Der Median-Investor Waterland

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Zum Hintergrund eines Private Equity-Fonds, der den deutschen Reha-Markt nach McKinsey-Rezepten revolutionieren will

von Werner Rügemer

Der Eigentümer der 121 Median-Kliniken ist der holländische Private Equity-Investor Waterland B.V.1. Diese haben ihre zentrale Geschäftsführung in Berlin, während Waterland seine eigene, getrennte deutsche Niederlassung in Düsseldorf platziert hat. Neben dem Hauptsitz in Bussum/Niederlande und der Niederlassung in Düsseldorf bestehen Niederlassungen in München, dann noch in Antwerpen/Belgien und in Warschau/Polen.

Extra-Profite mit der Private Equity-Methode

Nach der Private Equity-Methode sammelt Waterland Kapital von Banken, Versicherungen, Stiftungen, Unternehmerfamilien und reichen Leuten. Sie residieren vor allem in den USA, in Westeuropa, im Asien-Pazifikraum und in den Golfstaaten.

Waterland holt sich zudem Kredite zum Beispiel von der Wall Street-Bank J.P. Morgan, aber auch von kleineren Banken wie der Düsseldorfer IKB und der schwedischen SEB. Damit kauft Waterland in Europa Unternehmen auf und verkauft sie teilweise nach einigen Jahren mit Gewinn weiter. Das betraf bisher 380 mittelständische Unternehmen.2


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Waterland steht in Konkurrenz mit zahlreichen anderen solcher Investoren und muss für die anspruchsvollen Geldgeber einen möglichst hohen Profit herausholen. Zusätzlich will und muss Waterland auch für sich und seine Eigentümer und Manager ebenfalls einen hohen Profit herausholen, und für die zahlreich eingeschalteten Berater fallen hohe Honorare ab.

Waterland-Boss Rob Thielen
Der holländische Waterland-Boss mit dem merkwürdigen Namen Robertus H. L. M. Thielen, genannt „Rob“. Er steht politisch eher rechts.

Worum geht es bei Private Equitiy?

Die Methode der Private Equity-Investoren wurde seit den 1980er Jahren in den USA durch Wall Street-Banker entwickelt. Dabei geht es um möglichst schnelle Gewinne. Gewerkschaften, Betriebsräte, Tarifverträge, Transparenz und sonstige staatliche Regulationen werden eher als Einschränkung behandelt. Nach diesem Vorbild wurde Waterland 1999 in Holland gegründet. Waterland wirbt damit, dass es sich an die „Prinzipien für verantwortliches Investment“ hält.

Verantwortung – das klingt vielleicht gut. Aber die hier gemeinte Verantwortung gilt verpflichtend nur gegenüber den Geldgebern. Daneben sollen Umwelt-, soziale und Führungsfragen in die Investitionsentscheidungen eingehen. Die gekauften Unternehmen sollen ihre Aktivitäten zu diesen Fragen veröffentlichen. Das ist reichlich abstrakt.

Nirgends ist die Rede von konkreten Verpflichtungen etwa zur Bekämpfung von Steuerflucht, zur Gemeinwohl-Verpflichtung des Privateigentums, zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse, zu den Arbeitsrechten der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO und zu den jeweiligen nationalen Arbeits-, Sozial- und Umweltgesetzen.

Mit McKinsey das Gesundheitswesen zum Markt machen

Dabei hilft an vorderster Stelle die US-Unternehmensberatung McKinsey. Der deutsche Chef von Waterland, Carsten Rahlfs, begann seine Karriere bei McKinsey. Rahlfs ist nicht nur Manager, sondern als Miteigentümer von Waterland doppelt an den Unternehmensgewinnen interessiert.

Auch der Chef bzw. Chief Executive Officer der Median-Kette, André Schmidt, hat bei McKinsey gelernt. McKinsey entwickelt in seinem McKinsey Hospital Institut Vorschläge zur Privatisierung des Gesundheitswesens.

Als Vorbild gelten die USA. So sollen private Klinikketten gebildet werden. Outsourcing etwa soll nicht nur zum Beispiel für Reinigung, Wäsche und Catering gelten, sondern auch für den klinischen Bereich selbst.3 Rahlfs und Schmidt folgen bei Median diesem Konzept. Dabei nutzen sie auch eine Folge der Krankenhaus-„Reform“.

