Lebenshilfe Kleve: Lohnraub, Streik, Kündigung

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Die Lebenshilfe versteht sich gemeinhin als Eltern-, Fach- und Trägerverband für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien. Das scheint im Landkreis Kleve jedoch keineswegs so zu sein. (Foto: DALIBRI)
Die Lebenshilfe versteht sich gemeinhin als Eltern-, Fach- und Trägerverband für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien. Im Landkreis Kleve scheinen jedoch finanzielle Vorteile wichtiger sein. (Foto: DALIBRI, Quelle: wikicommons)

Sozialmafia am Niederrhein behält öffentliche Gelder ein und weigert sich Tarif zu zahlen

Im Landkreis Kleve tut sich Unerhörtes. Das ist wörtlich gemeint. Obwohl hier rund 90 Erzieherinnen seit dem 08.01.2014 unbefristet streiken und deshalb seit über drei Wochen vier Kitas geschlossen bleiben, wovon rund 200 Kinder samt ihren Eltern betroffen sind, hat dieser Arbeitskampf bisher kaum eine überregionale Öffentlichkeit. Dabei ist dieser Skandal, der nach dem Arbeiter Samariter Bund (ASB) und der  Arbeiterwohlfahrt (AWO)  nun einen weiteren „sozialen“ Konzern in unsere Presseschau bringt, möglicherweise eine Art Präzedenzfall. Denn es fehlt offenbar eine gesetzliche Handhabe, die es verbietet, Gelder, die von Land und Kreis für den Lohnanteil an Kita-Betriebskosten bereit gestellt werden, anderweitig zu verwenden. Hier besteht möglicherweise ein probates Schlupfloch für Abzocke durch soziale Träger und deren üppig bezahlten Geschäftsführer.

Was hier ebenfalls zu bestaunen ist: Klüngel und Ämterhäufung in der provinziellen Abgeschiedenheit. Die Lebenshilfe am Niederrhein ist fest mit lokalen Honoratioren verwoben. Zu wessen Vorteil wohl? Wahrscheinlich nicht zum Vorteil von Kindern, Eltern und Betreuer_innen.

In den Streik traten zunächst die Kinder-Tagesstätten der Lebenshilfe in Kranenburg, Kranenburg-Nütterden, Bedburg-Hau und Uedem. Seit ihrem Eröffungstermin am 20. 01. 2014 haben sich auch die Beschäftigten der Lebenshilfe-Kita in Bedburg-Hau, obwohl noch in der Probezeit, dem Streik angeschlossen.

Die Betriebskosten der Kitas werden zu 100% getragen

Der Anlass des Arbeitskampfes scheint banal: die Erzieherinnen wollen in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt werden (TVöD, siehe hier) . Im Jahr 2013 gab es bereits Warnstreiks, um der Forderung Nachdruck zu verleihen.
Lebenshilfe-Geschäftsführer Hermann Emmers lehnt eine Lohnerhöhung aus Kostengründen ab, obwohl die Betriebskosten der Kitas zu 91% vom Land NRW und zu 9% vom Kreis getragen werden. Die Lohnkosten, die in die Betriebskosten eingerechnet sind, sind an den TVöD angelehnt. Das heißt, dass die Lebenshilfe die Löhne für die Beschäftigten seit Jahren in Höhe des TVöD einstreicht, die Gelder jedoch nicht an die Erzieherinnen weiterreicht. Harald Hüskens von ver.di sagt, dass den Beschäftigten damit monatlich zwischen 30 und 400 Euro vorenthalten werden (schreibt RP-online).


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Prima Sache: Gewerkschaft zahlt Streikgeld – Lebenshilfe behält Lohn

Selbst am Streik scheint die Lebenshilfe im Kreis Kleve gut zu verdienen. Dies ist in einer Anfrage SPD-Franktion des Landkreises auf Lokalkompass nachzulesen:

Während der Streikzeiten erhalten die betroffenen Arbeitnehmer kein Gehalt von der Lebenshilfe, sondern Streikgelder als Lohnersatzleistung von der Gewerkschaft. Gleichwohl erhält die Lebenshilfe weiterhin die monatlichen Betriebskostenzuschüsse nach den festgesetzten Bewilligungsbescheiden des Kreises Kleve. Um es kurz auf einen Nenner zu bringen: Die Lebenshilfe verdient zurzeit am Streik!

