Frontberichte 21. und 22. KW

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Union-Busting und Arbeitsunrecht in Deutschland vom 20.05. – 26.05.2013

Eurogate/Hamburg: BR gekündigt +++ Amazon/Logistikzentrum Graben (Augsburg): Angst aufzufallen +++ ASB (Arbeiter-Samariter-Bund)/Alb und Stauferland, Sitz Merklingen: Enttäuschende Einigung +++ +++ Edeka/Deutschland: Lohndumping in Franchise-Betrieben +++Burger King/Berlin: Betriebsrat mit gelber Beschäftigten-Liste unter Druck gesetzt  +++ Verdachtskündigung/TV-Feature: Mercure Hotel, Müller Drogerie, Gemeinde Rastede

# Eurogate / Hamburg: Betriebsrat wegen zweifelhafter Diebstahlsvorwürfe gekündigt

Eurogate-standort-hamburgDas Arbeitsgericht Hamburg hat laut Welt und  A. Beig Verlag unter Vorsitz von Richter Matthias Waskow die außerordentliche Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Frank S. von Eurogate im Hamburger Hafen bestätigt. Das Arbeitsgericht ersetzt mit diesem Beschluss (Az.: 26 BV 31/12) die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentliche Kündigung, die dieser verweigert hatte. Frank S. wird vorgeworfen, eine Gutschrift von ca. 730,- Euro aus betrieblichen Einkäufen (50 Trainingsanzüge für die Betriebssportgruppe) privat eingelöst zu haben. Er konnte Zeugen für seine Unschuld beibringen. Rund 100 Hafenarbeiter unterstützten ihn laut Presse lautstark vor dem Arbeitsgericht. Frank S. will nun in nächster Instanz vor dem Landesarbeitsgericht sein Recht zu suchen. Sein Anwalt zeigte sich erstaunt über das Urteil.

Das Unternehmen Eurogate betreibt auch den großdimensionierten Containerhafen JadeWeserPort, bei dem es erhebliche Probleme gibt. So berichtete die Hannoversche Allgemeine im Februar 2013, dass 400 Hafenarbeiter auf Kurzarbeit wechseln mussten. Zu technischen Problemen kommt eine Abschwächung des weltweiten Warenverkehrs, die sich auch im Hamburger Hafen bemerkbar macht.

http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article116433031/Eurogate-Betriebsrat-verliert-vor-Arbeitsgericht.html


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# Amazon: Ängstliche und arbeitgeberfreundliche Betriebsratsmitglieder

Laut Augsburger Allgemeine konnte der Anfang 2013 gewählte Amazon-Betriebsrat in Graben nun vor dem Arbeitsgericht in Augsburg einen ersten Erfolg verbuchen. Der Betriebsrat hat künftig ein Mitspracherecht bei der Aushandlung der Schichtpläne. Das bedeutet in diesem konkreten Fall, dass die Mitarbeiter Feiertage samstags nicht mehr nacharbeiten müssen.  Was sich zunächst gut anhört, relativiert sich schnell: da keine konkrete Regelung festgelegt wurde, wie genau Betriebsrat und Geschäftsführung die Dienstpläne gemeinsam erarbeiten sollen, hält Gewerkschafter Thomas Gürlebeck es durchaus für möglich, dass man ggf. erneut vor Gericht darüber wird verhandeln müssen.  Ohnehin wird im selben Artikel darauf hingewiesen, dass der neue Betriebsrat keineswegs reibungsfrei arbeitet. Unter den gewählten Arbeitervertretern soll es Kollegen geben, die befürchten „negativ aufzufallen“ und die mit Arbeitgeber-Argumenten an der Belegschaft vorbei arbeiten würden. Laut Thomas Gürlebeck lag die Wahlbeteiligung bei der Wahl des Betriebsrates laut B4B Schwaben bei 60% (siehe auch https://arbeitsunrecht.de/?p=1161). Da laut Gürlebeck viele Mitarbeiter Sanktionen befürchteten, war er mit der Wahlbeteiligung damals durchaus zufrieden. Wir finden es erschreckend, dass eine Teil der Arbeitnehmer-Vertreter bei Amazon Graben immer noch so eingeschüchtert auf ihre Kollegen wirken. Den selbstbewussteren Teilen des Betriebsrates bleibt da wohl nur die Möglichkeit, die Ohren offen zu halten, ob im Betriebsrat nicht auch bewusst Vertreter der Arbeitgeberseite installiert wurden.

