Gorillas: Kandidaten der Betriebsratswahl in den Mühlen der Justiz

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Gekündigte stehen finanziell vor dem Abgrund – Gorillas Management zieht mit Antrag zum Abbruch der Betriebsratswahl in die nächste Instanz.

Rider und Unterstützer*innen beim Protest gegen Ausbeutung und Union Busting am Aktionstag #Freitag13 gegen die Lieferdienste Gorillas und Lieferando

Der Kündigungsschutz von Wahlbewerbern und Mitgliedern des Betriebsrats muss deutlich verbessert werden.

Welche Probleme bestehen und welche Verbesserungen notwendig wären, soll in diesem Artikel anhand der Situation bei Gorillas, insbesondere aber an der Situation von Muhammad, einem Wahlvorstandsmitglied und Wahlbewerber bei der anstehenden Betriebsratswahl, verdeutlicht werden.

Rechtsanwalt Martin Bechert
Martin Bechert ist Rechtsanwalt in Berlin. Er vertritt einige der gekündigten Rider und begleitet die Betriebsratswahl bei Gorillas Berlin. Er gehört zum Team der Rechtsanwälte, die für Mitglieder der Aktion gegen Arbeitsunrecht eine telefonische Rechtsberatung anbieten. Er ist Vorstandsmitglied unseres Vereins.

Auftretende Akteure in diesem mehrteiligen Drama rund um demokratische Grund- und Mitbestimmungsrechte sind Gewerkschaften, Anwälte, das Arbeitsgericht und eine Gruppe von Fahrrad-Lieferantinnen und-Lieferanten (Rider), die sich Gorillas Workers Collective nennt. Das Setting: Bei dem Lieferdienst Gorillas in Berlin soll eine Betriebsratswahl durchgeführt werden. Das ist vermeintlich reichlich unspektakulär und im §1 des Betriebsverfassungsgesetz für alle Betriebe mit mehr als fünf ständigen und wahlberechtigen Beschäftigten routinemäßig vorgesehen.

Bereits im Juni 2021 wird hierfür von den rund 1300 Berliner Gorillas-Ridern ein Wahlvorstand bestellt. Der Wahlvorstand ist dafür zuständig, die Betriebsratswahl durchzuführen.

Aber: Was heißt das für den einzelnen Lohnabhängigen, wenn er sich in einem Konzern wie Gorillas an der Gründung eines Betriebsrats aktiv beteiligt? Wie funktioniert der Schutz für Beschäftigte, die demokratische Grundrechte wahrnehmen wollen gegen Union Busting und Unternehmer-Willkür?

Muhammads Ziel: Unerträgliche Arbeitsbedingungen verbessern

Im Juni 2021 wählen die Berliner Rider Muhammad als Ersatzmitglied in den Wahlvorstand. Er ist Lieferfahrer und stammt gebürtig aus Pakistan. Wie die meisten Lieferboten ist er noch nicht lange in Deutschland und spricht nur wenig Deutsch. Da kommt es ihm entgegen, dass beim Lieferdienst Gorillas die Betriebssprache Englisch ist. Damit er seine Schichten kennt, hat Muhammad eine App auf sein Handy geladen. Darüber werden ihm seine Arbeitszeiten mitgeteilt.


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Schon bald wird Muhammad allerdings damit konfrontiert, dass die Lieferfahrräder, die vom Lieferdienst gestellt werden, nur unzureichend gewartet worden sind. In seinem Umfeld kommt es auch zu schweren Unfällen anderer Rider. Bei einem der Unfälle war die erste Frage nach der Kontaktaufnahme mit den Gorillas nicht etwa „Wie geht es dir?“, sondern „Funktioniert das Fahrrad noch?“.

Für die Rider, die aus allen möglichen Ländern stammen, ist völlig unklar, wovon sie jetzt, da sie verletzt sind, leben sollen. Ihnen ist weder bekannt, wie sie sich bei einem Arbeitsunfall verhalten müssen, noch dass sie gegenüber der Berufsgenossenschaft Ansprüche auf Verletztengeld geltend machen können. Das Gorillas-Management scheint sich um die zum Teil schwer verletzten Rider überhaupt nicht zu kümmern.

