Kölner Arthouse-Kino scheitert mit Kündigungsversuch gegen Betriebsratsgründer.
Filmvorführer Raphael klagt erfolgreich auf Wiedereinstellung. Kettenbefristung zieht nicht.

Brigitta Liebscher, Vorsitzende Richterin des Arbeitsgerichts Köln, fand von Beginn der Verhandlung an klare Worte und machte der Geschäftsleitung eines beliebten Kölner Arthous-Kinos unter Adrienne Weißweiler und Sandrine Meyer und ihrem Anwalt Rüdiger Henning unmissverständlich deutlich, dass der Kündigungsversuch gegen den Angestellten Raphael aus ihrer Sicht rechtlich nicht trägt (Aktenzeichen 12 Ca 2975/25, Urteil hier als pdf).
Ein ganz plumper Kündigungsversuch war wegen eines Formfehlers ohnehin vom Tisch. Die 12. Kammer des Arbeitsgericht Köln verhandelte am 9.10.2025 deshalb nur noch über die Frage, ob Raphael nach zwei Befristungen Anspruch auf Entfristung und Weiterbeschäftigung habe.
Mit einer Lücke von nur wenigen Tagen hatte Raphael zwei jeweils für ein Jahr befristete Arbeitsverträge mit dem Kino Cinenova. Er arbeitete dort als Filmvorführer und im Marketing, hatte aber auch eine eigene Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Ein echter Kino-Enthusiast, der beide Jobs für Mindestlohn oder knapp darüber machte – und schließlich einen Betriebsrat gründen wollte. Ihm zur Seite stand der Neusser Anwalt Daniel Labrow, der auch im Rechtsberatungs-Team der Aktion gegen Arbeitsunrecht aktiv ist.
Zweite Befristung nur in absoluten Ausnahmen rechtens – Geschäftspraxis beim Cinenova grundsätzlich fragwürdig
Richterin Liebscher erklärte vor rund 30 solidarischen Zuhörerinnen und Zuhörern, davon ein großer Teil selbst frühere Angestellte des Kinos, dass eine zweite Befristung nur in absoluten Ausnahmefällen statthaft ist. Soll eine Kettenbefristung greifen, müssten sich die jeweiligen Stellen in ihrer Prägung jedoch wesentlich unterscheiden. In beispielhaft vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen bestand dieser wesentliche Unterschied in
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- einer deutlich besseren Qualifikation im Zweiten Beschäftigungsjahr (beispielsweise weil eine Ausbildung abgeschlossen oder ein Examen bestanden wurde)
- einer entsprechend viel höheren Bezahlung
Beides war beim Cinenova im Fall Raphael nicht gegeben. Weder erforderte die (angebliche) zweite Stelle eine besondere Qualifikation, noch gab es wesentlich mehr Lohn. Insofern sorgte der hilflose Erklärungsversuch des Anwalts Rüdiger Henning, dass Raphael in seiner zweiten Amtszeit sehr wohl abgefahren spezielle Tätigkeiten übernommen hätte, zu denen er selbst nicht in der Lage wäre, im Publikum für große Erheiterung. Denn es gab ja auch hierfür nur knapp über Mindestlohn.
Das Urteil stellt das komplette Geschäftsmodell der Cinenova-Geschäftsführung auf den Kopf – bedenkt man, dass ein großer Teil der Angestellten im Ehrenfelder Arthouse-Kino bislang nach dem ersten Jahr befristeter Beschäftigung einen weiteren befristeten Vertrag erhalten hat.
