Lohndumping, Arbeitsunrecht und Union-Busting in Deutschland vom 29.04. – 05.05.2013
Legoland/Günzburg/Neu-Ulm +++ UPS/Ditzingen +++ Frauenthal Group, Linnemann-Schnetzer/Ahlen +++ Penny Süd +++ Lohndumping/EU Sozialkommissar rügt Deutschland, Missachtung der Sozialcharta +++
# Legoland: Hetzjagd auf Betriebsrat?
Zum dritten Mal in den Frontberichten dabei ist Legoland (siehe 12. KW, 3. KW). Vor dem Arbeitsgericht in Neu-Ulm musste der entlassene Betriebsratsvorsitzende Nikolaus L. leider eine Niederlage hinnehmen. Beobachter vermuten, dass kreative Gründe für seine Kündigung gesucht wurden, weil er sich für einen Tarifvertrag stark gemacht hatte.
So schreibt das Portal B4B-Schwaben am 30. April 2013: „Die Tarifverhandlungen werden von der Parkleitung strikt abgelehnt. Seit dem ersten Warnstreik im vergangenen Herbst leitete die Parkleitung drei fristlose Kündigungsverfahren gegen den Betriebsratsvorsitzenden ein.“
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Ein youtube-Video zeigt eine Beeindruckende Gewerkschaftsdemonstration von 500 Leuten zur Eröffnung des Legolandparks am 23. März 2013. Die Leute skandieren: „Legoland heißt er – uns bescheißt er!“ (hier zu sehen). Inzwischen kündigte der Legoland-Park laut Presse ein Hausverbot gegen den NGG-Sekretär Tim Lubecki an.
Das Arbeitsgericht machte nun in erster Instanz den Weg zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden frei:
… das Gericht bestätigte die Rechtsauffassung der Geschäftsleitung: Betriebsratsvorsitzender Nikolaus Lauter hat sich zu Unrecht selbst Urlaub genehmigt und sich in einem Zeitungsbericht inakzeptabel geäußert. „Der Weg für eine Kündigung ist in dieser Instanz freigegeben“, stellte Richter Thomas Taubert (…) fest.
Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Lauter arbeitet deshalb weiter im Park und plant, bei der nächsten Betriebsratswahl wieder zu kandidieren. Anwalt Alexander Nerlinger, der den Legoland-Betriebsrat vertritt, will nun die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten, was erfahrungsgemäß mehrere Wochen dauert. Dann soll Beschwerde zum Landesarbeitsgericht München eingelegt werden.
Verschiedene Gewerkschafter und Unterstützter hatten vor dem Arbeitsgericht gegen Legoland und seine Praktiken protestiert. Die Geschäftsleitung echauffierte sich über die Unternehmens-Sprecherin Marion Pachmann laut Augsburger Allgemeine, über folgenden Spruch völlig aus dem Häuschen: „So fing es schon 1933 an. Erst die Betriebsräte – und dann?“ Ferner war von „Lohnkriegern“ die rede und von Hetzjagd auf Arbeitnehmervertreter“.
http://www.augsburger-allgemeine.de/krumbach/Plakat-erzuernt-Legoland-id25075946.html
Interview mit NGG-Sekretär Lubecki zum Konflikt: http://www.jungewelt.de/2013/04-11/026.php
Bericht im Regional-TV (1:46 ) http://www.regio-tv.de/video/257997.html
NGG-Schwaben-Seite auf facebook: https://de-de.facebook.com/gewerkschaft.ngg.schwaben
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#UPS: Betriebsrat versucht exzessive Teilzeit einzudämmen
Eine erfolgreiche Verhandlung führte dagegen der Betriebsrat von UPS vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg. Er hatte die Neueinstellung von weiteren Kollegen in Teilzeit abgelehnt und auf die Regelung gepocht, dass bereits im Betrieb beschäftigten Teilzeitkräften zunächst eine Erhöhung der Wochenarbeitsstunden angeboten werden muss.
