#BTW21: Wen oder was wählen wir? Partei-Programme im Check

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Union bringt nix. AfD/FDP gefährlich! SPD, Grüne + Linke versprechen Einiges. Aber was können sie halten?

Bundestagswahl 2021 FDP Lindner

Wen oder was sollen wir als Lohnabhängige bei der Bundestagswahl 2021 bloß wählen?

Haben Sie sich schon entschieden? Gehen Sie überhaupt hin?

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht hat sich die Parteiprogramme der relevanten Parteien angeguckt. Es gibt positive Überraschungen: Einige unserer wichtigsten Forderungen finden sich tatsächlich wieder! Wir sehen das als Erfolg unserer Arbeit.

Was fehlt?

Wichtige Forderungen der Aktion gegen Arbeitsunrecht werden bislang von allen Parteien im Bundestag unterschlagen:


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  • Verpflichtendes Melderegister für Betriebsratswahlen,
  • Sammelklagen im Arbeitsrecht nach US-amerikanischem Vorbild (Collective action) ermöglichen, statt massenhaft angebliche „Einzelfälle“ vor Arbeitsgerichten niederschwellig abzuhandeln,
  • Betriebsratsbehinderung zum Offizialdelikt erklären,

Daran müssen wir in der nächsten Legislatur arbeiten!

Wir haben keine Wahlempfehlung, sondern Wahlwarnungen:

  • Wir raten von CDU/CSU ab. Die Union verspricht Stillstand, Blockade, weiter mit Augenwischerei und Schönfärberei,
  • Wir warnen dringend vor AfD / FDP! Sie werden Arbeitshetze („Flexibilisierung“), Union Busting und Lohndumping weiter verschärfen. Sie werden noch weniger Kontrollen und Strafen für Unternehmerkriminalität ermöglichen. Das verbirgt sich hinter ihren Schlagworten: „Entfesselung“ & „Bürokratieabbau“.

Unten finden Sie Punkte aus den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien. Wichtige Einschränkung: Wir wissen nicht, wie wichtig diese Wahlprogramme nach der Wahl überhaupt noch sind.12

Was bedeuten schon Wahlprogramme?

Bevor wir die Wahlversprechen (und im Fall von AfD / FDP Drohungen) darstellen, ist generelle Sekpsis angebracht:

  • Ist es nicht vollkommen naiv, dem zu trauen was Politiker*innen und Parteien versprechen?
  • Sind wir nicht zu oft schon betrogen und belogen worden?
  • Oder schlimmer noch: Sind wir nicht oft genug zur Ader gelassen worden, um wieder einmal „die deutsche Wirtschaft“ zu retten?
  • Wurden nicht die Superreichen seit über dreißig Jahren gemästet und gepäppelt, während wir aus angeblich „alternativlosen“ Sachzwängen den Gürtel immer enger schnallen sollen?!

Trotz allen Unbehagens: Wir raten dazu wählen zu gehen, um die prozentualen Stimmanteile unserer erklärten Feinde zu senken — Rechtsextreme, Kriegstreiber, Union Buster, Paranoiker, Wissenschaftsleugner*innen etc.

Bundestagswahl 2021 Wahlplakat Olaf Scholz Krankheit Kapitalismus heilbar

Wenn wir die Wahlprogramme ernst nehmen — was vielleicht naiv ist — dann klingen die Möglichkeiten einer rot-rot-grünen Koalition — auf dem Papier — gar nicht schlecht so für Beschäftigte, Betriebsräte + Gewerkschafter*innen.

