H&M droht 344 Arbeitsplätze zu vernichten

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Brutale Vergeltungsmaßnahme: Beschäftigte im H&M-Lager Großostheim wehrten sich gegen miese Arbeitsbedingungen. Jetzt soll ihr Standort abgewickelt werden

H&M Boss Persson
Unvorstellbarer Reichtum: Der schwedische H&M-Präsident und CEO Karl-Johan Persson ist einfacher Millardär. Durch Einsparungen bei Löhnen und Produktionskosten stiegen die Perssons zu den reichsten Familien der Welt auf. (Bild Wikicommons, CC BY 3.0)

Im Lager Großostheim bei Aschaffenburg arbeiten 344 Beschäftigte im 2-Schicht-System. Das H&M-Management verkündete am 29. August 2017, man plane die Schließung des Lagers zum 30. Juni 2018. Es dürfte sich um eine Vergeltungsmaßnahme handeln mit dem Ziel, eine gut organisierte, streikfähige Belegschaft loszuwerden.

Der Betriebsrat des Lagers Großostheim hatte im Januar 2017 per Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung verhindert, die unter anderem vorsah, Dienstpläne noch flexibler zu gestalten. Der bisherige Planungszeitraum von 14 Tagen sollte weiter verkürzt werden. Die Belegschaft sollte an Samstagen verstärkt zu Arbeit auf Abruf verpflichtet werden.

Der Betriebsrat verwehrte sich gegen diese weitere Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse. Die Beschäftigten des Lagers litten ohnehin schon unter den enormen Anforderungen und der Arbeitsverdichtung. Die Kommissionierer, meist Frauen, die die Bestellungen einzelner H&M Stores zusammenzustellen, hatten jeden Tag dicke Stapel von Listen ab zu arbeiten. Um das Pensum zu schaffen und unangenehme Einzelgespräche mit Vorgesetzten zu vermeiden, haben sie sogar auf Pausen und Toilettengänge verzichtet. 150 Beschäftigte des Lagers Großostheim sind über 50 Jahre alt.

Verlagerung nach Polen: H&M will kampfstarke Belegschaft und aktiven BR entsorgen


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Die Auftragslage änderte sich, als die Belegschaft sich 2017 an Streiks im Rahmen der Entgelttarifrunde Einzelhandel 2017 (Mai bis Anfang August) beteiligte. Das H&M Management unter Deutschland-Chef Thorsten Mindermann verlegte, damit der Betriebsablauf während des Streiks nicht gestört wird, die Abwicklung viele Aufträge in H&M-Lager in Hamburg und Österreich. In der Folge beliefert das Lager in Großostheim nun nur noch 60 umsatzschwache Stores in Ostdeutschland und Osteuropa. Vor dem Streik dagegen waren es 140 Filialen.

H&M Hauptaktionär Stefan Persson
Obszöner Reichtum: Stefan Persson ist als Hauptaktionär von H&M der reichste Mann Schwedens und liegt im internationalen Superreichen-Ranking derzeit auf Platz 50. Laut Forbes besaß er 2017 stolze 20 Mrd. US-Dollar. Oxfam schätzte 2017, dass die acht reichsten Menschen des Planeten soviel besitzen wie die Hälfte der Menschheit zusammen.

Anfang des Jahres war Spatenstich für ein neues H&M-Lager in Grodzisk Mazowiecki (Polen) das bereits im Herbst 2017 fertig werden soll. Zum Vergleich: das Lager in Großostheim hat 18.000m² Fläche, in Polen werden 30.000m² angelegt. Vermutlich erhalten die schwedischen Millardäre für dieses Manöver auch noch EU-Beihilfen.

Abteilung strategische Beratung?

Sucht man nach Zuständigkeiten verweist der deutsche H&M-Führungsstab stets auf das Management in Schweden. Zu einer Betriebsversammlung nach Bekanntgabe der Schließung erschienen zwei Vertreter der Deutschland-Geschäftsleitung aus Hamburg in Begleitung eines Sicherheitsdienstes.

