Union Busting News 16/24: Ottobock, CATL, Vivantes, BVG, Stellenerhalt per Solidarität in Erfurt

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Ottobock / Gegen Betriebsrat und IG Metall
  • BVG / Kündigung wegen facebook-Post rechtens
  • GlaxoSmithKline / 100% Stellenerhalt per Solidarität
  • CATL / Batterie-Hersteller nach Betriebsratsgründung gegen Betriebsrats-Kandidatin
  • Vivantes / Stellv. Aufsichtsratsvorsitzende bei Vivantes wegen politischem Engagement abgewählt?
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Ottobock: Gegen Betriebsrat und IG Metall

Göttingen: Der Prothesenhersteller Ottobock möchte einem Betriebsratsmitglied außerordentlich kündigen. Da der Betriebsrat seine Zustimmung zur Kündigung verweigerte, hat die Geschäftsführung einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht Göttingen gestellt. Das meldete das Arbeitsgericht in einer Pressemitteilung. 1

Die rund 9000 Angestellten von Ottobock werden nicht nach Tarifvertrag bezahlt.2 Die Gewerkschaft wählte deshalb 30 Vertrauensleute aus den Reihen der Ottobock-Belegschaft. Sie sollen neue Mitglieder werben und den Organisationsgrad im Betrieb erhöhen. Also die Belegschaft für einen Tarifkampf fit machen. Unter den größtenteils langjährigen Angestellten, die nun Vertrauensleute sind, sollen auch Betriebsratsmitglieder sein.

Diese IG Metall Kampagne macht die Ottobock-Geschäftsführung unter dem Erben Hans Georg Näder offensichtlich hochgradig nervös. Am 11.10. 2024 soll die Geschäftsführung sich deshalb in einem Schreiben an Führungskräfte gewandt haben. In dem internen Schreiben soll Christian Lambrecht, der Personal-Chef von Ottobock, Führungskräfte dazu auffordern sich bei der Personalabteilung zu melden, wenn es zu störenden Vorfällen mit Vertrauenspersonen käme.


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Beobachtung und Denunziation

Die Geschäftsführung soll laut IG Metall im Schreiben ausführen, dass durch die Ansprache von Vertrauenspersonen Arbeitsabläufe unterbrochen und Mitarbeiter*innen mutwillig von der Arbeit abgehalten würden. Angestellte würden sogar im Homeoffice arbeiten, um nur ja nicht von Vertrauensleuten angesprochen zu werden. Die Angestellten hätten aber ein Recht, von der Gewerkschaft in Ruhe gelassen zu werden.

Eine ähnliche Aufforderung zu Beobachtung und Denunziation besteht laut IG Metall auch für Betriebsräte. Sie sollen, sofern sie eine Doppelrolle als Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute haben, gefragt werden, in welcher Position sie gerade mit Kolleg*innen sprechen. Denn Betriebsratsmitglieder seien zu einer gewerkschaftsneutralen Amtsführung verpflichtet.

Für uns als Aktion gegen Arbeitsunrecht ist es allerdings offensichtlich, dass mit dieser besonderen Beobachtung lediglich Abmahnungs- und Kündigungsgründe kreiert werden sollen.

Beim aktuellen Kündigungsversuch wird einem Betriebsratsmitglied vorgeworfen, mit dem zuständigen Gewerkschaftssekretär der IG Metall in der Entwicklungsabteilung Kaffee getrunken zu haben. Und damit hätte das Betriebsratsmitglied gegen Geheimhaltungspflichten verstoßen. Das Mandat für das Kündigungsverfahren durch Ottobock hat die Kanzlei Taylor Wessing.

Wir nehmen an, dass im Hintergrund lediglich darum geht, dass der Milliarden-Erbe Hans Georg Näder fürchtet, seine Angestellten langfristig besser bezahlen zu müssen und dann etwas weniger Gewinn zu erwirtschaften. Ottobock ist Weltmarktführer in Prothetik. Im deutschen Manager Magazin steht Hans Georg Näder im Jahr 2018 mit 2 Milliarden Euro auf Rang 90 der reichsten Deutschen.