Filz + Klüngel: Vorstand der Lebenshilfe ist gleichzeitig Landrat

Verdi-Vertreter Harald Hüskens bemerkt ganz richtig, dass der Kreis dazu verpflichtet ist, ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Wenn sich die Lebenshilfe, trotz 100% Deckung der Betriebskosten nicht in der Lage sieht, die Kitas zu unterhalten, wenn die Beschäftigten nach dem TVöD bezahlt werden wollen, müsste also der Kreis einspringen. Ein Machtwort könnte hier z.B. der Landrat Spreen sprechen, der sich jedoch aufgrund seiner Ämterhäufung in einem Interessenskonflikt sehen dürfte. Denn Landrat Wolfgang Spreen (CDU) ist zugleich ehrenamtlicher Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Lebenshilfe. Eine Beschwerde bei der nächsten Instanz scheint sinnlos, denn Spreen ist auch Mitglied des Landesvorstandes der Lebenshilfe NRW.

Was tun bei Streik? Lebenshilfe macht Kitas dicht

Jetzt, wo diese Geldbeschaffungs-Maschinerie ins Stocken kommt, haben Wolfgang Spreen und Kollegen, deren Verhalten bisher von der Lebenshilfe scheinbar kritiklos getragen wird, aber sowieso keine Lust mehr auf soziale Arbeit und das Betreiben von integrativen Kitas. Kurzerhand wurde den Beschäftigten am 31.01.2013 der Beschluss der Gesellschafterversammlung (Vorsitz Wolfgang Spreen) der Lebenshilfe Kleve gGbmH mitgeteilt, dass die Lebenshilfe die Trägerschaft der Kitas aufkündigt (Lokalkompass). Der Streik geht indes weiter. Marc Hessling, von ver.di mit der Interessensvertretung der Streikenden beauftragter Anwalt, geht davon aus, dass die rund 90 Erzieherinnen gekündigt werden (Lokalkompass).

Schön leer ist es zum Kummer der Eltern schon seit Wochen auf den Kita-Spielplätzen. "Ihr Kinderlein kommet" war gestern. (Bild KellDen)
Schön leer ist es zum Kummer der Eltern schon seit Wochen auf den Kita-Spielplätzen. „Ihr Kinderlein kommet“ war gestern. (Bild: KellDen, Quelle: Wikicommons)

Elterninitiativen als Ersatz-Träger? Mit Lebenshilfe als Vermieter?

Verständlich, dass sich unter den bisher solidarischen Eltern mittlerweile Panik breit macht.  Viele Eltern, zum Teil Eltern von Kindern mit besonderem Assistenzbedarf, haben schon in den letzten Wochen enorm unter dem Streik gelitten. Nur ein Bruchteil der Kinder konnte in Notgruppen untergebracht werden. Der ganz überwiegende Teil der Eltern ist jedoch auf sich selbst gestellt und kämpft mit zum Teil erheblichen und sogar existentiellen Problemen. Jetzt müssen sich die gestressten Eltern fragen, ob sie nicht selbst Träger werden wollen. Eine arbeits- und zeitintensive Herausforderung, zumal hohe Mietkosten zu bewältigen sind. Vermieter der Kita Kranenburg ist Haus Freudenberg. Hauptgesellschafter der Haus Freudenberg GmbH ist mit 68,4% , Sie ahnen es schon, die Lebenshilfe (WAZ).

In einer Stellungnahme von ver.di heißt es:

Man werde mit den Elternbeiräten in Ruhe über alternative Trägerschaften diskutieren, den Kreis und die Lebenshilfe aber nicht aus der Verantwortung entlassen. Die Lebenshilfe hat 2012 einen Überschuss von 200.000 Euro erwirtschaftet und verfügt über Rücklagen von über elf Millionen Euro.

