Frontberichte 19. und 20. KW 2013

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Arbeitsunrecht und Union-Busting in Deutschland vom 06.  – 20. Mai 2013

Arbeiter-Samariter-Bund (ASB)/Göppingen, Merklingen: BR gerichtlich aufgelöst, Abmahungswelle gegen mehrere BR-Mitglieder + + + H&M (Hennes & Mauritz) /Trier: Kündigungswelle gegen BR-Vorsitzenden +++ Thyssen-Krupp-Steel (TKS)/Eichen und Ferndorf: BR gerichtlich aufgelöst, gelber Gewerkschafter gründete IG Metall-Liste +++

# Arbeiter-Samariter-Bund unbarmherzig: Abmahungswelle gegen mehrere BR-Mitglieder, Kündigungen

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Briefmarke zum 100-Jährigen. Die Arbeiter-Samariter wurden 1888 von sechs Berliner Zimmerleuten gegründet. Ob die Samariter schon früher als unbarmherzige Arbeitgeber in Erscheinung traten, ist derzeit unerforscht. (Bild: Wikicommons)

Dass vermeintlich soziale Verbände oder Vereine keineswegs sozial eingestellte Arbeitgeber sein müssen, zeigte sich ja erst letzte Woche bei unserer Berichterstattung über die Vorgänge beim Sonderspaß e.V. in Brühl. Die Vorgänge dort toppt der Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband Alb und Stauferland unter der Geschäftsführung von  Irmgard Gürke allerdings locker. Laut Presse setzte sie eine Abmahnungswelle gegen  5 von 7 Betriebsratsmitglieder in Gang, darunter mehrer Abmahungungn innerhalb kürzester Zeit, z.T aus nichtigen Gründen. Die Betriebsräte klagten seit Beginn ihrer Amtszeit über Behinderung ihrer Arbeit und Repressalien.

Nachdem auch hier (wie auch im Fall ThyssenKrupp Steel weiter unten) das Bundesarbeitsgericht die Betriebsratswahl aufgrund von formalen Fehlern nun für ungültig erklärt hat, nutzte Geschäftsführerin Irmgard Gürke nun ihre vermeintliche Chance.

Bis zur Neuwahl ist das Unternehmen ohne Arbeitnehmervertretung. Die Arbeiter-Samariter zeigten sich unbarmherzig und kündigten postwendend zwei ehemaligen Betriebsrätinnen.


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Der ASB ist geradezu inflationär mit Abmahnungen umgegangen“, findet der Rechtsanwalt des Betriebsrats, Alexander Roth. Der Jurist hat erhebliche Zweifel, ob die Kündigungen gegen die Mitarbeiterinnen vor dem Arbeitsgericht standhalten.

Regionaler Samariter-Chef wie ein Feudalherr

In der Schwäbischen Zeitung konzentriert der Gewerkschafter Anton Eugen Schmid seine Kritik auf den Vorsitzenden des Regionalverbands Alb und Stauferland, Günter Feucht: „Er regiert wie ein Feudalherr“ (Zu dieser Symptomatik siehe auch ADAC-Chef Wieczorek) Feucht würde erst mittels Vorstands-Beschluss erlauben, dass geltende Gesetze des Arbeitsrechts auch beim ASB-Regionalverband angewendet werden.

Proteste vor ASB-Niederlassungen | Handgreiflich gegen Gewerkschafter

In der 20. KW gab es laut Göppinger Nachrichten Proteste von verdianern vor den ASB-Pflegeheimen in Merklingen und Göppingen, sowie vor dem Arbeitsgericht.  Zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung sei es laut Schwäbischer Zeitung am Dienstagmorgen bei der vom ASB betriebenen Seniorenresidenz Albblick in Merklingen gekommen, als die Verdi-Mitglieder dort Flugblätter verteilten.

http://www.swp.de/geislingen/lokales/geislingen/ASB-feuert-zwei-Betriebsraetinnen;art5573,1977217

http://www.swp.de/goeppingen/lokales/goeppingen/Protest-gegen-Kuendigung-von-Betriebsraeten;art5583,2005596

http://www.schwaebische.de/service/schwaebische-zeitung/abo-service/leser-werben-leser.html

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# H&M / Trier: Kündigungswelle gegen Betriebsratsvorsitzenden

H&m-leuchtreklameDie Modekette H&M wird seit geraumer Zeit durch aggressives Verhalten gegen Betriebsräte und Gewerkschafter auffällig. In Trier hatte der Betriebsratsvorsitzende Damiano Quinto unlängst eine Kündigungswelle zu erdulden. ver.di schreibt: „Der erste Antrag der Arbeitgeberseite auf Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Kollegen kam direkt vor Weihnachten 2012. Jetzt im April liegt inzwischen der dritte Antrag auf Zustimmung zur dritten fristlosen Kündigung vor.“

Damiano Quinto ist seit 1999 im Betrieb beschäftigt, 2004 gelang die Gründung eines Betriebsrats. Am 18.06.2013 wird der Fall vor dem Arbeitsgericht Trier verhandelt. Ver.di-Sprecher Jürgen Rinke-Oster macht in diesem Fall mobil, plant Mahnwachen und Infostände vor der H&M-Filiale in Trier und sammelt Unterschriften.

Für Ver.di ein weiterer Schritt des Unternehmens, Betriebsräte einzuschüchtern und ihre Arbeit zu behindern. Immer wieder gebe es Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Betriebsräten bei der Modekette.

