Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.
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Berufsverbote / Bundesministerium für Arbeit und Soziales feuert Beamtin für Palästinasolidarität
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Superfoods Berlin / FAU fordert nicht gezahlte Löhne
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Ottobock / Protest Abmahnung zurückgezogen, Kündigung bleibt, Börsengang kommt
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FU Berlin / verdi-Betriebsgruppe geht in 2. Instanz
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Stadtwerke Cottbus / Streikende mit Sanktionen bedroht
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Asta Uni Potsdam / Vorstand räumt Platz
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BMAS feuert Referentin für Menschenrechte, weil sie die Einhaltung von Menschenrechten fordert
Berlin: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die verbeamtete Juristin und Bundestagskandidatin für MERA 25, Melanie Schweizer, am 28.02.2025 aus ihrem Dienst im entlassen. Grund dafür sollen israelkritische Aussagen in sozialen Medien gewesen sein, berichtet Schweizer bei X. Ihr sei gekündigt worden, da sie sich »gegen den Genozid in Palästina, der von Israel begangen wird«, ausgesprochen habe. Darüber berichtet die junge welt1. Mera 25 ist die Nachfolgepartei von Diem 25, die der damalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis 2016 gründete.
Schweizer teilt auf ihrem x-account Informationen zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Israel in Palästina mutmaßlich begeht und begangen hat. Eine Einschätzung, die von vielen Organisationen und internationalen Völkerrechtsexperten geteilt wird. Doch Völkerrecht scheint im Bundesministerium aber niemanden zu kümmern.
Bild pfeift, BMAS springt?
Verantwortlich für die Kündigung soll Schweizer unter anderem die Bild-Zeitung machen, die bereits im Dezember 2024 einen Hetzartikel gegen sie veröffentlicht hatte. Hier framed Marius Kiermeier Schweizer am 11.12.2024 als Israelhasserin. BILD hatte damals beim Arbeits- und Sozialministerium nachgefragt, wie man dort die angeblichen Israel-Hassbeiträge der Mitarbeiterin sehen würde. Das Ministerium, noch geführt von Hubertus Heil (SPD), reagierte mit einer Prüfung des Beschäftigungsverhältnisses. 2
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In einem immer enger werdenden Meinungskorridor sind Meinungsäußerung die die Einhaltung von Völker- und Menschenrechte fordern mittlerweile offensichtlich sogar dazu geeignet ein Beamtenverhältnis zu beenden.
Am 2. März 2025 äußerte sich Schweizer selbst zu dem Skandal im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und erklärt den Vorgang zum Angriff auf die Meinungsfreiheit (siehe hier).
Der besondere Witz: Schweizer war als Referentin im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte beim BMAS tätig.
Die Partei Mera 25, für die Melanie Schweizer bei der Bundestagswahl 2025 658 Erststimmen holte hat eine Solidaritätserklärung veröffentlicht.
Wir haben mittlerweile über eine ganze Reihe von Berufsverboten berichtet, unter anderem:
- Lehramtsanwärtin Lisa Poettinger darf in Bayern ihr Referendariat wegen Klimaschutz und Kapitalismuskritik nicht antreten. Ihr wird unter anderem vorgeworfen den Begriff der Profitmaximierung benutzt zu haben. (Berufsverbote: Bayern gegen Linke und Klimaschutz, 6.2.2025)
- Die TU München lehnte 2024 den Bewerber Benjamin ab. Die Begründung war eine marxistische Weltsicht und Mitgliedschaften bei der Roten Hilfe und „Die Linke.SDS“. Wobei die Mitgliedschaft bei „Die Linke.SDS“ schon 2014 endete. (TU München: Arbeitsgericht bestätigt Gesinnungsprüfung – Wer ist hier eigentlich der Verfassungsfeind?, 5.9.2024)
Superfoods Berlin: FAU fordert nicht gezahlte Löhne ein
Berlin: Die Freie Arbeiter*innen Union FAU Berlin rief für den 9. und 23. Februar 2025 zu Protesten am Café Superfoods auf. Mitglieder der FAU Berlin haben die Superfoods Berlin UG verklagt, um ausstehenden Lohn einzufordern. Nach Darstellung der FAU soll das Unternehmen:
• Urlaubstage und Lohn für vertragliche Arbeitsstunden nicht gezahlt haben
• Gehälter verspätet oder fehlerhaft ausgezahlt haben, so dass Angestellte auf Lohnanteile warten mussten
Das Allgemeine Syndikat der FAU Berlin forderte bei den Protesten vom Café Superfoods für drei ehemalige Beschäftigte insgesamt mehr als 14.000 Euro brutto. Bereits im November 2024 hatte Superfoods in einem außergerichtlichen Vergleich mit der FAU Berlin unterschrieben, die Forderung ab dem ersten Dezember 2024 in monatlichen Raten von je 2000€ zu begleichen. Es scheint allerdings ein Restbetrag offen geblieben zu sein.