Die Abrechnungen sind häufig fehlerhaft. Für die Rider besteht nur die Möglichkeit, sich an eine gesichtslose Hotline zu wenden. Die Anstregungen auf diesem Weg Hilfe zu bekommen, schlagen allerdings häufig fehl. Es bleibt aber nur die Möglichkeit, sich immer und immer wieder an der Hotline abzuarbeiten. Insbesondere, weil solche Abrechnungen in aller Regel so ausfallen, dass zu wenig Geld ausgezahlt wird, stehen die Rider unter erheblichem Druck. Schließlich sind Essen und Miete zu bezahlen. Es herrscht Unmut unter den Ridern.

Immer lauter werden die Stimmen der Rider auch deshalb, weil es willkürliche Kündigungen hagelt. Gerade in der Probezeit scheint es so zu sein, als könne jeder Vorgesetzte bei der Personalverwaltung der Gorillas die Kündigung eines Fahrers selbstständig initiieren. Es macht sich das Gefühl breit, als Rider nichts wert zu sein: sie fühlen sich wie Freiwild.

Solidarisches Adbusting – die verbandsfreien Streiks der Rider fanden bis in die bürgerliche Presse hinein viel Beachtung und lösten viel Sympathie aus.

Betriebsratsgründung: Per Grundrecht für Transparenz

Muhammad und weitere Rider beschließen, diese Bedingungen nicht weiter hinzunehmen. Mit einer Gruppe anderer Lieferfahrer schließen sie sich zusammen. Sie nennen sich Gorillas Workers Collective und wenden sich an verschiedene Gewerkschaften. Die Gewerkschaften empfehlen die Gründung eines Betriebsrats. Tatsächlich unterstützen sie auch Muhammad und seine Kollegen bei der Bestellung eines Wahlvorstandes. Muhammad wird auf einer Betriebsversammlung als Ersatzmitglied in den Wahlvorstand gewählt.

Wahlvorstand muss Informationen hinterherlaufen

Obgleich die Gorillas öffentlich immer behaupten, den Wahlvorstand bei der Gründung des Betriebsrats zu unterstützen, wird das Gremium von dem Unternehmen nicht richtig unterrichtet. Dem Wahlvorstand fehlen wichtige Informationen. Bei einer ganzen Reihe von Mitarbeitern etwa wird dem Wahlvorstand nicht mitgeteilt, welches Geschlecht die Beschäftigten haben. Auch in Bezug auf die leitenden Angestellten, erklären die Gorillas nicht, welche Funktionen und Befugnisse sich hinter den phantasievollen Jobtiteln eigentlich verbergen.

Der Wahlvorstand fragt deshalb immer wieder nach. Das Gorillas-Management gibt sich bemüht und versichert immer wieder, die notwendigen Informationen zusammenzutragen. Bis einige Rider die offensichtliche Hinhaltetaktik nicht mehr ertragen.

„Wilde Streiks“ – selbstorganisiert und verbandsfrei gegen Unternehmerwillkür

An den unerträglichen Arbeitsbedingungen ändert sich monatelang nichts. Immer noch sind die Gehaltsabrechnungen häufig falsch, die Fahrräder oft eine Zumutung. Immer noch treffen Kündigungen Rider völlig unvorbereitet und scheinbar willkürlich.

In dieser Situation reißt einigen der Beschäftigten der Geduldsfaden. Sie wollen, dass endlich etwas passiert und sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Sie wenden sich an verschiedene Gewerkschaften. Sie wollen streiken. Doch die Gewerkschaften winken ab. Keine Gewerkschaft will den Streik unterstützen. Die Beschäftigten sehen nur einen Weg, schnell für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen: Sie streiken ohne Beteiligung einer etablierten Gewerkschaft.

Union Busting per Betriebsübergang

Im Hintergrund bereiten die Gorillas allerdings Schritte vor, die die Betriebsratsgründung vereiteln sollen. Das Management initiiert zum 1. Oktober 2021 einen Betriebsübergang und gliedert das operative Geschäft in die Gorillas Operations Germany GmbH & Co. KG aus. Hierüber wird der Wahlvorstand zunächst nicht einmal unterrichtet.

