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Liebe Leserinnen und Leser,
die Corona-Krise hat sich längst zu einem Weltwirtschafts-Crash entwickelt.
Wir erleben einen Einschnitt, der mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 und dem Weltfinanzcrash 2008 vergleichbar ist. Nein, der Corona-Crash übersteigt diese Erschütterungen und lässt uns ins Jahr 1929 zurück blicken. Das gigantische Schulden-Paket der Bundesregierung (Olaf Scholz‘ Bazooka) lässt keine Zweifel.
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Es ist klar, dass die Aktion gegen Arbeitsunrecht in Zeiten wie diesen dringend gebraucht wird. Wir danken allen, die unsere Arbeit als Mitglieder und Spender*innen möglich machen! https://aktion.arbeitsunrecht.de/mitglied-werden
Die Koordinaten verschieben sich gerade rasant
Auch wir haben einen Moment gebraucht, um uns neu zu organisieren und zu orientieren. Unser Aktionstag #Freitag13, der am 13. März 2020 bereits der Corona-Krise zum Opfer fiel, scheint jetzt schon Monate entfernt.
Den Herrschenden ist längst klar, dass es spätestens ab dem Herbst 2020 um die Systemfrage gehen wird. (Siehe: Daniel Stelter: Wir sind erst in Phase 2, Manager-Magazin, 15.3.2020, https://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/coronavirus-die-krise-ist-erst-in-phase-2-auf-finanzkrise-folgt-deflation-a-1305433.html )
Verschärfter Raubtierkapitalismus oder solidarische Ökonomie?
Wir stehen an einem Scheideweg. Welche Richtung die Gesellschaft einschlägt, hängt nicht zuletzt von unseren Konzepten, Aktivitäten und unserem Geschick als Lohnabhängige, Betriebsratsmitglieder und soziale Aktivist*innen ab.
Ganz praktische Dinge
- Uns erreichen viele Berichte von Beschäftigten, die unter Druck gesetzt werden jetzt Kündigungen, Aufhebungsverträge oder Zusatzvereinbarungen zu unterschreiben.
- Andere sollen dem Unternehmen Vorerkrankungen melden und unterschreiben, auf eigene Gefahr weiter zu arbeiten.
- Es soll sogar Unternehmer*innen geben, die ihre Beschäftigten dazu anstiften, in der Kita fälschlicherweise vorzugeben, dass sie in einem systemrelevanten Beruf tätig seien – damit das Elternteil weiterhin in vollem Umfang der Firma zur Verfügung stehen kann.
Wir bitten Euch, uns solche Fälle zu melden! Wenn irgend möglich schickt bitte auch Dokumente mit.
Kurzarbeitergeld und absurde Petitionen
- Betriebsräte können ihre Zustimmung zum Kurzarbeitergeld davon abhängig machen, dass das Unternehmen das Kurzarbeitergeld bis zu 100% aufstockt. Im Bereich der Systemgastronomie ist es der NGG sogar gelungen, eine Aufstockung auf 90% für alle von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten durchzusetzen (https://www.ahgz.de/news/tarifvertraege-systemer-erzielen-zusatzvereinbarung-wegen-corona,200012261806.html)
- In noch schwächer oranisierten Bereichen taumeln die Gewerkschaften, fordern per Petition bei einer der gängigen Online-Aktivismus-Plattformen gar die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch öffentliche Kassen (https://www.change.org/p/bundesregierung-miete-zahlen-trotz-corona-90-kurzarbeitergeld-jetzt). Kein Wort davon Unternehmervermögen heranzuziehen. Kein Wort darüber die absurden Lohnspreizungen durch ein direkt an die Bürger*innen auszuzahlendes Krisen-Geld aufzuheben.
Systemrelevante Berufsgruppen
- Klatschen auf dem Balkon? Von Pflegekräften und Krankenhauspersonal war auf facebook und twitter zu lesen: „Wir Pflegekräfte brauchen keine Klatscherei. Wir wollen auch keine Merci Schokolade & warme Worte! Wir brauchen 4000€ brutto, mehr Personal, Gefahrenzulagen und ein entprivatisiertes Gesundheitssystem! Macht Mal lieber mit uns Arbeitskampf!“ (Quelle https://twitter.com/Amanoman1/status/1240573094101647360?)
- Auch andere Berufsgruppen wie Regaleinräumer*innen, Reinigungskräfte, ja sogar Erntehelfer*innen sind plötzlich everbody’s darling! Milliardenhilfen für Unternehmer*innen gehen an diesen Beschäftigten allerdings komplett vorbei. Auf sie warten statt dessen: Mehrbelastung und fehlender Schutz ihrer Gesundheit. Ganz zu schweigen von monatlichen Prämien für ihren Einsatz während der Krise oder einer grundsätzlichen finanziellen Aufwertung ihrer Arbeit.
