Neunkirchen: Netzwerkadministrator wegen Stromklau im Wert von 1,8 Cent verurteilt

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Arbeitsgericht Siegen kassiert fristlose Kündigung wegen Aufladen eines Elektrorollers.

Arbeitgeber ging in Berufung und verlor auf vor dem Landesarbeitsgericht Hamm. Wir dokumentieren einen Beitrag der BILD vom 13. September 2010.

Von Michael Engelberg und Inga Frenser

Endlich Gerechtigkeit! Das Gericht hat entschieden! IT-Fachmann Oliver Beel bekommt seinen Job zurück! Der 41-Jährige war von seinem Arbeitgeber gefeuert worden, weil er seinen Motorroller am Arbeitsplatz auflud. Schaden: 1,8 Cent!


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„Ich habe Recht bekommen, das war Sieg auf ganzer Linie“, so Beel nach dem Urteil zu BILD.de. „Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen.“

Vier Wochen hat Beels Chef jetzt Zeit, vor dem Bundesarbeitsgericht Berufung einzulegen. Die Chancen auf Erfolg sind allerdings gering, sagte der Sprecher des Landesarbeitsgericht Hamm, vor dem der Fall in zweiter Instanz verhandelt worden war.

DER FALL

20 Jahre arbeitete Oliver Beel als IT-Fachmann in einem Betrieb in Neunkirchen. Wie aus heiterem Himmel wurde er wegen des angeblichen Stromklaus von seiner Firma gefeuert. Er hatte sich einen Segway (elektrischen Roller) geliehen. Mit dem Zweirad fuhr er zwei Kilometer bis zur Arbeit. Auf halber Strecke war der Akku leer.

Beel: „Ich habe den Akku dann aufgeladen. Irgendwann kam mein Abteilungsleiter und bat mich, den Roller zu entfernen. Dann fiel ihm auf, dass ich den Akku am Firmennetz auflud. Dabei habe ich Strom für ungefähr 1,8 Cent benötigt.“

Einen Tag später wurde Oliver Beel gefeuert. Der Computerspezialist zu BILD: „Ich dachte, das sei ein Spaß mit der Kündigung. Das war der Weltuntergang für mich. Ich wollte doch niemandem schaden.“

Der verheiratete Familienvater ging zum Rechtsanwalt. Es kam zum Prozess. Die Kündigung wurde vom Siegener Arbeitsgericht verworfen. Sein Anwalt Dr. Bernd Roos (49, Siegen): „Ein richtiges Urteil. Hier muss man die Verhältnismäßigkeit sehen. Der Mann hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen.“

ABER: Der Arbeitgeber legte Berufung ein. Wieder ein Chef, der keine Gnade kennt.

Rechtsanwalt Rolf Immel: „Wir hätten keine Berufung eingelegt, wenn wir nicht ausreichende Chancen darin gesehen hätten.“

Der Arbeitgeber, für den der Mann als Netzwerkadministrator gearbeitet hatte, begründete die Entlassung damit, dass der Mitarbeiter seinen Elektroroller auf Kosten des Unternehmens habe aufladen lassen.

Der Fall fügt sich ein in eine mittlerweile lange Reihe von Entlassungen nach sogenannten Bagatell-Delikten: Vor einem Jahr machte Kassierin Emmely Schlagzeilen, die wegen unterschlagener Pfandbons im Wert von 1,30 Euro ihren Job verlor.

Ein weiterer Aufreger: Der Fall einer Sekretärin, die nach 34 unbescholtenen Jahren ihren Arbeitsplatz verlor, weil sie eine Frikadelle vom Büffet naschte. Erst nach massivem öffentlichen Druck hatte ihr Chef die Kündigung zurückgezogen.


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