Unternehmenskritik und Whistleblowing können zu Kündigung, hohen Gerichts- und Anwaltskosten und horrenden Schadensersatzforderungen führen — wenn es schlecht läuft.

• Die Interessenlage der Beteiligten; Unternehmen – Anwaltsbüros – Initiativen.

• Kontrollierte Offensive (Otto Rehhagel) – Vermeidung möglicher Fehler in Veröffentlichungen ohne Selbstzensur und ängstliche Vermeidungshaltung. Was sind häufige Fehler und falsche Einschätzungen der Betroffenen?

• Was tun, wenn die Abmahnung im Briekasten liegt? Wehren oder nachgeben? Wenn unvermeidbar: kostengünstige Erklärungen, Richtigstellung und geänderte Berichterstattung.

• Wie bringen wir unsere Anliegen nach vorne — trotz massiven Gegenwinds oder vielleicht sogar dadurch? Lassen sich juristische Angriffe und Prozesstermine nutzen, um Öffentlichkeit zu schaffen? (Wenn unser Thema belanglos wäre, würde es ignoriert; was unterdrückt werden soll, ist hingegen interessant.)

• Nebenbei bemerkt: Warum so häufig Hamburg? Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg ist die bevorzugte Adresse von Abmahn- und Unterlassungsanwälten. Dass Unternehmen, Behörden und mächtige Einzelpersonen, die unliebsame Berichte verhindern wollen, hier auf mehr Verständnis stoßen als an anderen Landgerichten hat Tradition. Wie entsteht eine solche Tradition? Was ist daran problematisch?

Weitergehende Informationen zum Thema

• Auf der Webseite ihres Anwaltsbüros findet man eine weiter gefasste (etwas ältere) Einführung in das Medienrecht für Nichtjuristen.
• Aktuelle „Arbeitsproben“ findet man hier.
• Rechtsanwalt Reinecke hat in seinem Blog „Die Schneeflocke“ auch diverse Beträge zum Presserecht veröffentlicht.

Umstrittener Geschäftsführer setzt auf die Medienkanzlei Schertz Bergmann, um Kritiker einzuschüchtern. Am Klinikum Lippe standen konkrete Vorwürfe im Raum, dass Personalmangel und Überlastung sogar für Todesfälle mitverantwortlich sein könnten. Der WDR und die Neue Westfälische berichteten.

Pflegenotstand und ein marodes Gesundheitssystem — so lauten die Probleme in ganz Deutschland. Im Klinikum Lippe scheint sich der Pflege-Notstand zur Katastrophe aus zu wachsen. Beschäftigte schmeißen hin — auch weil die Geschäftsführung ein toxisches Arbeitsklima kultiviert hat.

Eine Palliativkrankenschwester verklagte das Klinikum Lippe. 47 mal habe die Pflegekraft gemeinsam mit Kolleg*innen innerhalb von zwei Jahren der Geschäftsleitung gemeldet, dass die Palliativ-Station unterbesetzt gewesen sei. Insgesamt wurden während des Zeitraums mehrere hundert Überlastungsanzeigen im gesamten Klinikum geschrieben. Es handelt sich um einen Musterprozess. Denn noch existieren keine Urteile zu solchen oder ähnlichen Fällen.

Zur traurigen Wahrheit gehört auch, dass der zuständige Betriebsrat und die zuständige Gewerkschaftssektion entweder vor sich hin schlafen oder in ein örtliches Schweigekartell eingebunden scheinen.

So kommt der Bürgerinitiative Aktionsbündnis Klinikum Lippe die Aufgabe zu, öffentlichen Druck zu entfalten und für Aufklärung zu sorgen.

Anstatt Abhilfe zu schaffen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, anstatt eine kontraproduktive bis skandalträchtige Geschäftsführung auszutauschen, setzt das Klinikum Lippe die berüchtigte Berliner Kanzlei Schertz Bergmann auf seine Kritiker*innen an.

Das Deutsche Rote Kreuz verklagt die Tageszeitung »nd« wegen Berichterstattung über unhaltbare Zustände im Berliner Ankunftszentrum Tegel.

In der Massenunterkunft für Geflüchtete leben zeitweise fast 5.000 Menschen. Kritik an den dort herrschenden Zuständen landet vor der Pressekammer Berlin. Das nd schreibt von „Missmanagement, Inkompetenz und Profitmaximierung“ »Es gibt einen Mindestbestand an Beweistatsachen, dass in dem Lager, deren Betrieb Sie ohne Ausschreibung übernommen haben, menschenunwürdige Zustände bestehen, und Sie tun in Ihrem Titel auch noch so, als wären Sie ein Sozialwerk!«, so der Anwalt des nd, Johnny Eisenberg vor Gericht.