Die Angestellten im Logistikzentrum arbeiten, so ist zu hören, im Schnitt nur 17 Stunden die Woche, das sind 3,4 Stunden am Tag. Viel zu wenig, um davon leben zu können. UPS liegt mit diesen wenigen fest vereinbarten Wochenstunden jedoch in einem neuerdings weit verbreiteten neoliberalen Arbeitgeber-Trend: es werden nur wenige feste Wochenarbeits-Stunden vereinbart, damit die Arbeitgeber per Überstunden bequem auf einen hohen Arbeitskräftebedarf reagieren können, bei weniger Nachfrage jedoch keine Einbußen durch mangelnde Auslastung hinnehmen müssen. Da außerdem, und das ist der perfideste Trick an dieser Masche, alle Arbeitnehmer zusätzliche Stunden machen wollen um überhaupt genug zu verdienen, müssen sie widerspruchslos nach der Pfeife ihrer Vorarbeiter tanzen und sich mit jeglicher Kritik an der Firma zurückhalten. Denn wer unangenehm auffällt oder gar aufmüpfig wird, darf nur die fest vereinbarten 3,4 Stunden am Tag machen und kann so als eleganter Nebeneffekt auch noch von den Kollegen fern gehalten werden. Auch eine Art Union-Busting, weil schon im Vorhinein die Organisierung der Arbeiter, druch die vertraglich festgelegten wenigen Wochen-Arbeitsstunden verhindert wird.
http://www.jungewelt.de/2013/05-03/052.php
UPS-News auf labournet: http://labournet.de/branchen/dienstleistung/tw/ups/index.html
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# Linnemann-Schnetzer: Schmutziges Spiel durch die Frauenthal Group
Schlichtweg übergangen wurde der Betriebsrat der Frauenthal Group/Ahlen was die Verkaufsabsichten der Geschäftsleitung des Druckluftbehälterwerk Linnemann-Schnetzer an ging. Laut Ahlener Zeitung erfuhren die Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall erst wenige Tage bevor sich die neue Geschäftsleitung vorstellte von dem Verkauf.
IG-Metall-Sekretär Hans-Werner Heißmann-Gladow sprach der „AZ“ gegenüber von einem „kalten Schlag“ für die Mitarbeiter. Das alles sei „schnell und schmutzig“ gelaufen statt mit der gebotenen Transparenz.
Bereits Anfang 2013 hatten 20 gekündigte Beschäftigte der „Linnemann Schnetzer Formparts“ eine Niederlage vor dem Gerichtstag Ahlen des Münsterischen Arbeitsgerichts hinnehmen müssen. Noch sind ca. 120 Arbeiter in dem Betrieb angestellt, der jetzt an eine Firma namens S.E.T. aus Chemnitz verkauft wurde. In Ahlen ist die Belegschaft zu fast 100% organisiert. Die IG Metall behält sich alle Möglichkeiten, inklusive Arbeistkampf, offen.
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# REWE + Penny: Überwachung von Mitarbeitern
Bei der Rewe-Tochter Penny Süd wurden laut „Frontal 21“ (Bericht vom 30.04.2013) in den Jahren 2009 und 2010 Mitarbeiter nicht nur während ihrer Arbeitszeit, sondern auch privat durch Dedekteien überwacht. Sogar private Keller und der Müll von Mitarbeitern wurden durchsucht, um Diebstahl oder Alkoholmissbraucht nachzuweisen. Selbst der Fahrer einer Spedition, die lediglich im Auftrag von Rewe/Penny fährt, wurde privat tagelang, z.B. bei Einkäufen mit seiner Familie, gefilmt. Angeblich, weil man befürchtete, er könnte Pfand stehlen.
