Frontberichte 02/2017

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Presseschau: Betriebsrats-Bekämpfung, Union Busting und Lohnraub

G&J Services GmbH  / Paderborn: Lohnraub an Putzfrauen bringt FDP-Politiker zu Fall ++ H&M / Tübingen: BR-Vorsitzender gekündigt ++ Knorr Bremse & KB Powertec / Berlin-Tegel: Sieben Stunden unbezahlte Mehrarbeit pro Woche! ++ Haus Flora (Artemed) / Elmshorn: Kündigungsversuch gegen BR-Vorsitzende gescheitert ++ Maja-Möbelwerk / Wittichenau: IKEA-Zulieferer gegen Betriebsratswahlen und IG Metall ++ Hollerhöfe / Waldeck bei Kemnath: Kündigung wegen Betriebrats-Gründung

G&J Services: Lohnraub an Putzfrauen bringt FDP-Politiker zu Fall

Der Fraktionsvorsitzende der dreiköpfigen FDP-Fraktion im Paderborner Stadtrat Dominic Gundlach (35) ist laut Westfalen-Blatt vom 28.2.2017 zurück getreten. Der wirtschaftsliberale Unternehmer stolperte über sein kriminiell anmutendes Geschäftsgebahren als Boss der Reinigungsfirma G&J Services GmbH.

Gundlach soll systematischen Lohnraub an Putzkräften begangen haben und wird der Insolvenzverschleppung verdächtigt. In letzterem Straftatbestand ermittelt die Staatsanwaltschaft, so schreibt das Westfalen-Blatt am 3.3.2017.

Der IG BAU-Sekretär Gianpaolo Mosca berichtete gegenüber der Lokalpresse von mindestens zehn Fällen, in denen Reinigungskräfte ihren Lohn einklagten. Wie das Westfalen-Blatt am 18.2.2017 schrieb, ging es um Beträge zwischen 300 und 1700 Euro. „In mindestens drei Fällen sei es bereits zu Versäumnisurteilen und auch zu Zwangsvollstreckungen gekommen. Weitere Verfahren würden am Arbeitsgericht verhandelt.“


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Manche Zeilen der Presse-Berichte lassen tief blicken:

Gundlach wies Verlautbarungen zurück, es mangele dem Unternehmen auch an Arbeitsmaterial. Wenn eine Reinigungsmaschine ausfalle, werde sie so schnell wie möglich repariert. Nur in Ausnahmefällen hätten Reinigungskräfte daher auch schon mal eine Flughafenhalle per Hand gesäubert.

G & J Services GmbH war für die Reinigung des Flughafens Paderborn zuständig, bis der Auftrag im Herbst 2016 flöten ging. Gundlach beschäftigt im Reinigungssektor nach eigenen Angaben bundesweit 140 bis 170 Mitarbeiter – überwiegend im Niedriglohnbereich, darunter offenbar viele, die aufgrund ihres kärglichen Lohnes mit Hartz-IV aufstocken mussten.

Das Arbeitsamt bzw. JobCenter setzte in mehreren Fällen die Niedriglohn-Aufstockung aus, erklärte der IG BAU-Sekretär Mosca gegenüber der Presse, weil die Reinigungskräfte aufgrund der schlampigen Unternehmensführung des FDP-Mannes und seiner Kumpane keine Abrechnungen vorlegen konnten.

H&M: BR-Vorsitzender in Tübinger Filiale fadenscheinig gekündigt

Die Mode-Kette Hennes & Mauritz ist in Deutschland für notorische Bekämpfung von Gewerkschaftern und Betriebsräten (BR) bekannt, so in Trier (arbeitsunrecht.de 24.3.2014) und Heilbronn (arbeitsunrecht.de 7.8.2014). Derzeit soll ein engagierter BR-Vorsitzender in Tübingen gefeuert werden. Der Mann hatte die Gründung des BR im Jahr 2006 initiiert und ist seit 2013 dessen Vorsitzender.

Der Fall landete nun vor Gericht (Reutlinger General-Anzeiger, 3.3.2017). Die Geschäftsleitung präsentierte zur Begründung der fristlosen Kündigung eine krude Union Busting-Story, in der es um Gehaltserhöhungen und angebliche Nebenabsprachen ging. Beim Gütetermin versuchte das Management, den Rauswurf des Gewerkschafters mit einer Abfindung von 50.000,- Euro zu versüßen. Doch das stieß glücklicherweise auf taube Ohren des Betroffenen und seiner Anwältin Karin Burth.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schreibt zum Tübinger Fall: 

Das Vorgehen von H&M, engagierte lnteressensvertretungen zu diffamieren, zu bekämpfen und auszugrenzen hat eine lange Tradition. Hierbei sei speziell an Damiano, Ayse, Lukas, Marta, Erika und Alexandra erinnert, welche zu Unrecht zur Zielscheibe von H&M geworden sind.

