Cinenova, Teil 2: Die Daumen hoch-Affäre… SLAPPstick Anwalt blamiert Arthouse-Kino

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Schenkelklopfen, Kopfschütteln und Fremdschämen – Cinenova-Anwalt Rüdiger Henning sorgt für beste Unterhaltung durch unfreiwillige Komik.

Daumen hoch für Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt!
Daumen hoch für Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt! Solidarität mit dem Cinenova-Filmvorführer Raphael! Zahlreiche ehemalige Kolleg*innen versammelten sich am 10. Oktober 2025 vor dem Kölner Arbeitsgericht um einem denkwürdigen Prozess beizuwohnen. Unser Mitstreiter Kalle Gerigk (Bildmitte) ist immer noch sichtlich beeindruckt vom Befangenheitsantrag gegen seinen Cousin, der ihn als ehrenamtlicher Arbeitsrichter nach Ende der Verhandlung angeblich nicht begrüßen durfte…

Dringlichkeitsverhandlung wegen Unterlassungsforderungen wandelt sich durch abstruse Anträge des Cinenova zu einer Art Volkstheater. Richterin Eva Naumann am Rande ihrer Geduld. 

Komödie und Tragödie können nah beieinander liegen. Der Unterschied ist oft nur, wie die Geschichte am Ende ausgeht. Wird die Gerechtigkeit obsiegen oder wird unser Held alles verlieren und in die ewigen Jagdgründe einziehen?

Für die Cinenova-Geschäftsführung und ihren konfus auftretenden Anwalt Rüdiger Henning sieht es derzeit nicht gut aus. Am 9. Oktober 2025 gab es bereits einen KO-Sieg für den gefeuerten Filmvorführer Raphael, der mit zahlreichen Kolleg*innen einen Betriebsrat beim Cinenova gründen wollten, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. (Das Management reagierte mit einer Säuberungswelle. Wir berichteten.) Raphael bekam Recht und musste wieder eingestellt werden. Der Sieg geht weit über das kleine Kölner Arthouse-Kino hinaus. Das Kölner Urteil stellt die flächendeckend verbreitete Methode der sachgrundlosen Kettenbefristungen in Frage und dürfte für viele andere prekär Beschäftigte ein Hoffnungsschimmer und Orientierungspunkt werden. (Mehr dazu hier.)

Einen Tag später, am 10. Oktober 2025, wurde ein juristischer Gegenangriff des Cinenova, wir sprechen von SLAPP (Was ist das?), vor dem Arbeitsgericht Köln verhandelt (Az. ArbG Köln 17 Ga 65/25). Man bezichtigte Raphael mutmaßliche Informationen mutmaßlich an die Aktion gegen Arbeitsunrecht weiter geleitet zu haben. Und wollte ihm das verbieten. Zudem sollen die Informationen falsch gewesen sein.

Der Cinenova-Eil-Antrag auf eine einstweilige Verfügung bzw. Unterlassung war stümperhaft, inkonsistent, widersprüchlich und unlogisch. Schließlich ging es um Veröffentlichungen der Aktion gegen Arbeitsunrecht, die von Jessica Reisner und Elmar Wigand verantwortet wurden. Wir beide saßen im Publikum und mussten miterleben, wie sich der tatterige Anwalt der Gegenseite an Raphael abarbeitete, aber eigentlich immer nur uns und unsere Organisation meinte. Das sahen auch alle anderen so.


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Warum wurden nicht wir vor der Pressekammer des Landgerichts Köln verklagt?

Wir sind inzwischen gern gesehene Gäste der Pressekammern in Berlin, Hamburg und Köln. Es nervt, es kostet Zeit und Geld, aber wir halten es aus und wir halten meist sehr erfolgreich dagegen.

Außerdem: Warum sollten die Informationen für unsere Berichte ausgerechnet von Raphael kommen, wo doch mit ihm gleich sechs seiner Kollegen gefeuert wurden? Zudem haben wir in unserer Pressemitteilung vom 8. Oktober, die der konfus auftretende RA Henning auch noch eigenhändig ins Verfahren einführte, selbst erklärt, dass wir zahlreiche Leitfaden-Interviews mit Cinenova-Beschäftigten geführt haben. Ferner sind unsere Erkenntnisse und Einschätzungen wahr und fair, mitunter vielleicht etwas scharf gewürzt  – wir sind tatsächlich auf manche Unternehmer*innen richtig sauer! – aber vor allem ist unsere Cinenova-Berichterstattung durch durch eidesstattliche Versicherungen gestützt. Und zu guter Letzt: Was ist mit dem Informantenschutz für Journalisten und Redaktionen?