Angeblich hat eine einzelne Mitarbeiterin, von der man sich zwischenzeitlich bereits getrennt hat, diese Vorfälle zu verantworten. Im zitierten Beitrag stellt sich die Sachlage allerdings so dar: in Süddeutschland sollten 50 Filialen mit jeweils 5 bis 6 Kameras durchgehend überwacht werden, nachts wurden hunderte Meter Kabel in den abgehängten Decken verlegt, die Kameras liefen über Wochen. „Eine solche Pauschalüberwachung ist unzulässig“ sagt Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, im Beitrag. Ein Dedektiv, der früher selbst für Penny tätig war sagt:
„Es ging vielleicht auch darum, unliebsame Mitarbeiter loszuwerden.“
Die aktuell stattfindenden Überwachungen am Arbeitsplatz würden aufgrund begründeter Anfangsverdächtigungen für Straftaten stattfinden und sind, laut WDR, vom Betriebsrat abgesegnet.
Hierzu muss man wissen, dass REWE traditionell auf unternehmenshörige Betriebsräte setzt und für Gewerkschaften wie ver.di ein äußerst schwer zu organisierendes Unternehmen darstellt. Andreas Ratzmann vom Gesamtbetriebsrat hat Frontal 21 ein Gespräch verweigert.
Ein Detktiv, der in dem Frontal 21-Team potentielle Kunden wähnt, gibt bereitwillig Auskunft über jeweils einwöchige aktuelle Bespitzungen und Komplettüberwachung ganzer Rewe-Märkte. Interessant auch, dass ein vormals für Rewe tätiger Detektiv ganz nebenbei fallen lässt, dass die Detekteien über die Kameraaufnahmen auch sämtliche Kundendaten, inklusive der PINs sammeln: „Wären wir nicht seriös, könnten wir diese Daten verkaufen“. Ob es den Kunden bei so umfassender Verletzung ihrer Privatsphäre reicht, am Ende ihres REWE-Besuches eine paar „Deutschland“-Sammelbildchen in die Hand gedrückt zu bekommen?
http://www.zdf.de/Frontal-21/REWE-Gruppe-bespitzelt-Mitarbeiter-27727204.html
http://www1.wdr.de/themen/infokompakt/nachrichten/nrwkompakt/nrwkompakt16368.html
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# EU-Sozialkommissar rügt Deutschland wegen Niedriglohn und Hartz-4-Aufstockern
Die 1961 von verschiedenen europäischen Staaten, so auch Deutschland, unterzeichnete Sozialcharta, scheint der aktuellen deutschen Regierung das Papier, auf dem sie geschrieben steht nicht wert zu sein. Obwohl die deutsche Regierung 2010 dafür gerügt wurde, dass es einem großen Anteil der deutschen Bevölkerung entgegen der Forderung der Sozialcharta, nicht möglich ist, vom erwirtschafteten Einkommen den Lebensunterhalt zu bestreiten, sieht die scharz-gelbe Koalition keinen Handlungsbedarf, den von Gewerkschaften und Sozialkommisar Lazlo Ándór geforderten Mindestlohn einzuführen. Nach einer Anfrage der Linken abgeordneten Sabine Zimmermann verweist man statt dessen darauf, dass hierzulande niemand existentiell bedroht sei, weil Niedriglöhnern schließlich aufstockendes Hartz IV beantragen könnten.
Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der europäischen Partner, für die das deutsche Lohndumping und die damit erwirtschafteten Exportüberschüsse existentielle Probleme aufwerfen, sondern es darf sich auch gefragt werden, warum so wenige Menschen aggressiv diese unverblümte Verschiebung von Staatskapital (aus Steuergelder finanziertes Hartz IV) auf private Konten von Unternehmern reagieren. Aufstockendes Hartz IV ist nichts anderes Subventionierung von Privatunternehmern auf Kosten von Steuergeldern und der Lebensqualität der ArbeiterInnen.
Zahlen der EU-Statistikbehörde verdeutlichen, dass Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa hat. 2010 lag der Anteil der Empfänger unterer Einkommen in Deutschland bei 22,2 Prozent. In Frankreich lag er nur bei 6,1 Prozent, in Spanien bei 14,7 Prozent, in Portugal bei 16,1 Prozent. Bei Euro-Mitgliedsländern lag er nur in den Niederlanden ähnlich hoch bei 18,1 Prozent.