Die juristische Beratung in Sachen Union Busting hat seit Jahren die Kanzlei DLA Piper inne, die Beschäftigte mit unsubstantiierten Abmahnungen und konstruierten Kündigungen drangsaliert. Vor Gericht sind diese Konstrukte meist hinfällig, sie zielen lediglich auf die Zermürbung der Betroffenen.

Gegenwehr: Jetzt schlägt’s 13!

Für Freitag, den 13. Oktober 2017 ruft die aktion ./. arbeitsunrecht zu Protesten gegen miese Jobs und Union Busting bei H&M auf. Im Kern der Kritik stehen neben der Schließung des Lagers Großostheim drei aktuelle Kündigungsverfahren gegen Betriebsratsmitglieder in Tübingen, Leverkusen und Bad Godesberg, sowie flexible Arbeitsverträge der Beschäftigten in den Stores. Sie leiden durch diese Praxis nicht nur unter finanzieller und zeitlicher Planungsunsicherheit, sondern sind auch jederzeit erpressbar.

Der letzte Schwarze Freitag am 13. Januar 2017, richtete sich gegen Union Busting bei der Median Kliniken GmbH. Auch dort hatte das Management eine profitable Klinik in Bad Oyenhausen geschlossen, nachdem die Belegschaft gestreikt hatte. Vermutlich wurde hier, wie auch bei H&M, schlicht die Gelegenheit genutzt Überkapazitäten abzubauen und damit gleichzeitig ein Signal an die Gesamtbelegschaft zu senden.

Die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. ruft an jedem Schwarzen Freitag zu einem Widerstandstag der arbeitenden Bevölkerung gegen Horror-Jobs und Union Buster auf. H&M setzte sich in einer Online-Abstimmung gegen das Deutsche Rote Kreuz und den Mercedes-Zulieferer Rotec durch. Am 13. Oktober 2017 findet der Schwarze Freitag zum fünften Mal statt. Wer Aktionen an H&M-Stores planen oder daran teilnehmen will findet auf www.arbeitsunrecht.de mehr Informationen.


Der Beitrag erschien in leicht veränderter Form in der Tageszeitung junge Welt vom 26.9.2017.


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2 Kommentare

  1. Warum überhaupt arbeiten?

    Vor dem Tor zur Fabrik hält der Arbeiter plötzlich an
    das schöne Wetter hat ihn am Rock gezupft
    und als er sich umwendet die Sonne betrachtet
    die rot leuchtet und beendet lächelt im bleigrauen Himmel
    zwinkert er ihr vertraulich zu, sag Kamerad Sonne
    meinst Du nicht auch man sollte verdammt bedenken
    einen solchen Tag dem Chef zu schenken?

    Jacques Prévert, französischer Lyriker, aus „Die verlorene Zeit“

    Zitat (Andreas Popp : „Endlich arbeitslos!“)
    https://aufgewachter.wordpress.com/2017/05/17/zitat-andreas-popp/

  2. Bist Du schon länger, als 12 Monate arbeitslos? Fühlst Du Dich wegen der zahlreichen Vorstellungsgespräche, Absagen und Maßnahmen abgeschlagen, entmutigt, kraftlos und schwindelig? Bekommst Du schon Herzklopfen, wenn Du wieder einen Brief vom Jobcenter im Postkasten liegen siehst? Zickt die Fallmanagerin vom Jobcenter wieder ´rum? Dann ist es Zeit zu einem Arzt oder Psychotherapeuten zu gehen, um sich erst einmal für mindestens 6 Monate krank schreiben zu lassen.

    Sanktionsfrei durch krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit
    https://aufgewachter.wordpress.com/2017/07/04/sanktionsfrei-durch-krankheitsbedingte-erwerbsunfaehigkeit/

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