Schlecker: Betriebsrätin wegen Dienstfahrt gekündigt

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Ver.di sieht Kündigung als Vorwand um Gewerkschafterin los zu werden

Man habe die Frau, die auch im Gesamtbetriebsrat der Drogeriekette tätig war ins offene Messer laufen lassen. Nach 17 Dienstjahren wurde sie wegen angeblich 18 zuviel abgerechneten Kilometern gefeuert. Wir dokumentieren einen Artikel aus der Südwestpresse vom 30. Juni 2010 :

Weikersheim.  Weil sie laut Aussage der Drogeriemarktkette „Schlecker“ eine „Dienstfahrt“ zu Unrecht abgerechnet habe, wurde einer Mitarbeiterin und Betriebsrätin aus Niederrimbach gekündigt. Dagegen wehrt sie sich.

Vor 17 Jahren nahm Renate Gerlinger ihre Stelle als Verkaufskraft in der Weikersheimer Filiale der Firma Anton Schlecker ein, am Donnerstag erhielt sie die Kündigung.


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Nun hat sie sich in den Räumen der IG Metall in Tauberbischofsheim erstmals an die TZ gewandt. Ihr zur Seite sitzt der Fachbereichssekretär des Verdi-Bezirks Heilbronn-Neckar-Franken, Helmut Schmidt. Für ihn ist der Kündigungsgrund „gesucht und gefunden“, wobei Gerlinger eine zweimal neun Kilometer lange Dienstfahrt mit ihrem Privatfahrzeug zu Unrecht abgerechnet haben soll. Die Fahrt führte Gerlinger, die seit 15 Jahren in der Gewerkschaft engagiert ist und neben der Funktion Betriebsrätin in der Schlecker-Region Schwäbisch Hall, in der Vergangenheit auch Betriebsratsvorsitzende, sowie Mitglied des Gesamtbetriebsrates war, zu einer Regionalversammlung nach Stuttgart. Von ihrem Wohnort bis zur Autobahnanschlussstelle Boxberg war sie allein unterwegs, von dort bestand eine Fahrgemeinschaft mit anderen Delegierten. „Angekreidet“ wird Renate Gerlinger nun, dass sie die Strecke bis zur A 81 von ihrem Niederstettener Betriebsratsbüro aus berechnete, und nicht ab der Weikersheimer Schlecker-Filiale, wie es vorgeschrieben sei. Diese zusätzlichen 18 Kilometer auf der Abrechnung seien davor nie beanstandet, sondern von Schlecker stets bezahlt worden, wundert sich Renate Gerlinger. Man habe sie gar „ins offene Messer laufen lassen“, erklärt Verdi-Fachsekretär Schmidt und spricht von „rein vorgeschobenen Gründen“.

Bei der Versammlung in Stuttgart stand die Wahl der Gesamtbetriebsräte an: Fünf Personen aus den baden-württembergischen Regionalbezirken, welche die hiesigen Mitarbeiter im bundesweiten Gesamtbetriebsrat von Schlecker fortan vertreten sollten. Bereits diese Regionalbezirke nennt Schmidt „willkürlich“ zusammengefasst. Auf Drängen der Vorgängergewerkschaft HBV habe man in den Jahren 1994/95 mit Schlecker die Bildung von Bezirken ausgehandelt, in denen die Betriebsräte zusammengefasst sind. Rund 300 von ihnen wurden damals vom Unternehmen bestimmt, „jedoch ohne politisch oder regional erkennbare Grenzen aufzugreifen“. Diese Tatsache bereite in Arbeitnehmerfragen oft Schwierigkeiten, da nahezu jede Filiale zunächst dem zuständigen Bezirk zugeordnet werden müsse.

Rückblickend scheint bereits die Wiederwahl von Renate Gerlinger als Betriebsrätin überraschend. Bis zur turnusgemäßen Wahl am 26. April habe Schlecker nach Aussage von Schmidt versucht, die Abstimmung durch Wahlempfehlungen bestimmter leitender Angestellter „zu beeinflussen“, mit dem Ziel, sich „unbequeme Leute aus der unteren Betriebsebene“ fernzuhalten. Laut seinen Aussagen war Gerlinger für das Unternehmen insofern unbequem, als sie über den kürzlich nach massivem öffentlichen Druck durch Verdi erzielten Tarifvertrag mit den Schlecker XXL-Filialen Bescheid wusste. Dieser Sozialplanähnliche Vertrag gilt jedoch nur für Mitglieder. Gerlinger hätte womöglich genau diesen Umstand als „Wissende in der Region“ über ihr Betriebsratsmandat öffentlich machen können; „eine Gefahr“ für das auf „Kostenreduzierung“ bedachte Unternehmen, so Schmidt.

Gegen die Kündigung hat die Niederrimbacherin eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Erfahrungsgemäß dürfte das Arbeitsgericht Schwäbisch Hall noch eine Gütefrist von drei bis vier Wochen verstreichen lassen, ehe die konkrete Fallprüfung erfolgt ist.

Für Renate Gerlinger, die in den letzten sechs Jahren für ihre Betriebsratsarbeit innerhalb ihrer 20-Stunden-Woche von der Arbeit in der Filiale freigestellt war, besteht Hoffnung. Gerade der Teilerfolg im „Fall Emmely“ stimmt sie zuversichtlich.

Bei der Unternehmenszentrale in Ehingen war im gestrigen Tagesverlauf trotz mehrfachen Telefonanrufen niemand für eine Stellungnahme erreichbar.


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