbeitszeitmöglichkeiten um etwas auszugleichen. Erkrankte Mitarbeiter*innen sollen also Urlaub nehmen oder Überstunden abfeiern? ► zurück nach oben
Rüstung: Panzer statt Waggons, Straßenbahnen und PKW in Görlitz und Offenburg
Görlitz und Offenburg: Der Panzerhersteller KNDS übernimmt in Görlitz ein Alstom-Werk, in dem bislang doppelstöckige Waggons für die Deutsche Bahn und Straßenbahnen gebaut wurden. Darüber berichtet die Süddeutsche Zeitung (hier ohne Bezahlschranke).
KNDS plant verschiedene Baugruppen für den Kampfpanzer LEOPARD 2 und den Schützenpanzer PUMA sowie Module für mehrere Varianten des Radpanzers BOXER zu produzieren. Der Standort soll bis 2027 schrittweise umgewidmet werden. Die ersten Personalübernahmen durch KNDS und die Aufnahme der Produktion sind jedoch schon für 2025 geplant.
KNDS ist ein niederländischer Rüstungskonzern mit Sitz in Amsterdam. Er entstand aus einer Fusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter und ist hälftig im Besitz der französischen Agence des participations de l’État und der Wegmann-Gruppe. Die französische Behörde untersteht dem französischen Ministerium für Wirtschaft und Finanzen und versteht sich als strategischer Investor. Die Wegmann Holding generiert kein eigenes Geschäft, sondern hält laut wikipeda nur Beteiligungen an Obergesellschaften, die wiederum eigene Geschäftsführungen haben und eigenständig agieren.
Der Deal, so Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU im Februar 2025, sei eine Entscheidung der Bundesregierung auf höchster Ebene.
Gehaltsverzicht als einzige brillante Idee des Managements
Der Betriebsratsvorsitzende freut sich über die Übernahme. Man habe zwar am Waggonbau gehangen, doch zwischenzeitlich hätte das Aus für den Standort im Raum gestanden. Schuld waren fehlende Investitionen in den Standort und weitere Managementfehler. Nun ist geplant, dass etwa die Hälfte der 700 Angestellten übernommen und 175 weitere an anderen Alstom- oder KNDS-Standorten zum Einsatz kommen. In der Vergangenheit hatten Angestellte in der Hoffnung auf Joberhalt auf Urlaubsgeld und einen Teil der betrieblichen Altersvorsorge verzichtet. Vorhersehbar, dass das nicht funktioniert. Und immer wieder beschämend, dass Betriebsräte oder Gewerkschaften solche Absprachen überhaupt treffen. Nur, um dann doch überrascht zu sein, dass sich kein Werk erhalten lässt, wenn Gehaltsverzicht die einzige brillante Idee des Managements.
IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze bewertete den Einstieg von KNDS laut Süddeutscher Zeitung ausschließlich positiv. Laut ihm gäbe es zwar Beschäftigte, die lieber Schienenfahrzeuge bauen würden als Panzer-Teile. Aber angesichts des Mangels an Alternativen in der Region würden Viele lieber Panzer bauen, als Arbeitslosengeld zu beantragen.
Im §2 3. der IG Metall Satzung steht unter Aufgaben und Ziele der Gewerkschaft allerdings:
Demokratisierung der Wirtschaft unter Fernhaltung von neofaschistischen, militaristischen und reaktionären Elementen
Und die nächsten Kandidaten für den Aufbau der Kriegs-Industrie stehen schon in den Startlöchern: Es gibt Überlegungen, dass Rheinmetall das VW-Werk in Osnabrück übernehmen könnte.4
Immerhin erreichte uns bereits ein Flugblatt von VW-Mitarbeitern gegen die Panzerproduktion. Sie fragen zurecht, ob die VW-Mitarbeiter Waffen produzieren sollen, mit denen dann ihre Kollegen in China oder auch die ehemaligen Kollegen aus dem Werk in Kaluga in Russland, erschossen werden sollen. Sondervermögen solle nicht für Waffen ausgegeben, sondern in Arbeitszeitverkürzung, Gesundheitsvorsorge, Renten und natürlich Umstellung der Produktion investiert werden. Sie rufen zum Widerstand gegen die Rüstungsproduktion auf. ► zurück nach oben
Brandenburg: Justizminister Benjamin Grimm schafft SoKo Betriebsrat
Brandenburg: Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz sollen in Brandenburg künftig gebündelt bei den örtlichen Sonderabteilungen der Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zusammenlaufen Das Branderburger Ministerium für Justiz informierte am 10.03.2025 über einen entsprechenden Erlass von Justizminister Benjamin Grimm (SPD).5
Er begründet den Schritt damit, dass die neue Regelung eine effiziente und spezialisierte Verfahrensbearbeitung bei Straftaten, die sich gegen die Arbeit von Betriebsräten richten, sicher stellen soll. Die Bündelung der Verfahren in Sonderabteilungen sei ein wichtiger Schritt, um Arbeitnehmervertretungen besser vor rechtswidrigen Eingriffen zu schützen.