Wir wünschen viel Erfolg und senden solidarische Grüße nach Berlin.
Prothesen-Ottobock zieht Abmahnung zurück, Kündigung gegen Betriebsratsmitglied bleibt, Börsengang kommt
Duderstadt: Die Geschäftsführung des Prothesen-Herstellers Ottobock zog eine Abmahnung gegen den Leiter des Vertrauenskörpers wegen Meinungsäußerungen im Intranet zurück. Die Geschäftsführung stellen laut Impressum (abgerufen 5.3.2025) Lukas Eckermann, Philipp Hoefer und Oliver Jakobi. Die Ottobock-Geschäftsführung glich außerdem willkürliche Lohnkürzung gegen den gleichen Beschäftigten aus. Die Kürzung war erfolgt, weil er eine Betriebsratssprechstunde besucht hatte.
Der Kündigungsversuch gegen den Konzernbetriebsratsvorsitzenden ist allerdings auch nach einem Gütetermin aktuell.3 Das Beschlussverfahren wird am 5. Mai 2025 um 10:45 Uhr in Saal B260 der Arbeitsgerichts Göttingen stattfinden. Sofern Ottobock nicht doch noch zur Vernunft kommt und die Klage bis dahin zurück zieht (Az 3 Ca 3 BV 8/24).
Interessierten sei nahe gelegt der Webseite we are together igm zu folgen. Hier berichteten IGM-Mitglieder über die Stimmung bei Ottobock und servieren Anekdoten aus dem Firmenalltag. Zum Beispiel über einen Rundgang in der Fertigung, bei dem sich COO Arne Jörn, ein Werksleiter und der Vice President Operations Europe Waldo Flor bei einem Rundgang in der Fertigung an einem IG Metall-Plakat vergriffen haben sollen. 4 Dabei plant man doch trotz dieser Kleingeistigkeit noch das große Rad zu drehen an der Börse zu drehen.
Börsengang lieber ohne aktiven Betriebsrat?
Ottobock hat die Deutsche Bank, Goldman Sachs, BNP und die Anwaltskanzlei Freshfields beauftragt, seinen Börsengang für die zweite Jahreshälfte 2025 vorzubereiten. Der Umsatz von Ottobock stieg von 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 1,6 Milliarden Euro in 2024. Darüber berichtet die Financial Times am 3.3.2025.5
Klar eigentlich: Noch mehr Krieg bietet für den Prothesenhersteller bessere Gewinnaussichten. Hier freut man sich vermutlich über jede genehmigte Waffenlieferung. Wo geschossen wird, fallen Söhne und Töchter. Aber mit einem bisschen Glück, überleben sie doch und können von Ottobock mit Gliedmaßen versorgt werden.
FU Berlin: verdi Betriebsgruppe legt Widerspruch gegen Schmähkritik-Urteil ein
Berlin: Ein abgemahntes Mitglied der verdi-Betriebsgruppe an der Freien Universität FU Berlin legt Widerspruch gegen ein Urteil des Berliner Arbeitsgerichts ein und wendet sich damit an die nächste Instanz. Darüber berichtet der Blog Widerständig.6 Das Arbeitsgericht hatte tatsächlich befunden, dass es sich bei einem Text, den die verdi Vertrauensleute verfasst hatten um Schmähkritik handeln würde. Das ist nicht haltbar, wie die Anwälte eines Abgemahnten, Benedikt Hopman und Reinhold Niemerg, meinen. Denn die zuständige Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Katharina zum Kolk hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Vorwürfe zu prüfen.