Von der Vorsitzenden Richterin vor die Entscheidung gestellt: Wollen sie Rechtsgeschichte schreiben oder eine Abfindung? blieb Raphael bei seinem Punkt: „Das Kino braucht einen Betriebsrat. Ich will dort weiter arbeiten.“
Schluss mit dem Schmierentheater! Ein Betriebsrat muss her
Abgesehen von der hochinteressanten Frage, ob alle weiteren Angestellten des Cinenova im zweiten Befristungsjahr jetzt ihre Entfristung fordern könnten, lagen dem Kündigungsversuch gegen Raphael handfeste Missstände zugrunde. Raphael wollte mit Kolleginnen und Kollegen, von denen ein guter Teil kurz nach ihm ebenfalls gefeuert wurde, einen Betriebsrat gründen. Die Gründe dafür sind unter anderem folgende Geschäftspraktiken der Kino-Betreiberinnen:
► Sachgrundlose Befristungen und Arbeit auf Abruf
Warum erhalten die Angestellten im Cinenova scheinbar durchgehend auf ein Jahr befristete Verträge? Und das für Tätigkeiten, die sich in wenigen Tagen erlernen lassen? Und warum folgt beim Cinenova auf das erste befristete Beschäftigungsjahr ein zweites?
► Einseitige Flexibilität zu Lasten der Beschäftigten
Unplanbare Arbeitszeiten laufen beim Cinenova auf ein unplanbares Einkommen hinaus. Die Unternehmerinnen Sandrine Meyer und Adrienne Weißweiler wälzen das wirtschaftliche Risiko damit einfach auf die Angestellten ab.
Wer sich bei Krankheit abmeldete soll sogar aufgefordert worden sein, selbst für Ersatz zu sorgen.
Unser Fazit: Das Cinenova-Kino braucht eine demokratische Interessenvertretung der Beschäftigten, um erträgliche und nachhaltige Arbeitsbedingungen durchzusetzen.
Widerwärtige Bedrohung statt Verbesserung – Maulkorbversuch gegen Raphael
Ekelerregend wurde es bei der Verhandlung am 9.10.2025 als Rechtsanwalt Rüdiger Henning dem verhinderten Betriebsratsgründer drohte, dass sich mit einer Einigung auch der von der Kinoleitung gestellte Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen unsere Berichterstattung (Kino Cinenova gegen Betriebsratsgründung vom 2.10.2025) erledigen könnte. Für unseren Bericht versucht die Kinoleitung Raphael persönlich verantwortlich zu machen und droht mit privatrechtlicher Haftung. Über den Antrag auf einstweilige Verfügung verhandelt das Arbeitsgericht Köln schon am Freitag, dem 10.10.2025.
Anstatt also den Missständen aktiv zu begegnen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die gesetzlich vorgesehene Mitbestimmung zu gewährleisten, wird ein Kritiker persönlich bedroht. Das ist nichts anderes als SLAPP, also rechtsmissbräuchliches Klagen um Kritiker einzuschüchtern.
Klüger wäre es von der Cinenova-Betreiberfamilie ihren SLAPP-Antrag noch zurück zu ziehen. Ansonsten müssen wir uns am 10.10.2025 noch einmal ganz genau mit den Arbeitsbedingungen im Cinenova Köln befassen! Schlechte Presse und eine dramatische Verschlechterung des Rufes erhält das Cinenova-Kino dann frei haus. Wie gesagt: Man könnte auch einfach die Arbeitsbedingungen verbessern und einen Betriebsrat gründen lassen.
Wir rufen zur solidarischen Prozess-Begleitung auf!
Kommt zur Verhandlung und unterstützt Raphael! Für Mitbestimmung und Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt!
Freitag, 10. Oktober 2025, 9.30 Uhr | Arbeitsgericht Köln, Saal III, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln.
Mehr Infos dazu in unserer Pressemitteilung vom 08.10.2025: Kölner Cinenova-Kino verhindert Betriebsrat durch Massenentlassung*

Jessica ist die Geschäftsführerin der aktion ./. arbeitsunrecht.
Als Influencerin und Autorin bekämpft sie Unternehmerkriminalität und Union Busting. Jessica moderiert mit Elmar Wigand die Sendung arbeitsunrecht FM. Jessica schreibt als freie Journalistin für die Tageszeitung junge Welt und andere Medien. Sie hält Vorträge und berät Gewerkschaften, Betriebsräte und Betriebsratsgründer*innen.




