Frontberichte 24. KW – 26. KW 2013

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Unionbusting und Arbeitsunrecht in Deutschland vom 10.-30. Juni 2013

Rhön-Kliniken/HSK-Service-GmbH/Wiesbaden: Betriebsratsvorsitzende fristlos gekündigt, ehemaliger Rhön-Vorstand in U-Haft +++ Ruhrtaler Gesenkschmiede/Herbede: Unterschriftensammlung gegen Betriebsrat +++ Werkverträge in der fleischverarbeitenden Industrie/ NGG fordert soziales Siegel für Fleisch-Produkte +++ H&M/Trier: Betriebsratsvorsitzender erleidet Schlappe vor Gericht +++ Boni in Zukunft nur noch für IG-Metall-Mitglieder?

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#HSK-Service-GmbH: Mitarbeiter zu unbezahlten Überstunden aufgefordert? Betriebsratsvorsitzende fristlos gekündigt.

Die HSK-Service-GmbH in Wiesbaden hat laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 12.06.2013 der Betriebsratsvorsitzenden Christina K. fristlos gekündigt. Die HSK-Service GmbH ist eine Tochter der Horst-Schmidt-Kliniken und zuständig für die für Reinigung, Küche und Patiententransporte. Christina K. soll bei einer Betriebsversammlung im März 2013 Kollegen davon berichtet haben, dass möglicherweise Mitarbeiter angewiesen worden seien, auszustempeln und dann trotzdem weiter zu arbeiten. Dies wäre, hätte es eine solche Anweisung gegeben oder würde der Arbeitgeber solches Verhalten tolerieren, Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Ehemaliges Rhön-Vorstandsmitglied im Knast

Pikant dabei ist, dass 49% der teilprivatisierten Horst-Schmidt-Kliniken von den Rhön-Klinikum AG (http://de.wikipedia.org/wiki/Rh%C3%B6n-Klinikum) gehalten werden und man hier, wie die Frankfurter Rundschau weiter berichtet, Erfahrung mit diesem Bereich hat. Wolfgang Kunz, ehemaliges Vorstandsmitglied der Rhön-Klinikum AG, sitzt seit März in Untersuchungshaft, weil keine Mindestlöhne gezahlt und den Sozialversicherungsträgern entsprechende Beträge vorenthalten geworden sein sollen. Auch hier geht es um Servicegesellschaften, bei denen die Rhön Klinikum AG allerdings 51% gehalten haben. Siehe auch ein Artikel im Manager-Magazin vom 11.03.2013.


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Wer also kann es der Betriebsratsvorsitzenden verdenken, wenn sie mögliche Hinweise auf nicht abgerechnete Zusatzstunden ernst nimmt und bei einer Betriebsversammlung das Thema anspricht? Andreas König von Ver.di empfindet die fristlose Kündigung als panische Vorwärtsreaktion. Veit Wilhelmi, Franktionsvoristzender der Freien Wähler Wiesbaden, drückt es laut Frankfurter Rundschau noch direkter aus: „Es kann nicht sein, dass Misswirtschaft und Teilprivatisierung dazu führen, dass Zwangsarbeit, Maulkörbe und fragwürdige Kündigungen toleriert werden.“

Mehr dazu: http://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++e680bb90-d821-11e2-b50c-52540059119e

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#Gesenkschmiede: Mitarbeiterinnen fallen Betriebsratsvorsitzenden in den Rücken

In der G. Schürfeld Gesenkschmiede im Ruhrtal ist man sich laut Ruhr-Nachrichten offensichtlich für nichts zu schade, um gegen den eigenen Betriebsrat vorzugehen. (Wir berichteten in der 23. KW ). Angelika Schröder aus der Personalabteilung, Rita Grobelny aus dem Sekretariat der Geschäftsführung, Claudia Densow aus der Finanzbuchhaltung und Angelika Krause aus dem Einkauf des Unternehmens zogen laut Presse durch die Abteilungen und ließen Kollegen/innen unterschreiben, dass sie zufrieden mit ihrem Arbeitgeber seien. Sie hoben dabei den pünktlich ausgezahlten Lohn auf das Silbertablett und lobten ihren Arbeitgeber für die Zahlung einer Umsatzprämie. Diese Extrazahlungen hat natürlich niemand anders als der Betriebsrat ausgehandelt. Nachdem Betriebsratsmitglieder Kollegen/innen, die bereits unterzeichnet hatten, auf diese verdrehte Darstellung der Verdienste von Betriebsrat und Arbeitgeber aufmerksam gemacht hat, ließen diese sich zum Teil wieder aus der Unterschriftenliste streichen.