Konkret soll das Mitglied der verdi-Betriebsgruppe der Freien Universität in einem Aufruf vorgeworfen haben sich tarifwidrig, mitbestimmungsfeindlich und antidemokratisch zu verhalten und damit den Aufstieg der AfD zu befördern. Benedikt Hopman und Reinhold Niemerg, machen in ihrem Widerspruch allerdings klar, dass diese Vorwürfe auf Tatsachen fußen.
Hopmann und Niemerg legen dar, dass
- die FU den Angestellten der Veterinärmedizin Zuschläge in Höhe von 2.004.903,88 € vorenthalten hatte. Erst nach mehrjährigen Auseinandersetzungen und nur auf Druck der ver.di-Betriebsgruppe sind die geltend gemachten Zuschläge schließlich gezahlt worden. Eine ausstehende Höhergruppierungen Beschäftigter ist noch immer nicht abgeschlossen
- sich in einem offenen Brief Betriebshandwerker*innen bei der Kanzlerin der FU Berlin beklagten, dass tarifliche Zuschläge, insbesondere für Rufbereitschaften von Betriebshandwerker*innen, nicht ordnungsgemäß bezahlt worden sein sollen
- die FU gegen Mitbestimmungsrechte verstoßen haben soll
- dass gerade Beschäftigte der unteren Lohngruppen und mit hohem Migrant*innenanteil wie z.B. Reinigungskräfte an der FU ausgegliedert und damit von der betrieblichen Gemeinschaft ausgegrenzt und schlechter gestellt würden
- die FU Tarifflucht per Ausgliederung betrieben hat
Wie also kann man seitens der FU die Frechheit haben, sich gegen den Vorwurf des tarifwidrigen, mitbestimmungsfeindlichen und antidemokratischen Verhaltens zu verwehren.
Fehlurteil mit Signalwirkung
Hopmann und Niemerg halten fest, dass das vom Arbeitsgericht Berlin gefällte Urteil geeignet ist, Arbeitgeber zu ermuntern, aktive Gewerkschaftsmitglieder in ihren Betrieben mit Abmahnungen und Kündigungsandrohungen zu überziehen, wenn diese sich kritisch hinsichtlich der vorherrschenden betrieblichen Verhältnisse äußern.
Mit dem Begriff der Schmähkritik unterbinde das Arbeitsgericht von vornherein die in diesen Fällen verfassungsrechtlich zwingend gebotene Abwägung der Meinungs- und Koalitionsfreiheit der Gewerkschafter/innen mit den gegebenenfalls gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Arbeitgeber.
Hier geht es um ganz wesentliche Fragen der Weichenstellung in Sachen Meinungsfreiheit im Betrieb.
Stadtwerkeverbund Cottbus droht Streikenden
Cottbus: Der Stadtwerkeverbund Cottbus droht den Beschäftigten am 6. März 2025 an einem verdi Warnstreik teilzunehmen. In einem Schreiben an ver.di soll der Stadtwerkeverbund angekündigt haben, dass Beschäftigte, die dem Aufruf folgen ohne Ausnahme drastische arbeitsrechtliche Konsequenzen rechnen müssten. So schreibt verdi Landesbezirk Berlin Brandenburg in einer Pressemitteilung vom 5.3.2025.
Ein Warnstreik, so verdi, ist aber nicht an feste Ankündigungsfristen gekoppelt. Zudem gibt verdi an bereits Notdienstvereinbarung mit den Betrieben EVC und HKW (beide sind Teil des Stadtwerkeverbund Cottbus) unterzeichnet zu haben, damit die Funktionsfähigkeit der Primärinfrastruktur sicherstellt bleibt.
Erst seit dem 1. März 2024 ist der Stadtwerkeverbund tarifgebunden. Seitdem gibt es erhebliche Probleme bei der Umsetzung des Tarifvertrags für Versorgungsbetriebe (TVV). In diesem Zusammenhang soll die Geschäftsführung auch gerichtlich gegen Betriebsräte vorgehen.