Die Einführung der Fallpauschalen für die einzelnen Krankheiten und Operationen hat die Kommerzialisierung der Krankenhäuser angeschoben; die Patienten werden möglichst früh aus den stationären Krankenhäusern entlassen („blutige Entlassung“): Deshalb steigt der Bedarf an nach-stationären Reha-Plätzen.4

„Waterland unterstützt Unternehmer in Wachstumsmärkten, die ihre bereits vorteilhafte Marktposition durch Akquisitionen und kräftiges organisches Wachstum weiter ausbauen möchten“, heißt es auf der deutschen website von Waterland Private Equity GmbH. Auf diese Weise hat Waterland in Deutschland seit 2011 schrittweise die 121 Reha-Kliniken verschiedener Träger – Allgemeine Hospital-Gesellschaft AHG, RHM Kliniken und Pflegeheime, ATOS – aufgekauft und zur jetzigen Median-Kette fusioniert: Sie ist inzwischen der größte private Reha-Konzern und der fünftgrößte Betreiber privater Krankenhäuser in Deutschland.

Profite mit Hundefutter, Casinos und Reha-Patienten

Nach eigenen Angaben verwaltet Waterland Kapital der Geldgeber im Gesamtwert von 4 Milliarden Euro. Es steckt gegenwärtig in etwa 20 Unternehmen der verschiedensten Art: Reha-Patienten gehören genauso zur Zielgruppe wie Glücksspieler und hungrige Hunde.

Die aufgekauften Unternehmen sind in folgenden Bereichen aktiv: Verwertung von Abfall und Rostasche, Sportnahrung, Trockenfutter für Hunde und Katzen, gefrostete Backwaren, Spielstätten, Schuldeneintreibung (Inkasso), Vermittlung von Versicherungen. Zum Gesundheitsmarkt gehören Labore für Krebserkennungstests, Fertilitäts-, Reha- und Akutkliniken.

Besonderes Interesse gilt dem Luxussegment: Betrieb von Golfanlagen, High Fashion-Modemessen, Spielcasinos sowie Stadt- und Kulturreisen auf den großen europäischen Flüssen.

Auch im Gesundheitsbereich baut Waterland das Luxussegment aus. So bietet Median in Deutschland unter dem Label „Median Premium“ eine „hochwertige medizinische Versorgung mit Ambiente eines First Class-Hotels“ an. Als Zielgruppe werden Privatpatienten und Selbstzahler „mit individuellem Anspruch“ aus dem In- und Ausland umworben.

Private Equity-Investoren arbeiten systematisch und flächendeckend mithilfe von Briefkastenfirmen in Finanzoasen. Die Niederlande sind nach Luxemburg der größte Standort für Briefkastenfirmen in Europa. Der niederländische Konzern Waterland bedient sich nicht nur selbst dieser Praxis.

Waterland kaufte 2009 sogar den größten niederländischen Händler von Briefkastenfirmen, Intertrust. Intertrust hat seinen Hauptsitz in Amsterdam und Büros in wichtigen Finanzoasen wie Cayman Islands, Guernsey und Luxemburg. 2013 verkaufte Waterland Intertrust mit Gewinn weiter an den größten US-Private Equity-Investor Blackstone.5

Mit-Profiteure bei Immobilien und Beratung

Waterland tut sich zur Profiterwirtschaftung auch mit ähnlichen Investoren zusammen. Waterland kaufte zunächst die Median-Gruppe den früheren Eigentümern, den beiden Hedgefonds Advent International und Marcol für eine Milliarde Euro ab. Danach verkaufte Waterland 40 Median-Klinikgebäude für 770 Millionen Euro an den US-Immobilien-Fonds Medical Properties Trust (MPT) in Alabama.

Median muss nun 27 Jahre lang die Gebäude von MPT zurückmieten. MPT wurde zusätzlich mit 5,1 % der Gesellschaftsanteile neben Waterland Miteigentümer von Median. MPT ist also gleichzeitig Mieter und Vermieter. Laut Brancheninformationen zahlt Median für seine Kliniken eine jährliche Miete zwischen 8 und 11 Prozent des Kaufpreises plus einen jährlichen Inflationsaufschlag von einem Prozent. Im letzten Jahr der Laufzeit 2043 beträgt die Miete also zwischen 35 und 38 Prozent des Kaufpreises.6

Die in den Mieten enthaltenen Gebühren und Profite für die Geldgeber von MPT und für die Eigentümer und Manager von MPT müssen nun von den Median-Kliniken – also von den angestellten und outgesourcten Mitarbeitern, den Patienten bzw. Rententrägern – ebenfalls zusätzlich erwirtschaftet werden. Um das durchzusetzen, wird das bisherige Management der aufgekauften Kliniken meist sofort ausgetauscht. So wurde die gesamte vierköpfige Geschäftsführung der im Oktober 2016 aufgekauften AHG schon wenige Wochen später entlassen.