Neben dieser dreisten Verdrehung von Ursache und Wirkung finden wir aber auch ein anderes Textstück interessant. Hier heißt es:

Nicht jeder Arbeitnehmer der RG (Ruhrtaler Gesenkschmiede, A.d.R.) ist unzufrieden und fühlt sich ungerecht behandelt bzw. eingeschüchtert und gemobbt. Das zeigt auch die geringe Teilnehmerzahl bei den Versammlungen, die in den Räumen der IG Metall am 7. und 10. 6. stattfanden.

Die Idee, Mitarbeiter im Kampf gegen den Betriebsrat gegeneinander aufzuhetzen und Unterschriften gegen einzelne Mitarbeiter sammeln zu lassen, ist nicht neu. Mitunter bilden Arbeitgeber sogar gelbe Anti-Betriebsratskomitees, die zu eigenen BR-Listen heran reifen können. In diesem Fall könnte die Initiative jedoch, auch aufgrund der erfreulich engagierten Berichterstattung von Susanne Linka in den Ruhr-Nachrichten, nach hinten losgehen.

Den Text der Unterschriftensammlung kann man hier nachlesen: http://www.ruhrnachrichten.de/lokales/witten/Stellungnahme-Belegschaft-aeussert-sich-in-Offenem-Brief;art939,2032449

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Du bist, was Du isst – NGG fordert „soziales Siegel“ für fleischverabeitende Betriebe.

Das Thema erlange durch die ARD-Reportage „Lohnsklaven in Deutschland“ am 24.06.2013 die verdiente Aufmerksamkeit. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus oftmals osteuropäischen Ländern gleichen in vielen Aspekten den Beschreibungen, die wir schon bei den Berichten über Amazon kennengelernt haben.

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#H&M Trier : Betriebsrat erleidet vor Gericht Schlappe

Das Amtsgericht Trier bestätigte am 18.06.2013 laut Volksfreund unter dem Vorsitz von Richterin Uta Lenz die Kündigung von Damino Q. (wir berichteten https://arbeitsunrecht.de/?p=1559#more-1559). Der Fall wird laut Verdi-Gewerkschaftssekretär Jürgen Rinke-Oster und dem Anwalt von Damino Q., Michael Rheinbay, vor dem Landesarbeitsgericht weiterverhandelt werden. Lesenswert in diesem Zusammenhang auch die Berichterstattung der Frankfurter Maredo-Solidaritätsgruppe: „Klassenjustiz gegen H&M Betriebsrat“/

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# Bonus-Zahlungen in Zukunft nur für IG-Metall-Mitglieder?

Das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ dürfte jedem Menschen mit auch nur durchschnittlich ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn unmittelbar einleuchten. Aber was tun, wenn einige wenige, oft Gewerkschaftsmitglieder, diesen Lohn erkämpfen und sich in der Folge im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne drakonischen Strafmaßnahmen und gelegentlich sogar dem Verlust des Arbeitsplatzes ausgesetzt sehen? Ist es dann gerecht, dass auch Kollegen, die in diesen Auseinandersetzungen nicht solidarisch waren, die weder finanziell noch praktisch Anteil an der Durchsetzung von Verbesserungen haben, gleichermaßen davon profitieren? Uwe Hück, Betriesbratsvorsitzender der Porsche AG, fordert, dass IG-Metall-Mitglieder einen Bonus erhalten sollen, der Nicht-Mitglidern vorenthalten bleiben soll. Unterstützt wird seine Forderung von den Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh (Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats sowie Mitglied des Präsidiums des Aufsichtsrates der Volkswagen AG.), Peter Mosch (Betriebsrat der Porsche Automobil Holding SE, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Audi AG) und Jürgen Dorn (MAN).

Der scheidende IG-Metall-Chef Erwin Huber sieht Hücks Vorschlag kritisch. Tatsächlich macht er aber laut Finanz-Nachrichten vom 18.06.2013 darauf aufmerksam, dass die von der IG-Metall ausgehandelten Tarifverträge nur für Mitglieder gelten würden. Es sei Sache der Arbeitgeber, dass sie den Tarif unabhängig von der Gewerkschafts-Mitgliedschaft, wie bei Porsche, an alle Arbeitnehmer zahlen würden. Hauptsächlicher Grund dürfte bisher gewesen sein: Die Arbeitgeber wollten ihren ArbeiterInnen keinen zusätzlichen Anreiz bieten, in die Gewerkschaft einzutreten.

http://www.hannover-zeitung.net/aktuell/wirtschaft/47215769-porsche-betriebsrat-bezeichnet-nicht-gewerkschaftsmitglieder-als-trittbrettfahrer

http://www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/ig-metall-kann-sich-diskussion-um-extra-boni-vorstellen-2025129.html


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