Das SPD-Wahlprogramm (pdf)

verspricht:

  • Abschaffung der sachgrundlosen Befristung,
  • Equal-Pay für Leiharbeiter*innen ab dem ersten Tag,3
  • Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder und stärkere Verfolgung von Betriebsratsbehinderung,4
  • Erhebliche Ausweitung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats,
  • Durchsetzung von Arbeitsrecht und Arbeitsschutz bei Saisonarbeit,
  • Anerkennung internationalen Rechts: Ratifizierung des Zusatprotokolls zum Sozialpakt der Vereinten Nationen,6
  • Stärkung europäischer Betriebsräte.7

Das Wahlprogramm der Grünen (pdf)

verspricht:

  • Abschaffung der sachgrundlosen Befristung,
  • „Missbrauch“ von Werkverträge und Subunternehmer-Ketten eindämmen,
  • mehr Arbeitsschutz gegen Stress und Burn-out,
  • Anlaufstellen und Sanktionen gegen Mobbing und Diskriminierung,8
  • mehr Schutz für Betriebsräte + Betriebsratsgründer*innen,
  • erweiterte Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten,
  • Anerkennung internationalen Rechts: soziale Rechte sollen langfristig vor dem EuGH einklagbar sein,
  • Stärkung europäischer Betriebsräte,10
  • Arbeitsschutz, Arbeitsrechte, Tariflöhne und gute Unterkünfte in Landwirtschaft + Fleischindustrie,11
  • mehr Rechte und bessere Arbeitsbedingungen im Bau + der Pflege. Wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit,
  • Arbeitsrechte und Arbeitsschutz für Saisonarbeiter*innen,12
  • Abschaffung der kirchlichen Privilegien. Keine Ausnahmeklauseln mehr für kirchliche Träger im Betriebsverfassungsgesetz und Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz,13
  • Mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege.14

Das Wahlprogramm der Linken (pdf)

verspricht sehr viel:

  • Abschaffung der sachgrundlosen Befristung,15
  • Verbot der Leiharbeit,16
  • Union Busting bekämpfen: Schwerpunktstaatsanwaltschaften einrichten, schärfere Sanktionen gegen Unternehmen und spezialisierte Anwaltskanzleien,
  • Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausweiten,
  • Betriebsratswahlen erleichtern,17
  • Keine unfreiwillige Teilzeit mehr im Einzelhandel und der Reinigung,18
  • Mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte + Personalräte,
  • Auslagerung an Subunternehmer begrenzen,19
  • Tarifeinheitsgesetz abschaffen,
  • Streikrecht und Mitbestimmung auch bei kirchlichen Trägern,
  • Solidaritätsstreiks sollen erlaubt sein.19b

Das Wahlprogramm der CDU (pdf)

verspricht:

  • Keine Ausweitung von sachgrundloser Befristung und Kettenbefristung, aber auch keine Eindämmung,20
  • Scheinselbständigkeit verhindern.21

Das Wahlprogramm der FDP (pdf)

verspricht Lohnabhängigen, Betriebsräten und Gewerkschafter*innen nichts. Es droht stattdessen mit:

  • Mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz. Wöchentliche statt täglicher Höchstarbeitszeit.22
  • Noch mehr Wanderarbeit aus Osteuropa bei noch weniger Kontrollen.23

Das Wahlprogramm der AfD (pdf)

ist kaum ernst zu nehmen, weil es sich exklusiv an Normal-Deutsche richtet (und was von den konservativen National-Chauvinisten für deutsch-normal gehalten wird). Es verstößt damit gegen zentrale Grundwerte wie Gleichberechtigung, Zusammenhalt, internationale Solidarität, Gegenwehr von unten statt Spaltung und Hetze.

Die AfD verspricht (Normal-Deutschen):

  • Arbeitsrecht reformieren und vereinfachen (unklar in welcher Hinsicht, vielleicht auch zwecks Verschärfung),
  • Equal-Pay für Leiharbeiter*innen (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit),
  • Flexibilitätsprämie als Aufschlag für Leiharbeiter*innen.24

Die AfD propagiert offen Versatzstücke der Union Busting-Propaganda (Was ist das?):

  • Soziale Marktwirtschaft statt sozialistischer „Industriepolitik“,
  • gedeihliches Zusammenwirken von Unternehmern und Beschäftigten. Kein Interessensgegensatz zwischen Unternehmern und Beschäftigten.
  • Klassenkampf ist nur Rhetorik. Konflikte werden durch Vertreter linker Parteien vorsätzlich herbei geführt und gefährden den sozialen Frieden.25

droht mit:

  • Entbürokratisierung = weniger Kontrollen im Arbeitsrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz,
  • Entschlackung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts26 = weniger Arbeitsrechte + mehr Überstunden, Arbeit auf Abruf, Arbeitszeitkonten, Null-Stunden-Verträge, Erzwungene Teilzeit, Befristung etc.

