Dortmund: Kündigung wegen Frikadelle

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Unternehmerverband entließ Sekretärin wegen Bagatelle

Bauverbands-Geschäftsführer Hermann Schulte-Hiltrop gab sich der Presse gegenüber gnadenlos. Er kündigte eine Sekretärin, die 34 Jahre für seine Lobby-Organisation gearbeitet hatte. Wir dokumentieren einen Artikel von M. Engelberg, BILD, 7. Oktober 2009

Wie herzlos kann ein Chef nur sein? 34 Jahre lang arbeitete Sekretärin Magdalene H. (59) für den Bauverband Westfalen in Dortmund (NRW). Dann wurde die Mitarbeiterin gefeuert – weil sie eine Frikadelle vom Büfett naschte! Jetzt kämpft sie vor Gericht um ihren Job und ihre Ehre.

Der folgenschwere Frikadellen-Vorfall ereignete sich im vergangenen Juli. Wie schon oft bereitet die Vorzimmerdame mit einer Kollegin einen Konferenz-Imbiss für ihren Chef und seine Gäste vor. Sie bekommt selber Hunger. Arglos nimmt sie zwei halbe Brötchen und einen Fleischklops, lässt es sich schmecken.


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Einem Mitarbeiter fällt später auf, dass Essen fehlt. Der Chef stellt die Sekretärin zur Rede. Sie gibt sofort zu, genascht zu haben. „Sie war der Meinung, ihr Verhalten sei in Ordnung. Brötchen und Frikadellen, die nach Konferenzen übrig blieben, durften auch von den Mitarbeitern gegessen werden. Wenn sie ermahnt worden wäre, hätte sie das nie mehr gemacht“, sagt ihr Anwalt Wolfgang Pinkepank (59).

Doch die Firma bleibt hart. Nach 34 Jahren im Job bekommt Magdalene H. die fristlose Kündigung! Anwalt Pinkepank: „Ein Ende des Arbeitsverhältnisses kommt für meine Mandantin nicht infrage. Sie ist 59 und wird keinen neuen Job mehr bekommen.“

Gestern trafen sich beide Parteien vor dem Arbeitsgericht zum Gütetermin. Sogar die Richterin machte sich für die Gefeuerte stark, schlug vor, die Kündigung in eine Abmahnung umzuwandeln: „Dies ist hier kein klassischer Diebstahl.“

Bauverbands-Geschäftsführer Hermann Schulte-Hiltrop (51) blieb knallhart: „Nach außen wirkt das natürlich wie eine Bagatelle. Wir haben hier aber hochsensible Daten zu verarbeiten. Und wenn Sie jemandem nicht mehr vertrauen, macht das kein gutes Gefühl.“ Der Prozess beginnt im Januar 2010.


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