Protest polizeilich verboten. »Zahltag« Wuppertal gegen JobCenter-Schikanen durchsetzen!
Der überregional bekannte Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. ruft für den 1. September 2014 in Wuppertal unter dem Motto „Zahltag“ zu Protesten im und um das JobCenter Wuppertal auf (mehr dazu hier). Die Behörde ist nach Angaben der Veranstalter seit längerer Zeit dafür bekannt, mit den Antragsberechtigten „übel“ umzugehen.
„Unser Protest richtet sich gegen die Entrechtung in den Jobcentern, die langen Bearbeitungszeiten, die Unterlagenverluste, zu geringe Unterkunftskosten und perspektivisch gegen die unter dem verharmlosenden Titel ‚Rechtsvereinfachungsgesetz‘ geplanten Gesetzesänderung mit dem Ziel, Rechte von Erwerbslosen empfindlich einzuschränken“, so Harald Thomé von Tacheles e.V. (Der Aufruf zum Zahltag-Protest findet sich als PDF hier.)
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gilt auch auf ‚privatem‘ Boden
Zahltag-Proteste am Monatsanfang finden bundesweit regelmäßig statt – seit 2007 z. B. in Köln (siehe Berichte KEAs e.V.). Jetzt will die Polizei den Aktionstag mit einer dreist anmutenden Rechtskonstruktion verbieten lassen. Sie begründet (laut Portal gegen-hartz.de) ihr Verbot damit, das JobCenter würde auf einem privaten Grundstück stehen. Sowohl der Grundstückseigentümer als auch dessen Untermieter – also der JobCenter-Chef – wollten keinen Protest auf ihrem Grund und Boden. Ob sich ein Gericht findet, das diese abenteuerliche Rechtsauslegung abnickt, darf getrost bezweifelt werden.
„Wir vertreten den Standpunkt, dass, wenn auf privaten Grundstücken ‚hoheitliches Handeln‘ und Publikumsverkehr stattfindet, dort auch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gilt“, so Harald Thomé von Tacheles e.V. Er begründet diese Auffassung mit dem „Fraport-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2011 (1 BvR 699/06 im Wortlaut). Der erste Senat hatte damals einer Initiative gegen Abschiebung Recht gegeben, die Versammlungsfreiheit im Frankfurter Flughafen einklagen wollte. Die Richter entschieden: An Orten des allgemeinen kommunikativen Verkehrs besteht Anspruch auf Versammlungsfreiheit, erklärt Thomé gegen über der Tageszeitung junge Welt (siehe unten). Wir schließen uns dieser Auffassung voll und ganz an.
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In diesem Sinne geht es beim Zahltag Wuppertal nicht nur um JobCenter-Schikanen und Hartz IV – was Grund genug wäre, am Protest teilzunehmen. Es geht auch auch um die Versammlungsfreiheit und den Versuch, Behörden schleichend zu privatisieren.
Zahltag Wuppertal
Zeit: Montag, 1. September 2014 | 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr
Ort: Jobcenter Wuppertal, Geschäftsstelle 7, Schwarzbach 105 (Wuppertal-Oberbarmen)
Hintergrund
Wir dokumentieren ein Interview von Gitta Düperthal mit Harald Thomé (Tacheles e.V.) aus der Tageszeitung junge Welt vom 27. August 2014.
Die Erwerbsloseninitiative Tacheles will am 1. September einen »Zahltag« vor einem Wuppertaler Jobcenter abhalten, damit Erwerbslose das ihnen zustehende und nicht ordnungsgemäß ausgezahlte Geld gemeinsam abholen können (siehe jW vom 26.8.). Nun hat die Polizei dies untersagt – was nun?
Zunächst der Stand der Dinge: Wir als Anmelder haben eine Untersagungsverfügung von der Polizei bekommen. Der Behördenleiter und der Grundstückseigentümer wünschten nicht, daß unser Protest auf dem privaten Grundstück stattfindet, wo sich das Jobcenter befindet. Wir werden eine Eilklage beim zuständigen Verwaltungsgericht in Düsseldorf dagegen einreichen und diese Entscheidung, die unser Versammlungsrecht einschränkt, prüfen lassen – nötigenfalls durch alle Instanzen.
Die Polizei meinte gegenüber junge Welt, Sie könnten auf der Straße demonstrieren, die sei öffentlich. Das wollen Sie nicht?
Nein, wir lassen uns nicht einfach auf die Straße versetzen. Zunächst ist es so: Im Versammlungsrecht muß gar keine Begründung angegeben werden, um
eine Versammlung abzuhalten: Es reicht zu sagen: »Wir wollen es machen!«
Das ist grundgesetzlich geschützt. Ich sehe mich nicht in der Pflicht, gegenüber der Polizei etwas zu rechtfertigen. Tatsächlich ist es so: Bei der Hartz-IV-Gesetzgebung gibt es eklatante Mißstände; insbesondere das Wuppertaler Jobcenter hat einen grottenschlechten Umgang mit seinen Kunden.
Deswegen wollen wir im Eingangsbereich des Jobcenters mit Transparenten demonstrieren »Sie verlassen den grundgesetzlichen Sektor – und landen
nunmehr im Jobcenter Wuppertal«. Das macht nur dort Sinn, nicht auf der Straße.
Wie begründen Sie Ihre Klage?
Immer mehr öffentliche Einrichtungen mieten sich auf privatem Gelände ein, auch das Jobcenter Wuppertal. Nun geht es um die Grundsatzentscheidung: Ist hier Privatrecht vorrangig oder das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit?