Die Güteverhandlung zur Kündigung fand am 6.11.2024 am Arbeitsgericht Göttingen statt.

Wir werden Euch auf dem Laufendem halten und senden solidarische Grüße an die Ottobock-Belegschaft, die hoffentlich zusammen hält und sich nicht spalten lässt.► zurück nach oben

BVG: Kündigung wegen facebook Post

Berlin: Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigung eines Straßenbahnfahrers bestätigt. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG hatten dem Mann gekündigt, weil er im Mai 2024 auf Facebook eine verstörende Fotomontage gepostet hatte. Darüber berichtet die Webseite msn.3

Das Bild im Post zeigte einen knienden Mann, auf dessen Kopf eine Pistole gerichtet ist. Darauf stand geschrieben: „Verdi hört den Warnschuss nicht“.

Diese Fotomontage, so die Richter, könne als Bedrohung von Angestellten aufgefasst werden, die sich bei der Gewerkschaft Verdi engagieren. Der Post war ein Kommentar zum Ergebnis einer Verdi-Mitgliederbefragung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.► zurück nach oben

GlaxoSmithKine: Stellenerhalt per Solidarität!

Dresden: Beim Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline Biologicals (GSK) drohte die Kündigung von 100 der bislang 800 Angestellten. Grund war ein Auftragseinbruch infolge der Reisebeschränkungen durch Corona und der daraus folgende Rückgang von Reiseimpfungen. Darüber berichtet die Hans Boeckler-Stiftung.4

Die Kolleginnen und Kollegen in Dresden haben jedoch einen ganz einfachen Weg gefunden, alle Arbeitsplätze zu erhalten: Alle arbeiten ein ganzes Jahr lang wöchentlich 3,5 Stunden weniger und erhalten auch entsprechend weniger Lohn. Die Beschäftigen verzichten so allesamt auf 9% ihres üblichen Gehaltes.

Alle machen mit – allen Stellen bleiben erhalten

An diesem Projekt beteiligen sich alle Beschäftigten von Produktion bis Geschäftsleitung. So kann über das Jahr ein Betrag von 10 Millionen Euro eingespart werden und niemand muss gehen.

Der Betriebsrat hatte viel Arbeit in das Projekt gesteckt: 24 Arbeitstage soll das insgesamt dreizehnköpfige Gremium eingesetzt haben, um die Situation zu analysieren und die Betriebsvereinbarungen auszuarbeiten. Durch sein Engagement konnte der Betriebsrat betriebsbedingte Kündigungen verhindern, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Dresden bleiben weiter dort beschäftigt. Das Projekt ist für den Deutschen Betriebsrätepreis vorgeschlagen.► zurück nach oben

Betriebsratsgründung beim chinesischen Batteriehersteller CATL bei Erfurt

Arnstadt bei Erfurt: Die Beschäftigten des chinesischen Batteriehersteller Contemporary Amperex Technology CATL haben einen Betriebsrat gegründet.5 Die IG Metall Thüringen berichtet auf ihrer Webseite, die meisten Stimmen bekommen zu haben. Nun kündigte die Geschäftsleitung einer Angestellten, die für den Betriebsrat kandidiert hatte. Darüber berichtet der mdr.6 Auch vorab soll es Störmanöver des Managements gegeben haben.

In Arnstadt arbeiten etwas mehr als 1850 Beschäftigte, darunter rund 500 Leiharbeiter. Auch die Leiharbeiter*innen waren zur Betriebsratswahl aufgerufen. Laut IG Metall arbeiten am Standort auch viele Chinesen. Die chinesischen Beschäftigten sollen laut IG Metall vom Management aufgefordert worden sein, arbeitgeberfreundliche Kandidaten zu wählen. Ein Listenführer soll sogar Kandidaten mit dem Hinweis auf Aufstieg und Beförderung geworben haben.