Das Modell Deutschland ist inwendig hohl

Eins hat uns die Corona-Krise einmal mehr gezeigt: Der Lack ist ab. Deutschland ist hinter den Kulissen systematisch herunter gewirtschaftet — trotzdem erzählen uns Parteien und Leitmedien weiter dieselben Märchen vom Wirtschaftswunder-Modell Deutschland: Selbst die radikal-kapitalistische AfD ist nach eigenem Bekunden angeblich für die „soziale Marktwirtschaft“.

Oder nehmen wir den Begriff „Entfesselung“, den CDU, FDP und Grüne gleichermaßen penetrieren: Als würde die deutsche Wirtschaft durch Kontrollen und Bürokratie geknebelt. Tatsächlich gibt es gerade in Deutschland rechtsfreie Räume für kriminelle Unternehmer*innen und viel zu wenige Kontrollen — nicht nur bei Geldwäsche & Steuerhinterziehung (Olaf Scholz), auch im Arbeitsrecht, im Arbeitsschutz und bei Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz und Mitbestimmungsrechte (Union Busting – Was ist das?).

Vor der Wahl schon an danach denken!

Vor der Wahl versprechen Parteien und Politiker*innen eine Menge, nach der Wahl sieht die Welt dann wieder ganz anders aus.

Das Schema ist in etwa so: In den ersten 100 Tagen gibt es ein paar Wahlgeschenke, dann werden Grausamkeiten, bittere Pillen und Rosskuren verabreicht, um Medien, Unternehmerverbände und „die Wirtschaft“ zu beruhigen, Krisen zu bewältigen, Landtagswahlen zu gewinnen, Kassen zu sanieren etc.

Es wäre unseriös, hier eine klare Prognose zu geben. Das käme Kaffeesatzleserei gleich.

Regierungen lassen ihr Klientel bluten

Auch das gilt es zu bedenken: Seit ungefähr 1990 hat sich die Funktion der Regierungsparteien offenbar grundlegend gewandelt. Früher einmal traten Parteien an, um „ihr Klientel“, die Interessen ihrer Stammwähler*innen zu vertreten und zu wahren.

Seit SPD & Grüne unter Gerhard Schröder / Joschka Fischer 1998 an die Regierung kamen, haben sich die Vorzeichen geändert: Das eigene Klientel wird von den Regierungsparteien sozusagen als Mitgift in die Koalitionsehe eingebracht. Die Macht der Parteien erwächst aus der Möglichkeit, ihre Stammwähler zu quälen und zu demoralisieren.

Die eigene Klientel wird zwar in guten Zeiten durchaus noch vertreten, aber bei Bedarf — in Krisenzeiten — gern zur Ader gelassen oder gar komplett verraten. Und solche Krisen lassen nicht lang auf sich warten.

Die „öffentliche Meinung“ verlangt, dass die Regierungsparteien „liefern“

Die Parteien sind aufgrund sinkender Mitgliedszahlen und abnehmender Verankerung in der Gesellschaft heute viel mehr auf Massenmedien angewiesen als noch in den 1980er Jahren.

Die Massenmedien gehören Monopol-Konzernen. Sie vertreten Kapitalinteressen. Zudem sind sie käuflich.

