Atos / Sellbytel: BR-Vorsitzender bleibt im Amt

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Kanzlei Buse Heberer Fromm scheitert mit weiterem Antrag gegen Arbeitnehmervertreter

Bericht zum Gerichtstermin am 16.04.2015 von Peter Kunz

Betriebsrat im Callcenter? Nicht mit Sellbytel. Hier die  Firmenzentrale in Nürnberg (Bild gemeinfrei, Quelle wikicommons)
Betriebsrat im Berliner Callcenter des Kunden Atos? Das hat  Sellbytel nicht gerne. Hier die Sellbytel-Firmenzentrale in Nürnberg (Bild gemeinfrei, Quelle wikicommons)

Das Arbeitsgericht Berlin hatte am 16.04.2015 über einen Antrag auf sofortige Unterlassung der Amtsausübung des Betriebsrats-Vorsitzenden zu entscheiden. Axel U. ist Arbeitnehmervertreter beim Call-Center-Betreiber Sellbytel Group GmbH, der in Berlin für den französischen IT-Konzern Atos tätig ist. Bemerkenswert: Der Betriebsrat (BR) wurde ohnehin per Beschluss der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin bereits am 26.03.2015 aufgelöst. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, auch die Begründung steht noch aus – weshalb alle BR-Mitglieder noch im Amt sind. Der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Betriebsrats wurde mit angeblich nicht ordnungsgemäß beantragten Schulungen begründet. Dazu sei bemerkt, dass Zank um die Kosten für Betriebsratsschulungen zum Standard-Repertoire von Union Bustern gehört. Ziel ist, die demokratische gewählten Mitglieder der Arbeitnehmervertretung mit konstruierten Klagen zu beschäftigten und sie so von ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich Arbeitnehmerinteressen zu vertreten, abzuhalten.

Der nun nachgeschobene Antrag der Geschäftsführung von Sellbytel, vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Grambow (Kanzlei Buse Heberer Fromm),  wurde am 16.04.15 von der 63. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin zurückgewiesen. Der Betriebsratsvorsitzende widersetzt sich damit weiterhin der Zermürbungsstrategie des Unternehmens und der Kanzlei Buse Heberer Fromm. Buse gehört zur dritten Liga der deutschen Wirtschaftskanzleien. Die Sozietät tritt nach außen seriös auf, macht aber immer wieder in Theorie und Praxis durch schmutzige Methoden gegen Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter auf sich aufmerksam, wobei Jan Tibor Lelley (Essen) und Mathias Kühnreich (Düsseldorf) hervor stechen.

Erpressung durch Sachverständige?


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Der bizarr anmutenden Hauptvorwurf des Unternehmens spielte in der Verhandlung am Donnerstag nur eine untergeordnete Rolle: Der Betriebsratsvorsitzende würde das Unternehmen „erpressen“, indem er drohe, zusätzliche Kosten zu verursachen.  Denn der Vorsitzende Richter Bernd Förschner machte schon zu Beginn klar, dass hier aufgrund von eidesstattlichen Aussagen von Axel U. und einem Kollegen zumindest Aussage gegen Aussage stehe.
Unternehmer-Anwalt Tobias Grambow zeigte sich daher schnell einigungsbereit. Angesichts der drohenden Schlappe und trotz der Behauptung des Unternehmens, das Verhältnis der Geschäftsführung zu dem Betriebsratsvorsitzenden sei zerrüttet, wollte er dann aber die Entscheidung über die einstweilige Verfügung auf nächste Woche verschieben. Der Richter kommentierte, dass dies zwar möglich, in einem Eilverfahren aber ungewöhnlich sei und lehnte schließlich ab.

Als Ausgangspunkt des Konflikts sollten diesmal die Kosten für die Beratung des Betriebsrats durch eine Sachverständige herhalten. Es galt, eine Betriebsvereinbarung zur Unfallverhütung zu verhandeln. Sellbytel nutzte die angeblich zu hohen Kosten für eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat. Einen Großteil der gestrigen Verhandlung lang diskutierte Tobias Grambow denn auch mit dem Anwalt des Betriebsrates, Martin Bechert, darüber, ob die Sachverständige dem Betriebsrat einmalig noch eine oder doch  zwei Stunden zur Verfügung stehen sollte.
„Darin zeigt sich, worum es hier eigentlich geht,“ sagte ein Mitglied des Betriebsrates (Name der Redaktion bekannt) der aktion ./. arbeitsunrecht. Axel U. wurde von etwa zehn Kolleginnen und Kollegen im Gerichtssaal begleitet. Seit seiner Gründung am 8. August 2013 steht der Betriebsrat unter Dauerbeschuss der Geschäftsführung von Sellbytel. Wir berichteten bereits im September 2014 über den Versuch der Kündigung von neun von insgesamt elf Betriebsratsmitgliedern durch den Dienstleistungsriesen. Schon im Oktober 2014 mussten wir dann erneut über weitere Schikanen von Arbeitgeberseite berichten: 27m² für 11köpfige Betriebsrat?

Sellbytel, eine Tochter des weltweit auftretenden Marketing-Konzerns BBDO, betreibt in Berlin ein Callcenter für das französische IT-Unternehmen Atos, das sich nach eigener Aussage, die Prinzipien der Vereinten Nationen im Bezug auf Arbeitsnormen beachten möchte. Atos hatte 2014 der aktion ./. arbeitsunrecht mitgeteilt, dass man Abweichungen von diesen Vorgaben prüfen wolle, allerdings nur, wenn diese „signifikant“ seien. Im Fall Sellbytel ist die Atos-Zentrale nach unserer Kenntnis  bisher jedoch nicht aktiv geworden. (Die nichtssagende Stellungnahme durch Atos vom 04.09.2014 finden Sie hier.)

Am 7. Mai wird in selber Sache das ordentliche Gerichtsverfahren gegen den Betriebsratsvorsitzenden verhandelt, weitere Verfahren sind anhängig.


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1 Kommentar

  1. Lächerlich was der Betriebsrat seit Anfang an macht, ich habe war in der Firma und seitdem der Betriebsrat gegründet wurde, ist alles an dem Berliner Standort (ehemals Siemensstadt, jetzt Adlershof) runtergekommen.

    Selbst als Arbeitnehmer wird man seitens BR nicht vertreten!

    Ich war selbst in der Lage das mich der Arbeitgeber los werden wollte, aber der Br meinte nur sie könne mir nicht helfen. Ich selber musste zum Arbeitsgericht und alles klären.

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