Massenentlassung bei Dumont: Von Klassendünkel und Empathielosigkeit

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Kollegiale Solidarität mit Druckereiangestellten? Bislang nicht zu sehen.

Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Express: Wo war die schreibende Zunft beim Protest gegen Schließung der hauseigenen Druckerei?  

Ein Gastkommentar von Andreas Richartz

Mitglieder der Aktion gegen Arbeitsunrecht protestieren gegen die kriminell anmutende Druckereischließung bei Dumont in Köln.

Die Nachricht selbst erschien zunächst nahezu surreal, bis sie einem ungläubigen Entsetzen der Gewissheit wich: Der Kölner Verlagskonzern Dumont entsorgte mir nichts dir nichts 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines angestammten Druckereipersonals, möglicherweise unter Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes.

Die Zukunft der im Schnitt 57jährigen Mitarbeiter*innen geht dem Konzern-Management ebenso am Allerwertesten vorbei wie die Gesetzeslage, die derartige neoliberale Angriffe auf das Arbeitsrecht eigentlich verunmöglichen soll: Mit der arbeitgeberfreundlichen Kölner Kanzlei Seitz Partnerschaft hat man schließlich einen der gewieftesten Player der Aushebelung von deutschem Arbeitsrecht  am Start.

Nachdem ich erfahren hatte, was sich da in Köln an Unerhörtem ereignete, schloss ich mich auf Einladung der Aktion gegen Arbeitsunrecht am 12. Oktober 2023 dem Protest der Druckerei-Belegschaft an. Vom ersten Moment an regte sich in mir allergrößte Empörung. Als Autor und Zugehöriger der freien Presselandschaft dieses Landes war ich unmittelbar überzeugt, dass diesem Aufruf zum Protest zu folgen eine gewerkeübergreifende Pflicht zur Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Druckerei einer der größten Tageszeitungen der Republik darstellt.


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Umso größer war die Überraschung vor dem Dumont-Haus an der Amsterdamer-Straße, als klar wurde, dass die Hoffnung, auf Kolleginnen und Kollegen aus den Redaktionen des Verlagshauses zu treffen, vergeblich war. Vor Ort war keine sich offen zu erkennen gebende Gruppierung der schreibenden Zunft in Sicht, die sich solidarisch mit den Verratenen zeigen wollte, niemand hielt stellvertretend für Jene eine Brandrede der Empörung darüber, was der Belegschaft des Druckereibetriebs da angetan wurde.

JedeR stirbt für sich allein

Was sagt uns das über den Zustand unserer Gesellschaft, was über das Funktionieren eines die Gewerke übersteigenden Zusammenhalts verschiedener Lohn- und Tarifgruppen in Krisenzeiten? Von Solidarität seltsamerweise keine Spur, obgleich der eigene Status als Schreiber*in nicht selten noch prekärer ist (kaum noch redaktionelle Festanstellungen, Honorar nur im Kontext von Freibeschäftigung etc.).

Unter diesem Gesichtspunkt kann es nur als leichtes Spiel erachtet werden, welches das Verlags-Management mit seinem perfiden Coup betreiben kann. Kein Mucken und kein Aufbegehren ist bis heute aus den Reihen derjenigen bekannt geworden, deren Erzeugnisse ohne die Drucker-Kolleg*innen gar keine Sichtbarkeit erlangen würden. Französische Verhältnisse einer gewerkeübergeifenden Solidarität? Fehlanzeige! Es ist wie so oft im Kontext einer ausbleibenden Politisierung der Deutschen: Erbärmlich!

Dabei steht die Notwendigkeit einer bezeugten Solidarität ohne Zweifel im Zusammenhang mit der Bedeutung des Drucks für jede Autorenschaft: Ohne Drucker*innen erscheint nicht ein einziges Wort unserer Arbeit, die im Fall der Erzeugnisse des Hauses Dumont sich nun selbst diskreditiert hat und sprichwörtlich das Papier nicht mehr wert ist, auf dem sie in Koblenz ab sofort durch nichttariflich gebundene Arbeiter*innen gedruckt wird! Wer will dagegen argumentieren: Wer sich derart unbetroffen bis feige gibt, verdient es nicht weiter gelesen zu werden. So einfach, wie es dem Konzern fällt, eine ganze Belegschaft zu verraten, so einfach sollte es den Konsumenten fallen, ab sofort auf Stadtanzeiger, Express & Co zu verzichten.

Wer soll das noch lesen? Wer will das abonnieren?

Hatten sich die Erzeugnisse des Konzerns nicht bereits ohnehin durch sein unfassbares Gebaren für mündige Leserinnen und Leser verboten, so ist dies nach dem Ausbleiben der Solidarität der schreibenden Kolleginnen und Kollegen obligat. Wenn schon nicht die Autor*innen den Schneid haben, Solidarität zu üben, so verbleibt  es dennoch den Leser*innen, eine solche unmissverständlich zu demonstrieren. Eine Verlängerung des Protests in die Verkaufszahlen-Realität eines Verlages, dem der moralische Kompass vollständig verloren gegangen ist, wäre die Verweigerung seiner Produkte allemal; nach dem Ausbleiben jeglicher Solidarität seiner Autor*innen erst recht.


Andreas Richartz ist Arbeiterkind, wurde Geisteswissenschaftler und schreibt seit gut drei Jahrzehnten als freier Herausgeber, Publizist und gebuchter Autor über Musik, Kunst, Literatur und andere Dinge des Lebens (Reportagen, Kolumnen etc.). Er lebt bei Köln.


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