Am 4. Oktober 2021 wird das Wahlausschreiben ausgehängt. Gewählt werden soll vom 22. bis zum 27. November 2021. Das Gorillas-Management hatte den Wahlvorstand gebeten, an sechs Tagen zu wählen. Der Wahlvorstand war diesem Wunsch des Unternehmes entgegengekommen.
Wenige Tage nach dem Aushang des Wahlausschreibens bemerkte Muhammad, dass seine Schichten in der App gelöscht wurden. Er fragt bei seinem direkten Vorgesetzten im Warenlager nach. Dieser erklärte, dass er auch nicht wisse, was los ist und sich kümmern werde.

Muhammad: Mündliche Kündigung als Mitglied des Wahlvorstands

Auf der Sitzung vom Wahlvorstand am 8. Oktober 2021 erhielt Muhammad, der gerade nachgerückt war und an der Sitzung teilnahm, einen Anruf. Es meldete sich eine Frau, die erklärt, sie heiße Maria und sei von den Gorillas: Er sei gefeuert. Eine schriftliche Kündigung erhält Muhammad nicht.

Von einem auf den anderen Tag erhält Muhammad von den Gorillas keinen Cent mehr. Er steht vor dem Nichts.

Kündigungsschutzklagen und das Spiel auf Zeit

Muhammad geht zum Arbeitsgericht. Er braucht dringend Hilfe. Der Prozesskostenhilfeantrag, den er stellen soll, kann nur in deutscher Sprache gestellt werden. Von Muhammads Freunden spricht keiner so gut Deutsch, dass ihm jemand bei der Antragstellung helfen könnte. Gleichwohl gelingt es ihm Kündigungsschutzklage durch einen Anwalt einreichen zu lassen. Es kommt zu einem Gütetermin, in dem sich das Gorillas-Management allerdings nicht mit ihm einigen will. Der Kammertermin soll erst Anfang Dezember sein.

Ob im Dezember schon eine Entscheidung getroffen werden kann, erscheint jedoch ungewiss: Das Gorillas-Management behauptet, dass es sehr viel Zeit bräuchte, um den ganzen Sachverhalt vorzutragen.

Für Muhammad ist das ein Problem. Denn er hat kein Geld. Ein Kalkül auf das viele Unternehmen setzen: Gekündigte können es sich oft schlicht gar nicht leisten monatelang auf einen Gerichtstermin zu warten. Außerdem würde Muhammad gerne weiter im Wahlvorstand die Betriebsratsgründung vorantreiben. Als gekündigter Mitarbeitender ruht sein Amt als Mitglied des Wahlvorstandes unter Umständen jedoch.

#Freitag13 gegen Union Busting am 13. August 2021 mit der Initiative Solidarischer ArbeiterInnen ISA Nürnberg

Einstweilige Verfügung: Beschäftigung erzwingen?

Muhammad sieht nur eine Möglichkeit: Es soll eine schnelle Entscheidung her, über die Verpflichtung des Arbeitgebers, ihn zu beschäftigen. Beim Arbeitsgericht ist das möglich. Es kann eine einstweilige Verfügung erlassen werden. Diese regelt nicht den endgültigen Zustand, sondern nur den Zustand bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage. Muhammad wünschte sich also vom Arbeitsgericht eine Entscheidung, dass er zumindest bis zum Urteil über die Kündigungsschutzklage von den Gorillas als weiter beschäftigt werden muss.
Muhammad ist im Falle der Gorillas nicht alleine: Auch anderen Ridern, die auf der Liste, auf der Muhammad kandidiert hat, hat das Management gekündigt. Alle sollen sich an den wilden Streiks Ende September/Anfang Oktober beteiligt haben.

Kündigung klar unwirksam – Arbeitsgericht entscheidet trotzdem gegen die Rider

Die Kündigung, die Muhammad erhalten hat, ist ganz offensichtlich unwirksam. Zunächst einmal ist die Kündigung ja nur mündlich ausgesprochen. Schon dies allein macht sie unwirksam. Daneben besteht für Muhammad fraglos ein besonderer Kündigungsschutz im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl. Er war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Mitglied im Wahlvorstand und zusätzlich noch Kandidat auf einer Vorschlagsliste.

Rechtsnihilismus: Plattmachen entgegen Rechtslage

Die eindeutige Rechtslage schert Konzerne wie Gorillas jedoch wenig. Letztlich geht es um Ressourcen. Wer das Geld hat, hat die besseren Chancen, den Konflikt auszusitzen.