Hauptsache Arbeit?
Die Einschränkung von Grundrechten stößt besonders dann übel auf, wenn wir auf soziale Kontakte verzichten sollen, Betriebe aber gleichzeitig geöffnet bleiben und sich Beschäftigte in Büros und Fabriken einfinden sollen.
- In Italien und Spanien streikten Arbeiter*innen, bevor Italien zum Anfang dieser Woche endlich alle nicht direkt überlebenswichtigen Arbeiten eingestellt hat. (Quellen: Streik bei Elektrolux in Treviso https://www.tagesspiegel.de/politik/coronavirus-in-italien-weniger-tote-und-neuinfektionen/25672642.html, Schließung nicht systemrelevanter Unternehmen zum 23.03.2020, https://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/coronavirus-italien-schliesst-grossteil-der-unternehmen-a-1305636.html).
- Dabei haben Unternehmen nach Ansicht italienischer Gewerkschaften immer noch zu viel Spielraum bei der Entscheidung, ob die Produktion wichtig ist oder nicht. Erste Streiks, z.B. der Metallarbeiter in der Lombardei sind für heute angekündigt: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1134637.corona-in-italien-nicht-stillstand-genug.html
Wie geht es weiter?
In dieser historischen Situation sind auch wir aufgefordert uns neu aufzustellen. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben, wohin die Reise geht ist allerdings offen.
In diesem Sinne freuen wir uns über Gedanken, Kommentare, Anregungen und Informationen!
Mit solidarischen Grüßen,
Jessica Reisner
PS:
Wir empfehlen folgenden Beitrag unseres Vorsitzenden Werner Rügemer:
Heuchler, Profiteure und andere Menschenfreunde – Corona als Anlass für kollektive demokratische Selbstorganisation
https://arbeitsunrecht.de/heuchler-profiteure-und-andere-menschenfreunde/
Ich hoffe nicht als herzlos zu gelten. Frage mich aber, ob die mit der Bundeswehr nach Ulm transportierten an Corona erkrankten nicht doch besser im eigenen Land (hier Italien und Frankreich) versorgt werden könnten. Diese Werbebotschaft der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer mag als PR-Veranstaltung „Deutschland rettet die Welt“ erfolgreich sein. Nur über gesundheitliche Belastungen der Erkrankten oder die Mehrbelastung, der allgemein überlasteten Pflegekräfte, wird eisig geschwiegen. Ich meine nicht, dass man Hilfe verweigert, man könnte vielleicht überlegen medizinisches Personal der Bundeswehr zu verlegen oder z.B. HelferInnen aus Kuba oder China (ist am erfolgreichsten und bekanntesten) zu finanzieren sowie die technische Infrastruktur mitzuliefern. Das ist sicher allemal günstiger als der Einsatz von Bundeswehrmaschinen. Den teuersten Taxis in Deutschland.
26.3.2020
Wenn das Proletariat in großen Teilen weiterhin nur passiv den aktuellen Geschehnissen zuschaut, wird sich nichts bessern, völlig klar. Deshalb Gernot muss es richtig heißen: Es ist naiv zu glauben, dass diese Krise eine Wendung für uns ( die abhängig Beschäftigten) bedeuten wird, wenn wir weiter nur Zuschauer sind. Wir werden gemeinsam die Gebrechen des Kapitalismus, einer vollkommen überholten, den Bedürfnissen der Völker und der Natur nicht gerecht werdenden Gesellschaftsordnung offenlegen und Alternativen aufzeigen müssen. Die häßliche Fratze dieser Gesellschaftsordnung zeigt sich aktuell besonders in dem heruntergewirtschafteten Gesundheitswesen.
Wir müssen wirksamere Kampfformen entwickeln als bisher um die Herrschenden ins Wanken zu bringen.
Die Geschichte liefert Beispiele für erfolgreiche Kämpfe der Arbeiterklasse (z.B.große sozialistische Oktoberrevolution).
Wir haben keine andere Wahl, wenn wir nicht vollends ich der Barberei landen wollen.
Andre Koletzki
Schon heute müssen wir wachsam sein und nicht alles unter dem „Corona-Etikett“ durchwinken.
Es ist naiv zu glauben, dass diese Krise einen Wendung zum Besseren bedeuten wird – nicht für die abhängig Beschäftigten – höchsten für die Mächtigen und Reichen. Ich weiß, da bin ich Schwarzseher, aber nach der Krise wird es ein „weiter so“ geben und jede weitere Einschränkung unserer Rechte wird mit der – dann hoffentlich überlebten Pandemie – begründet werden.
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