KWB-Folien: Prozess wegen Behinderung des Betriebsrats

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Union Busting bei Bossel in Sprockhövel | Arbeitsgericht wirkt begriffsstutzig | Zoff zwischen IG BCE und ver.di

Betriebsratsbehinderung Drei Affen
Aber immerhin gibt es Meinungsfreiheit und Satire. Erlauben Sie sich solche Scherze mal in der Türkei oder Saudi-Arabien.

von Elmar Wigand

Vor dem Arbeitsgericht Hagen ist derzeit eine Seltenheit zu bestaunen. Unter dem Vorsitz von Arbeitsgerichtsdirektor Jürgen Schlösser wird über die Behinderung der Betriebsratsarbeit beim mittelständischen Verpackungs-Hersteller Kunststoffwerk-Bossel GmbH & Co KG aus Sprockhövel verhandelt.

Betriebsratsbehinderung ist zwar strafbar, wird aber in Deutschland so gut wie nie geahndet und nur selten zur Anklage gebracht. Der betreffende §119 BetrVG kann als der am wenigsten bekannte und verfolgte Straftatbestand der Republik gelten. Insofern ist ein Prozess in Sachen §119 – ganz gleich wie er nun ausgeht – bereits ein Erfolg an sich.

Ein Bericht von Helmut Ullrich in der WAZ deutet darauf hin, dass das Hagener Arbeitsgericht möglicherweise noch Probleme bei der Durchdringung des Sachverhalts „Betriebsratsbehinderung“ hat: „Allein mit der bloßen Behauptung, der Betriebsrat werde in seiner Arbeit massiv gestört, kommt man vor Gericht nicht weiter. Es muss auch belegt werden“; mit dieser Binsenweisheit zitiert der Journalist den Vorsitzenden Richter Schlösser (WAZ, 24.2.2016).


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Viele Arbeitsgerichte tun sich schwer damit, Maßnahmen wie konstruierte Kündigungen und Abmahnungen, Mobbing und Schikanen als das zu anzuerkennen, was sie nach dem Drehbuch des Union Busting (Was ist das?) sind: Maßregelungen und Vergeltungsmaßnahmen, die zur Behinderung der Betriebsratsarbeit dienen. Sie sollen:

  • einzelne Meinungsführer zermürben und durch Krankheit oder Kündigung dauerhaft aus dem Betrieb entfernen,
  • das Betriebsratsgremium nach Möglichkeit demoralisieren und spalten,
  • die Belegschaft einschüchtern und Druck ausüben, um eine vom Management gesteuerte gelbe Anti-Gewerkschafts-Liste aufzubauen.

Dieses Schema darf im Jahr 2016 längst als entschlüsselt gelten (siehe Union Busting in Deutschland, OBS Arbeitsheft 77, pdf). Nicht zu allen Arbeitsgerichten ist diese Erkenntnis durchgedrungen – vielleicht auch, weil manche Richter aufgrund umfangreicher Nebentätigkeiten wenig Zeit zur Weiterbildung haben.

Anstatt solche Maßregelungen und Vergeltungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit als Betriebsratsbehinderung zu bewerten – sie sind auch daran gut erkennbar, dass sie häufig von einschlägig bekannten, verfolgungsnotorischen  Anwälten losgetreten werden oder deren Schemata folgen -, tut man so, als könne man den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen. Deshalb werden in monatelangen Verhandlungen auch solche Kündigungs- und Abmahnungsgründe kleinteilig durchgekaut, die erkennbar unsubstantiiert oder gar absurd sind. Die Arbeitsgerichte machen sich so zu (mitunter unfreiwilligen bzw. naiven) Gehilfen des Union Busting.

Systematische Zermürbung des BR-Vorsitzenden

Bossel  produziert in einer Fabrik in Sprockhövel nach eigenen Angaben mit über 100 Arbeiter_innen Verpackungsfolien, Verbundfolien, Beutel und Trichterverpackungen, z.B für die Marke Golden Toast. Das Verhalten gegenüber dem Betriebsrat wird als rauh bis unbarmherzig beschrieben. Die Lokal-Presse berichtet von „sozialer Isolation, Zermürbung, Prozessen gegen die Mitarbeiter und Fallen, die dem Arbeitnehmer gestellt werden, damit er fast zwangsläufig Fehler begeht“.

Der BR-Vorsitzende Mustafa A. hatte zuletzt erneut ein Hausverbot bekommen – auch das gehört zum sattsam bekannten Schema des Union Busting. Diesmal lautet die abenteuerliche Konstruktion: „Einbruchsdiebstahl“. Einen ähnliches Hausverbot gegen ihren gewählten Vertreter im vergangenen Jahr hatte die Belegschaft mit einer Arbeitsniederlegung gekontert, berichtet Sabine Weidemann (WAZ, 24.2.2106).

Für die Firma Bossel traten vor dem Arbeitsgericht Hagen auf: der Bossel-Geschäftsführer Bernd Knäpper und der Jurist Thomas Rosenke vom Arbeitgeberverband Chemie (Westfalen).

Belegschaft kämpft für guten Tarifvertrag | IG BCE kämpft gegen ver.di

Hintergrund des Konflikts sind laut Presse ein miserables Arbeitsklima bei Bossel, hervorgerufen durch Willkür des Managements und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Belegschaft streitet für einen Tarifvertrag. Zu diesem Zweck wollten 80 von 137 Kollegen aus der IG BCE austreten und zu ver.di wechseln.