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem sogenannten »Fraport-Urteil« Maßstäbe gesetzt. Im Fall des Rhein-Main-Flughafens hat es 2011 dem Mitglied einer Initiative gegen Abschiebung Recht gegeben, das gegen die Flughafengesellschaft geklagt hatte, weil diese die Versammlungsfreiheit dort untersagen wollte. Die Richter entschieden: An Orten des allgemeinen kommunikativen Verkehrs besteht Anspruch auf Versammlungsfreiheit, wenn diese für die Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sind. Im Wuppertaler Jobcenter ist das der Fall.
Zum Anliegen des geplanten Protests am 1. September: Hebt sich das Wuppertaler Jobcenter durch besonders schikanöses Handeln hervor?
Ja, diese Geschäftsstelle ist wirklich mies: Der Umgangston übel, Unterlagen verschwinden ständig, viele Leute müssen auf Bearbeitung ihrer Anträge wochen- oder monatelang warten. Ganze Familien müssen mitunter ausharren, ohne das ihnen zustehende Geld von mehreren hundert Euro zu erhalten. Das volle Programm von Hartz-IV-Schikanen ist hier zu erleben.
Weshalb sorgt auch für Aufregung, daß die Bundesregierung sogenannte »Rechtsvereinfachungen im Zweiten Sozialgesetzbuch« beschließen will?
Im Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD) werden derzeit Verschärfungen der Sozialgesetzgebung diskutiert: Zu etwa 30 Prozent tatsächliche Verbesserungen, 70 Prozent sind problematisch: Zum Beispiel soll der Zuschlag für alleinerziehende Hartz-IV-Bezieher mit Kindern unter sieben Jahren von 140,76 Euro gestrichen werden. Begründung: Frauen würden nur Kinder gebären, um den Zuschlag zu kassieren. Solch ein Vorschlag, bei den Armen zu sparen, ist ein Bruch mit der Solidargemeinschaft.
Weiteres Beispiel: Statt die fehlerhafte Verwaltungspraxis der Jobcenter zu ändern, gibt es den Plan, das Widerspruchsrecht der Betroffenen einzuschränken. Es soll erst in Kraft treten, wenn der Kläger 20 Euro zahlt. Dabei muß man sehen: Unser Verein Tacheles in Wuppertal produziert etwa 80 Widersprüche pro Woche. Wer den Zwanziger nicht hat, kann sein Recht künftig nicht mehr geltend machen.
Nun sagen ungefähr 80 Erwerbsloseninitiativen bundesweit: Es reicht! Zwischen dem 22. September und 1. Oktober wird es dezentrale Proteste geben. Unsere Aktion am 1. September sehen wir bereits als einen ersten Aufschlag.
Wie man sich richtig auf einen Vermittlungsvorschlag mit Rechtsfolgenbelehrung vom Jobcenter bewirbt / Richtig bewerben mit perfekter Bewerbung nach DIN 5008
Sehr geehrte Damen und Herren,
soeben erhalte ich von meinem Jobcenter einen Stelleninformationsvorschlag mit dem Zwang per Rechtsfolgenbelehrung mich bei Ihnen bewerben zu müssen, damit ich keine Leistungskürzung per Sanktionsbescheid erhalte.
Hiermit entschuldige ich mich bei Ihnen für diese Unannehmlichkeit.
Bitte teilen Sie meiner Fallmanagerin und meinem Rechtsanwalt innerhalb von drei Werktagen mit, ob Sie von dieser angebotenen Form der Zwangsarbeit profitieren wollen oder nicht, damit ggfs. mein Rechtsanwalt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßbourg meine Rechte als freier Mensch gegenüber Ihrer Firma einfordern kann.
Ich weise Sie schon jetzt darauf hin, daß vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßbourg erhebliche Kosten entstehen können. Für die eventuelle Übernahme entsprechender Gerichts- und Anwaltskosten erkundigen Sie sich bitte bei Ihrem Jobcenter.
Die aktuellen Gebühren- und Kostensätze des EUGH entnehmen Sie bitte hier
Sollten Sie von dem o.g. Angebot keine Verwendung machen, so betrachten Sie bitte dieses Schreiben als gegenstandslos.
Mit freundlichen Grüßen
-Der Aufgewachte-
https://aufgewachter.wordpress.com/2015/04/27/wie-man-sich-richtig-auf-einen-vermittlungsvorschlag-mit-rechtsfolgenbelehrung-vom-jobcenter-bewirbt-richtig-bewerben-mit-perfekter-bewerbung-nach-din-5008/
Da sollte man eigentlich mit der Kamera „Kunden“ nach ihren Erlebnissen mit den Fallmanagern etc. befragen, und darum bitten dabei die Namen der Fallmanager zu nennen.
Auf Wunsch kann es ja verfremdet werden. Aber nicht die Namen der Mitarbeiter.
Solche Aktionen sind ja grundsätzlich gut, aber wirklich sehen tun es nur die Passanten etc..
Mehr Zuschauer hat man im Internet.
Und ganz besonders dann, wenn man etwas so provokantes bringt.
Storys mit den echten Namen der Fallmanager etc..
Und wenn dann versucht wird dagegen rechtlich vorzugehen (der filmende/fragende/Veröffentlichende kann ja anonym bleiben), ist das nicht schlimm, sondern gewünschte weitere „PR“.
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