Frontberichte 05/2014

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Betriebsrat-Bashing, Lohnraub + Arbeitsunrecht in Deutschland | Presseschau vom 24.03.-06.04.2014

REWE/Bochum: Praktikantin erstreitet über 17.000,- € Lohnnachzahlung  + + Wirtschaftsministerium/Berlin: Staatssekretärin Zypries gegen Parteilinie: Praktikanten bitte nur für lau + + XXXL Lutz/Schweinfurt: Betriebsratsverhinderung übelster Sorte + + Flughafen Hahn/ Frankfurt: Kündigung eines unliebsamen Betriebsratsmitglieds. Geschäftsführer angezeigt. ++  Hyundai/Rüsselheim: IG Metall reicht Beschwerde gegen Union Busting bei der OECD ein

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8 Monate für lau arbeiten: REWE-Praktikum war sittenwidrige Ausbeutung. Praktikantin erstreitet 17.000,- €

rewe-thomas-mueller_unbezahltes-praktikum_aktion-arbeitsunrecht-600pxVon wegen „Schnupperpraktikum“! Mit Aussicht auf einen Ausbildungsvertrag stimmte, so  Spiegel und Ruhrnachrichten, eine 19jährige einem 1-monatigem, unentgeltlichen Praktikum zu. Dies verlängerte der Geschäftsstellenleiter immer wieder um jeweils einen weiteren Monat und hielt die Praktikantin mit der Aussicht auf einen Ausbildungsplatz zum 01.09.2013 bei der Stange – bis der jungen Frau das „Schnupperpraktikum“ ordentlich zu stinken anfing. Im Juli 2013 war sie so weit, dass sie die Ausbildungsstelle gar nicht mehr hätte haben wollen und klagte den Lohn für nunmehr über acht Monate Arbeit ein.

„Meine Mandantin hat über acht Monate unentgeltlich gearbeitet, insgesamt 1728 Stunden – in einem ganz normalen Supermarkt-Job. Sie räumte Regale ein, saß an der Kasse, sortierte im Lager. Allein im Mai letzten Jahres arbeitete sie 247 Stunden“,

so Martin Ackermann, Anwalt der Klägerin.
Das Arbeitsgericht in Bochum gab ihr erfreulicherweise recht, stufte das „Praktikum“ als sittenwidrig ein und gestand der Klägerin einen Anspruch auf 17.281,50 Euro Lohn zu (10,- Euro pro Stunde + Zinsen).
Die Klägerin hatte übrigens alles richtig gemacht. Wichtig für die glasklare Entscheidung des Richter war unter anderem gewesen, dass die Klägerin alle Praktikum-Details dokumentiert hatte. In der gleichen REWE-Filiale soll es noch weitere Personen geben, die ebenfalls unbezahlt vollwertige berufliche Leistungen erbringen. Dabei wird von 4 von insgesamt 12 Beschäftigten gesprochen. Anwalt Ackermann sagte, man hätte den Eindruck, der Laden laufe sogar nur auf diese Weise.


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Das sieht laut WAZ nun angeblich auch REWE kritisch und trennte sich in der Folge von dem zur Nachzahlung verurteilten Marktbetreiber. Warum die Kette REWE dazu erst das Urteil des Bochumer Arbeitsgerichts abwarten musste und nicht bereits reagierte, als der Fall bei REWE bekannt wurde, zeigt, dass es sich hier möglicherweise nur um reine Image-Pflege handelt. Bei der REWE-Group arbeiten insgesamt über 300.000 Menschen.

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Wirtschaftsministerium / Berlin: Staatssekretärin Zypries gegen Parteilinie. Praktikanten bitte nur für lau

Ja, so wie Brigitte Zypries (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, hätten das viele Arbeitgeber am liebsten: Lohn und Zusatzleistungen als willkürliche Ermessens-Sache, je nachdem, wie es der Chefin (dem Chef) gerade passt.