http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Amazon-Betriebsrat-ringt-Geschaeftsfuehrung-Vergleich-ab-id25284506.html

http://www.b4bschwaben.de/nachrichten/augsburg_artikel,-Betriebsrat-bei-Amazon-in-Graben-erstmals-gewaehlt-_arid,124220.html

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# Arbeiter-Samariter: Enttäuschende Einigung vor Gericht

Am 22. Mai 2013 berichteten wir über das rücksichtslose Arbeitgeber-Gebaren des Arbeiter-Samariter Bund Alb/Stauferland unter Geschäftsleitung von Irmgard Gürke und Vorsitz von Günter Feucht. Gleich zwei Mitarbeiterinnen, die Mitglieder des Betriebsrates gewesen waren, waren fristlos gekündigt. Als Grund für eine der Kündigungen wurde das versehentliche Betanken eines Dienstfahrzeuges mit Super anstelle von Diesel genannt. Laut Südwest Presse gab es am 22.05.2013 in diesem Fall nun einen Gütetermin vor dem Arbeitsgericht in Ulm. Dort wurde statt der fristlosen Kündigung eine Kündigung zum 30.09.2013, eine unwiderrufliche Freistellung bis zum selben Termin, sowie die Ausstellung eines wohlwollendes Zeugnisses für die Mitarbeiterin vereinbart.

Absolut enttäuschend ist, dass die Tatsache, dass Frau Gürke und Herr Feucht auch andere fünf Mitglieder des ehemaligen Betriebsrates mit mehreren Abmahungen innerhalb kürzester Zeit drangsalierten, bei Gericht keinerlei Beachtung fand. Über die Abmahungen der gekündigten Rettungssanitäterin heißt es:

Sechs davon wurden in ihrer Zeit als Betriebsrätin ausgesprochen: am 11. Januar, am 14. Januar, am 15. Januar, am 16. Januar, am 17. Januar und am 24. Januar 2013. Nummer eins hatte sie laut ihrer Rechtsanwältin im November 2011 erhalten. Damals wirkte die Sanitäterin im Wahlvorstand an der Vorbereitung der Betriebsratswahl mit.

Wir finden es bedauerlich, dass die Rettungssanitäterin und ehemalige Betriebsrätin das Feld geräumt hat und es Ver.di und anderen Unterstützern (wir berichteten über Solidaritäts-Aktionen) nicht gelungen ist so viel Druck aufzubauen, dass die Mitglieder des Arbeiter-Samariter-Bundes im Landkreis Alb und Stauferland auf die Neuwahl ihres Vorstandes und Bestellung einer neuen Geschäftsführung bestanden haben.

http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Falsch-getankt-und-fristlos-entlassen-Ehemalige-Betriebsraetin-klagt-gegen-Kuendigung;art4329,2017196

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# Edeka: Lohndumping in Franchise-Betrieben

Edeka wird von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in die Verantwortung für Dumping-Löhne in selbstständig geführten Edeka-Filialen genommen – Edeka gehört zu den massiven Nutzern des umstrittenen Franchise-Modells. Der Unterschied in der Bezahlung beträgt nach einer Ver.di Recherche  6,- Euro pro Stunde bei gleicher Arbeit. Laut Ver.di arbeiten 140 000 von 306 000 „Edekaner“ in privat geführten Märkten. Die privat geführten Edeka-Filialen profitieren dabei vom Edeka-Image, obwohl die Arbeitsbedingungen hier häufig deutlich schlechter sind, Eine ausführliche Darstellung des Konfliktes findet sich hier: http://edekanns-besser.de/430

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# Burger King / Berlin: Unterschriften gegen Betriebsrat gesammelt

In 9 Berliner Burger-King-Filialen, die von der G&G Gastronomie GmbH & Co betrieben werden, geht man laut Junge Welt, massiv gegen den Betriebsrat vor. Einerseits berichtet Betriebsratsmitglied Armir Mammohamed, dass Betriebsratsmitgliedern Geld angeboten wurde, damit sie ihre Arbeit aufgeben, andererseits sammelt man unter der Belegschaft Unterschriften gegen den Betriebsrat  und verbreitet laut Betriebsrätin Alsan A. eine Atmosphäre der Angst. Das Geld haben die Betriebsräte zurückgewiesen. Die Belegschaft wurde seit der Übernahme im Juli 2010 von 400 auf 140 Angestellte ausgedünnt. Krankmeldungen wurden vor den Augen der Angestellten in den Müll geworfen, die Belegschaft statt dessen aufgefordert Urlaubstage zu nehmen.