Asta FU Berlin: Vorstand räumt nach 11 Kündigungen Posten
Potsdam: Der Asta-Vorstand der Uni Potsdam unter Leo Radloff, Zoe Caspary und Maurice Heilmann hatte den Personalrat aufgelöst und gleich 11 Angestellte entlassen. (Wir berichteten hier: Asta Uni Potsdam: Personalrat aufgelöst – 11 von 14 Angestellte gefeuert, 22.11.2024) Nun wurde bekannt, dass sich Radloff, Heilmann und Caspary aus dem Asta-Vorstand zurück ziehen. Darüber berichtet die Tageszeitung nd.7 Wir werten den Rückzug der Verantwortlichen als großen Erfolg, zu dem wir mit unserer Skandalisierung hoffentlich ein Stück betragen konnten.
Mit den gleich 11 Kündigungen brachten Radloff, Heilmann und Caspary auch den Betrieb des Kulturzentrums Kuze ins Wanken, weil hier gleich alle Angestellten gehen mussten. Leo Radloff soll das beliebte Kulturzentrum als linken Freiraum bezeichnet haben, der ihm ein Dorn im Auge sei.
Zu einem Verhandlungstermin am Arbeitsgericht Potsdam bezüglich der Kündigungsschutzklage eines gefeuerten Angestellten erschien Felicitas Kneip, die Anwältin des Asta, gar nicht erst. Und erntete damit ein Versäumnisurteil zugunsten des Angestellten. Das bestätige der Arbeitsgerichtsdirektor Toralf Engelbrecht.
Ob der Asta, bzw. Radloff, Caspary und Heilmann die Kündigungen überhaupt weiter verfolgen wollen ist unklar. Eine Wiedereinstellung erfolgte jedenfalls bislang nicht. Ihren Rückzug begründen Radloff und Heilmann mit einer angeblichen Kampagne gegen sie seitens der Initiative AstA-Retten. Die hatte unter anderem eine Demo mit 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf die Beine gestellt und das Vorgehen des Asta-Vorstandes als rechten Kulturkampf gegen linke Einrichtungen bezeichnet. Unseres Erachtens ganz zu recht.
Asta-Referent Danylo Poliluev-Schmidt verteidigt das Vorgehen immer noch und soll ehemaligen Angestellten Arbeitszeitbetrug vorwerfen. Ein absoluter Klassiker unter den Kündigungsgründen, der sich oft leichterhand konstruieren lässt.
Quellen
1 Max Grigutsch: Arbeitsministerium feuert Juristin, junge welt, 4.3.2025 https://www.jungewelt.de/artikel/495226.pal%C3%A4stina-solidarit%C3%A4t-arbeitsministerium-feuert-juristin.html
2 Marius Kiermeier: Heil schockiert! Mitarbeiterin verbreitet übelsten Israel-Hass, Bild, 11.12.2024 https://www.bild.de/politik/inland/minister-heil-schockiert-mitarbeiterin-verbreitet-uebelsten-israel-hass-675829ff5a14524c9e5de3fb
3 Conny Weyerthal: Göttingen: Mit Prothese, ohne Tarif – Union Busting bei Ottobock und GÖVB, arbeitsunrecht 31.01.2025 https://arbeitsunrecht.de/goettingen-mit-prothese-ohne-tarif-union-busting-bei-ottobock-und-goevb/
4 Webseite https://wearetogether-igm.de/newsblog/ abgerufen 4.3.2025 https://wearetogether-igm.de/wp-content/uploads/2025/02/GT-Bild-2025-02-12-OB-Rechtsstreit.jpg
5 Webseite https://wearetogether-igm.de/newsblog/ https://wearetogether-igm.de/wp-content/uploads/2025/03/250303_Boersengang-IPO_Financial-Times.pdf
6 Blog Widerständig, abgerufen 5.3.2025 https://widerstaendig.de/berufung-gegen-fu-schmaehkritikurteil-des-berliner-arbeitsgerichts-vom-05-12-2024-eingelegt/
7 Andreas Fritsche: Potsdam: Unwirksame Kündigung von Asta-Beschäftigtem, nd, 24.02.2025 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189214.universitaet-potsdam-unwirksame-kuendigung-von-asta-beschaeftigtem.html