H&M: Arbeitslosigkeit und Altersarmut nach 27 Jahren Betriebszugehörigkeit?

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Langjährige Mitarbeiterin in vorzeitige Rente geschickt. Trick mit Filialschließungen und Neueröffnungen

Schnittige ältere Ladies gehören in Wirklichkeit nicht zur Zielgruppe von H&M. Genau wie junge Eltern werden ältere Mitarbeiter:innen so billig wie möglich entsorgt. Photo by Jonas Lee on Unsplash

Zunächst zum Trick hinter der Story: H&M eröffnet in unmittelbarer Nähe zu einem bereits bestehenden Geschäft eine weitere Filiale. In der neuen Filiale arbeitet neues Personal. Die alte Filiale, in der mitunter langjährig Beschäftigte tätig sind, schließt. Diese älteren Beschäftigten können sich nun, so das Angebot von H&M, in der neuen Filiale bewerben. Sie werden dort aber nur in den seltensten Fällen genommen, insbesondere nicht, wenn sie etwas älter sind.

Der Vorteil für H&M liegt auf der Hand: Beschäftigte mit älteren Verträgen sind kalt entsorgt, genauso wie lästige Betriebsratsmitglieder. Im neuen Store hat H&M dagegen Beschäftigte, die sich noch eine Karriere bei H&M erhoffen und entsprechend leicht zurecht zu kneten sind.

Im folgenden Fall, auf den uns der Düsseldorfer Rechtsanwalt Daniel Labrow aufmerksam machte, geht es um eine Frau, die seit 1994 bei H&M arbeitet. Also seit rund 27 Jahren!

H&M will die Frau jetzt nach dieser langen Betriebszugehörigkeit mit einer Abfindung von 4.956,- Euro abspeisen. Ein Gütetermin fand bereits statt. H&M würde nicht einmal 500,- Euro drauflegen.


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Betriebsrat macht mit

Das schlimme ist: In der Filiale gibt es einen Betriebsrat! Dieser Betriebsrat hat mit H&M einen Sozialplan für die Filiale abgeschlossen, der für Beschäftigte, die das 59. Lebensjahr vollendet haben, deutlich niedrigere Abfindungen vorsieht.

Nach den Regelungen im Sozialplan für die älteren Beschäftigten hängt die Höhe der Abfindung davon ab, wann man ohne Abzüge in Rente gehen kann. Je später die ungekürzte Rente möglich, desto höher die Abfindung. “Pech“ für die Mandantin von Rechtsanwalt Daniel Labrow: Sie hat schon im November 2020 45 Versicherungsjahre voll, so dass sie vorzeitig in Rente gehen könnte, was sie aber gar nicht will, weil das Arbeitslosengeld höher ist als die Rente! Ergebnis: Sie bekommt nur eine Mini-Abfindung, mit der sie die Differenz zwischen dem Nettolohn und dem Arbeitslosengeld nur für wenige Monate überbrücken kann. Sie wird daher schon bald in Armut verfallen, obwohl sie geplant hatte, erst Ende 2023 Rente zu beziehen.

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht kämpft gegen Unternehmenskonstrukte, die Tricksereien wie Filialzugehörigkeiten, diversen GmbHs und Tochterfirmen spielen. Sie dienen unserer Meinung nach Zwecken wie der Verschleierung von Gewinnen und eben solchem Personal-Geschacher wie im beschriebenem Fall. Unserer Meinung nach sollte grundsätzlich gelten: Eine Betrieb, eine Belegschaft.

Quellen:


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