Verhandlungsansätze scheiterten unter anderem, wie auf rp-online nachzulesen ist, weil die Lebenshilfe eine Moderation durch Josef Neumann – SPD-Landtagsabgeordneter, langjähriger Gewerkschaftsfunktionär und Geschäftsführer der Lebenshilfe Solingen – als Moderator ablehnte. Der Geschäftsführer der Klever Lebenshilfe, Hermann Emmers, fand dafür folgende Begründung: Josef Neumann sei wegen seiner politischen Nähe zur Gewerkschaft als Moderator nicht akzeptabel. Überhaupt lehne er grundsätzlich die Einschaltung eines Moderators ab, da die dazu nötige Einigung zu lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Nun scheint man zu glauben, dass der Weg über die Gerichte weniger zeitintensiv sei. Aber, so Mark Hessling: „Das wird sie (die Lebenshilfe A.d.R.) ein Schweinegeld kosten.“


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5 Kommentare

  1. und so geht die fiese Geschichte bei der Klever lebenshilfe z.zeit weiter. ……………… ………………………………………4. April 2014 | 00.00 Uhr
    Kita-Streik in Kleve 0
    Verdi: Kündigungen waren illegal
    Kleve. Der Streit zwischen der Lebenshilfe gGmbH – Leben und Wohnen und dem Betriebsrat der Kita-Erziehrinnen geht in eine nächste Runde. Heute stehen sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht auf der Schwanenburg gegenüber. Von Peter Janssen
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    Bitteres Ende für Jauch
    Warum die beliebteste Quizsendung bald ohne Günther Jauch stattfindet
    http://www.deutschlandschau.tv
    Verdi hält die ausgesprochenen Kündigungen der Lebenshilfe für illegal. Aufgrund der Schließung der Kranenburger Kindertagesstätte „Lebensburg“ hatte die Lebenshilfe 22 Personen gekündigt oder sie umgesetzt. Der Betriebsrat hatte das Arbeitsgericht mit einer einstweiligen Verfügung angerufen über die heute ab 13 Uhr entschieden wird. Verdi und Betriebsrat sind der Auffassung, dass der Arbeitgeber nach der Aufstellung eines Sozialplan hätte verhandeln müssen. Gewerkschaftssekretär Harald Hüskes weist darauf hin, dass das Gesetz ganz klare Vorgaben vorsieht, ab wann ein Sozialplan aufgestellt werden müsse und ergänzt: „Diese Zahlen sind klar überschritten.“

    Die Verhandlung beim Arbeitsgericht ist öffentlich. Eine Kündigung, so Hüskes, wäre erst nach Aufnahme von Sozialplanverhandlungen möglich gewesen, die die Lebenshilfe jedoch verweigert hätte. Zudem erinnert Hüskes daran, dass die Lebenshilfe in Person von Wolfgang Spreen, Landrat und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Lebenshilfe, die Fortführung der Kindertagesstätte Kranenburg versprochen habe, falls der Streik beendet würde. Hüskes erklärt: „Das haben die Streikenden als gefühlte Nötigung verstanden und abgelehnt.“

    Auf den von Verdi vorgelegten Tarifvertrag (die RP berichtete), hat die Lebenshilfe bislang noch nicht reagiert. Hüskes wollte sich zu diesem Thema nicht äußern und erklärte: „Wir haben heute Abend Tarifkommissionssitzung. Dort werden wir uns nun überlegen, wie wir uns jetzt positionierten.“

  2. Der neueste Bericht in der Presse (WAZ)

    Kindergärten – 44 neue Kita-Plätze für Kranenburg

    Kreis Kleve. Weil die Lebenshilfe eine Kita schließt, muss das Kreisjugendamt handeln. Bedarf für Plätze in Jugendhilfeausschuss festgestellt. Eltern ohne feste Platzzusage

    Alle Kinder werden versorgt (entweder in einer Kita oder über Tagesmütter) auch ab August im kommenden Kindergartenjahr. Diese Aussage des Landrats Wolfgang Spreen von der Jugendhilfe-Sondersitzung im Februar erleichtert Kranenburger Eltern (deren Kinder die Lebenshilfe-Kita besuchen, die zum Sommer geschlossen wird) nicht. Das ist schlicht die gültige Rechtslage. Die gestrige Jugendhilfe-Sitzung war ebenfalls für zuhörende Eltern und Erzieherinnen, denen jetzt eine Kündigung drohen könnte, enttäuschend.
    Acht Plätze mehr als bisher