Der ver.di-Sekretär Jan Bleckert meinte weiter: „Es ist ein unsoziales und undemokratisches Verhalten von der Arbeitgeberseite. Natürlich werden wir den betroffenen Kollegen in seinem Verfahren begleiten und unterstützen.“

Quelle: https://fils-neckar-alb.verdi.de/themen/nachrichten/++co++c42160fa-fd92-11e6-bae2-52540077a3af


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Knorr Bremse & KB Powertech: Management fordert sieben Stunden unbezahlte Mehrarbeit!

In der deutschen Industrie kreist der Hammer – insbesondere bei den Zulieferern.

Den Vogel schießt derzeit der Geschäftsführer der Knorr Bremse AG, Klaus Deller, ab. Die 350 Arbeiter der konzerneigenen KB Powertech in Berlin-Tegel arbeiten seit langem schon 38 Stunden pro Woche und geben sich dafür mit einer Bezahlung von bloß 35 Stunden zufrieden. KB Powertech zählt laut IG Metall zu den weltweit führenden Unternehmen in der Energieversorgung von Schienenfahrzeugen sowie in Industrie und Forschung. Doch der einst exzellente Ruf des Unternehmens ist möglicherweise gefährdet.

Jetzt ließ CEO Deller Änderungsverträge verteilen, in denen er die Arbeitszeit auf 42 Stunden erhöhen will, ohne einen Cent mehr zu blechen. Dreiste Begründung: Man wolle den Standort sanieren. Dafür solle die Belegschaft „ihren Beitrag leisten.“ Es sei doch nicht so schlimm, „48 Minuten pro Tag länger zu arbeiten.“ Außerdem wäre das alles „freiwillig“.

Die IG Metall Berlin nennt dieses Verhalten klar beim Namen: „Zutiefst asozial“. Die Industriegewerkschaft schreibt weiter:

Sie haben eine prall gefüllte Kasse, kaufen ein Unternehmen nach dem anderen auf und drangsalieren deren Belegschaften. Management und Inhaber von Knorr Bremse sind besonders gut in Wasser predigen und Schampus saufen: Jetzt wollen sie den gut 350 Berliner Beschäftigten von KB Powertech in Tegel sieben Stunden (!) mehr Arbeit pro Woche aufdrücken – ohne einen Cent mehr bezahlen zu wollen. Ein Tag länger arbeiten für umme: Wo gibt es das denn?

Wir würden uns gern mehr von dieser echten Empörung in bisweilen oft drögen Gewerkschaftstexten wünschen! Denn recht haben die Kollegen: Wo gibt es das denn??!!

Quelle: http://www.igmetall-berlin.de/aktuelles/meldung/zutiefst-asozial-1/


Artemed: Fadenscheiniger Kündigungsversuch gegen BR-Vorsitzende gescheitert

Schwarzer Freitag, 13. Mai 2016: Vortrag von Werner Rügemer vor der McKinsey-Niederlassung in Köln (siehe Youtube-Video Adé McKinsey).

Der Klinik-Konzern Artemed ist mit dem Versuch gescheitert, die Betriebsratsvorsitzende des Elmshorner Spezialpflegeheims Haus Flora zu feuern. Das Arbeitsgericht Elmshorn weigerte sich, eine Zustimmungsersetzungsklage der Geschäftsführung durch zu winken. Als Vorwand sollte eine Krankmeldung der BR-Vorsitzenden Antje K. dienen, die das Unternehmen mit fadenscheinigen bis abenteurlichen Argumenten anzweifelte (Hamburger Abendblatt, 28.2.2017).

Doch diesmal ließ sich das Gericht nicht täuschen. Auch der Journalist Arne Kolarczyk roch den Braten:

Es ist nicht der erste Prozess, den Artemed gegen ein Betriebsratsmitglied des Pflegeheims verliert. Erst vor Kurzem hat eine Betriebsrätin des nicht tarifgebundenen Unternehmens die Erhöhung der Nachtschichtzulage erzwungen. In diesem Fall hat der Konzern Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt, sodass die Entscheidung bisher nicht rechtskräftig ist.

Hier ist für Patienten wie Jobsuchende Vorsicht geboten!

Dass der Pflegeheim-Betreiber Artemed ein aggressiver Player ist, wird schon bei einem kurzen Blick auf seine Führungsriege deutlich. Die gesamte Geschäftsführung –  bestehend aus Benjamin Behar, Clemens Guth, Rainer Salfeld – kommt aus dem weitverzweigten Netzwerk der berüchtigten Unternehmensberatung McKinsey (siehe Artemed-Website). Geschäftsführer Clemens Guth hat zudem an der Harvard Business School gelernt und weist sich als Experte für „nutzenorientierte Gesundheitssysteme“ aus – gemeint sein dürfte vor allem der Nutzen der Investoren, auch Profit bzw. Reibach genannt. (Mehr zu McKinsey: https://aktion.arbeitsunrecht.de/de/freitag13/mai2016/mckinsey)

Leider verrät uns die Lokal-Presse nichts über beteiligte Union Busting-Dienstleister (Detekteien, Anwaltskanzleien) auf Seiten des Managements. Ist auch hier womöglich – wie im Fall Median / Waterland –  die Kanzlei Beiten Burkhard am Start? (Ergänzungen und Infos erwünscht über die Kommetarfunktion ganz unten!)