Auf der anderen Seite ist auch in diesem Verfahren die Kanzlei Schertz Bergmann aktiv um Konzernkritik abzuwürgen.

Gegenstand des Verfahrens sind zwölf Textstellen eines nd-Artikels vom 22. April 2024 —größtenteils Aussagen von im Text anonym bleibenden Mitarbeiter*innen der Massenunterkunft in Tegel. Dabei verzichtet das Rote Kreuz darauf, Belege dafür vorzubringen, dass die Aussagen nicht stimmen. »Es ist eine Problematik, dass in der Antragsschrift nichts glaubhaft gemacht wurde«, so der Richter in der Verhandlung.

Weitere Informationen

• Nora Noll: Ankunftszentrum in Berlin-Tegel: Fatale Zustände für Geflüchtete, nd, 22.4.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181267.fluechtlinge-ankunftszentrum-in-berlin-tegel-fatale-zustaende-fuer-gefluechtete.html
• Lola Zeller: Hitzige Verhandlung: DRK gegen »nd«, nd, 7.6.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182790.rechtsstreit-hitzige-verhandlung-drk-gegen-nd.html

Der Rat der Europäischen Union hat am 19. März 2024 die Richtlinie zum Schutz vor strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung angenommen. Seitdem sind die EU-Mitgliedsstaaten in der Pflicht konkrete Maßnahmen zum besseren Schutz gegen SLAPP umzusetzen. Wie ist der Stand der Dinge? Was ist zu erwarten?

Derweil hat sich das No SLAPP-Bündnis Deutschland gegeründet und im Mai 2024 eine Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet. Die Zielgruppe sind Journalist*innen, Blogger*innen und andere freie Autor*innen. Dazu zählen auch Whistleblower, gegen die als Hinweisgeber auf Missstände juristisch vorgegangen wird.

Dazu gehören auch Betriebsräte, Gewerkschafter und Arbeitsrechtler*innen, die mit Konzernen und aggressiven Investoren im Interessenskonflikt stehen und beinahe automatisch juristische Auseinandersetzung auf sich ziehen. Diese haben neben der arbeitsrechtlichen oft auch eine medienrechtliche Dimension.

Betriebsräte in Start-up-Unternehmen zu gründen, ist eine besondere Herausforderung. Wie müsste sich das Betriebsverfassungsgesetz an neue Bedingungen in der Unternehmenslandschaft anpassen?

Dass es für Gewerkschaften schwer ist, in Start-ups Fuß zu fassen, liegt nicht nur am Druck der Investoren und ihrer Angst vor Kontrollverlust, sondern auch an instablilen, sich ständig verändernden Unternehmensstrukturen, sowie an einer Unternehmenskultur, die zunächst gewerkschaftsfern, neoliberal oder pseudo-alternativ daher kommt (flache bzw. verdeckte Hierarchien, Vermischung von Freizeit und Arbeit bzw. Entgrenzung der Arbeit).

Hinzu kommt Union Busting durch spezialisierte Dienstleister, die aus einer üppig gefüllten Kriegskasse bezahlt werden.

Start-up-Unternehmen sind nicht leicht zu organisieren, aber es geht. Doch es könnt besser gehen. Dafür müsste das Betriebsverfassungsgesetz an eine sich wandelnde Realität angepasst werden. Denkbar wäre ein Betriebsrat nicht für eine Firma, sondern für ein örtliches Firmen-Cluster zu wählen. Also eine Art Lokal-Betriebsrat.

„Institutsgremien“, „Ops Committees“ und andere schillernde Pseudo-Organe werden von Wirtschaftskanzleien und PR-Agenturen installiert, um einer Betriebsratsgründung zuvor zu kommen oder eine erfolgreiche Betriebsratsbehinderung dauerhaft abzusichern. Im soziologischen Fachjargon hat sich der Begriff Andere Vertretungsorgane (AVO) etabliert.

Die Kanzlei Pusch Wahlig wirbt nicht nur offensiv mit ihrer Expertise in Sachen alternativer Pseudo-Mitbestimmung; ihre Tätigkeit ist mittlerweile gut dokumentiert und durch Arbeitsgerichts- und Medienprozesse aktenkundig.

Das liegt auch an einer teilnehmender Beobachtung durch den Pressesprecher der aktion ./. arbeitsunrecht beim Lieferdienst Flink in Berlin im Jahr 2023. Die Berichterstattung zog weitere Kontakte zu Betroffenen und Beteiligten nach sich, die es mit dieser aggressiven Kanzlei und ihren Methoden zu tun hatten.