Die Rentenreform (Umstellung der staatlich garantierten Rente auf private und aktienbasierte, spekulative Fonds), Hartz-Gesetze, Leiharbeit, Befristung, Lohndumping, Auslandseinsätze der Bundeswehr samt völkerrechtswidriger Bombardierung ziviler Einrichtungen, Castor-Transporte — wer hätte das besser durchsetzen können als SPD & Grüne? Sie haben mit Unterstützung geballter Medienmacht dafür gesorgt haben, dass Protest ausblieb, der notwendige Widerstand schwach und unvorbereitet war.27

Twitter, Facebook & Google haben die Möglichkeiten seit 2006 zudem extrem erweitert, politische Stimmungen, Meinungen und Wahlverhalten gegen Geld zu manipulieren.

Daher fragen wir uns ernsthaft, ob eine rot-rot-grüne Regierung wirklich wünschenswert ist. Die Antwort ist unklar. Die Zukunft ungewiss. Erstaunlich ist, dass die Option plötzlich überhaupt möglich erscheint. Offenbar ist die soziale Frage — Arbeit, Miete, Verteilungsgerechtigkeit — wieder zurück auf der Tagesordnung. Das macht Mut!

Fest steht, dass wir uns besser organisieren müssen!

Egal welche Regierung ans Ruder kommt — wir werden sie mit unseren berechtigten Forderungen konfrontieren. Und wir werden die Regierungsparteien an ihre eigenen Wahlversprechen erinnern! Helfen Sie uns dabei als Mitglied!


Anmerkungen / Fußnoten

1 Ob die Wahlprogramme, die wir hier untersucht haben, nach der nächsten großen Krise mehr sind als bedrucktes Papier von vorgestern? Ob viele Punkte nicht sowieso bloße Verhandlungsmasse für Koalitionsverhandlungen sind? Welche Umgehungsstrategien gewählt werden, um die Forderungen auszuhöhlen — mit Hilfe von juristischen Schlupflöchern, mangelhafter Umsetzung, halbherziger Ausführung und durch schlampige oder gar nicht existierende Kontrollen?

2 Mit dem wahrscheinlich bevorstehenden Crash eines der größten chinesischen Firmen-Konglomerate namens Evergrande könnte bereits die nächste Mega-Krise vor der Tür stehen. Ganz sicher aber müssen die weltweiten Finanz-, Immobilen- und Spekulationsblasen demnächst platzen und Zombie-Firmen Pleite gehen. Das wird auch Deutschland erschüttern, wie die Weltfinanzkrise von 2007/2008 gezeigt hat. (Sie begann mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers aufgrund von verantwortungsloser Spekulation mit toxischen Schrott-Immobilien-Wertpapieren.)

3 SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 27: „Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen Sachgrund werden wir abschaffen und die vom Gesetz akzeptierten Gründe für eine Befristung kritisch überprüfen. Leiharbeiter*innen werden ab dem ersten Tag den gleichen Lohn erhalten wie Festangestellte.“

4 SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 28: „Wir werden den Kündigungsschutz für Betriebsrät*innen ausweiten und eine Behinderung von Betriebsratsarbeit stärker verfolgen.“

5 SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 28: „Mehr echte Mitbestimmungsrechte bei der Beschäftigtensicherung und Betriebsänderungen, beim Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen, beim Einsatz neuer Technologien und Arbeitsweisen wie die der Künstlichen Intelligenz (KI), bei der Personalbemessung, damit Überlastungen beseitigt werden und bei der betrieblichen Weiterbildung […].“

6 SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 61: „Deshalb unterstützen wir mit den Gewerkschaften die Forderung, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz als Kernarbeitsnorm der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgewertet werden. Auch werden wir das Zusatzprotokoll zum Sozialpakt der Vereinten Nationen ratifizieren, um Beschwerdeverfahren zur Einhaltung der Rechte des Paktes zu ermöglichen.“

7 SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 37: „Wir werden die Rechte von Arbeitnehmer*innen weiter ausbauen, insbesondere durch die Stärkung europäischer Betriebsräte, durch Mitspracherechte in Organisation und Entscheidungen großer Unternehmen sowie das Recht auf Kollektivmaßnahmen und Tarifverhandlungen.“