Die Gorillas lassen sich anwaltlich durch zwei große Arbeitsrechtskanzleien – mit jeweils weit über 100 Anwälten – beraten und vertreten. Dabei handelt es sich um die Kanzleien Gleiss Lutz (Werbespruch: Exzellenz hat einen Namen) und Eversheds Sutherland (Werbespruch: Supporting your business in Germany). Schriftsätze von über 200 Seiten sind in jedem einzelnen Verfahren keine Seltenheit. Für kleine Anwaltskanzleien, die Arbeitnehmer vertreten, ist dies in der Tat eine Herausforderung. Aber warum soll es den Anwälten anders ergehen als den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern? Es geht hier allem Anschein nach nicht darum recht zu bekommen, sondern sich faktisch durchzusetzen. Der Anwalt soll plattgemacht werden. Der Arbeitnehmer wird am langen Arm verhungern gelassen. Das ist entgegen klarer Rechtslage!

Mit diesem Rechtsnihilismus haben Konzerne wie die Gorillas und ihre Anwälte häufig auch noch Erfolg. Wobei die beteiligten Kanzleien oft kein Interesse an einer Deeskalation haben. Sie gewinnen in jedem Fall mit jedem einzelnen per copy und paste aufgeblasenen Schriftsatz. Unternehmen wie Gorillas sind hier willkommene Melkkühe.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit indes bietet für die betroffenen Arbeitnehmer nur wenig Hilfe. Sie scheint immer noch auf Regelarbeitsverhältnisse, mit regelmäßiger Beschäftigung bei einem Arbeitgeber über Jahre – gegebenenfalls sogar mit gültigem Tarifvertrag – ausgelegt zu sein. Die mangelhafte Personalausstattung der Arbeitsgerichtsbarkeit lässt viel anderes vielleicht auch gar nicht zu. Sozialpartnerschaft ist aber mit Konzernen wie den Gorillas, Amazon, Amrest (Starbucks) etc. meines Erachtens nicht möglich!

Aktionstag #Freitag13 in Köln

Trotz Misere: Keine einstweilige Beschäftigung

In der dargestellten Situation der Beschäftigten bei Gorillas könnte man meinen, dass das Arbeitsgericht ohne Weiteres für den Lohnabhängigen entscheidet; dass es offensichtlich so sein müsste, dass der Lieferdienst Gorillas Muhammad bis auf weiteres weiterbeschäftigen muss. Weit gefehlt. Alle mit den einstweiligen Beschäftigungsanspruch betrauten Kammern des Arbeitsgerichts erkannten die Misere der Arbeitnehmer auch an. Gleichwohl ergingen alle Entscheidungen immer gegen die Arbeitnehmer. Das Arbeitsgericht verweigerte ihnen also die einstweilige Beschäftigung. Die jeweiligen Kammern stützten dies auf unterschiedliche Erwägungen

Verschiedenste Begründungen

Eine Kammer erklärte, dass es Schwierigkeiten gäbe, weil die Papiere des Wahlvorschlags nicht zusammengetackert gewesen seien. Eine andere Kammer betonte, ein Beschäftigungsanspruch gäbe es nur in ganz besonderen Fällen. Es gäbe keinen Grund, weshalb sich Wahlbewerber vor anderen Gekündigten terminlich „vordrängeln“ können sollten. Sie müssten sich hinten anstellen und wie alle anderen gekündigten Arbeitnehmer einige Monate ohne Gehaltszahlung auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts warten.

Wieder eine andere Kammer erklärte, der Wahlbewerber habe im einstweiligen Verfügungsverfahren auch nachzuweisen, dass sämtliche Stützunterschriften von wahlberechtigten Arbeitnehmern stammen würden. Für die Liste, auf der Muhammad kandidiert hat, haben 56 Unterstützerinnen und Unterstützer unterschrieben. Die Nachweispflicht soll jetzt bei einem einzelnen Rider liegen?