Unsere Vereinsaktivitäten scheinen den biederen RA Rüdiger Henning jedenfalls schwer beeindruckt zu haben. Er hält uns offenbar für eine Art militant-kommunistische Untergrundorganisation. ?? Dabei sind wir doch bloß ein kleiner aber feiner, vielleicht etwas frecher, gemeinnütziger Verein, der für Demokratie und Menschenrechte kämpft – allerdings auf einem Feld, das in Deutschland weitgehend der unternehmerischen Willkür unterworfen ist: Unser Terrain ist Arbeitswelt, genauer die betriebliche Mitbestimmung.  Und da geht es oftmals ans Eingemachte: die Verteilung des Mehrwerts, die Profitrate, die unternehmerische Verfügungsgewalt bzw. Willkür. Da werden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gerne mal vergessen oder allzu leicht über Bord geworfen. Oder vielmehr: Es zeigt sich das wahre Gesicht der Biedermänner und Brandstifter.  

Daumen hoch verboten? Mietrebell Kalle und sein Cousin Richter Balduin. 

Zurück zum Verfahren: Der stümperhaft vorgetragene Maulkorb-Versuch des Cinenova gegen den verhinderten Betriebsratsgründer Raphael drohte also brutal zu scheitern. Die Verhandlung war geschlossen, das Gericht auf dem Weg zur abschließenden Beratung im Hinterzimmer. Dann sorgte der Cinenova-Anwalt für einen handfesten Skandal, der in der Jahreschronik des Kölner Arbeitsgerichts sicher einen Sonderplatz einnehmen wird. Als Vertreter der Cinenova-Geschäftsführung stellte er einen Befangenheitsantrag gegen den ehrenamtlichen Richter Balduin, weil er bei der Verabschiedung zu Mietrebell Kalle Gerigk das „Daumen hoch“ Zeichen gemacht haben soll. Was außer dem schrägen Cinenova-Anwalt aber offenbar niemand gesehen hat.

Richter Balduin ist der Cousin von Kalle Gerigk, letzterer hatte vor kurzem Geburtstag. Sie haben sich gefreut über das unverhoffte Wiedersehen und beim Gehen gegrüßt. Als auch noch Kalles Tante, die Mutter von Richter Balduin unverhofft anrief, um zum Geburtstag zu gratulieren, war das rustikale Volkstheater komplett.  Es ging zu wie einem Schwank von Heinrich von Kleist (Der zerbrochene Krug) oder im Königlich Bayrischen Amtsgericht (die Älteren werden sich an die beliebte ZDF-Serie erinnern). 

Alle waren on fire. RA Henning verstieg sich in inquisitorischen Fragen an Richter Balduin: „Sind sie Mitglied der aktion ./. arbeitsunrecht?!“ Als wäre das verboten! Das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit zählte für ihn wohl nicht mehr.

Die Unbefangenheit der zwei ehrenamtlichen Arbeitsrichter steht ohnehin in Frage: Einer wird von Arbeitgeberseite entsandt, einer von Gewerkschaftsseite. Sie sollen also gar nicht unbefangen sein, sondern sich im Gegenteil eher komplementär ergänzen. Von Gewerkschaftsseite werden in der Regel erfahrene Betriebsräte und ehrenamtliche Gewerkschaftsfunktionäre entsandt. Warum sollten diese nicht Mitglied einer Organisation sein, die Betriebsräte verteidigt. Im Gegenteil: Wir würden uns freuen! Tretet bei!

Das Gericht nahm sich auffällig lange Zeit, um über den unkonventionellen Move von Cinenova-Anwalts Henning zu beraten. Bis zum Redaktionsschluss war keine Entscheidung über die Befangenheit von Richter Balduin veröffentlicht. Das heißt für uns auch, dass wir weiter unbehelligt und frech berichten können.

Für das Cinenova heißt es weiter: schlechte Presse durch schlechte Prozessführung und schlechtes Management. 

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