8 Wahlprogramm Bündnis 90 / Die Grünen zur Bundestagswahl 2021, S. 104: „Ohne sachlichen Grund dürfen Arbeitsverträge nicht mehr befristet werden. Gegen den vielfachen Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels Subunternehmerketten gehen wir ordnungspolitisch vor. Wir wollen den Arbeitsschutz stärken, damit er wirksam vor Stress, Burn-out und Entgrenzung der Arbeit schützt. Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz nehmen wir ernst und wollen durch klare Sanktionen und verpflichtend zu schaffende Anlaufstellen besser davor schützen.“

9 Wahlprogramm Bündnis 90 / Die Grünen zur Bundestagswahl 2021, S. 105: „Betriebsräte, die sich für Mitarbeiter*innen einsetzen, brauchen auch selbst mehr Schutz. Gleiches gilt auch für die Beschäftigten, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen. Die Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, Personalräte und auch Jugend- und Ausbildungsvertretungen wollen wir ausbauen und modernisieren, unter anderem wenn es um Personalentwicklung, Weiterbildung, Standortverlagerungen ins Ausland, die Stärkung von Frauen, die Förderung von Vielfalt oder die Verbesserung der Klimabilanz im Unternehmen geht.“

10 Wahlprogramm Bündnis 90 / Die Grünen zur Bundestagswahl 2021, S. 112 f.: „Wir wollen die europäischen Betriebsräte stärken und die Mitbestimmung in grenzüberschreitenden Unternehmen weiter absichern durch gestärkte Informationsrechte und verschärfte Sanktionen. Unser langfristiges Ziel ist, dass die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerten sozialen Rechte als Grundrechte gegenüber den Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sind.“

11 S. 112 f.: „Ein besserer Arbeits- und Gesundheitsschutz für Beschäftigte in Landwirtschaft und Fleischindustrie sind ebenso notwendig wie mehr Rechte für die Arbeitnehmer*innen, tarifliche Löhne und starke Gewerkschaften. In der Saisonarbeit gibt es zu viel prekäre Beschäftigung ohne Sozialversicherungsschutz. Hier trifft häufig körperlich schwere Arbeit auf karge Löhne und schlechte Unterkünfte. Diese sozialen Ungerechtigkeiten wollen wir beenden.“

12 S. 108 f. „[…] auf dem Bau oder in der Pflege, herrschen vielfach ausbeuterische Verhältnisse. Wir wollen, dass alle Beschäftigten – egal, wie lange sie hier arbeiten – genauso gut bezahlt und abgesichert sind wie ihre deutschen Kolleg*innen. Dafür braucht es ein wirksames Vorgehen gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit, ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten, die Abschaffung der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung, eine bessere Regulierung der Vermittlungsagenturen und mehr Kontrolle durch eine gestärkte Europäische Arbeitsbehörde.“

13 S. 175: „So wollen wir, dass beispielsweise das kirchliche Arbeitsrecht reformiert und die gewerkschaftliche Mitbestimmung gefördert wird sowie die Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgehoben werden.“

14 S. 126 f.: „Unterbesetzung, Überstunden, physische und psychische Überforderung sind Alltag, nicht nur in Pandemiezeiten. Darunter leiden alle, Patient*innen wie Pflegende. Diese Arbeitsbedingungen wollen wir verbessern. Dafür braucht es nicht nur mehr Lohn, Arbeitsschutz und Anerkennung – sondern vor allem mehr Kolleg*innen und mehr Zeit.“

15 Wahlprogramm Die Linke zur Bundestagswahl 2021, S. 15: „Sachgrundlose Befristungen müssen im Teilzeit- und Befristungsgesetz ersatzlos gestrichen werden und zulässige Sachgründe eng begrenzt werden. Bei öffentlicher Finanzierung soll die Befristung der Haushaltsmittel oder von Projektgeldern kein zulässiger Grund mehr für die Befristung von Arbeitsverträgen sein. Der dritte Arbeitsvertrag bei demselben Arbeitgeber oder derselben Arbeitgeberin muss zwingend unbefristet sein.“