Ergebnis: Arbeitsgericht lässt Union Busting zu

Gerade in prekären Beschäftigungsverhältnissen, wo der einzelne Arbeitnehmer gezwungen ist, um überhaupt zu überleben, sich schnellstmöglich einen neuen Job zu suchen, wird selbst die offensichtlich nichtige fristlose Kündigung ihre Wirkung daher nicht verfehlen. Hinzu kommt, dass auch die Kollegen der gekündigten Liefer-Fahrerinnen und -Fahrer nunmehr mitbekommen, dass sie vom Arbeitsgericht keine wirkliche Hilfe erwarten können. Was nützt es ihnen, wenn sie nach einem halben oder dreiviertel Jahr ihren Job zurückbekommen? Wovon sollen sie bis dahin leben?

Viele Beschäftigte, die nicht aus der EU kommen, fürchten zudem, dass ein Arbeitsgerichtsverfahren Auswirkungen auf ihren Aufenthaltstitel haben könnte. Das wollen sie nicht riskieren. Im Ergebnis kommt also der Arbeitgeber, der sich mit einer solchen Union Busting-Strategie dreist über Arbeitnehmerschutzvorschriften hinwegsetzt, durch.

Dies befeuert ein Verhalten der Arbeitgeber insgesamt hin zum Rechtsbruch. Wieso soll sich ein Arbeitgeber überhaupt noch an Recht und Gesetz halten, wenn dies sein Konkurrent nicht tut? Und allem Anschein nach auch nicht tun muss, sondern aus Unternehmersicht mit dem Rechtsbruch besser fährt als der Konkurrent, der sich an Recht und Gesetz hält.

Betriebsratsgründer brauchen mehr Schutz

Wer mehr Betriebsräte in Deutschland will, der muss die an der Betriebsratsgründung beteiligten Beschäftigten besser schützen. Dafür bedarf es verschiedener Änderungen:

  1. Der bestehende Schutz der am Gründungsprozess beteiligten Arbeitnehmer vor ordentlicher Kündigung läuft leer. Arbeitgeber, die Betriebsratsgründungen verhindern wollen, werden die betroffenen Arbeitnehmer immer außerordentlich und fristlos kündigen. Ansonsten hätten die Beschäftigten noch Zeit, während ihrer laufenden Kündigungsfrist die Betriebsratsgründung weiter zu betreiben. Das Kündigungsschutzgesetz muss im Sinne der Arbeitnehmer, die eine Gründung im Betrieb angehen, geändert werden: Der Ausspruch der außerordentlichen Kündigung darf ihnen gegenüber nur dann zulässig sein, wenn zuvor die Zustimmung des Betriebsrats oder die Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht vorliegt; sie sind dann genauso vor Kündigung geschützt wie es Betriebsratsmitglieder derzeit schon sind.
  2. Prozessrechtlich muss es durchsetzbar sein, dass bei nichtigen Kündigungen, die im Zusammenhang mit der Betriebsratsgründung oder Betriebsratswahl stehen, die Weiterbeschäftigung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erstritten werden kann. Anders lassen sich Betriebsratsgründung und Betriebsratswahlen gegen Union Busting gar nicht absichern.
  3. Es muss ein ausdrückliches Neutralitätsgebot für den Arbeitgeber in die Betriebsverfassung aufgenommen werden. Nicht selten verzerren Arbeitgeber die Wahl, indem sie nur einzelnen Listen ihre Ressourcen zur Verfügung stellen.
  4. Die sachgrundlose Befristung darf gar nicht mehr zulässig sein; mindestens müssen Betriebsratsmitglied aber vor dem Auslaufen ihrer Arbeitsverträge geschützt werden.

Management zieht vor das LAG

Immerhin: Das Arbeitsgericht Berlin lehnte am 17.11.2021 die Anträge des Lieferdienstes Gorillas auf Abbruch der Betriebsratsgründung ab. Doch das Gorillas Management zieht in die nächste Instanz. Und die ist dieses Mal erstaunlich wendig: Während Beschäftigte oft Monate auf den nächsten Verhandlungstermin waren, ist die Verhandlung am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg extrem kurzfristig angesetzt.

Bei Muhammad ist Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin bezüglich seiner einstweiligen Beschäftigung eingelegt. Hoffentlich wird bald vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg anders entschieden. Sodass Muhammad wieder bei den Gorillas als Rider beschäftigt wird – vielleicht auch als Mitglied des neu gewählten Betriebsrats.


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