Maja-Möbelwerk: IKEA-Zulieferer gegen Betriebsratswahlen und IG Metall

Nicht nur Auto-Hersteller haben ein weitverzweigtes Zulieferer-System. Im sächsischen Wittichenau bei Hoyerswerda ist einer der Top-5-Zulieferer von IKEA beheimatet. Im Maja-Möbelwerk werden die Modelle „Malm“, „Alex“, „Nordli“ und „Kallax“ produziert.

Die Lokalpresse jubelt über diesen vermeintlichen Leuchtturm im strukturschwachen Osten, doch sie Arbeitsbedingungen der Maja-Beschäftigten sind nicht besonders rosig:  „Entlohnung knapp über Mindestlohn, teilweise 12-Stunden-Schichten, enorme Wärme- und Staubbelastung im Sommer und hoher Krankenstand“, lässt sich IG-Metall-Sekretär Uwe Garbe zitieren (Sächsische Zeitung, 26.4.2016). Perspektivisch bräuchten die 630 Mitarbeiter, von denen jeder fünfte aus Polen komme, einen Betriebsrat und Tarifbindung.

Genau das hat die IG Metall nun auf den Weg gebracht. Am 25.1.2017 haben laut Industriegewerkschaft 400 von 600 Beschäftigten an der der ersten Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes teilgenommen (IG Metall Ostdsachsen, 10.2.2017). Schritt eins zur Gründung eines Betriebsrats wäre gemacht.

Das riecht nach Ärger: Hausverbot gegen IG Metall

Doch jetzt hakt es gewaltig. Die Geschäftsführung erkennt die Wahl nicht an, macht im Betrieb Stimmung gegen das Wahlergebnis und spricht gleichzeitig der IG Metall ein Hausverbot aus. Die Lausitzer Rundschau vom 13.2.2017 kolportiert die Argumentation des Managements so:

Die Betriebsversammlung habe beschlossen, aufgrund der Firmengröße und des Schichtbetriebes einen Wahlvorstand mit fünf Mitgliedern zu wählen. Doch bei der Wahl haben offenbar nur drei von zehn Bewerbern die nötige Stimmenanzahl erhalten. Das moniert Maja-Geschäftsführer Uwe Gottschlich und kritisiert zugleich ein aggressives Vorgehen der Gewerkschaft, die kein konstruktives Gespräch zulasse.

Eine typische Täter-Opfer-Umkehr. Nicht die abhängig Beschäftigten werden vom Unternehmen ausgepresst und mit Überstunden und 12 Stunden-Schichten ohne Tariflohn drangsaliert, sondern die Gewerkschaft drangsaliert das Management! Man wird die Sache vorerst vor dem Arbeitsgericht austragen.

IG Metall-Sekretär Uwe Garbe erklärte dem MDR, er rechne damit, dass der Betriebsrat im Maja-Möbelwerk frühestens im Mai gewählt werde. 20 Bewerber gebe es bereits. „Ich gehe davon aus, dass der Betriebsrat aus elf Mitgliedern bestehen wird. Und er sollte zehn Nachrücker haben“. (mdr.de, 9.2.2017)

Maja mit Sitz im oberfränkischen Kasendorf ist eine Tochter der Münchner Vivonio Furniture GmbH. Die Gruppe europäischer Möbelhersteller gehört wiederum mehrheitlich dem Finanzinvestor Equistone Partners Europe, einer Abspaltung der Barclays Bank (de.wikipedia.org). Mit vier Werken und 1.200 Mitarbeitern erwirtschaftet die Vivonio-Gruppe 300 Millionen Euro. Maja steuert die Hälfte bei.


Hollerhöfe / Waldeck bei Kemnath: Kündigung wegen Betriebrats-Gründung

Drei Beschäftigte des Hotel- und Gaststättenbetriebs Hollerhöfe im Landkreis Tirschenreuth bei Regensburg sind gefeuert worden, weil sie einen Betriebsrat gründen wollten. Mit Hilfe des Betriebsverfassungsgesetzes wollten sie nach Angaben des Oberpfälzer Nachrichtenportals onetz.de vom 10.2.2017 etwas gegen die „nicht planbaren und einseitig angeordneten Arbeits- und Urlaubszeiten“ unternehmen. Einer der verhinderten BR-Gründer erhielt die fristlose Kündigung per Gerichtsvollzieher, zwei weitere Kündigungen folgten.

Die matriarchal auftretende Hotelchefin Elisabeth Zintl entblödetet sich nicht gegenüber der Presse zu behaupten, ihr habe „das aggressive Auftreten des Gewerkschaftsvertreters missfallen“.

Da der Betrieb weniger als 20 Beschäftigte hat, würde der BR nur aus einer Person sowie Ersatzmitlgiedern bestehen.


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