    Das Positive vorab: Immerhin enthält der gestern im Kreisjugendhilfeausschuss vorgelegte Bedarfsplan (siehe Box) die wegfallenden Plätze der Lebenshilfe-Kita am Kranenburger Elsendeich: dort werden nun für die „neue Einrichtung“ die Pauschalen des Kinderbildungsgesetzes für 44 Plätze beantragt (12 für Kinder ab zwei Jahren/32 für Über-Dreijährige). Dies beschloss der Ausschuss einstimmig. Im vergangenen Plan gab es dort sechs U3-Plätze und 30 für Ü3-Kinder, also 36 Stück.

    Es soll also eine „neue Einrichtung“ geben, in „Kranenburg Zentralort“. So viel steht fest. Wer der Träger wird (laut Kreisjugendamtsleiter Frank Unruh gibt es acht anerkannte Träger im Kreis) ist offen. In welchem Gebäude die Kita arbeitet und vor allem welche Übergangslösung bis zur Fertigstellung eines notwendigen Neubaus machbar ist, ist offen. Ob die Kinder der derzeitigen Kita dort einen Platz erhalten, ist offen. Auch ob die jetzigen Erzieherinnen dort beschäftigt werden, ist offen.

    Das Kreisjugendamt argumentiert bisher: Die Lebenshilfe arbeitet, wie jeder Kita-Träger, autonom. Das Kreisjugendamt kann nicht handeln. Denkt man das weiter, entscheidet also auch die Lebenshilfe, ob sie es dem neuen Träger zur Auflage macht, die Kinder und die Erzieherinnen fest zu übernehmen. So eine Bitte könnte aber bald von den betroffenen Eltern an die Lebenshilfe herangetragen werden. Die Kita-Kind-Eltern Susanne Huschka, Sipkje Schotborg und Marlies Ten Bulte verfolgten die Sitzung und waren überrascht: „Alle Eltern gehen derzeit davon aus, dass ihr Kind einen festen Platz in einer neuen Kita hat. Bisher hatten wir noch nicht überlegt an die Lebenshilfe heranzutreten, aber das ändert sich wohl nun“, sagt Huschka, die zum Kita-Elternrat gehört.

    SPD, Grüne und CDU erklärten in der Sitzung jedenfalls, dass sie sich eine verlässliche Zusage für die Eltern wünschen – SPD und Grüne fordern zudem die Übernahme der Erzieherinnen. Ob die Parteien auch an die Lebenshilfe mit diesem Wunsch herantreten, bleibt abzuwarten. Ob das Kreisjugendamt kurzzeitig die Trägerschaft übernehmen kann, die Vorgaben vom Neuträger einfordert und dann die Kita abgibt, ist offen.

    Anne Wohland

    44 neue Kita-Plätze für Kranenburg | WAZ.de – Lesen Sie mehr auf:
    http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-kleve-und-der-region/44-neue-kita-plaetze-fuer-kranenburg-id9106883.html#plx819698609

    EIN SKANDAL IM KREIS KLEVE

  3. Kreis/Köln: Landrat unter Druck – Beschwerde beim LVR

    Der Kreis Klever Landrat Wolfgang Spreen gerät wegen seiner passiven Haltung im Kita-Streit der Lebenshilfe immer mehr unter Druck. Nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde von 50 Bürgern bei der Bezirksregierung gegen ihn gibt es jetzt auch eine Beschwerde beim Landschaftsverband Rheinland, heißt es heute in einem Medienbericht. Der LVR soll prüfen, ob die öffentlichen Gelder für die Lebenshilfe auch korrekt verwendet werden. Hier steht vor allem Lebenshilfe-Geschäftsführer Hermann Emmers im Blickfeld. Landrat Spreen ist zugleich Chef der Lebenshilfe-Gesellschafterversammlung.

  4. Die Mitglieder der Gesellschafterversammlung sind falsch . In der Gesellschafter Versammlung der gGmbH der Lebenshilfe sind die Herren Spreen , Mülders , Berson , Rebbert und Frau Verweyen .

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