Bei CATL wird laut IG Metall nicht nach Tarif gezahlt. Der Einstiegslohn liegt mit rund 15,- Euro aber immerhin über dem Mindestlohn, was es der Gewerkschaft zunächst schwer machte die Belegschaft zu organisieren. Die Kritik der IG Metall bezieht sich außerdem auf

▸ Arbeits- und Schichtzeiten, die zu kurzfristig mitgeteilt werden sollen

▸ Arbeits- und Gesundheitsschutz der zu wenig beachtet werden soll

▸ sanitäre Einrichtungen, die oft mangelhaft und nicht in ausreichender Anzahl vorhanden sein sollen► zurück nach oben

Vivantes: Wegen politischem Engagement aus Aufsichtsrat geflogen?

Berlin: Sieben von acht Arbeitnehmervertretern stimmten für die Abwahl von Josephine Thyrêt aus dem Aufsichtsrat des Klinikkonzerns Vivantes. Das Berliner Bündnis Sarah Wagenknecht BSW vermutet einen Zusammenhang mit Thyrêts politischem Engagement. Darüber berichtet die Berliner Zeitung.

Josephine Thyrêt arbeitet als Krankenschwester bei Vivantes. Seit 4 Jahren ist sie Betriebsratsvorsitzende. Seit zwei Jahren saß sie als stellvertretende Vorsitzende im Aufsichtsrat des kommunalen Berliner Klinikkonzerns. Sie ist verdi-Mitglied und engagiert sich in der Friedensbewegung. Sie kritisiert die Transformation in ein kriegstüchtiges Gesundheitswesen. Gegen die Krankenhausreform sammelte sie 8000 Unterschriften.

Seit ihrer Wahl zur Co-Vorsitzenden des Berliner BSW habe sich die Stimmung nach jahrelanger guter Zusammenarbeit gegen sie gewendet, so Thyrêt. Dabei sind mindestens drei der sieben Arbeitnehmervertreterinnen selbst parteipolitisch aktiv. Und der neue stellvertetende Aufsichtsratsvorsitzende ist nun ein SPD-Mitglied.

Die Betriebsratsmitglieder widersprechen den Vorwürfen und kritisieren die fehlende Präsenz Thyrets in Ausschuss- und Aufsichtsratssitzungen. Ihrer Darstellung nach war Thyret schon im September nahegelegt worden, ihr Amt gesichtswahrend niederzulegen. Eine konstruktive Diskussion sei mit ihr nicht möglich gewesen. 7


Quellen

1 Hildesheimer Presse. Arbeitsgericht Göttingen – Ottobock will ein Betriebsratsmitglied kündigen, 1.11.2024 https://hildesheimer-presse.de/2024/11/01/arbeitsgericht-goettingen-ottobock-will-ein-betriebsratsmitglied-kuendigen/

3 Yannik von Einsehart: Berlin: Kündigung von BVG-Fahrer wegen Facebook-Post war rechtens, msn 1.11.2024, abgerufen 4.11.2024 https://www.msn.com/de-de/nachrichten/panorama/berlin-k%C3%BCndigung-von-bvg-fahrer-wegen-facebook-post-war-rechtens/ar-AA1thHYx

4 Stellenerhalt durch Solidarität, Hans-Boeckler-Stiftung 6/24, https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-stellenerhalt-durch-solidaritaet-64528.htm

6 MDR Thüringen: CATL kündigt Betriebsrats-Kandidatin in Thüringen, 5.11.2024 https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/arnstadt-ilmkreis/catl-kuendiugung-betriebsrat-100.html

7 Thieme kma online: Wirbel bei Vivantes – Ammirabile beerbt Thyrêt, abgerufen 6.11.2024 https://www.kma-online.de/aktuelles/koepfe/detail/ammirabile-folgt-auf-thyret-im-vivantes-aufsichtsrat-52850


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