Auch weitere Mittäter müssen aus den Gewinnen alimentiert werden. Die Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhart hat mit drei Arbeitsrechtsanwälten einen Dauerauftrag für die Zermürbung von Betriebsräten und aufmüpfigen Beschäftigten sowie gegen die Gewerkschaft verdi. Waterland beschäftigt beim Kauf und für die Integration der Median-Kliniken eine Reihe der teuersten Berater.

Rechtliche Beratung liefert die Großkanzlei Hengeler Müller, die u.a. die Deutsche Bank als Mandanten hat. Die Londoner Investmentbank Rothschild berät beim Kreditmanagement. McKinsey prüft die Werthaltigkeit der Kliniken. Der weltgrößte Immobiliendienstleister CBRE aus Los Angeles prüft den technischen und finanziellen Wert der Gebäude. Die US-Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG berät bei der Suche nach den günstigsten Steuer-Schlupflöchern.7

Gewerkschaftsfrei, politisch rechts

Auch MPT, der Eigentümer der Median-Gebäude, ist kein Sozialunternehmen. Er nutzt ebenfalls Finanzoasen und hält sich gewerkschaftsfrei. Der gegenwärtig in Europa stark expandierende Konzern hat seit 2003 seinen operativen Sitz in Alabama, juristisch aber in der US-Finanzoase Delaware.8 In seinem Finanzbericht für die New Yorker Börsenaufsicht heißt es: „Keine unserer Angestellten sind Mitglieder einer Gewerkschaft.“9

Private Equity-Investoren bauen die aufgekauften Unternehmen um. Sie sollen erstens schnell profitabel werden. Zweitens sollen sie wenn möglich nach einigen Jahren gewinnträchtig abgestoßen werden. Waterland rühmt sich, seit der Gründung 1999 mehr Gewinne als andere vergleichbare Investoren erwirtschaftet zu haben („überdurchschnittliche Performance“).10 Der Deutschland-Chef von Waterland, Carsten Rahlfs, sieht für die Zukunft von Median die üblichen Perspektiven: Entweder nach einigen Jahren die Umbildung der GmbH in eine Aktiengesellschaft und Verkauf der Aktien an der Börse oder der Weiterverkauf an den nächsten Private Equity-Investor.11

Der Gründer, Chef und Haupteigentümer von Waterland, Rob Thielen, positioniert sich politisch rechts. Er hat seinen eigenen Geschäftssitz in der Finanzoase City of London. 2014 sponserte er in den Niederlanden den Wahlkampf des VVD-Politikers Hans van Baalen für das Europaparlament. Die VVD ist rechtsliberal, kritisiert den zu umfangreichen Sozialstaat, will die Einwanderung beschränken und wurde mit diesem Programm Regierungspartei.12

Aber auch in Großbritannien mischt Thielen in der Politik mit: 2016 spendete er 50.000 Pfund an die britischen „Konservativen“. Die haben beispielsweise den Zero hour contract eingeführt: Das ist ein Arbeitsvertrag, wonach der Beschäftigte auf Abruf ständig bereit stehen muss, aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Zahl an Arbeitsstunden hat – nach den Plänen des Arbeitgebers sind es auch mal Null Stunden.


Fußnoten

1 B.V. = Abkürzung für Beslooten Venootshap, niederländische Entsprechung der deutschen GmbH. Hier gelten geringere Transparenz- und Haftungspflichten als bei einer Aktien-Gesellschaft.

2 www.waterland.nu/de

3 McKinsey: Das Krankenhaus der Zukunft. Healthcare Systems and Services 2016, https://hospitalinstitut.mckinsey.de/files/publications

4 Das erklärten die Private Equity-Investoren Advent International und Marcol nach dem Verkauf der bisherigen Median-Kette an Waterland: Advent International and Marcol agree to sell Median Kliniken to Waterland, https://www.adventinternational.com, 16 october 2016

5 Wikipedia: Waterland B.V.

6 Charles Kingston: US REIT in $900 takeover of leading German healthcare provider, refire-online.com, November 10, 2014

7 Deal in Focus: Waterland sticks to buy-and-build strategy with Median, 15.8.2016, http://unquote.com/uk/analysis/3001475/

8 Annual Report 2014, SEC Form 10-K, S. 1

9 SEC Form 10-Q, Quarterly Report 9-Nov-2016, https://biz.yahoo.com/e/161109/mpw10-q.html

10 Median: Übernahme der AHG – Median Geschäftsführung zu Vorständen der AHG AG bestellt, Pressemitteilung 21.11.2016

11 Deal in Focus a.a.O.

12 VVD in wikipedia


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