Staatssekretärin Zypries stehen laut SZ zwar pro Monat 16.019,- € an Steuergeldern für Mitarbeiter zur Verfügung, aber die Praktikanten sollen am liebsten für umsonst hospitieren kommen. Ob ein Praktikant vielleicht doch wenigstens ein bisschen Geld bekommt, hängt möglicherweise von Brigitte Zypries‘ Launen ab und davon, ob er lieb „Bitte, bitte“ sagt. Um Missverständnissen vorzubeugen: es geht keineswegs um ein Schulkinder-Praktikum, sondern um das Pflicht-Praktikum eines 27jährigen für seinen Master-Abschluss: Tim S. hatte sich Ende 2013, da ihn Brigitte Zypries‘ Fachgebiet interessierte, für ein zweimonatiges Praktikum in ihrem Büro beworben. Er bekam schnell eine Zusage. Als er nach einer möglichen Vergütung fragte, wurde ihm nahegelegt bei der SPD-Fraktion zu hospitieren, denn da gäbe es 80,- Euro pro Woche (macht bei einer 40-Stunden-Woche genau 2,- Euro pro Stunde). Tim S., selbst Parteimitlied, schrieb die Parteigenossin Zypries eine Mail, in der er darauf hinwies, dass die SPD im Wahlkampf für eine Mindestvergütung auch für Praktikanten eingetreten sei und dass er enttäuscht über Zypries‘ Antwort sei.  Die Absage für das Praktikum erfolgte prompt. Frau Zypries, die laut SZ derzeit auch einen bezahlten Praktikanten beschäftigt, sagte, in Notlagen würden Praktikanten gelegentlich bezahlt, Bewerbern aus ihrem Wahlkreis würde sie auch schon mal das Hostel bezahlen. Der Ton der Mail habe ihr aber nicht gefallen. Heißt das Willkür statt gesetzlicher Anspruch? Tim S. hinkte als blauäugiges SPD-Mitglied der Meinungsbildung seiner Parteispitze da wohl hinterher. Seine Beschwerde-Briefe an die Parteigranden in Regierungsverantwortung, Sigmar Gabriel und  Andrea Nahles, wurden nie beantwortet.

Ein kleines Happyend gibt es dennoch: anstatt wegen der Absage und des gelebten Geizes von Frau Zypries ein Semester zu verlieren, kann Tim S. sein Praktikum beim Familienministerium in Bonn machen und erhält dort pro Monat 300,- Euro.

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XXXLutz Neubert/Würzburg: Betriebsratsverhinderung

Am 17.03.2014 hielt die Belegschaft von XXXLutz Neubert in Würzburg, Teil der österreichischen XXXLutz-Gruppe, eine Betriebsratswahl ab. Bereits am 21.03.2014 verkündete XXXL-Syndikusanwältin Karoline Weiss die Betriebsratswahl für ungültig. Der BR berichtet zum Schreiben von Karoline Weiss:

Darin heißt es weiter, die Arbeitgeberunternehmen am Standort Würzburg würden auf dem Standpunkt stehen, „dass nunmehr am Standort Würzburg kein Betriebsratsgremium mehr besteht“. Gleichzeitig wird allen gewählten neuen Betriebsräten das Recht auf Durchführung von Betriebsratstätigkeit oder Freistellung für diese Tätigkeit abgesprochen.

XXXLutz nutzt hierbei die starke und sicherlich gewollte Zersplitterung des Betriebes, im Manager-Jargon auch „Betriebsstruktur“ genannt, um anzuzweifeln, dass überhaupt alle an der Wahl beteiligten Betriebe tatsächlich berechtigt waren, an der Wahl des Betriebsrats teilzunehmen.

Auf der XXXL-Seite heißt es „Entscheidend jedoch für den Erfolg des XXXLutz ist, immer zu wissen, was die Menschen möchten“. Dies gilt freilich nicht für die Angestellten. Denn XXXL fällt zum wiederholten mal als Betriebsratsverhinderer auf.

In der Main-Post war schon am 28.03.2014 zu lesen, dass drei Abteilungsleiter, die sich für eine Betriebsratswahl im Schweinfurter XXXL-Haus stark gemacht hatten, mit Auflösungsverträgen abgefunden, bzw. fristlos gekündigt wurden. Unmittelbar nachdem die Geschäftsführung Kenntnis von einer geplanten Betriebsratsgründung erhielt, wurden die drei Abteilungsleiter, die die Betriebsratswahl unterstützen wollten, in Einzelgesprächen dazu gebracht Aufhebungsverträge zu unterschreiben. Diese fechten sie nun an, da sie unter Druck gesetzt worden seien.

Bereits 2010 tauchte XXXL in diesem Zusammenhang im Spiegel auf: einer Betriebsrätin waren 85.000 Euro dafür geboten worden, ihr Amt niederzulegen.