16 S. 16: „Lohndumping durch Werkverträge und Leiharbeit beenden. Wir wollen Leiharbeit verbieten. Bis zum Verbot der Leiharbeit müssen Leiharbeiter*innen ab dem ersten Tag die gleichen Löhne wie Festangestellte plus eine Flexibilitätszulage von 10 Prozent erhalten. Die Vergabe von Werkverträgen und der Einsatz von Leiharbeit müssen an die Zustimmung des Betriebsrats und die Einhaltung der im Kernbetrieb gültigen Tarifverträge gebunden werden. Um den Missbrauch von Werkverträgen zu unterbinden, muss die Beweislast künftig bei den Arbeitgeber*innen liegen. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz muss an den Arbeitsplatz statt an die Person der Beschäftigten gebunden werden. Es muss ein Ende haben, dass Arbeitsagenturen und Jobcenter Erwerbslose in solch unwürdige Arbeitsverhältnisse zwingen.“

17 S. 21: „Wir wollen Betriebsratswahlen erleichtern und die Arbeitsfähigkeit von Betriebsräten sichern. Wir wollen Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit ausreichend Personal für Straftatbestände aus dem Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht schaffen, sowie schärfere Sanktionen gegen Arbeitgeber*innen und Anwaltskanzleien, die sich auf die Verhinderung von gewerkschaftlicher Organisierung spezialisiert haben. Wir wollen in Fällen von Union Busting bei erstmaligen Betriebsratswahlen die Möglichkeit der direkten Einsetzung von Betriebsräten durch das Arbeitsgericht. Wir wollen den Betriebsbegriff anpassen und den Arbeitnehmerbegriff erweitern. Zusätzliche Arbeitnehmervertretungsstrukturen sollen durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bestimmt werden können. Die zwingende Mitbestimmung wollen wir ausweiten auf Fragen der Arbeitsorganisation, der Personalbemessung prekärer Beschäftigung und der Qualifizierung.“

18 S. 103: „Im Einzelhandel oder im Reinigungsgewerbe sind mehrheitlich Frauen beschäftigt und besonders häufig in prekärer Beschäftigung gefangen. Wir fordern die Abschaffung sachgrundloser Befristung und die Überführung von Minijobs in sozial voll abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse. Unfreiwillige Teilzeit wollen wir beenden: Alle Beschäftigten müssen einen Rechtsanspruch auf eine Vollzeitstelle bekommen.“

19 S. 92: „Das Mitbestimmungsrecht von Betriebs- und Personalräten muss bei der Einführung von Digitaltechnologien und digitalen Arbeitsprozessen gestärkt und erweitert werden, damit Betriebs- und Dienstvereinbarungen im Interesse der Beschäftigten getroffen werden können. Betriebs- und Personalräte müssen über Personalbemessung, Leistungsanforderungen und Weiterbildungsbedarf mitbestimmen können und Initiativrecht erhalten. Die Auslagerungsmöglichkeit auf Subunternehmen muss eng begrenzt werden und an die Fortgeltung der bestehenden Tarifverträge gebunden werden.“

19b S. 22: „Das Tarifeinheitsgesetz muss zurückgenommen werden, da mit ihm eine Einschränkung des Streikrechts verbunden ist. Solidaritätsstreiks mit ­Beschäftigten anderer Betriebe und Branchen und politische Streiks zur Durchsetzung sozialer Verbesserungen und zur Verteidigung von Demokratie und Frieden müssen ins Streikrecht ein­ geschlossen werden. Das Streikrecht muss auch für Beamt*innen gelten. […] Die betrieblichen Mitbestimmungs­ rechte und das Streikrecht müssen auch für die Beschäftigten in Kirche, Diakonie und Caritas uneingeschränkt gelten. Der Paragraf 118 des Betriebsverfassungs­ gesetzes muss gestrichen werden. Ver­trauensleutearbeit muss ähnlich der Arbeit von Betriebsräten geregelt werden.“