Der erste Antrag der Arbeitgeberseite auf Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Kollegen kam direkt vor Weihnachten 2012. Jetzt im April liegt inzwischen der dritte Antrag auf Zustimmung zur dritten fristlosen Kündigung vor. Quinto soll auch deshalb ins Visier seines Arbeitgebers geraten sein, weil er gleichzeitig Mitglied im Gesamtbetriebsrat, im Wirtschaftsausschuss, im Gesamtbetriebsratsausschuss, im europäischen Betriebsrat, sowie Beisitzer in verschiedenen Einigungsstellen war.

H&M-Sprecherin Swetlana Ernst, die hier der Vollständigkeit halber auch erwähnt sei, ist sich nicht zu schade, dem üblichen Firmen-PR-Sprech über „laufende Verfahren“ die Floskel hinzuzufügen, dass man sich „zum Schutz der Mitarbeiter“ nicht weiter äußern wolle. Sie betont, wie besonders es in ihrer Branche sei, dass H&M seine Mitarbeiter tarifgebunden bezahle und dass es schließlich die Entscheidung der Mitarbeiter sei, einen Betriebsrat zu gründen.  Letzter Satz gleicht fast wörtlich internen  Argumentationsmustern, wie sie z. B. der Union Busting Vorreiter WalMart für seine Filial- und Bereichsleiter ausgibt.

Institutioneller Rechtsmissbrauch

Als Kündigungsgrund im Trierer Fall wird laut Presse angegeben, dass Quinto nicht die wirtschaftlichen Interessen von H&M vertreten habe. Eine schwammige Begründung, die oft angewandt wird und beinahe genauso oft vor Gericht erfolglos bleibt. Möglicherweise widersprechen sich die Interessen von ArbeitnehmerInnen und Unternehmen an gewisssen Punkten? Welche Interessen soll ein Arbeitnehmervertreter dann berücksichtigen?

Die Stuttgarter ver.di-Sekretärin Christina Frank spricht im Zusammenhang mit Arbeitgebern wie H&M von „institutionellem Rechtsmissbrauch“. Der Bekleidungskonzern halte sich in vielen Punkten nicht an die Regeln: Bei der Gestaltung der Arbeitszeiten und Arbeitsverträge, im Gesundheitsschutz, in der Frage der notwendigen Mindestbesetzung in den Filialen.

Leider berichten weder Presse noch ver.di, welche Anwälte für H&M in diesem Fall aktiv wurden.

http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/wirtschaft/Wirtschaft-in-der-Region-Streit-um-Mitbestimmung-bei-H-M-Filiale-Trier;art882,3518814

http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2013/04/Was-ist-los-bei-H_M.pdf

Leiharbeiter im Logistikzentrum – Unfaire Löhne bei H&M, taz 03.02.2011

Arbeitsbedingungen bei H&M – Wer kann, der darf nicht, taz 26.09.2011

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# Thyssen-Krupp Steel: „Christlicher“ Gewerkschafter gründete IG-Metall-Liste

Der Nordsiegerländer Thyssen-Krupp-Steel Standort in Eichen und Ferndorf ist offenbar gleich seines kompletten Betriebsrates verlustig gegangen. Der musste, laut Presse, nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts Erfurt aufgelöst werden. Als Grund für das Arbeitnehmervertreter-Desaster wird der nicht rechtmäßige Ausschluss einer Liste von der BR-Wahl 2010 genannt. Die Liste „IG Metall Kündigungsschutz und Arbeitsplatzsicherheit“wurde vom Wahlvorstand nicht zugelassen, da ihre Name der Liste „IG Metall Sicherheit und Zukunft“ zu ähnlich sei und Verwechslungen nicht auszuschließen wären (Liebhaber der britischen Monty Phythons werden unweigerlich an die judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa denken). Der damit von der Wahl ausgeschlossene Ernst-Wilhelm K. hatte die Wahl daraufhin mit zwei Kollegen angefochten. In den ersten Instanzen blieben sie erfolglos, das BAG entschied jetzt für sie.

Neue Strategie? „Christlicher“ Gewerkschafter gründete IG-Metall-Liste

Was zunächst klingt wie ein Streit unter rivalisierenden Fraktionen innerhalb der IG Metall, wird höchst zweifelhaft, wenn man die Vergangenheit von Ernst-Wilhelm K. betrachtet. 2002 und 2006 war er, laut Siegener Zeitung, mit einer Liste der gelben Gewerkschaft Christliche Gewerkschaft Metall zur BR-Wahl angetreten, bis er seine eigene IG Metall Liste gründete, die aber nicht von der IG Metall Siegen autorisiert gewesen sei.

Dass die Kollegen nun ca. 10 Wochen bis zu einer Neuwahl warten müssen, könnte zu schwerwiegenden Konsequenzen führen. Laut Welt vom 15.05.2013 plant Thyssen-Krupp gerade den Abbau von insgesamt 5.000 Stellen: 3.000 in der Verwaltung und 2.000 im europäischen Stahlgeschäft. An deutschen Standorten soll es dabei 1.500 Angestellten an den Kragen gehen.

http://www.siegener-zeitung.de/a/681939/ThyssenKruppzurzeitohneBetriebsrat

http://www.welt.de/newsticker/news1/article116199091/ThyssenKrupp-weitet-Stellenabbau-aus.html


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