Die Anordnung von Minister Benjamin Grimm sieht vor, dass Straftaten nach §119 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), also gesetzeswidrige Behinderung von Betriebsratswahlen oder Betriebsratsarbeit, künftig durch spezialisierte Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften bearbeitet werden sollen. Diese sollen über tiefgehende Fachkenntnisse verfügen.
Die Konzentration bei den örtlichen Sonderabteilungen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität gewährleistete außerdem eine umfassende Gesamtbewertung möglicher strafrechtlicher Missstände.
Strafverfolgung mit Sachkenntnis + Statistik: In Sachen BetrVG ein Novum
Dezernentinnen und Dezernenten mit Fachkenntnissen in Sachen Betriebsverfassungsgesetz und umfassende Gesamtbewertung möglicher strafrechtlicher Missstände? Das ist geradezu sensationell. Wir werten das als großen Erfolg – wenngleich auch nur in Brandenburg.
Bislang erkennen Staatsanwaltschaften Betriebsratsbehinderung oft nicht einmal dann, wenn Betriebsräte oder Gewerkschaften Anzeigen nach §119 Betriebsverfassungsgesetz stellen. Viel zu oft werden Ermittlungen eingestellt und kriminelle Unternehmensführungen können in der Regel von ausgehen, straffrei davon zu kommen.
Ein weiteres Novum in Brandenburg ist, dass die Entwicklung der Straftaten gegen das Betriebsverfassungsgesetz zukünftig festgehalten wird. Der Justizminister hat eine regelmäßige Berichterstattung über Anzahl und Art der Erledigungen der Verfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft angeordnet. Das gibt es in Deutschland bislang nicht. Über die Zahl der Verfahren im Zusammenhang mit Behinderung von Betriebsratsarbeit und deren Ausgang wird bislang keine Statistik geführt.
Offizialdelikt bleibt unerledigt
Die Aktion gegen Arbeitsunrecht fordert seit 2017 die Einführung von Sonderstaatsanwaltschaften. Eine weitere Forderung, die wir bereits 2017 in unseren Reformvorschläge für das Betriebsverfassungsgesetz niederlegten, ist die Erhebung von Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz zum Offizialdelikt. Während bei der derzeitig gültigen Regelung nur Betriebsräte und beteiligte Gewerkschaften Anzeige erstatten können, könnte nach der Erhebung zum Offizialdelikt Jedermann Anzeige stellen. Staatsanwaltschaften wären zudem dazu verpflichtet zu ermitteln, sobald sie Kenntnis von einem Fall erlangen. Dieser Vorschlag schaffte es bis in den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Leider wurde die Umsetzung so weit nach hinten verschoben bis das Ampel-Aus das Vorhaben vom Tisch fegte.
Und nein: ganz sicher wird der alte, bereits abgewählte Bundestag nicht noch einmal zusammenkommen, um diesen Punkt, der Angestellten und aktiven Betriebsräten wirklich genutzt hätte, noch umzusetzen.
Quellen
1 Michael Kläsgen. Kaufland kehrt zu umstrittenen Werkverträgen zurück, SZ, 10.02.2025, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kaufland-einzelhandel-werkvertraege-lidl-arbeit-li.3198089
2 Norbert Steiche: Bis zu 350 Kaufland-Mitarbeitern in Donnersdorf droht Kündigung, BR, 20.01.2025 https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/bis-zu-350-kaufland-mitarbeitern-in-donnersdorf-droht-kuendigung,UaPeC10
3 SWR: Unternehmen aus BW verlost Prämien unter Arbeitern ohne Krankentage, 6.3.2025, https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/praemie-fuer-mitarbeiter-ohne-krankheitstage-100.html
4 Marcel Lunzmann. Panzer statt Volkswagen: Rheinmetall erwägt Übernahme von VW-Werk, telepolis, 17.03.2025 https://www.telepolis.de/features/Panzer-statt-Volkswagen-Rheinmetall-erwaegt-Uebernahme-von-VW-Werk-10315115.html
5 PM 10/25 des Justizministeriums Brandenburg: Stärkung des Schutzes der Betriebsräte: Bündelung der Strafverfolgung, 10.03.2025, https://mdjd.brandenburg.de/mdjd/de/presse/pressemitteilungen/ansicht/~10-03-2025-verbesserter-schutz-der-betrieblichen-mitbestimmung
Beitragsbild Flickr, Phil Windley https://www.flickr.com/photos/windley/7087342797