Wer vermutet, dass die IG BCE auf den drohenden Mitgliederschwund mit erhöhter Anstrengung und Kampfbereitschaft für die Belange der Beschäftigten reagieren würde – etwa im Sinne eines „sozialistischen Wettbewerbs“ – muss sich getäuscht sehen. Die Industriegewerkschaft schloss noch schnell einen Haustarifvertrag mit der Bossel-Geschäftsführung ab, der laut Medienberichten deutlich unter den Tarifvorstellungen von ver.di liegen soll.

Streit um Organisierungsbereiche

Solche feindseligen Organisations-Manöver finden im Bewusstsein der Öffentlichkeit meist nur zwischen berufsständischen Gewerkschaften und ihren DGB-Konkurrenten statt – etwa im Dauerstreit EVG versus GdL. Es gibt sie aber auch innerhalb des DGB und zwar häufiger als gedacht.

So tat sich die IG BCE bereits 2010 durch massives Counter-Organizing gegen die IG Metall beim Emdener Windanlagen-Monteur Bard Energy hervor (Soz Nr. 09/2010). Ein anderes Mal war es die IG Metall, die ver.di im Transportgewerbe attackierte. Sie konnte mit wesentlich attaktiveren Tarifen ab 2010 Speditionsarbeiter in der Auto-Industrie etwa bei Schnellecke und Rudolph Automotive Logistik für sich gewinnen. Der Streit zwischen den beiden größten deutschen Gewerkschaften ver.di und IG Metall landete 2012 sogar vor dem Arbeitsgericht Frankfurt (Maschinenmarkt, 25.1.2012).

Während IG Metall und IG BCE mit einer Kooperationsvereinbarung im April 2015 offiziell Frieden schlossen und sich zusammen mit IG BAU und EVG als DGB-Mehrheitsfraktion formierten, dürften ihre Auseinandersetzungen mit ver.di in Zukunft eher zunehmen. Die Kooperationsvereinbarung war eine klare DGB-interne Kampfansage an ver.di (siehe Kommentar von Norbert Häring, 22.4.2015).

Im Fall KWB-Folien soll nun ein DGB-Schiedsgericht entscheiden. Größere Teile der Belegschaft demonstrierten ihre Haltung am 9. Januar 2016 vor dem Sitz der IG BCE in Bochum mit Parolen wie „Gebt uns frei!“ und „Raus aus der IG BCE“ (WAZ, 9.1.2016).

Im Dickicht verworrener Interessen

Noch verworrener wird die Interessenslage, wenn wir die massive Unterstützung der konfliktbereiten Belegschaft durch Work-watch/Fair im Betrieb betrachten. Die Initiative wird bzw. wurde durch staatliche, halb-staatliche und DGB-Gelder gefördert. Fair im Betrieb wird durch EU-Gelder subventioniert; Work-watch wurde vom Bildungsträger Arbeit und Leben NRW gegründet, der wiederum eine Einrichtung der NRW-Volkshochschulen und des DGB ist. Im Beirat saß mit dem damaligen NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) der frühere DGB-Chef NRW.

Hier kann man Interessenskonflikte vermuten. Die IG BCE ist in NRW traditionell gut mit der SPD und der Landesregierung vernetzt und bildet eine starke Bastion im DGB. Der amtierende DGB-Chef Reiner Hoffmann kommt aus der IG BCE. Um so bemerkenswerter ist es, dass Work-watch/Fair im Betrieb die Demo der Belegschaft vor der Bochumer Geschäftsstelle der IG BCE laut WAZ-Berichten massiv unterstützte (WAZ, 9.1.2016).


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3 Kommentare

  1. „Sie scheinen ein unangenehmer Zeitgenosse zu sein“. Eine weitere wirre und inhaltsleere Spekulation. Ist das eigentlich das einzige, was Sie – abgesehen von Flüchtigkeitsfehlern – hinbekommen? Da Sie aber nach eigener Auffassung der einzige „Forscher“ sind. der „in Deutschland“ etwas „am besten und gründlichsten durchdringt“, bin ich tief beeindruckt.
    Sie scheinen ein von sich überheblicher, arroganter Zeitgenosse zu sein. Das genau ist Ihr Problem!

  2. Das Problem ist nicht, wie Sie schreiben, dass das Hagener Arbeitsgericht möglicherweise noch Probleme bei der Durchdringung des Sachverhalts Betriebsratsverhinderung hat. Das Problem sind Sie, Elmar Wigand, mit ihren wirren und inhaltsleeren Spekulationen. Aber wer noch nicht mal in der Lage ist, einen simplen Namen korrekt abzuschreiben, offenbart bereits unfreiwillig einfachste journalistische Sorgfalt und Qualitätsmängel. Der Autor der WAZ heißt übrigens Helmut Ullrich. Finde den Fehler!

    • Habe den Flüchtigkeitsfehler soeben berichtigt. Danke für den Hinweis. Was den Sachverhalt „Verhinderung- und Behinderung von Betriebräten“ angeht, so bin ich – in Ermangelung an anderen Forschern – vermutlich derjenige, der ihn in Deutschland am besten und gründlichsten durchdringt. Einfach, weil ich mich als Redakteur von arbeitsunrecht.de täglich damit befassen muss. (Ich könnte mir auch lustigere Berufungen vorstellen.)

      MfG
      Elmar Wigand

      PS: Sie scheinen ein unangenehmer Zeitgenosse zu sein. Was genau ist Ihr Problem?

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