Immerhin konnte der Betriebsrat durchsetzten, daß weiterhin nach Tarif gezahlt wird. »5,50-Jobs, wie sie bei vielen Burger-King-Filialen üblich sind, gibt es hier nicht«, sagt Betriebsrat Mammohamed.

Der (frühere) Geschäftsführer der G&G Gastronomie Ahmad Asmar (hier seine Kontaktdaten) behauptet, nicht mehr Geschäftsführer zu sein, sondern die Filialen wiederum an einen anderen Franchisenehmer verkauft zu haben.

Das es Frachisenehmer gibt, die sich von Burgerking unter Druck gesetzt fühlen und  Betriebsräte mit allen Mitteln bekämpfen, berichteten wir bereits ausführlich hier: https://arbeitsunrecht.de//?s=Burgerking

Warum der Berliner Burger-King Betriebsrat unbeliebt bei den Chefs ist, dürfte auch klar sein: Es gelang ihm, laut junge Welt, das übliche Lohndumping auf nicht selten 5,50-Euro pro Stunde beim Übergang auf den Franchise-Nehmer bislang zu verhindern.

http://www.jungewelt.de/2013/05-28/040.php

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# Verdachtskündigung in NDR-Feature: Drogerie Müller, Mercure Hotel, Gemeinde Rastede

Beitrag zum Thema Verdachstkündigungen in der Sendung Panorama vom 30.05.2013

Vorgestellt werden drei Fälle der mittlerweile gängingen Methode, bei der fingierte Vorwürfe den Mitarbeiter in die peinliche Situation bringen, plötzlich im Verdacht eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zu stehen. So unterstellte die Drogerie-Kette Müller in Weil am Rhein der gewerkschaftsnahe Mitarbeiterin Nicole Schnetzer in die Kasse gegriffen zu haben. Sie wurde firstlos gekündigt. Am Tag vor dem Gerichtstermin zog die Drogeriekette Müller die Kündigung zurück. Im Hotel Mercure in Regensburg ging man so gegen das Betriebsratsmitglied Manuela Beierkuhnlein vor, der Briefmarken in Höhe von wenigen Euro in die Handtasche gesteckt worden waren um ihr dann Diebstahl zu unterstellen. Sie gewann vor Gericht, da nicht nachweisbar war, wer die Briefmarken in die offene Tasche gesteckt hatte.

Fredy K. arbeitete 12 Jahre bei der Gemeinde Rastede, als man ihm den Diebstahl von 150,- Euro unterstellte. Der Auflösungsvertrag, den Fredy K. unter Schock unterschrieb wurde später für sittenwidrig erklärt und Fredy erhielt eine Abfindung. Sowohl die Drogeriekette Müller, als auch das Hotel Mercure in Regensburg, sowie die Gemeinde Rastede waren zu einer Stellungnahme nicht bereit. Lesenswert sind auch die Zuschauer-Kommetare zur Sendung. Sie zeigen, wie weit verbreitet Erfahrungen unter Arbeitnehmern mit Kündigungen, denen fingierte Umstände zugrunde liegen, sind.

http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2013/kuendigung125.html

wichtige Urteile:

# Mobbing am Arbeitsplatz: Beweislast beim Arbeitnehmer

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 09.08.2012 (Az.: 11 Sa 731/11) schlägt erst jetzt im Focus und Stern Wellen: wenn ein Arbeitnehmer wegen Mobbings am Arbeitsplatz Schmerzensgeld einklagt, liegt die Beweislast, dass das Mobbing stattgefunden hat, alleine beim Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist nicht zur Herausgabe von Unterlagen oder Beweisen verpflichtet. Wichtig ist es deshalb, auf jeden Fall ein Mobbing-Tagebuch zu führen, in dem die einzelnen demütigenden Situationen und Bemerkungen, inklusive Zeugen, Datum und Uhrzeit genau festgehalten werden.

http://www.focus.de/finanzen/karriere/arbeitsrecht/arbeit-arbeitnehmer-traegt-bei-mobbing-die-beweislast_aid_995165.html


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