Auch auf Wikipedia heißt es:

In Deutschland steht XXXLutz hinsichtlich der Personalpolitik allerdings in starker Kritik. Dabei geht es um angebliche Behinderung von Betriebsräten, sowie Überschreiten von Arbeitszeiten und Einschüchterung von Mitarbeitern. Auch gab es eine Klage einer Auszubildenden, welcher trotz besonderem Kündigungsschutz durch das Schwerbehindertenrecht gekündigt wurde. Das Urteil der 1. Instanz gegen XXXLutz wurde jedoch nicht rechtskräftig. Durch einen Vergleich kam es zu keiner Entscheidung durch ein höheres Gericht.

Im jüngsten Fall soll es anders laufen. Sowohl XXXLutz Neubert als auch IG Metall wollen vor Gericht gehen.

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Flughafen Hahn: Betriebsrat zeigt Geschäftsführer Rethage an

Der Betriebsrat des Hunsrück-Flughafens Hahn hat laut SWR und BizTravel Ende März Strafanzeige gegen Geschäftsführer Heinz Rethage erstattet. Dieser habe sich interne Informationen des Betriebsrats beschafft und zu Angriffen gegen ihn verwendet, teilte der Rechtsanwalt der Arbeitnehmervertretung, Georg Wohlleben, mit. Lesenswert ist ein Kommentar auf der SWR-Seite, der angeblich von einem ehemaligen Arbeitnehmer stammt und den Betriebsrat eher fragwürdig aussehen lässt, weil ihm hier Untätigkeit bei der Kündigung eines behinderten Mitarbeiters vorgeworfen wird.

Dazu passt scheinbar die Meldung der Rheinzeitung, dass Teile der Belegschaft (11 Personen) sich mit einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gewandt haben, in dem dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Jörg M. Mobbing vorgeworfen wird. Der Betriebsratsvorsitzende Thomas D. hat allerdings zur Solidarität mit seinem Vize aufgerufen und die Vorwürfe verleumderisch genannt.

Wir können die Vorfälle hier momentan nur dokumentieren, eine Bewertung scheint schwierig. Allerdings weisen wir darauf hin: Von der Geschäftsführung forcierte Unterschriftensammlungen unter der Belegschaft, die sich gegen den Betriebsrat wenden, sind ein häufig nachweisbares und besonders hinterhältiges Mittel des Union Busting, um die Belegschaft zu spalten und den Betriebsrat zu schwächen. Möglicherweise auch hier.

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Hyundai/Rüsselheim: IG Metall reicht Beschwerde bei der OECD ein

Die IG-Metall hat, so N24, bei der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Beschwerde über die Geschäftsleitung im Hyundai Technical Center in Rüsselheim, eingereicht. „Hyundai missachte in Deutschland fortlaufend Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, verweigere Betriebsräten die Freistellung und kürze teilweise sogar deren Entgelte“, so IG-Metall Vorsitzender Detlef Wetzel.  Südkorea ist der OECD 1996 beigetreten. Bei Hyundai Motors arbeiten weltweit über 80.000 Beschäftigte.

In der Westdeutschen Zeitung heißt es außerdem: „In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht wirft auch die weltweite Industriegewerkschaft IndustriALL Global Union Hyundai Motor die Missachtung von Arbeitnehmerrechten vor: ‚In den Beziehungen mit Arbeitnehmern gibt es bei keinem Autobauer weltweit so viele Auseinandersetzungen wie bei Hyundai

Gelbe Gewerkschaft AUB

In Deutschland stützt sich Hyundai bei seinen Union Busting Aktivitäten vor allem auf die gelbe Gewerkschaft AUB (siehe Berichte von work-watch.de und Frankfurter Rundschau), die maßgeblich von Siemens aufgebaut wurde, aber auch bei Aldi-Nord zum Einsatz kommt.

In Deutschland produziert Hyundai keine Autos. Im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum arbeiten rund 250 Personen, darunter hoch qualifizierte Ingenieure, Designer und Techniker.


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1 Kommentar

  1. Ja, typisch Hyundai; bereite gerade einen Prozess vor denn, mir schuldet Hyundai HQ Seoul circa US$ 10,000; die es mir einfach nicht ausbezahlt hat mit Begruendung: da der Jahresbonus diesmal in bar ausbezahlt wird(und nicht in form von Aktien wie zuvor), wird der Barbetrag bei auslaendischen Angestellten dem naechsten Jahresgehalt addiert(Koreaner bekamen den Betrag gleich als lumpsum ausbezahlt) — zu dumm dass ich im naechsten Jahr aber nicht mehr angestellt werden solllte/Vertrag ohne Begruendung nicht verlaengert.

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