20 Wahlprogramm der CDU/CSU zur Bundestagswahl 2021, Seite 38: „Befristete Arbeitsverhältnisse sollen die Ausnahme sein. Wir lehnen die Ausweitung von Kettenbefristungen ab. Die sachgrundlose Befristung soll auch weiterhin in den Unternehmen die Ausnahme bleiben und darf für den Beschäftigten grundsätzlich zwei Jahre nicht überschreiten. Missbrauch werden wir verhindern.“

21 Seite 39: „Wir werden Scheinselbstständigkeit verhindern und gleichzeitig mehr Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggeber schaffen. Daher haben wir in einem ersten Schritt noch 2021 das Statusfeststellungsverfahren für Selbstständige vereinfacht und beschleunigt. Die Auswirkungen werden wir genau beobachten und falls nötig Anpassungen vornehmen. Die personelle Ausstattung der Clearingstelle wollen wir verbessern.“

22 Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl 2021, S. 27: „Wir Freie Demokraten fordern mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz und wollen eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit. Niemand soll weniger Pausen machen oder mehr arbeiten als bisher, aber die Einteilung der Arbeitszeit muss flexibler möglich sein. Die Summe der täglich notwendigen Ruhezeit bleibt bestehen. Hierbei werden flexible Regelungen in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung rechtssicher ermöglicht.“

23 Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl 2021, S. 7: „Wir wollen die EU-Entsenderichtlinie vereinfachen und das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz entbürokratisieren.“

24 Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2021, S. 119: „Lohndumping in der Leiharbeit verhindern Leiharbeitnehmer werden vergleichbaren Stammarbeitnehmern hinsichtlich der Entlohnung ab dem ersten Arbeitstag mindestens gleichgestellt. Um dem erhöhten Kündigungsrisiko und der erwarteten Flexibilität der Leiharbeitnehmer Rechnung zu tragen, wird eine Flexibilitätsprämie eingeführt. Sie wird als prozentualer Aufschlag auf das maßgebliche Arbeitsentgelt geleistet. Die bisherige Möglichkeit der stufenweisen Heranführung des Entgeltes entfällt. Wirksam geschlossene (Branchen-) Zuschlagstarifverträge behalten bis zum vereinbarten Ablauf ihre Gültigkeit. Eine Verlängerung ist ausgeschlossen.“

25 Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2021, S.45: „Soziale Marktwirtschaft statt sozialistischer ‚Industriepolitik‘ — Zu unserem Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft gehört ein gedeihliches Zusammenwirken von Unternehmern und Beschäftigten. Sie sind keine Gegner, sondern kooperieren im Geiste der Sozialpartnerschaft, um betriebliche Ziele zu erreichen und Interessengegensätze ins Gleichgewicht zu bringen. Als AfD bekennen wir uns zur Mitwirkung und Mitbestimmung der Beschäftigten in den Betrieben und zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Forderungen nach Enteignungen, Abschaffung von Privateigentum und Vertragsfreiheit, hetzerische Klassenkampfrhetorik oder vorsätzlich herbeigeführte Konflikte durch Vertreter linker Parteien lehnen wir dagegen entschieden ab. Sie gefährden den sozialen Frieden und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“

26 ebenda: „Wir wollen Bürokratie abbauen und den Staat effizienter machen durch Entschlackung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts.“

27 Das Gesetz der Demobilisierung des eigenen Klientels gilt auch für die Union: Wer anders als Angela Merkels CDU hätte den Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe 2011 — so mangelhaft und hintertrieben er im Detail auch war — bewerkstelligen können? Oder die plötzliche Öffnung der Grenzen für syrische und afghanische Bürgerkriegsflüchtlinge sowie andere Migrant*innen im Jahr 2015?


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